TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/4 2000/01/0529

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Veröffentlicht am 04.04.2001
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
25/01 Strafprozess;
41/02 Staatsbürgerschaft;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §102 Abs4;
KFG 1967 §43 Abs4 litb;
KFG 1967 §99 Abs5;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StGB §42 Abs1;
StPO 1975 §90;
StVO 1960 §11 Abs2;
StVO 1960 §16 Abs1 litc;
StVO 1960 §16 Abs2 lita;
StVO 1960 §38 Abs1 litc;
StVO 1960 §92 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des R R in B, vertreten durch Dr. Ingrid Türk, Rechtsanwältin in 9900 Lienz, Johannesplatz 7, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 2. November 2000, Zl. 1W-PERS-1046/4-2000, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. November 2000 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 16. Jänner 1997 auf Verleihung der Staatsbürgerschaft mangels Vorliegens der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 - StbG, ab. Die belangte Behörde stellte fest, dass der Einbürgerungswerber ägyptischer Staatsbürger sei, sich seit April 1985 im Bundesgebiet befinde, derzeit in 9546 Bad Kleinkirchheim lebe und als Pizzakoch beschäftigt sei. Nachstehende Verwaltungsstrafen seien vorgemerkt:

"Zahl 4184/91 Strafverfügung vom 09.04.1991 § 16 Abs. 2 lit. a StVO S 750,-- RK EFS 18 Stunden;

Zahl 8723/91 Strafverfügung vom 19.8.1991 § 38 Abs. 1 lit. c StVO S 300,-- RK EFS 8 Stunden;

Zahl 4748/93 Strafverfügung vom 03.08.1993 § 16 Abs. 1 lit. c StVO S 1.000,-- RK EFS 34 Stunden;

Zahl 4748/93 Strafverfügung vom 03.08.1993 § 11 Abs. 2 StVO S 300,-

- RK EFS 16 Stunden;

Zahl 8794/93 Strafverfügung vom 03.08.1993 § 102 Abs. 4 KFG S 500,-

- RK EFS 17 Stunden;

Zahl 8749/93 Strafverfügung vom 03.08.1993 § 99 Abs. 5 KFG S 500,-- RK EFS 17 Stunden;

Zahl 5670/93 Strafverfügung vom 07.09.1993 § 12 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 Parkgeb. S 300,-- EFS 9 Stunden.

Zahl V-712/95 Strafverfügung vom 09.03.1995 § 43/4/b KFG 300,--;

Zahl V-1258/95 Straferkenntnis des UVS Innsbruck vom 19.09.1996 § 92/1 i.V.m. 99/4/6 StVO 2x S 500,--;"

Weiters sei eine Strafanzeige des Gendarmeriepostens Bad Kleinkirchheim vom 20. November 1996 wegen Körperverletzung vom Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Spittal an der Drau gemäß § 90 Abs. 1 StPO iVm § 42 Abs. 1 StGB "eingestellt" worden.

Nach Ansicht der belangten Behörde schlössen insgesamt neun verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes die geforderte Verlässlichkeit aus. Es sei erwiesen, dass im Hinblick auf derartige Vorschriften eine auffallende Sorglosigkeit an den Tag gelegt worden sei. Nur das Faktum der tatsächlichen Übertretungen und die Bestrafung zählten, während die Umstände, die zur Ahndung der Übertretungen geführt hätten, unerheblich seien. In Verbindung mit der Strafanzeige habe sich bei der Beurteilung des Persönlichkeitsbildes der Eindruck ergeben, dass der Antragsteller keine ausreichende Gewähr dafür biete, dass er sich in Zukunft an wesentliche zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit und die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassenen Vorschriften halten werde.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Es ist ausschließlich strittig, ob der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG erfüllt. Nach dieser Bestimmung kann die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet. Dabei handelt es sich um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung; bei der Beurteilung, ob sie vorliegt, ist der Behörde kein Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Dezember 1997, Zl. 96/01/1138).

Bei der Klärung der Frage, ob diese Voraussetzung gegeben ist, ist vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers auszugehen. Dieses ist wesentlich durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern es ist lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachten (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Juli 2000, Zl. 99/01/0331).

Während die belangte Behörde ihrer negativen Prognose undifferenziert sämtliche Straftaten zu Grunde legte, fordert der Beschwerdeführer eine Unterscheidung schon nach den verschiedenen Zeitpunkten ihrer Begehung und nach ihrer unterschiedlichen Gewichtung. Dem ist insofern beizupflichten, als Taten grundsätzlich dann weniger Gewicht haben, wenn sie weiter zurückliegen (vgl. das Erkenntnis vom 7. September 2000, Zl. 2000/01/0117). Dabei ist auch der Zeitraum des Wohlverhaltens nach einer Straftat zu beachten.

Geht man nach der festgestellten Aktenzahl (V-1258/95) davon aus, dass die letzte Übertretung der Straßenverkehrsordnung rund fünf Jahre vor Erlassung des bekämpften Bescheides begangen wurde, genügt der Hinweis der belangten Behörde auf "insgesamt neun verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen" zur Begründung ihrer negativen Prognose nicht. Liegen nämlich die Verstöße gegen die der Sicherheit des Straßenverkehrs dienenden Vorschriften fünf oder mehr Jahre zurück (und weisen diese überwiegend nur einen geringen Unrechtsgehalt auf) wäre es Aufgabe der Behörde gewesen, anzuführen, warum sie trotz dieses bereits über einen längeren Zeitraum andauernden Wohlverhaltens zu der in der Bescheidbegründung wiedergegebenen Schlussfolgerung gekommen ist (vgl. das Erkenntnis vom 4. März 1987, Zl. 86/01/0200).

Die belangte Behörde hat sich bei ihrer Einschätzung weder auf eine besondere Schwere der Verwaltungsübertretungen noch auf besonders gefährliche Umstände gestützt. Nach der in diesem Punkt unwidersprochen gebliebenen Stellungnahme des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren betrafen die beiden zuletzt begangenen Verwaltungsübertretungen die Verursachung eines Ölfleckes in der Größe einer DIN-A 4 Seite sowie das Unterlassen der sofortigen Ummeldung eines Fahrzeuges nach Verlegung des Wohnsitzes von Obervellach nach Lienz. Die mit Strafverfügungen vom selben Tag (3. August 1997) geahndeten insgesamt vier Verwaltungsübertretungen betrafen zwar durchaus ins Gewicht fallende Taten (Missachtung eines Überholverbotes;

Fahrtrichtungsänderung oder Fahrstreifenwechsel, ohne den Blinker zu betätigen; Missachtung umweltschutzrechtlicher Vorschriften sowie Fehlverhalten bezüglich Beleuchtung des Fahrzeuges), allerdings sind dann bis zur Bescheiderlassung durch die belangte Behörde mehr als sieben Jahre vergangen. Das selbe gilt für das unmittelbar darauf bestrafte Parkvergehen (Strafverfügung vom 7. September 1993), womit fünf der neun von der belangten Behörde beurteilten Vergehen innerhalb eines kurzen Zeitraumes begangen worden sind, sodass von einer gewissen Regelmäßigkeit und ständigen Wiederholung der Delikte nicht gesprochen werden kann. Die schon neun Jahre zurückliegenden weiteren Übertretungen der Straßenverkehrsordnung betrafen die Missachtung eines Überholverbotes sowie eines gelben, nicht blinkenden Lichtes an einer Kreuzung.

Insgesamt indizieren somit weder die Schwere der Verwaltungsübertretungen noch ein naher zeitlicher Zusammenhang zur Antragstellung bzw. Bescheiderlassung die von der belangten Behörde getroffene negative Prognose.

Der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Körperverletzung, die ebenfalls in die Beurteilung der belangten Behörde eingeflossen ist, liegt ein Streit zwischen dem damals in der Küche eines Restaurants tätigen Beschwerdeführer und einem Kellnerlehrling zu Grunde, in dessen Folge beide leicht verletzt wurden. Die den Beschwerdeführer betreffende Anzeige wurde gemäß § 90 StPO, somit weil der Staatsanwalt keinen Grund zur weiteren Verfolgung fand, zurückgelegt. Die Anführung von § 42 Abs. 1 StGB deutet darauf hin, dass die Einstellung mangels Strafwürdigkeit der Tat erfolgte.

Der Beschwerdeführer lebt seit rund 15 Jahren ununterbrochen in Österreich und geht einer Beschäftigung nach. Vor dem Hintergrund dieser verhältnismäßig langen Aufenthaltsdauer, des die Verwaltungsübertretungen betreffenden fünfjährigen Wohlverhaltens und der nicht weiter verfolgten, vier Jahre zurückliegenden (leichten) Körperverletzung kann der Ansicht der belangten Behörde nicht beigetreten werden, dass die Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht vorliege. Dem Beschwerdeführer könnte unter den Umständen des Beschwerdefalles nur dann eine negative Prognose im Sinn dieser Bestimmung erstellt werden, wenn aus besonderen Gründen ersichtlich wäre, dass er ungeachtet seines längeren Wohlverhaltens bzw. der nicht gravierenden Taten zur Begehung von weiteren Straftaten neige. Anhaltspunkte dafür ergeben sich jedoch aus den Feststellungen der belangten Behörde nicht. Daher war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. April 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000010529.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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