TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/18 A11 308045-2/2008

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Veröffentlicht am 18.09.2008
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Spruch

A11 308.045-2/2008/3E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des E.K., geb. 00.00.1989 alias 00.00.1980 alias 00.00.1961, StA. von Nigeria, vertreten durch Dr. Michael Velik, RA, Alserstraße 32//2/15, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.8.2008, Zahl 08 07.165-EAST Ost, gemäß zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gem. § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste eigenen Angaben zufolge am 27.05.2006 illegal in das Bundesgebiet ein, wo er am 29.05.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht hat. Er wurde weiters am selben Tag vor der Polizeiinspektion Traiskirchen, EAST Ost, durch Organe des öffentliches Sicherheitsdienstes sowie am 01.06.2006 und am 08.11.2006 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

 

Zusammenfassend gab der Asylwerber erstinstanzlich an, sein Vater sei Politiker und Vorsitzender einer Teilorganisation der Partei ANPP. Er habe seine Heimat verlassen, da eines Nachts unbekannte Personen in das Haus seines Vaters eingedrungen seien und diesen geschlagen hätten. Er selbst sei aus dem Fenster gesprungen und geflüchtet. Er habe später einen Freund getroffen, der ihm erzählt habe, dass die unbekannten Personen nach ihm suchen würden. Daraufhin sei er geflüchtet.

 

Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 13.11.2006, Zahl: 06 05.723-BAT, den Antrag auf internationalen Schutz des Asylwerbers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und ihm den Status eines Asylberechtigten sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt. Unter einem wurde der Asylwerber gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Begründend wurde unter Darlegung näherer Erwägungen ausgeführt, dass das Vorbringen des Asylwerbers unglaubwürdig sei.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht berufen.

 

In der Folge wurde am 29.1.2008 vor dem unabhängigen Bundesasylsenat eine öffentliche mündliche Verhandlung gem. § 67 d AVG durchgeführt, um dem Asylwerber Gelegenheit zu bieten, sein Vorbringen konkreter und detaillierter darzutun und allenfalls seine Angaben glaubwürdig darzulegen. Das Bundesasylamt ließ sich zu gegenständlicher Berufungsverhandlung mit Schreiben vom 07.12.2007 entschuldigen.

 

Bei dieser Berufungsverhandlung gelangte das entscheidende Senatsmitglied vollends zur Überzeugung, dass die vom Asylwerber ins Treffen geführte Fluchtgeschichte nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, demgemäß wurde die Berufung des Asylwerbers mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.2.2008, Zl. 308.045-C1/7E-III/07/06, gem. §§ 3, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs.1 Z 2 AsylG 2005 abgewiesen.

 

Zur mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens führte der unabhängige Bundesasylsenat u.a. nachstehende Erwägungen aus:

 

"Eine Aussage ist grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren, wenn das Vorbringen des Asylwerbers hinreichend substantiiert ist; er sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. seine Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen. Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Asylwerber den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Antragsteller nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

 

Diesen Anforderungen werden die Angaben des Asylwerbers nicht gerecht:

 

So behauptete er bei der Einvernahme am 8.11.2006, dass er seinen Vater lediglich unter dem Familiennamen E. kenne, den vollständigen Namen könne er nicht angeben (AS 95 des VdB), auch eine genaue Beschreibung seines Wohnortes während seines - laut eigenen Angaben 8-jährigen Aufenthaltes beim Vater(!) - sei ihm nicht möglich. Verwunderlich und wohl ein weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens, gab der Berufungswerber wenig später in derselben Einvernahme an, dass "er den vollen Namen einmal gewusst aber mittlerweile wieder vergessen habe" (AS 97 des VdB). Es ist nach menschlichem Ermessen nicht vorstellbar, dass eine Person, die 8 Jahre mit ihrem leiblichen Vater zusammenlebt, nicht wissen sollte, wie diese mit vollständigem Namen heißt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass er zwar den Namen der politischen Partei, der sein Vater angehört haben soll, nennen konnte (AS 43 des VdB), jedoch an der simplen Wiedergabe des vollständigen Namen des Vaters scheiterte.

 

In diesem Zusammenhang fällt weiters auf, dass der Asylwerber auf Nachfrage in der Berufungsverhandlung, wie er seinen Vater angesprochen habe, "Daddy" antwortete, jedoch - auf Vorhalt, dass in der Berufungsschrift ausdrücklich ausgeführt wurde, er habe ihn immer mit "Sir" angesprochen -, letztendlich angab "Ja, Sir Daddy"(!) (Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 29.1.2008). Diese Erklärung vermag jedoch nicht zu überzeugen und erscheint als bloße Ausrede, da überhaupt nicht nachvollziehbar ist, warum der Asylwerber aus eigenem diesbezüglich 2 verschiedene Versionen erstattet hat. Zudem erscheint die Anrede "Sir Daddy" auch sehr lebensfremd, da "Sir" ein sehr distanziertes Verhältnis indiziert, "Daddy" hingegen eine familiär-liebevolle Beziehung nahelegt. Die Kombination von Sir und Daddy wirkt demgemäß geradezu absurd.

 

Weiters fällt als gravierender Widerspruch auf, dass er bei der Einvernahme am 1.6.2006 vorbrachte, dass er 5 Jahre alt gewesen sei, als seine Mutter verstorben sei und er danach 5 Jahre bei der Schwester seiner Mutter gewohnt habe (AS 41 des VdB), während er hingegen bei der niederschriftlichen Einvernahme am 8.11.2006 angab, dass er 4 Jahre alt gewesen sei als seine Mutter verstarb und er auch nicht wisse woran sie gestorben sei. Danach habe er 4 Jahre bei der Schwester seiner verstorbenen Mutter gewohnt (AS 95 des VdB). Auf Nachfrage, wie denn die Schwester der Mutter heiße, gab er zu Protokoll, dass er dies nicht wisse(!), die andern Kinder hätten "Mummy" zu ihr gesagt (AS 95 des VdB). Nach entsprechendem Vorhalt in der Berufungsverhandlung, dass es äußert unglaubwürdig erscheine, dass man - laut eigenen Angaben - seit seinem 5. Lebensjahr bei der Schwester seiner verstorbenen Mutter wohne und deren "richtigen" Namen nicht kenne, führte der Berufungswerber lediglich aus, "ihre eigenen Kinder nannten sie "Mummy", sollte ich sie wirklich mit ihrem richtigen Namen ansprechen"? (Seite 4 des Verhandlungsprotokolls vom 29.1.2008).

 

Es ist erneut - ähnlich wie schon beim Namen seines Vaters - nicht vorstellbar, dass eine Person angeblich bis zu einem Alter von etwa 9 Jahren bei der Schwester der Mutter wohnt, ohne nicht geradezu zwangsläufig deren Namen zu erfahren.

 

Überhaupt fällt auf, dass sich der Asylwerber bei konkretem Nachfragen nach Details, die ihm nach menschlichem Ermessen zusinnbar wären, wie etwa der Name des Ortes, wo er bei der Schwester seine Mutter gelebt hatte bzw. den Namen und die Adresse des Ortes - wo er laut eigenen Angaben 8 Jahre (!) - mit seinem Vater gelebt hatte, sowie den Namen und die Adresse des Freundes, bei dem er sich versteckt hielt, auf Nichtwissen zurückzog (Seite 3 des Verhandlungsprotokolls vom 29.1.2008). Es erscheint nicht glaubhaft, dass sich eine Person, jeweils mehrere Jahre bei der Schwester der verstorbenen Mutter sowie beim leiblichen Vater aufhält, ohne deren genaue Namen und Adressen des Ortes zu kennen bzw. zu erfahren. Vielmehr entsteht der massive Eindruck, dass der Berufungswerber sich bloß auf Nichtwissen zurückzog, da er sich - wie erstinstanzlich - bloß eine äußerst oberflächliche Rahmengeschichte zurecht gelegt hat und überfordert war, ad hoc Details hinsichtlich der angeblich erlebten Umstände zu erfinden.

 

In weiterer Folge erstattete der Asylwerber widersprüchliche Angaben hinsichtlich der mit ihm und seinem Vater in dessen Haus lebenden Frauen, so gab er erstinstanzlich am 1.6.2006 zu Protokoll, dass er mit seinem Vater und einer Frau in dessen Haus gelebt habe (AS 43 des VdB), während er hingegen bei der Einvernahme am 8.11.2006 behauptete, er habe mit seinem Vater und zwei Frauen zusammengelebt, wisse jedoch nicht, wer diese beiden Frauen gewesen seien (AS 97 und 99 des VdB). Es liegt auf der Hand, dass diese unterschiedlichen Versionen seines Vorbringens nicht miteinander in Einklang zu bringen sind, besonders im Hinblick darauf, dass er selbst - innerhalb eines zeitlichen Konnexes von 5 Monaten - sein Vorbringen nicht stimmig reproduzieren konnte.

 

Weiters wird die Unglaubwürdigkeit der gesamten Angaben des Asylwerbers dadurch verdeutlicht, dass dieser zunächst, während der Einvernahme am 29.5.2006 behauptete, dass er, nachdem unbekannte Personen in das Haus seines Vaters eingedrungen seien, durch einen Sprung aus dem Fenster zu einem Freund geflüchtet sei und dass dieser gehört hätte, dass auch er - der Sohn seines Vaters - gesucht werden würde (AS 13 des VdB), während er hingegen bei der späteren Einvernahme behauptete, dass diese Unbekannten sofort nach ihm geschrieen hätten "wo ist der Sohn"? (AS 97 des VdB). Auf diesen, auch vom Bundesasylamt aufgegriffenen Widerspruch gab der Asylwerber nach entsprechendem Vorhalt in der Berufungsverhandlung zu Protokoll, "er habe nur gesagt, dass er seinen Freund getroffen habe, er sei nicht gefragt worden, was dieser ihm erzählt habe (Seite 5 des Verhandlungsprotokolls vom 29.1.2008). Es wird wiederum einmal mehr deutlich, dass seine gesamten Angaben eine frei erfundene Rahmengeschichte ohne Wahrheitsgehalt darstellen, er zwar versucht, eine konkrete Bedrohungssituation zu schildern, ihm jedoch in der Wiederholung seines Vorbringens die Wiedergabe seiner Fluchtgeschichte nicht gelingt.

 

Insgesamt entsteht der Eindruck, dass der Asylwerber keine tatsächlich erlebten Geschehnisse zu Protokoll gegeben, sondern lediglich ein oberflächliches und äußerst vages Rahmenkonstrukt vorgebracht hat, deren Details er nicht stimmig reproduzieren konnte.

 

Bei einer Abwägung jener Gründe, die für die Glaubwürdigkeit der ins Treffen geführten Geschichte sprechen - dies ist im Wesentlichen lediglich die Behauptung des Asylwerbers, dass er wahrheitsgemäße Angaben erstattete - und jener Argumente, die gegen die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens sprechen, überwiegen die zuletzt Genannten in Anbetracht obiger Erwägungen bei Weitem, sodass es dem Asylwerber insgesamt betrachtet nicht gelungen ist, sein gesamtes Vorbringen zur behaupteten Bedrohungssituation glaubhaft zu machen."

 

Am 29.7.2008 (eingebracht am 13.8.2008) stellte der Asylwerber, der zwischenzeitig das Bundesgebiet nicht verlassen hat, jedoch anlässlich seiner versuchten Ausreise (nach Madrid) am Flughafen Wien Schwechat am 28.7.2008 wegen des Gebrauches fremder Ausweise festgenommen worden war, den nunmehr zweiten Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen im Rahmen seiner Erstbefragung damit, dass seine alten Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien; neu sei, dass er erst unlängst davon informiert worden sei, dass sein Vater verstorben sei, andere Gründe gebe es nicht (vgl. AS 25, 27).

 

Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 27.8.2008 antwortete der Asylwerber auf die Frage, ob sich an seinen Fluchtgründen aus dem Erstverfahren etwas geändert oder sich ein neuer Sachverhalt ergeben habe, ausdrücklich: "Ich habe dieselben Gründe wie beim Erstantrag. Es hat sich nichts geändert" (AS 63).

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.8.2008, Zl. 08 07165-EAST Ost, wurde dieser zweite Asylantrag gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Asylwerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

 

Gegen diese Entscheidung erhob der Asylwerber fristgerecht Beschwerde und machte hierbei im Wesentlichen geltend, dass er von einer Tante mütterlicherseits telefonisch erfahren habe, dass sein Vater offenbar von Angehörigen der ANPP-Partei getötet worden sei und diese Personen, die auch in gutem Kontakt zu den Sicherheitsbehörden stünden, auch den Asylwerber erneut gesucht hätten und ihn bedrohen würden.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

1.) Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit c AsylG hat daher der Asylgerichtshof gegenständliches Verfahren durch Einzelrichter zu entscheiden.

 

"Prozessgegenstand" der Berufungsentscheidung ist die Verwaltungssache, die zunächst der Behörde erster Rechtsstufe vorlag. Hat die Unterbehörde nur prozessual entschieden, dann darf die Berufungsbehörde nicht in merito entscheiden (VwGH 18.01.1990, 89/09/0093). Hat die Unterbehörde in ihrem Bescheid über den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens gar nicht abgesprochen, sondern lediglich eine verfahrensrechtliche Entscheidung (hier:

Zurückweisung eines Antrages wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG) getroffen, dann ist es der Berufungsbehörde verwehrt, erstmals - unter Übergehen einer Instanz - den eigentlichen Verfahrensgegenstand einer meritorischen Erledigung zuzuführen. Vielmehr bildet in solchen Fällen nur die betreffende verfahrensrechtliche Frage (hier: Frage der Rechtmäßigkeit der auf § 68 Abs. 1 AVG gestützten Zurückweisung des Antrages) die in Betracht kommende Sache des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG.

 

Entschiedene Sache liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn sich gegenüber dem früherem Bescheid weder die Rechtslage noch der Sachverhalt

 

wesentlich geändert haben (VwGH vom 21.03.1985, 83/06/0023, VwGH vom 16.4.1985, 84/05/0191; Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes 5, 621 mit weiteren Hinweisen).Von einer Identität der Sache kann nur gesprochen werden, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und andererseits sich

 

das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH vom 30.1.1968, 908/67, VwGH vom 17.2.1981, 1087/80, VwGH vom 23.10.1986, 86/02/0117; Hauer-Leukauf, a.a.O.)

 

Verschiedene Sachen im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dagegen vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren (abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) abweicht (VwGH 10.06.1998, Zahl: 96/20/0266). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und ist in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten, so steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides dem neuerlichen Antrag entgegen.

 

Es kann jedoch nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (VwGH 24.03.1993, Zahl: 92/12/0149). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.

 

Generell ist zur Glaubwürdigkeit von Angaben und Behauptungen im Asylverfahren auszuführen, dass diese grundsätzlich nur dann als glaubhaft qualifiziert werden können, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Asylwerber sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. seine Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen.

 

Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Asylwerber den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Antragsteller nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

 

Ein "glaubhafter Kern" im Sinne des oben Gesagten liegt sohin nicht schon dann vor, wenn Neuerungen bloß lapidar in den Raum gestellt werden, sondern muss das neue Vorbringen eine gewisse Dichte an Sachverhaltssubstrat aufweisen, insbesondere etwa eine ausreichende Detailliertheit in der Darlegung der neuen Umstände, sodass der neu behauptete Sachverhalt als stimmiges Ganzes konkret nachvollzogen werden kann.

 

Zunächst ist auszuführen, dass der Asylwerber bei seinen niederschriftlichen Einvernahmen als neuen Sachverhalt lediglich lapidar behauptet hat, dass (mittlerweile) sein Vater verstorben sei. Mit dieser knappen Behauptung hat er angesichts seines vormaligen, völlig unglaubwürdigen Vorbringens im ersten Asylverfahren jedoch in keinster Weise einen "glaubhaften Kern" einer neuen Bedrohungssituation dargetan.

 

Vielmehr hat er wiederholt geltend gemacht, dass seine "alten" Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien und hat damit insgesamt ein Bedrohungsszenario geltend macht, welches auf seinem bereits im ersten Verfahren erstattetem Vorbringen aufbaut. Der Asylwerber begehrt sohin im vorliegenden Fall die Auseinandersetzung mit seinen bereits im ersten, rechtskräftig beendeten Asylverfahren geltend gemachten - und damals bereits für unglaubwürdig befundenen - Fluchtgründen. Durch den Grundsatz "ne bis in idem" soll jedoch gerade eine solche nochmalige Auseinandersetzung mit einer bereits entschiedenen Sache, abgesehen von den Fällen der §§ 68 Abs. 2 und 4, 69 und 71 AVG nicht erfolgen.

 

Soweit der Asylwerber in seiner Beschwerde behauptet, dass Parteianhänger der ANPP für den Tod seines Vaters verantwortlich seien, und diese Personen auch nach ihm (dem Asylwerber) gesucht hätten und ihn bedrohen würden, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass er gefordert gewesen wäre, diese Angaben bereits erstinstanzlich geltend zu machen, da die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages auf Grund geänderten Sachverhaltes ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen dürfte, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige (individuelle, bei der Behörde nicht notorischen) Gründe nicht neu vorgebracht werden.

 

Doch selbst bei Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens wäre für den Antragsteller nichts zu gewinnen: Letztlich erweisen sich auch die in der Beschwerde behaupteten Neuerungen, als viel zu unkonkret und vage, als dass ein glaubhafter Kern eines neuen Vorbringens vorliegen würde. Die Angaben erschöpfen sich in nur wenigen Sätzen und stellen überdies im Wesentlichen bloße Mutmaßungen (wie etwa die Verantwortlichkeit bezüglich des Todes des Vaters) dar, die dem Asylwerber noch dazu angeblich nur telefonisch von einer Verwandten mitgeteilt worden sein sollen. Damit ist die für einen glaubhaften Kern eines Vorbringens geforderte Dichte an Sachverhaltssubstrat bei Weitem nicht gegeben.

 

Im Zusammenhalt mit dem Umstand, dass die Angaben des Asylwerbers im ersten Asylverfahren als nicht glaubwürdig qualifiziert wurden, kann somit mangels eines glaubhaften Kerns der nunmehrigen Behauptungen insgesamt betrachtet kein neuer Sachverhalt erkannt werden, sodass das Bundesasylamt den neuerlichen Asylantrag zu Recht wegen entschiedener Sache zurück gewiesen hat.

 

2.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Das Asylverfahren ist, wie sich aus dem vorangehenden Entscheidungsteil ergibt, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Es liegt kein Aufenthaltstitel, wonach ein rechtmäßiger Aufenthalt nach dem Asylgesetz gegeben ist, vor. Es liegt auch kein sonstiger Aufenthaltstitel vor und ergibt sich somit der rechtswidrige Aufenthalt des Fremden. Zur Beendigung dieses rechtswidrigen Aufenthaltes ist daher grundsätzlich eine Ausweisung geboten. Bei der Setzung einer solchen Aufenthalts beendenden Maßnahme kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK). Da der Asylwerber das Bestehen derartiger verwandtschaftlicher Verhältnisse in Österreich verneint hat (keine Bezugspersonen AS 23; keine Familienangehörigen AS 25), ist im Falle seiner Ausweisung nicht von einem unzulässigen Eingriff in sein Familienleben auszugehen.

 

Der durch die normierte Ausweisung des Asylwerbers aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in sein Privatleben ist weiters durch ein deutliches Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu seinem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt:

 

Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war nur ein vorläufiger und überdies lediglich aufgrund völlig zu Unrecht gestellter Asylanträge bedingt, sodass das Gewicht seines ohnehin als noch nicht besonders lange zu qualifizierenden Aufenthaltes in Österreich (weniger als 2 1/2 Jahre) noch weiter gemindert ist. Weiters ist der Asylwerber in Österreich unter mehreren Alias-Identitäten in Erscheinung getreten. Dem entgegen stehende Umstände, die eine besondere Integration des Asylwerbers nahe legen könnten, sind - auch unter Bedachtnahme auf geringfügige Sprachkenntnisse und eine Mitgliedschaft beim roten Kreuz samt Spende von 5,- Euro pro Jahr (AS 65) - nicht ersichtlich, sodass bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung der mit seiner Ausweisung verbundene Eingriff in sein Privatleben zulässig ist.

 

Soweit der Asylwerber in der Beschwerde geltend macht, dass er in der Englischen Sprache nur eine mangelhafte Sprachkapazität aufweise und er in seiner Muttersprache Edo hätte einvernommen werden müssen, ist ihm entgegenzuhalten, dass der entscheidende Richter des Asylgerichtshofes bereits als vormaliges Mitglied des unabhängigen Bundesasylsenates im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 29.1.2008 sich aus eigenem davon überzeugen konnte, dass der Antragsteller sehr wohl in der Lage ist, sich in der Englischen Sprache in ausreichendem Ausmaß zu artikulieren, was auch aus der damaligen Niederschrift und dem daraus ersichtlichen Frage-Antwort-Duktus erkennbar ist.

 

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass im Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Gewährung von Verfahrenshilfe gesetzlich nicht vorgesehen ist. § 23 AsylGHG verweist nicht wie der Beschwerdeführer vermeint auf §§ 61, 69 VwGG sondern auf die im II. Abschnitt, 3. Unterabschnitt, des VwGG normierten besonderen Bestimmungen in Verfahren über Grundsatzentscheidungen des Asylgerichtshofes gem. Art. 132a Abs. 1 B-VG.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Identität, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
31.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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