TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/18 D9 248297-0/2008

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Veröffentlicht am 18.09.2008
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Spruch

D9 248297-0/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Vorsitzenden und den Richter DDr. Gerhold als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Thurner über die Beschwerde der F.S., geb. 00.00.1980, StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. März 2004, FZ. 03 31.439-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51 in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

Die (nunmehrige) Beschwerdeführerin gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet und brachte am 13. Oktober 2003 verfahrensgegenständlichen Asylantrag ein.

 

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen vor der belangten Behörde am 24. Oktober 2003 und 26. Feber 2004 wurde die Beschwerdeführerin über ihren Reiseweg in das österreichische Bundesgebiet und die Vorkommnisse in Bezug auf den behaupteten Fluchtgrund befragt. Im Wesentlichen brachte die Beschwerdeführerin vor, auf Grund der Tätigkeit ihres Vaters als Fernsehjournalist und dessen Besitz von journalistischen Videoaufnahmen durch ihr unbekannte Männer in Zivil in der Zeit vom 00.00.2003 bis00.00.2003 mehrmals bedroht und misshandelt worden zu sein (Verwaltungsakt der belangten Behörde, Seite 17 bis 27, 35 bis 39).

 

Mit Bescheid vom 1. März 2004, FZ. 03 31.439-BAW, wies die belangte Behörde den Asylantrag der Beschwerdeführerin vom 13. Oktober 2003 unter Spruchpunkt I. gemäß § 7 Asylgesetz, BGBl I 1997/76 (AsylG) idgF, ab und erklärte mit Spruchpunkt II. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Georgien für zulässig.

 

Verfahrensgegenständlicher Bescheid wurde der Beschwerdeführerin durch eigenhändige Übernahme am 4. März 2004 zugestellt (Verwaltungsakt der belangten Behörde, Seite 103).

 

Mit Telefax vom 11. März 2004, eingelangt am selben Tag, erhob die Beschwerdeführerin Berufung (nunmehr: Beschwerde) und machte Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Rechtslage:

 

1. 1. Der Asylgerichtshof hat gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 (WV) in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, ab 1. Juli 2008 die beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, in der Fassung BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Bundesasylamtes über Anträge auf internationalen Schutz in Bescheidform. Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst ergehen in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

Der Asylgerichtshof entscheidet gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, in Verbindung mit § 61 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Auf die Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind gemäß § 23 AsylGHG, soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG 2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nichts anderes ergibt, die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG, BGBl. Nr. 51, hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzten und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren, das gemäß § 61 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat zu entscheiden ist.

 

1. 2. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 AsylG 2005 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002, geführt.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, werden Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 in der jeweils geltenden Fassung geführt.

 

Gegenständlicher Asylantrag wurde am 13. Oktober 2002 gestellt, weshalb auf das Beschwerdeverfahren die Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG 1997), in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, anzuwenden ist.

 

1. 3. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß § 66 Abs. 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis 21. 11. 2002, 2002/20/0315, welches nunmehr auch für den seit 1. Juli 2008 eingerichteten Asylgerichtshof von Relevanz ist, ausgeführt:

 

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. dazu unter dem besonderen Gesichtspunkt der Auslegung der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde im abgekürzten Berufungsverfahren nach § 32 AsylG die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 23. 07. 1998, Zl. 98/20/0175, Slg. Nr. 14.945/A, die mehrfach vergleichend auf § 66 Abs. 2 AVG Bezug nehmen; zu diesem Erkenntnis siehe auch Wiederin, ZUV 2000/1, 20 f).

 

Der Verwaltungsgerichthof hat im Erkenntnis vom 27. 04. 1989, Zl. 86/09/0012, Slg. Nr. 12.917/A, aus einer in den Verwaltungsvorschriften angeordneten zwingenden und ohne Ausnahme bestehenden Verpflichtung zur Durchführung einer Berufungsverhandlung trotz Fehlens einer ausdrücklichen Ausnahme hinsichtlich der Geltung des § 66 Abs. 2 AVG die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung in einem solchen Berufungsverfahren gefolgert. Das steht aber zu der hier - für das Verfahren vor der belangten Behörde - zu Grunde gelegten gegenteiligen Auffassung schon deshalb nicht im Widerspruch, weil eine derartige uneingeschränkte Verhandlungspflicht für den Unabhängigen Bundesasylsenat nicht besteht. (...) Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unvermeidlich erscheint. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. 03. 2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff "mündliche Verhandlung" im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."

 

Nach der grundsätzlichen Bejahung der Frage der Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG führte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. 11. 2002, Zl. 2002/20/0315, zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessensübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG Folgendes aus:

 

"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht..."

 

2. In der Sache:

 

2. 1. Gemäß Art. 129c Z 1 B-VG, BGBl. I Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, erkennt der Asylgerichtshof - und nicht mehr der Unabhängige Bundesasylsenat als "oberste Berufungsbehörde" - nach Erschöpfung des Instanzenzuges über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen. Der Asylgerichtshof sieht keinen Grund dafür, dass sich die o.a. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die neue Rechtslage übertragen ließe. Es ist weiterhin in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren vorgesehen. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag bzw. Antrag auf internationalen Schutz relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Unterbliebe ein umfassendes Ermittlungsverfahren in erster Instanz, würde nahezu das gesamte Verfahren vor die Berufungsbehörde verlagert werden, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, dass der Asylgerichtshof erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermitteln und beurteilen muss und damit seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst bei der letzten Instanz beginnen und zugleich enden (abgesehen von der mit BGBl. I Nr. 2/2008 geschaffenen Kontrolle des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art. 144a B-VG).

 

2. 2. Der Verwaltungsgerichtshof hat zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

 

Im hier zu beurteilenden Fall weist der angefochtene Bescheid sowohl Mängel im Bereich der Sachverhaltsermittlungen und -feststellungen als auch hinsichtlich der von der erstinstanzlichen Behörde durchgeführten Beweiswürdigung auf. Weiters ist das Verfahren mit wesentlichen Mängeln behaftet.

 

Die belangte Behörde geht in ihrer getroffenen Entscheidung von der Unglaubwürdigkeit des erstatteten Vorbringens aus und führt in ihrer Beweiswürdigung aus, dass sich die Beschwerdeführerin auf abstrakte und allgemein gehaltene Darlegungen stützte, ohne - trotz Nachfrage - konkrete oder detaillierte Angaben getätigt zu haben. So hätte die Beschwerdeführerin angegeben, dass ihr Vater ein Journalist gewesen sei, hätte jedoch auf mehrmalige konkrete Nachfrage nicht darlegen können, wo bzw. für wen dieser gearbeitet hätte. Die gesamten in diesem Zusammenhang getätigten Angaben seien abstrakt und allgemein gehalten gewesen und hätte die Beschwerdeführerin nicht einmal konkret den Arbeitsplatz des Vaters benennen können. Auch sei nicht logisch nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin nach Verschwinden ihres Vaters keinerlei Versuch unternommen hätte, seinen Verbleib zu eruieren. Auch von wem sie eigentlich verfolgt worden wäre, hätte die Beschwerdeführerin nicht darlegen können. Das gesamt Vorbringen bestünde nur aus einigen Schlagwörtern (Vater Journalist, Kassette mit unbekannten Inhalt) die bei konkreter Nachfrage immer allgemeiner und abstrakter wurden (Bescheid, Seite 24 bis 25).

 

Unter Zugrundelegung des Alters der Beschwerdeführerin und der gesellschaftlichen Situation im Herkunftsstaat erachtet es der Asylgerichtshof nicht denkunmöglich, dass Töchter in Bezug auf die berufliche Tätigkeit ihres Vaters - unbeschadet eines allfälligen grundsätzlichen Desinteresses - lediglich Grundkenntnisse darlegen können, ohne detaillierte Angaben über Dienstgeber, -ort bzw. gar einzelner inhaltlicher Projekte (zB Videoaufnahmen) erstatten zu können. Auch die "Hörigkeit" eines Kindes, über Aufforderung des Vaters von einer Anzeigenerstattung abzusehen ist im gegebenen Zusammenhang nicht im Vorhinein die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Der seitens der belangten Behörde kritisierten "Bemühungspflicht" der Beschwerdeführerin, nach dem Verschwinden ihres Vaters seinen weiteren Verbleib zu eruieren, ist zu entgegen, dass die Beschwerdeführerin hiezu angab, am "26. August brachte mich mein Onkel nach Tbilisi. Er selbst fuhr sehr oft nach K., um zu erfahren, ob mein Vater wieder aufgetaucht ist" (Verwaltungsakt der belangten Behörde, Seite 21).

 

Unbeschadet der Mitwirkungspflicht der Asylwerber/Asylwerberin hat es die Behörde unter Verstoß des Grundsatzes der Offizialmaxime unterlassen, von sich aus relevante Sachverhaltsermittlungen, wie beispielsweise Anfragen über die Existenz eines Fernsehjournalisten mit den seitens der Beschwerdeführerin angegebenen Personalien und dessen Aufgaben, Fernsehsendern und deren Sitze sowie grundsätzliche Erhebungen über die Medienfreiheit im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin durchzuführen. So sind den seitens der belangten Behörde dem Bescheid zu entnehmenden Länderfeststellungen (Bescheid, Seite 10 bis 24) diesbezüglich auch keinerlei Information zu entnehmen.

 

Die Erstbehörde ist ihren in § 28 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, normierten Ermittlungspflichten somit nicht ausreichend nachgekommen.

 

Im vorliegenden Fall ist der angefochtene Bescheid bzw. das diesem zugrunde liegende Verfahren mit so schwerer Mangelhaftigkeit belastet, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die aufgezeigte Mangelhaftigkeit ist wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass deren Vermeidung für die Beschwerdeführerin zu einem günstigeren Ergebnis hätte führen können. Die belangte Behörde hat es somit unterlassen, brauchbare Ermittlungsergebnisse in das Verfahren einzuführen. Sämtliche Erhebungen, welche grundsätzlich von der Erstbehörde durchzuführen sind, wären demnach durch den Asylgerichtshof zu tätigen; unter Berücksichtigung der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes und unter Effizienzgesichtspunkten verbietet sich eine Heranziehung des § 66 Abs. 3 AVG. Das Bundesasylamt wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit den o. a. Fragen auseinanderzusetzen haben, dementsprechende Ermittlungen zu führen und diese Ergebnisse unter anderem mit der Beschwerdeführerin in einer Vernehmung zu erörtern haben.

 

In der Beschwerde zu Recht bekämpft, und auf Grund der Aktenlage offenkundig, hat die belangte Behörde durch Unterlassen der Gewährung des Parteiengehörs zu den ermittelten Beweisaufnahmen (Länderfeststellungen) gemäß § 45 Abs. 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Verfahrensvorschriften verletzt. Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 18. 2. 1986, 85/07/0205; 3. 9. 2001, 99/10/0011) ein solcher Verfahrensmangel durch die mit der Berufung verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden und obliegt es im Falle der Aufnahme dieser Tatsachenfeststellungen in die Begründung des unterinstanzlichen Bescheides der Partei den Tatsachenfeststellungen durch Geltendmachung ihrer Parteienrechte (zB Akteneinsicht) konkret entgegenzutreten (VwGH 21. 11. 2001, 98/08/0029), jedoch wird die belangte Behörde aus Anlass des vermehrten Auftretens der Verletzung von verfahrensrechtlichen Vorschriften unbeschadet des Umstandes, wonach gegen negative erstinstanzliche Entscheidungen regelmäßig Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben wird, darauf hingewiesen, dass die vollständige durch das Bundesasylamt durchzuführende Tatsachenermittlung einerseits eine umfassende Befragung, Rechtsberatung und Information des/der Asylwerbers/Asylwerberinnen und andererseits auch dessen/deren umfassende Mitwirkung am Verfahren erfordert (Ausführung seitens des Gesetzgebers im Zuge der Asylgesetznovelle 2003). Die Kompetenz des Bundesasylamtes als Tatsacheninstanz schließt somit auch die Verpflichtung zur Gewährung der Parteienrechte im Sinne des AVG und der entsprechenden Materiengesetze (Asylgesetz 1997, AsylG 2005) mit ein, wobei in diesem Zusammenhang auf die Stellung des Asylgerichtshofes als verwaltungsgerichtliche Beschwerdeinstanz in Asylsachen hingewiesen wird.

 

Zusammenfassend war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ermittlungspflicht, Familienverfahren, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
14.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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