TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/18 S12 401409-1/2008

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Veröffentlicht am 18.09.2008
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Spruch

S12 401.409-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Maurer-Kober als Einzelrichterin über die Beschwerde des D.H., geb. 00.00.1985, StA. Afghanistan, p.A. European Homecare, Thalham 80, Hauptgebäude 1, 4880 St. Georgen im Attergau, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.08.2008, FZ. 08 05.761, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, hat sein Heimatland verlassen, ist aus Griechenland kommend über Italien in das österreichische Bundesgebiet eingereist, am Hauptbahnhof Villach am 04.07.2008 ohne gültiges Reisedokument betreten worden und hat am 05.07.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

Bei der Erstbefragung am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Stadtpolizeikommandos Villach, Polizeiinspektion Anhaltezentrum, in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei bereits im Herbst 2007 illegal und ohne Reisedokument aus Afghanistan geflüchtet und über den Iran und die Türkei im Dezember 2007 in Griechenland eingereist. Von Griechenland aus sei er im Juni 2008 nach Italien gereist und von dort aus mit dem Zug nach Österreich. Weder in Österreich noch im EU-Raum, Norwegen oder Island habe er Familienangehörige. In Griechenland habe er keinen Asylantrag gestellt; es seien ihm lediglich die Fingerabdrücke abgenommen worden. In Griechenland sei er von der Polizei festgenommen und für zehn Tage angehalten worden. Danach sei er nach Athen gefahren und von dort aus weiter nach Patras. In Patras habe er sich sieben Monate lang aufgehalten und sei von der Kirche versorgt worden. Er habe nach Österreich gewollt und nicht nach Griechenland. Er wolle auch nicht nach Griechenland zurück. Afghanistan habe er verlassen, da dort sein Leben in Gefahr gewesen sei. Er sei von anderen Leuten in seinem Ort bedroht worden.

 

Eine Eurodac-Abfrage vom 04.07.2008 ergab, dass der Beschwerdeführer am 03.01.2008 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt wurde.

 

2. Am 08.07.2008 richtete das Bundesasylamt ein Aufnahmeersuchen an die zuständige griechische Behörde.

 

Am 18.07.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5, 68 Abs. 1 AVG, §29 Abs.3 Z 4 AsylG), da Dublin Konsultationen mit Griechenland seit dem 08.07.2008 geführt werden (vgl. AS 115f).

 

Mit Schreiben vom 23.07.2008, eingelangt beim Bundesasylamt am 28.08.2008, erklärte sich Griechenland gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO) für die Aufnahme des Asylwerbers und die Führung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers für zuständig.

 

3. Am 18.08.2008 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit des Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er in Österreich erstmals einen Asylantrag gestellt habe. Er sei zwar in Griechenland festgenommen worden, habe jedoch keinen Asylantrag gestellt. Auf die Frage des Bundesasylamtes, aus welchen Gründen er in Griechenland keinen Asylantrag gestellt habe, gab er an, die Versorgung in Griechenland sei miserabel. Griechenland habe keine Möglichkeiten, Flüchtlinge unterzubringen und mit Essen und Trinken zu versorgen. Nachdem er festgenommen und für zehn Tage im Gefängnis gewesen sei, habe er ein Schreiben erhalten, dass er Griechenland binnen eines Monats verlassen solle. Er habe auch nicht versucht, einen Asylantrag zu stellen. Er habe jedoch gesehen, wie Flüchtlinge in Griechenland leben würden. Verwandte habe er weder in Österreich noch im Bereich der Europäischen Union, Norwegen oder Island. Seinen Heimatstaat habe er im Herbst 2007 verlassen und sei über den Iran und die Türkei nach Griechenland eingereist. Am nächsten Tag sei er von der griechischen Polizei aufgegriffen und festgenommen worden. Nach zehn Tagen im Gefängnis sei er aufgefordert worden, das Land binnen eines Monats zu verlassen. Dann sei er nach Athen gefahren und habe in der Folge sieben Monate in Patras gelebt. Danach sei er über Italien mit dem Zug nach Österreich gefahren. Einen Antrag auf internationalen Schutz stelle er, weil er nach dem Tod seines Vaters letztes Jahr von Nachbarn unter Druck gesetzt worden sei, mit ihnen gegen die, sich in Afghanistan befindlichen, Ausländer zu kämpfen. Ferner habe er von einem Ausländer lesen und schreiben gelernt und habe ihm dieser unter anderem auch aus der Bibel vorgelesen. Die Nachbarn hätten ihm daher vorgeworfen, Christ zu sein. Daher sei sein Leben in Gefahr. Während seines Aufenthalts in Griechenland sei er einmal vor ca. zwei Monaten von der Zivilpolizei zusammengeschlagen worden. Die Wunden sehe man an seinem rechten Knie noch immer. Er sei in Patras spazieren gegangen, als er von zwei Zivilpolizisten von hinten angegriffen und zusammengeschlagen worden sei. Diese hätten nicht gewollt, dass er Richtung Hafen gehe. Sonst habe es keine weiteren Vorfälle gegeben. Zur geplanten Vorgehensweise des Bundesasylamtes, ihn nach Griechenland zu überstellen, gab er an, dass sich in Griechenland kein Mensch um ihn kümmern würde. Er habe dort in Zelten schlafen müssen und aufgrund der hygienischen Bedingungen einen Ausschlag bekommen. In Griechenland bekomme er weder Essen und Trinken noch eine Unterkunft.

 

4. Mit Bescheid vom 22.08.2008, FZ. 08 05.761, hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 05.07.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Griechenland zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei.

 

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, wiederholte sein erstinstanzliches Vorbringen und brachte ergänzend vor, dass er der Erstbehörde konkret geschildert habe, wie und wo er geschlagen worden sei und, dass er eine sichtbare Verletzung am rechten Knie davongetragen habe. In Griechenland komme es regelmäßig zu Misshandlungen von Asylwerbern durch die griechische Polizei und sei daher das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers glaubhaft. Die Erstbehörde wäre verpflichtet gewesen, die beschriebene Verletzung durch einen medizinischen Sachverständigen untersuchen zu lassen. Ferner habe der Asylgerichtshof im Erkenntnis S11 400.988 ausgeführt, dass im Falle eines konkreten Vorbringens in Hinblick auf eine Verletzung von Art. 3 EMRK dies seitens der Behörde näher hinterfragt und eine diesbezügliche Stellungnahme Griechenlands zur erwartenden Vorgehensweise im Falle einer Überstellung eingeholt werden müsste. Im Übrigen habe sich Österreich ohnehin zur Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers für zuständig erklärt, da bereits eine ausführliche Befragung zu den Fluchtgründen stattgefunden habe. Das Bundesasylamt führe ferner auf Seite 2 des Bescheides aus, dass es am 07.08.2008 ein Konsultationsverfahren mit Griechenland eingeleitet habe. Dies sei jedoch dem Beschwerdeführer bereits am 18.07.2008 mitgeteilt worden. Sohin handle es sich nicht um eine rechtmäßige Mitteilung im Sinne des § 28 AsylG und wäre die 20-Tages-Frist bereits abgelaufen, wodurch das Asylverfahren zuzulassen wäre. Weiters wurde in der Beschwerde unter Anführung von Berichten aus den Jahren 2005, 2006, 2007 und April 2008 das griechische Asylverfahren und die Länderfeststellungen der Erstbehörde kritisiert. In einer handschriftlichen Beilage zur Beschwerde in der Sprache Dari fasste der Beschwerdeführer sein bisheriges Vorbringen zusammen und gab hierbei nochmals an, dass er in Griechenland keinen Asylantrag gestellt habe.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, hat sein Heimatland im Herbst 2007 verlassen und ist über den Iran und die Türkei im Dezember 2007 illegal nach Griechenland eingereist. Ende Juni 2008 ist er von Griechenland nach Italien und von dort aus illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist, wo er am Hauptbahnhof Villach am 04.07.2008 ohne gültiges Reisedokument betreten wurde. Am 05.07.2008 stellte er gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Der Beschwerdeführer hat in Griechenland nicht um Asyl angesucht, sondern wurde lediglich erkennungsdienstlich behandelt.

 

Der Beschwerdeführer hat weder in Österreich noch im Gebiet der Europäischen Union Verwandte und lebt mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft.

 

Festgestellt wird, dass Griechenland gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO für die Aufnahme des Asylwerbers zuständig ist.

 

Bezüglich der Ausgestaltung des Asylverfahrens in Griechenland im Spruchteil wird auf die entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes verwiesen.

 

1.2. Die in § 28 Abs. 2 AsylG festgelegte zwanzigtätige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG gilt nicht, weil dem Beschwerdeführer das Führen von Konsultationen gemäß der Dublin II-VO am 08.07.2008 mitgeteilt wurde, weshalb kein Übergang der Zuständigkeit an Österreich wegen Fristüberschreitung eingetreten ist.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt, insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.07.2008 und aus der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers am 18.08.2008 sowie aus dem Schreiben der zuständigen griechischen Behörde vom 23.07.2008, eingelangt beim Bundesasylamt am 28.08.2008.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Gemäß §§ 73 Abs. 1 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG) iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das AsylG 2005 anzuwenden war.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

3.2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin II-VO ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Staates.

 

Die Dublin II-VO ersetzt das Dubliner Übereinkommen (Art. 24 Abs. 1 Dublin II-VO), ist gemäß Art. 29 Dublin II-VO auf Asylanträge anwendbar, die ab dem 01.09.2003 gestellt werden und gilt - ungeachtet des Zeitpunkts der Stellung des Antrages - ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Asylwerbern. Da der vorliegende Asylantrag am 05.07.2008 gestellt wurde, ist die Dublin II-VO im gegenständlichen Fall anzuwenden.

 

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Dublin II-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.

 

3.3. Das Zuständigkeitskriterium des Art. 10 Dublin II-VO sieht in seinem Absatz 1 vor, dass wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt wird, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

 

Bei den beiden in Art. 18 Abs. 3 Dublin II-VO genannten Verzeichnissen handelt es sich um

 

a) Beweismittel:

 

Hierunter fallen förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit nach dieser Verordnung entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden.

 

Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 27 vorgesehenen Ausschuss nach Maßgabe der im Verzeichnis der förmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Muster der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungen verwendeten Dokumente zur Verfügung.

 

b) Indizien:

 

Hierunter fallen einzelne Anhaltspunkte, die, obwohl sie anfechtbar sind, in einigen Fällen nach der ihnen zugebilligten Beweiskraft ausreichen können.

 

Ihre Beweiskraft hinsichtlich der Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages wird von Fall zu Fall bewertet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin II-VO oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen.

 

3.4. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer bereits in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt wurde und Griechenland einer Aufnahme des Beschwerdeführers zur Führung des Asylverfahrens zugestimmt hat, zurecht von der Zuständigkeit Griechenlands gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO ausgegangen.

 

3.5. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen.

 

3.5.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 08.03.2001, G 117/00 u.a. VfSlg 16.122, aus, dass § 5 AsylG nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden. Dieser Rechtsansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, an.

 

Hatte der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15.10.2005, G 237/03 u.a. ausgesprochen, dass jene zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-VO zutreffen, ergänzte er in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05-11, dies dahingehend, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die entsprechende Vergewisserung durch den Rat erfolgt sei; eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben.

 

In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (dem ein - die Zuständigkeit Italiens nach dem Dubliner Übereinkommen betreffender - Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zugrunde lag) sowie in dem (bereits die Dublin-VO betreffenden) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095-9, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Verfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist, ob ein - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, dass ein aufgrund der Dublin-VO in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wird ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

 

3.5.2. Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihm durch eine Rückverbringung nach Griechenland die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Während des gesamten Verfahrens hat der Beschwerdeführer keine substantiierten Gründe vorgebracht, die gegen seine Rücküberstellung nach Griechenland sprechen, sondern hat zunächst im Rahmen der Erstbefragung lediglich unsubstantiiert vorgebracht, dass er nach Österreich wolle und nicht nach Griechenland zurück. In der Folge gab er bei der Einvernahme durch das Bundesasylsamt am 18.08.2008 an, dass die Versorgung in Griechenland miserabel sei und keine Möglichkeit bestehe, Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen. Hierzu ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens angegeben hat, dass er in Griechenland weder einen Asylantrag gestellt noch einen diesbezüglichen Versuch unternommen habe. Auf den Vorhalt des Bundesasylamtes, dass er die Versorgungslage der Asylwerber in Griechenland gar nicht kennen könne, wenn er keinen Asylantrag gestellt habe, gab er lediglich unsubstantiiert an, er habe gesehen wie die Flüchtlinge dort leben würden. Ein weiteres Vorbringen zur Versorgungslage in Griechenland wurde während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens nicht erstattet.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass - ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer keinen Asylantrag gestellt hat und sich sohin nicht rechtmäßig in Griechenland aufgehalten hat - die Ausstellung des Ausweisungsbescheides von Seiten der griechischen Behörden und die Aufforderung, das Land zu verlassen rechtmäßig war.

 

Zum Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe konkret geschildert, wie und wo er geschlagen worden sei und eine sichtbare Verletzung am rechten Knie davongetragen habe, ist zunächst auszuführen, der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme am 18.08.2008 zwar eine Schilderung des angeblichen Vorfalls tätigte, jedoch weder einen genauen Zeitpunkt ("Ich glaube, dass dies vor ca. 2 Monaten war.") noch - auf die Frage des Bundesasylamtes - eine nachvollziehbare Begründung abgeben konnte ("Das ist die Polizei in Zivil. Diese gehen immer so vor. [...] Die Polizisten in Zivil greifen auch immer sofort an."). Wenn man den Angaben des Beschwerdeführers folgt, hat sich der Vorfall ca. Mitte Juni 2008 - sohin ca. drei Wochen vor der Antragstellung in Österreich - ereignet. Es ist für den Asylgerichtshof daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer diesen Vorfall erstmals im Rahmen der Einvernahme am 18.08.2008 erwähnte und nicht - wie zu erwarten wäre - bereits bei der, zeitlich viel näher liegenden, Erstbefragung am 05.07.2008. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer - entgegen den Angaben in der Beschwerde - sehr wohl ärztlich untersucht wurde und zwar im Rahmen seiner Anhaltung am 04.07.2008 und dem ärztlichen Befund zu entnehmen ist, dass keine sichtbaren Verletzungen vorliegen (vgl. AS 67).

 

Betreffend das in der Beschwerde angeführte Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 14.08.2008, GZ. S11 400.988, ist auszuführen, dass diesem Erkenntnis ein vollkommen anderer Sachverhalt zugrunde liegt, und es daher auf gegenständlichen Fall nicht anzuwenden ist. Aus dem zitierten Erkenntnis ergibt sich eindeutig, dass der (dortige) Beschwerdeführer vorbrachte, während einer dreimonatigen Haft von Polizisten geschlagen worden zu sein, was das Bundesasylamt als unglaubwürdig einstufte, da der (dortige) Beschwerdeführer dies Angehörigen einer Menschenrechtsorganisation, welche das Gefängnis besucht hätten, nicht mitgeteilt habe. Hierzu hat der Asylgerichtshof festgehalten, dass der Ablauf dieses Besuchs aus der Einvernahme nicht klar hervorging und dieser genauer hinterfragt hätte werden müssen. Nur in diesem Zusammenhang - Besuch einer Menschenrechtsorganisation im Gefängnis und deren Schlussfolgerungen in Verbindung mit dem Vorbringen, ein Asylwerber sei im Gefängnis von der Polizei misshandelt worden - erachtete der Asylgerichtshof im zitierten Erkenntnis eine Anfrage bei den griechischen Behörden für notwendig. Im gegenständlichen Fall hat jedoch das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt, dass das diesbezügliche Vorbringen vom Beschwerdeführer - auch auf entsprechende Nachfrage - nicht konkretisiert werden konnte und sohin, sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Amtsarzt keine sichtbaren Verletzungen erkennen konnte, dieses Vorbringens nicht als glaubwürdig angesehen wird.

 

Zu den Beschwerdeausführungen, Österreich habe sich ohnehin zur Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers für zuständig erklärt, da bereits eine ausführliche Befragung zu den Fluchtgründen stattgefunden habe, ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass sich die tatsächliche Ausübung des Selbsteintrittsrechtes in erster Linie aus dem Willen des betreffenden Mitgliedstaates ergibt. Einen konkludenten Selbsteintritt wird man nur in eindeutigen Fällen (z.B. der Mitgliedstaat hat bereits eine erstinstanzliche meritorische Entscheidung über den Asylantrag getroffen) annehmen können. Durch eine inhaltliche Befragung zu den Fluchtgründen bereits einen irreversiblen Selbsteintritt als verwirklicht anzusehen, erscheint dagegen als überschießende Interpretation, da den freien Willen des Mitgliedstaates zu wenig berücksichtigend (vgl. Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, "Das Europäische Asylzuständigkeitssystem", 2. Auflage, K15 zu Art. 3 Dublin II-VO, Seite 70). Das diesbezügliche Vorbringen geht sohin ins Leere.

 

Zum weiteren Beschwerdevorbringen, die Einleitung des Konsultationsverfahren mit Griechenland sei erst am 07.08.2008 erfolgt, was sich aus Seite 2 des angefochtenen Bescheides ergebe, ist festzuhalten, dass es sich hierbei lediglich um einen Tippfehler handelt; das Konsultationsverfahren wurde tatsächlich am 08.07.2008 eingeleitet, was sich im Übrigen zweifelsfrei nicht nur aus dem Akteninhalt, sondern auch aus den weiteren Bescheidausführungen ergibt (vgl. Seite 7 des angefochtenen Bescheides: "Am 08.07.2008 wurde ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gestellt.").

 

Weiters ist auszuführen, dass die in der Beschwerde zitierten Berichte hauptsächlich aus den Jahren 2005, 2006 und 2007 stammen sowie der zeitlich jüngste Bericht aus April 2008; hingegen die vom Bundesasylamt verwendeten Quellen - insbesondere das Ergebnis der schwedischen Fact Finding Mission - zum Großteil deutlich aktuelleren Datums sind.

 

Zur allgemeinen Kritik des Beschwerdeführers an Griechenland ist unbestritten, dass UNHCR das Absehen von Überstellungen empfohlen hat und in einigen Berichten von NGO's wiederholte Kritik an verschiedenen Aspekten des griechischen Asylverfahrens und des Umgangs mit Asylwerbern geübt wird. Dies hat auch zur Aufhebung bestimmter Bescheide des Bundesasylamtes durch den UBAS bzw. den Asylgerichtshof geführt; dies allerdings nur dann, wenn sich diese Bescheide mit dieser Erkenntnislage nicht hinreichend auseinandergesetzt haben (vgl. z.B. UBAS Bescheid vom 05.05.2008, Zahl: 318.977-1/2E-XV/53/08), da jedenfalls bei bestimmten Vorbringen von einer Erschütterung der Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG ausgegangen hätte werden können.

 

Im vorliegenden Fall verhält es sich jedoch dergestalt, dass die Erstbehörde sich in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides auf das Ergebnis einer Fact Finding Mission des Schwedischen Migrationsamtes betreffend die Anwendung der Dublin-Verordnung im Verhältnis zu Griechenland (Bericht vom 07.05.2008) sowie auf das UNHCR Positionspapier zur Überstellung von Asylsuchenden nach Griechenland gemäß der Dublin II-Verordnung vom April 2008 gestützt hat.

 

Entscheidendes Ergebnis des Berichts der Fact Finding Mission des Schwedischen Migrationsamtes ist, dass bei Überstellungen nach der Dublin II-VO ein tatsächlicher Zugang zum griechischen Asylverfahren besteht. Probleme des Zugangs zum Asylverfahren, wie sie sich etwa in anderen, insbesondere älteren, Berichten bei der Ersteinreise von Personen aus der Türkei nach Griechenland widerspiegeln, sind daher nicht relevant. Ferner hat das erkennende Gericht unter anderem auch aufgrund der ausdrücklichen Zustimmung Griechenlands zur Aufnahme des Beschwerdeführers keinen Grund, den griechischen Asylbehörden als Behörden eines EU-Mitgliedstaates betreffend die richtlinienkonforme Umsetzung der europarechtlichen Standards im Asylverfahren zu misstrauen, zumal das schwedische Migrationsamt in 26 überprüften Fällen bei Überstellungen nach Griechenland keine Mängel erkennen konnte bzw. festgestellt hat, dass in allen 26 Fällen den Asylwerbern ein inhaltliches Asylverfahren gewährt wurde.

 

Da im konkreten Fall kein Asylverfahren anhängig war, verbieten sich auch spekulative Erwägungen über dessen Ausgang und die Erfolgsaussichten des Beschwerdeführers. Ferner ist anzuführen, dass in keiner der Quellen des vorliegenden Verfahrens Fälle angeführt wurden, in denen Asylwerber tatsächlich in ihre Herkunftsländer aus Griechenland abgeschoben wurden. So hat der britische Court of Appeal in der zeitlich nach der Veröffentlichung der UNHCR-Position (und unter ausdrücklicher Auseinandersetzung mit derselbigen) ergangenen Berufungsentscheidung vom 14.05.2008, in welcher eine Überstellung eines afghanischen Asylwerbers nach Griechenland im Einklang mit der im vorliegenden Erkenntnis des Asylgerichtshofes vertretenen Rechtsauffassung, abgewiesen wurde, ausgeführt: (Punkte 40-41, per Lord Justice Laws: "There are clearly concerns about the conditions in which asylum-seekers may be detained in Greece. It is not however shown that they give rise to systemic violations of Article 3. As regards refoulement, Mr Nicol in a note dated 2 May 2008 submits that the earlier evidence taken together with the new UNHCR material shows "at the very least, a serious cause for concern as to whether the Greek authorities would onwardly remove the respondent to Afghanistan in breach of Article 3. I certainly accept that such evidence as there is, and in particular the recent UNHCR Paper, shows that the relevant legal procedures are to say the least shaky, although there has been some improvement. I have considered whether the right course would be to send the case back to the High Court for a fuller examination of the factual position. But in truth there are currently no deportations or removals to Afghanistan, Iraq, Iran, Somalia or Sudan, and as I understand it no reports of unlawful refoulement to any destination. That seems to me to be critical. I would accordingly hold, on the evidence before us, that as matters stand Greece's continued presence on the list does not offend the United Kingdom's Convention obligations. It follows that there is no case for a limited declaration of incompatibility relating only to Greece (...)"

 

Auch der von der Erstinstanz herangezogene Bericht des Schwedischen Migrationsamtes bestätigt, dass das reale Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Kettenabschiebung infolge Verstoßes gegen das Non-Refoulement Gebot nicht besteht. Dass gerade der Beschwerdeführer - bei dem keine besonders berücksichtigungswürdigen Faktoren vorliegen, wie z.B. eine schwere Erkrankung oder Minderjährigkeit - bei einer Rückkehr in eine aussichtslose Situation wegen Verweigerung der Unterbringung kommen würde, lässt sich aus der allgemeinen Berichtslage, bei aller Kritik an Einzelfällen, nicht ableiten.

 

Im Ergebnis hat die vorgenommene Prüfung somit nicht ergeben, dass allgemein Überstellungen nach Griechenland nicht vorgenommen werden dürfen. Dies entspricht der Rechtsansicht der Europäischen Kommission (vgl. Pressemitteilung vom 09.04.2008), ebenso wie der zitierten englischen Judikatur. Explizit gegenteilige Judikatur ist zum Entscheidungszeitpunkt aus keinem Mitgliedstaat bekannt (die norwegische Position beinhaltet ja lediglich eine Aussetzung von Entscheidungen im Zusammenhang mit einer näheren Prüfung der Berichtslage). In Ermangelung sonstiger individueller Gründe und individuellen Vorbringens des Beschwerdeführers erweist sich daher in diesem Fall das von der Erstbehörde beigeschaffte Tatsachensubstrat als ausreichend und die individuelle Beweiswürdigung (Seiten 16-21 des Erstbescheides) als zutreffend. Ein zwingender Grund zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts besteht daher in diesem Zusammenhang nicht.

 

Der Beschwerdeführer hat sohin kein Vorbringen erstattet, insbesondere keine konkreten Bedrohungen genannt, welches die Annahme rechtfertigen könnte, dass ihm in Griechenland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Soweit aus dem Vorbringen bzw. aus der Beschwerde herauszulesen ist, dass der Beschwerdeführer in Griechenland möglicherweise kein Asyl erhalten werde und nach Afghanistan abgeschoben werden könnte, ist ihm entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden sein kann, "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

 

Im Zusammenhang mit dem griechischen Asylverfahren ist lediglich der Vollständigkeit halber noch anzuführen, dass auch geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, dass die österreichischen Asylbehörden vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssten (vgl. u. a. VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

 

Aus der Rechtsprechung des EGMR lässt sich eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Griechenland keinesfalls erkennen und gelten im Übrigen die Mitgliedstaaten der EU als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige. Zudem war festzustellen, dass ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. das Vorligen besonderer von dem Beschwerdeführer bescheinigter außergewöhnlicher Unstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Konkret besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass etwa der Beschwerdeführer im Zuge einer so genannten "ungeprüften Kettenabschiebung" in sein Heimatland zurückgeschoben werden könnte.

 

3.5.3. Ferner ist eine Überprüfung gemäß Art. 8 EMRK dahingehend vorzunehmen, ob der Beschwerdeführer über im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK relevante Verbindungen in Österreich verfügt.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kelin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Gemäß den eigenen Angaben des Beschwerdeführers verfügt dieser weder in Österreich noch im Bereich der Europäischen Union über Familienangehörige und lebt auch mit niemandem in Familien- bzw. familienähnlicher Lebensgemeinschaft, sodass keine familiären Beziehungen zu einem österreichischen Staatsbürger oder einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich bestehen, weshalb der Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Griechenland in seinem durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht verletzt werden würde.

 

3.5.4. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO aufgrund einer drohenden Verletzung von Art. 3, 8 EMRK besteht.

 

3.5.5. Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall eingehalten worden ist.

 

3.5.6. Hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch der Beschwerdeführer in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ersichtlich. Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes in dem Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.

 

3.5.7. Die Beschwerde erwies sich somit als nicht berechtigt und war daher spruchgemäß abzuweisen.

 

3.5.8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG abgesehen werden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, real risk
Zuletzt aktualisiert am
24.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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