TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/18 S4 401473-1/2008

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Veröffentlicht am 18.09.2008
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Spruch

S4 401.473-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des S.V., geb. 00.00.1985, StA. der Russischen Föderation, vertreten durch Mag. Mirjami Ritzschke, p. A. Diakonie - Flüchtlingsdienst, Steinergasse 3/EG, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.8.2008, Zahl: 08 03.253-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland, stammt aus Tschetschenien und ist eigenen Angaben zufolge zusammen mit seinen zwei ebenfalls volljährigen Brüdern (I., 00.00.1983 geb., und S., 00.00.1987 geb.) über Inguschetien und Weißrussland am "27. oder 28.3.2008" mittels Zug nach Polen gereist, von wo aus er und seine Brüder wieder nach Weißrussland zurückgeschoben wurden. Am 29.3.2008 reisten der Asylwerber und seine Brüder erneut in Polen ein, wo sie schließlich am selben Tag Asylanträge stellten (vgl. Aktenseite 11 sowie Eurodac-Treffer Aktenseite 5). Er und seine Brüder sind sodann am 10.4.2008 illegal ins österreichische Bundesgebiet weitergereist, wo sie schließlich am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz stellten.

 

Mit E-mail vom 14.4.2008 ersuchte Österreich Polen um Übernahme des Asylwerbers (Aktenseite 19).

 

Polen hat sich mit Fax vom 16.4.2008, datiert 15.4.2008, bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen (Aktenseite 43).

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 23.6.2008 erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er und seine Brüder nicht nach Polen wollten, da es dort "nicht sicher" sei. Außerdem habe er in Österreich Verwandte. Überdies hätte er in Polen keine Plätze zum Schlafen bekommen, sondern hätte auf einer Matratze am Boden mit 40 bis 50 anderen Personen schlafen müssen (Aktenseite 91).

 

Eine am 17.6.2008 von Dr. med. I.H., Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin, durchgeführte ärztliche Untersuchung des Asylwerbers ergab, dass seiner Überstellung nach Polen keine schwere psychische Störung entgegensteht, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würde (Aktenseite 79).

 

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.8.2008, Zahl: 08 03.253-EAST Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass er aufgrund des Umstandes, dass Polen rechtliche Sonderposition gegenüber tschetschenischen Asylwerbern vertreten würde (so bestünde etwa eine extrem niedrige Anerkennungsquote tschetschenischer Asylwerber), Gefahr laufe, nach Tschetschenien abgeschoben zu werden. Der Asylwerber sei Folteropfer, weshalb er im Falle seiner Überstellung nach Polen in seinem Recht auf Art. 3 EMRK tangiert werden könnte, da es keine ausreichenden medizinischen bzw. psychotherapeutischen Behandlungsmethoden für traumatisierte Personen in Polen gebe. Er wäre im Falle seiner Ausweisung weiters aufgrund der Familienanknüpfung in Österreich in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 ERMK verletzt. Auch würde die Überstellung des Asylwerbers nach Polen die Gefahr in sich bergen, dass dieser von seinen ehemaligen Verfolgern und Folterern festgenommen und getötet werden könnte.

 

Unter einem legte der Asylwerber einen Befund von E.K. (Interkulturelles Psychotherapiezentrum Niederösterreich) vom 10.9.2008 vor, demzufolge der Asylwerber an einem posttraumatischen Belastungssyndrom leidet, daher retraumatisierungsgefährdet ist und im Falle der Ignoranz seiner besonderen Schutzbedürftigkeit einem Risiko der weiteren, anhaltenden Verschlechterung seines krankheitswertigen Leidenszustandes ausgesetzt wäre.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum polnischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Zum Vorbringen, wonach der Asylwerber in Polen am Boden auf einer Matratze zusammen mit 40 bis 50 anderen Personen schlafen hätte müssen, ist auszuführen, dass damit keinesfalls die Schwelle der erforderlichen Eingriffsintensität in Bezug auf Art. 3 EMRK erreicht wird.

 

Soweit der Asylwerber in seiner Beschwerde geltend macht, dass Polen in Bezug auf tschetschenische Asylwerber rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, in Polen allgemein eine extrem niedrige Anerkennungsquote tschetschenischer Asylwerber bestünde, weshalb ihm im Falle seiner Überstellung nach Polen seine Kettenabschiebung nach Tschetschenien drohe, ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach geringe Anerkennungsquoten im Zielstaat generell für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, dass die österreichischen Asylbehörden vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssten (vgl. VwGH 31.3.2005, Zahl: 2002/20/0582, VwGH 31.5.2005, Zahl:

2005/20/0095, VwGH 30.6.2005, Zahl: 2005/20/0082 u.a.). In diesem Zusammenhang ist überdies anzumerken, dass den erstinstanzlichen Länderfeststellungen zu entnehmen ist, dass seit 2004 keine Fälle bekannt sind, dass Tschetschenen aus Polen abgeschoben worden wären und dass Tschetschenen in Polen regelmäßig subsidiärer Schutz (tolerated stay) gewährt wird (Seite 17 des angefochtenen Bescheides). Ebenso ergibt sich aus den erstinstanzlichen Feststellungen, dass für Personen, denen subsidiärer Schutz gewährt wurde, das Recht auf Sozialhilfeleistungen und der Zugang zu umfassenden Familienleistungen und auch zum Arbeitsmarkt besteht (Seite 14 des angefochtenen Bescheides). Den erstinstanzlichen Länderfeststellungen zur allgemeinen Versorgung von Asylwerbern in Polen ist weiters zu entnehmen, dass jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, eine umfassende Versorgung gewährt wird, wobei hierzu eine umfassende medizinische Versorgung, psychologische Betreuung, Unterkunft und ausreichende Verpflegung gehören (Seite 11 des angefochtenen Bescheides), sodass letztlich nicht zu befürchten ist, dass der Asylwerber in Polen in eine existentielle Notlage geraten würde. Zu den vom Asylwerber geäußerten Befürchtungen, wonach ihn jene Personen, welche ihn in Tschetschenien gefoltert hätten, in Polen gegebenenfalls finden und gefährden könnten, ist einzuwenden, dass Polen als Mitgliedstaat der EU selbstverständlich in der Lage und auch willens ist, ihm vor allfälligen Übergriffen Privater effektiv Schutz zu bieten. Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Asylwerber in Polen selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen letztlich ebenso wenig vorhanden wie dass ihm Polen entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatland unmenschliche Behandlung drohen würde.

 

Soweit der Asylwerber in seiner Beschwerde geltend macht, dass er aufgrund des Umstandes, dass in Österreich sein Onkel, seine Tante sowie sein Cousin leben würden, im Falle seiner Ausweisung in seinem Recht auf Achtung des Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzt wäre, ist einzuwenden, dass er das Vorliegen eines derart engen familiären Bandes zwischen ihm und seinen in Österreich lebenden - nicht zum Kreis seiner Kernfamilie gehörenden - Verwandten, das seine Ausweisung aufgrund eines damit verbundenen Eingriffes in sein Recht auf Art. 8 EMRK unzulässig machen würde, nicht glaubhaft machen konnte: So gab der Asylwerber an, seit der Ausreise seiner Verwandten aus Tschetschenien mit diesen in keinem Kontakt mehr gestanden zu sein. Auch war der Asylwerber nicht ansatzweise imstande, darzulegen, inwieweit er von seinen in Österreich lebenden Verwandten abhängig wäre, da er diesbezüglich lediglich erklärte:

"Also geholfen haben sie mir schon." (Aktenseite 91), er die Art und Weise der angeblichen Unterstützung allerdings nicht näher konkretisieren konnte. Seine Behauptung, ausschließlich zur (Neu-)Begründung eines Familienlebens mit seinem Onkel und seiner Tante nach Österreich gekommen zu sein, wird dadurch relativiert, dass der Asylwerber bei der Erstbefragung nicht einmal die (ungefähre) Adresse seines Onkel anzugeben wusste, seine Tante und den Cousin auf die Frage, wer von seinen Angehörigen in Österreich leben würde, nicht einmal erwähnte (Aktenseite 9). Eine enge familiäre Verbundenheit zu seinen in Österreich wohnhaften Verwandten kann schließlich auch angesichts der erst im April 2008 erfolgten Einreise des Asylwerbers ins Bundesgebiet und der damit verbundenen Kürze einer allfälligen nunmehrigen Nahebeziehung nicht erkannt werden.

 

Soweit der Asylwerber im Beschwerdeschriftsatz vorbringt, traumatisiert zu sein und zur Untermauerung seiner diesbezüglichen Angaben einen psychotherapeutischen Befund vorlegt,

 

in welchem eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und das Risiko einer Verschlechterung seines krankheitswertigen Leidenszustandes prognostiziert wird (vgl. Befund E.K. vom 10.9.2008, Aktenseite 205), ist zunächst darauf zu verweisen, dass dem vorgelegten Befund keine konkreten und schlüssigen Hinweise für die erstellte Prognose zu entnehmen sind, sohin nicht erkennbar ist, woraus sich die schlechte Prognose ableiten lässt. Die Eignung des vom Asylwerber vorgelegten Befundes im Hinblick auf die Beurteilung seiner Überstellungsfähigkeit erscheint gegenüber der gutachtlichen ärztlichen Stellungnahme Dr. H. (welche eine Überstellungsfähigkeit des Asylwerbers konstatiert) insofern gemindert, als in diesem Befund einerseits überhaupt keine Aussage hinsichtlich einer Überstellungsfähigkeit des Asylwerbers getroffen wird, andererseits die Diagnose bezüglich des Vorliegens eines posttraumatischen Belastungssyndroms offensichtlich rein auf einer subjektiven Beschwerdedarstellung des Asylwerbers beruht, wohingegen die gutachtliche Stellungnahme Dr. H. aus einer multimethodalen (sich mehrerer Testverfahren bedienenden) Untersuchung des Asylwerbers resultiert (vgl. Aktenseite 85).

 

In diesem Zusammenhang ist weiters auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Vor dem Hintergrund dieser strengen Judikatur des EGMR kann jedenfalls - selbst ungeachtet der Vorliegens eines solchen Krankheitsbildes - nicht erkannt werden, dass eine Zurückschiebung des Asylwerbers nach Polen eine Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK darstellen würde, da in casu nicht das Endstadium einer tödlichen Krankheit gegeben ist und in Polen, einem Mitgliedstaat der EU selbstverständlich (auch) hinsichtlich einer posttraumatischen Belastungsstörung verschiedene Behandlungsmöglichkeiten verfügbar sind, wobei grundsätzlich unerlässliche medizinische Versorgung für Asylwerber kostenlos ist (vgl. hierzu auch Seite 16 f. des angefochtenen Bescheides). Der mentale Stress bei einer Abschiebung selbst ist ebenfalls kein ausreichendes "real risk" und ergibt sich auch aus dem mit dem Beschwerdeschriftsatz vorgelegten Befund keine akute, hohe Selbstmordgefahr des Asylwerbers im Falle seiner Abschiebung sondern lediglich "das Risiko einer Verschlechterung" (es ist sohin nicht einmal sicher, ob überhaupt eine Verschlechterung eintritt) seines krankheitswertigen Leidenszustandes (womit wohl die im Befund angeführte posttraumatische Belastungsstörung des Asylwerbers gemeint ist), sodass - nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR - eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK nicht erkannt werden kann. Dies noch umso weniger, als nicht etwa die Abschiebung in ein krisengeschütteltes Herkunftsland, sondern in einen Mitgliedstaat der EU (!), in dem funktionierende rechtsstaatliche Strukturen und rechtsstaatliches Verwaltungshandeln selbstverständlich gegeben sind, verfügt wird.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abhängigkeitsverhältnis, Ausweisung, familiäre Situation, gesundheitliche Beeinträchtigung, Intensität, medizinische Versorgung, private Verfolgung, real risk, staatlicher Schutz, Traumatisierung, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008)
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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