TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/19 B10 233653-0/2008

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Veröffentlicht am 19.09.2008
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Spruch

B10 233.653-0/2008/13E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl. I 2008/4, (AsylG) und 66 Abs. 4 AVG, durch den Richter Mag. Stefan HUBER über die Beschwerde des C.S. alias A.T., geb. 00.00.1968 alias 00.00.1968 alias 00.00.1985, StA.

Nigeria, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde vom 29.11.2002 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.11.2002, Zahl: 02 15.807-BAT, wird gemäß § 7 AsylG abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von C.S. alias A.T. nach Nigeria zulässig ist.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Berufungswerber (in der Folge Beschwerdeführer genannt) behauptete im Zuge des Asylverfahrens Staatsangehöriger von Nigeria und am 17.06.2002 illegal in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Am selben Tag stellte er einen Antrag auf Gewährung von Asyl, woraufhin er am 05.09.2002 im Beisein eines geeigneten Dolmetschers der englischen Sprache niederschriftlich einvernommen wurde. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er seit 1999 Mitglied der PDP (Peoples Democratic Party) gewesen sei. Sein Vater sei der oberste Priester eines Idols im Dorf A. in Anambra State gewesen. Dieses Idol sei von den Leuten angebetet worden. Als der Vater gestorben sei, hätte der Beschwerdeführer ein Jahr nach seinem Tode das Amt des obersten Priesters übernehmen sollen. Der Beschwerdeführer als Christ habe dies jedoch abgelehnt. Daraufhin sei er von den Dorfbewohnern mit dem Tode bedroht worden. Daraufhin habe ihn sein Priester zum Bischof in die Hauptstadt E. gebracht. Als auch der Bischof von den Dorfbewohnern bedroht worden sei, sei der Beschwerdeführer aus Nigeria geflohen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 07.11.2002, Zahl: 02 15.807-BAT, wurde der Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass auf Grund der völlig abstrakten und unbegründeten Schilderungen dem Vorbringen zur Bedrohungssituation jegliche Glaubwürdigkeit versagt werden müsse.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Bezirkshauptmannschaft Baden als Jugendwohlfahrtsträger des Beschwerdeführers fristgerecht berufen und im Wesentlichen vorgebracht, dass es dem Bearbeiter gelungen sei, Bischof O. im Internet ausfindig zu machen. Weiters werde in nigerianischen Tageszeitungen immer wieder über Opfer von Ritualmorden berichtet. Weiters müsse beachtet werden, dass im Leben der meisten Nigerianer, ungeachtet ihres Religionsbekenntnisses, Elemente traditioneller Religionen in der einen oder anderen Form eine Rolle spielen würden. Dass der Schutz vor derartigen Verfolgungshandlungen in Nigeria ausreichend sei, wird in Kenntnis der Länderberichte bestritten. Dass die Behörde in ihrer Entscheidung keinerlei Quellen anführe, die auf das Gegenteil schließen lassen würden, scheine nicht von ungefähr zu sein. Wie die BH Baden aus dieser Gesamtsicht der Ansicht sei, dass eine Rückverbringung des Beschwerdeführers in seine Heimat nicht zumutbar sei, sei sie auch der Meinung, dass auch keine inländische Fluchtalternative vorliege. Insbesondere auch wegen seines jugendlichen Alters wäre es dem Beschwerdeführer keinesfalls möglich, wo auch immer in Nigeria frei von Furcht zu leben.

 

Mit Schreiben des Beschwerdeführers vom 27.02.2006 gab dieser neue personenbezogene Daten bekannt, nämlich dass er C.S. heiße, Staatsangehöriger von Nigeria und am 00.00.1968 geboren sei.

 

Der unabhängige Bundesasylsenat hat eine mündliche Verhandlung am 09.04.2008 durchgeführt. Das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, nahm an dieser nicht teil. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei sowie durch Einsicht und Erörterung folgender Unterlagen:

 

Kurzbericht über den Nigeria-Workshop, Punkt 2 und 3.3., aus 2004,

Seite 6

 

Frage 30 des Gutachtens von Dr. S.

 

Der Ablauf der in Rede stehenden Verhandlung gestaltete sich im vollen Umfang wie folgt (VL = Verhandlungsleiter, BW = Berufungswerber, nunmehr Beschwerdeführer):

 

"VL: Haben Sie eine Niederlassungsbewilligung beantragt?

 

BW: Der Antrag wurde vom Magistrat nicht entgegen genommen, wegen des laufenden Asylverfahrens.

 

VL: Wie lautet Ihr Name?

 

BW: C.S..

 

VL: Geboren sind Sie wann?

 

BW: Am 00.00.1968.

 

VL: Bei der schriftlichen Bekanntgabe Ihrer neuen Identität haben Sie den 00.00.1968 angegeben.

 

BW: Die Leute, die mir damals geholfen haben, haben einen Fehler begangen. Ich habe das richtige Datum genannt, sie haben 00.00.1968 geschrieben. Als ich den Fehler bemerkte, ging ich zu ihnen und es wurde korrigiert. Ich habe dann das richtige Datum der Behörde bekannt gegeben.

 

VL: Bei wem waren Sie da?

 

BW: Beim Flughafensozialdienst.

 

VL: Der Name Ihrer Eltern lautet wie?

 

BW: C.O. heißt mein Vater, meine Mutter A..

 

VL: Haben Sie sonst noch nähere Verwandte?

 

BW: Nein.

 

VL: Ihre Eltern leben noch?

 

BW: Meine Mutter ist noch am Leben, mein Vater ist verstorben.

 

VL: Wo wurden Sie geboren?

 

BW: In A..

 

VL: Warum haben Sie sich bei der Antragstellung 17 Jahre jünger gemacht?

 

BW: Die Leute, die ich damals in Traiskirchen getroffen habe, haben mir einen falschen Rat gegeben. Ich habe ihnen damals gesagt, was ich vorhatte und sie sagten, es sei besser, ein anderes Alter anzugeben, weil je jünger die Person, desto mehr Hilfe bekommt man. Damals habe ich mich in Österreich nicht ausgekannt und habe diesen Rat befolgt. Sie haben mir sogar geraten, eine andere Staatsangehörigkeit anzugeben, das hat mich sehr gewundert. Ich hatte ja ein Problem zu Hause und deswegen war ich hergekommen. Ich dachte, dass man bei einer Asylbehörde einfach erzählt, was einem alles passiert ist. Wie hätte ich also eine andere Staatsangehörigkeit angeben können, da hätte ich ja nicht gewusst, was ich erzählen soll.

 

VL: Sie haben zuvor ja auch einen anderen Namen angegeben.

 

BW: Es wurde mir gesagt, dass, wenn ich meinen richtigen Namen angebe, ich zurück nach Nigeria gebracht werde. Das hat mich verängstigt. Es wurden mir Geschichten erzählt von Menschen, die bei ihren Einvernahmen von der Polizei mitgenommen und abgeschoben wurden. Deswegen habe ich eine falsche Identität angegeben.

 

VL: Warum glauben Sie, wären Sie mit falschem Namen nicht abgeschoben worden?

 

BW: Damals habe ich mich nicht ausgekannt, wie ich schon gesagt habe. Man hat mir einfach gesagt, ich sollte einen anderen Namen angeben, damit man mich nicht zurückschickt.

 

VL: Was meinen Sie, welches Bild das ergibt, wenn Sie plötzlich 17 Jahre älter sind und einen anderen Namen führen?

 

BW: Deswegen habe ich ja meine richtige Identität jetzt angegeben, weil mir klar geworden ist, dass das nicht gut ist. Ich habe verstanden, dass die Leute, die mir diesen Rat damals gegeben haben und das auch selbst so gemacht haben, ganz etwas anderes in Österreich vorhaben. Ich weiß, dass ich deswegen einiges hier in der Vergangenheit nicht machen konnte.

 

VL: Sie haben die falsche Identität 4 Jahre lang beibehalten und erst nachdem Sie vor Ihrer Verehelichung gestanden sind und ein diesbezügliches Dokument in Händen hatten, haben Sie der Behörde Ihre richtige Identität mitgeteilt.

 

BW: Ich wollte das schon vorher machen. Ich habe auf eine Einladung für ein Interview gewartet. Als ich nach einiger Zeit eine solche erhalten habe, habe ich die Gelegenheit genutzt, dass ich jetzt verheiratet war und habe auch der Asylbehörde meine echte Identität bekannt gegeben. Ich hätte dies sowieso bei der Einvernahme getan.

 

VL: Nachdem Sie volljährig sind, wurde die Berufung von einer nicht zuständigen Jugendwohlfahrtsbehörde gemacht. Genehmigen Sie diese nachträglich?

 

BW: Ich möchte die Berufung genehmigen.

 

VL: Welche aktuellen Fluchtgründe haben Sie nun 2008?

 

BW: Mein Vater war Chiefpriest nach unseren traditionellen Regeln. Wir haben ein Idol, das angebetet wird. Ich bin der erstgeborene Sohn meines Vaters und sollte nach seinem Tod seine Position als Chiefpriest übernehmen. Nachdem er verstorben ist, ist man zu mir gekommen und hat mich aufgefordert, dies zu tun. Ich weigerte mich und sagte, dass ich das nicht wolle. Ich sagte ihnen, dass ich ihren Gott nicht anbeten möchte und nur an einen einzigen Gott im Himmel, Jesus Christus, glaube. Sie meinten, es sei meine Pflicht, als erstgeborener Sohn die Position meines Vaters einzunehmen, ich sagte ihnen, dass ich das nicht wollte. Ich habe ihnen gesagt, dass sie zwar an ihren Gott glauben, ich ihm aber nicht dienen möchte. Sie haben mich dann bedroht. Sie wollten mich töten oder verletzen, wenn ich die Position nicht einnehme. Als ich mich geweigert habe, haben sie mir und meiner Familie viele schlechte Dinge angetan. Sie haben z. B. unser Haus zerstört. Ich wollte diese Position aber trotzdem nicht einnehmen.

 

VL: Was meinen Sie mit Ihnen und Ihrer Familie?

 

BW: Mir und meiner Mutter.

 

VL: Dass Ihr Haus zerstört wurde, höre ich heute das 1. Mal?

 

BW: Das habe ich hier auch schon gesagt, auch in Traiskirchen.

 

VL: Wie ging es weiter?

 

BW: Als diese Drohungen zu viel wurden und ich das nicht mehr ertragen konnte, bin ich zum Pfarrer unserer Gemeinde gegangen. Dieser hat mich gefragt, ob ich den anderen Gott anbeten möchte oder ob ich zusammen mit ihm unserem Gott im Himmel dienen möchte. Ich sagte ihm, das sei der Grund, warum ich zu ihm gegangen bin, nämlich, dass ich dem anderen Gott nicht dienen will. Der Pfarrer meinte, es sei für mich zu gefährlich, dort zu bleiben, weil seine Kirche ja auch in A. war. Er meinte, es wäre genauso gefährlich, als wäre ich zu Hause geblieben. Man könnte mich dort jederzeit angreifen. Deswegen hat er mich zum Bischof in E. gebracht. Der Bischof meinte, ich könnte so lange bei ihm bleiben, bis ich eine Lösung für mein Problem gefunden hätte. Ich verbrachte etwa einen Monat bei ihm. Eines Tages kam er aber zu mir und meinte, dass meine Leute jetzt wüssten, wo ich bin und dass ich nicht länger bei ihm bleiben sollte. Er meinte, er müsse das tun, bevor mir etwas Schlechtes passiert. Deswegen übergab er mich einem Freund von ihm, der mich dann nach Europa brachte.

 

VL: Das bedeutet, der Bischof hatte Kontakte zu Schleppern?

 

BW: Nein, er ist nicht in Kontakt mit solchen Menschen, er hat das nur getan um, mir zu helfen.

 

VL: Aber dieser Freund war ja ein Schlepper?

 

BW: Nein.

 

VL: Was ist er dann?

 

BW: Es ist ein weißer Mann. Sie arbeiten zusammen.

 

VL: Bekommt der Bischof auch etwas vom Schlepperlohn?

 

BW: Nein, er weiß nichts über dieses Geschäft. Er hat einfach den Bischof besucht und dieser hat ihm erzählt, dass ich ein großes Problem habe und ihn gebeten, mich mitzunehmen.

 

VL: Wie hat der Mann das gemacht?

 

BW: Er brachte mich zu anderen Menschen, die ein großes Schiff besaßen. Er erzählte ihnen, dass ich ein großes Problem habe und bat sie, mir zu helfen und mich irgendwo in Europa abzusetzen.

 

VL: Wo wurden Sie dann abgesetzt?

 

BW: Sie haben mich in einem Land abgesetzt, das ich nicht kannte. Ich wusste aber, dass es ein europäisches Land war. Von dort aus hat mich eine weitere Person in einem LKW nach Österreich gebracht.

 

VL: Warum nach Österreich?

 

BW: Ich wusste nicht, wo er mich hinbrachte. Er hat einfach gesagt, ich sollte aussteigen und dass es dort Menschen gäbe, die mir helfen werden. Er sagte, ich sollte diesen mein Problem erzählen.

 

VL: Wohin Sie gebracht wurden, hat Sie nicht interessiert?

 

BW: Nein, ich wollte einfach irgendwo in Sicherheit sein.

 

VL: Sind Sie mit dem Flugzeug nach Moskau geflogen und so nach Österreich gekommen?

 

BW: Nein.

 

VL: Wann ungefähr ist Ihr Vater verstorben?

 

BW: 2001.

 

VL: Seitdem gibt es diese Probleme?

 

BW: Ja, ich habe seit damals Probleme, aber nicht so viele. Nach unserer Tradition sollte ihm nach seinem Tod ein Jahr Respektzeit gegeben werden. Erst nach Ablauf dieses Jahres sollte ich dann seine Stelle einnehmen. Dann sind auch die Probleme so viel geworden. Dann hat man mich bedroht.

 

VL: Wo passierte das?

 

BW: In A..

 

VL: Ich dachte, in einem Dorf?

 

BW: In A.-Dorf, der Name des Dorfes ist A..

 

VL: Das ist nicht die Stadt in Anambra State?

 

BW: A. ist ein Dorf in Anambra State. Ja, ich meine die Stadt.

 

VL: Ist es ein Dorf oder eine Stadt?

 

BW: Es ist ein Dorf, keine Stadt. Anambra ist ein State, A. ist ein Dorf in Anambra State.

 

VL: A. kann im Internet als Stadt gefunden werden, also kann es nicht so klein sein?

 

BW: A. ist klein, ich weiß nicht, ob man es im Internet finden kann. Ich weiß, dass man Anambra State im Internet finden kann, ob man A. findet, weiß ich nicht.

 

VL: Wenn das ein begrenzter Kult in einem Dorf ist, hätten Sie doch wo anders in Nigeria hingehen können?

 

BW: Es wäre nicht sicher für mich, irgendwo anders in Nigeria zu leben. Die Leute aus meinem Dorf würden mich zu finden.

 

VL: Nigeria hat 120 Mio. Einwohner, die Dorfeinwohner würden Sie da finden?

 

BW: Ja. Weil sie viel herumreisen. Sie betreiben Geschäfte in ganz Nigeria. Es sind reiche Menschen.

 

VL: Ihre Familie dürfte auch reich gewesen sein, nachdem Ihr Vater ein Priester in diesem Kult war.

 

BW: Es ist nicht ein Kult, wo man ist, um reich zu werden. Es handelt sich nur um Glaube. Wenn z.B. Hunger herrscht, gehen die Anhänger den Gott um Hilfe bitten. Wenn eine Frau schwanger ist, bitten sie um eine leichte und problemlose Entbindung.

 

VL: Wie heißt dieser Kult?

 

BW: Odogwu A., der Name unseres Gottes ist K..

 

VL: Wo ist Ihre Mutter jetzt?

 

BW: Vielleicht ist sie noch immer in unserem Dorf. Seitdem ich in Österreich bin, habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr und weiß nicht, ob sie noch am Leben ist.

 

VL: Als Sie beim Bischof waren, wussten Sie noch, wo sie war?

 

BW: Ja, als ich beim Bischof lebte, lebte sie noch im Dorf. Ich weiß nur, dass sie noch am Leben war, als ich in Nigeria war. Gott allein weiß, ob sie jetzt noch lebt.

 

VL: Wo im Dorf hat sie gelebt?

 

BW: In A..

 

VL: Wo genau?

 

BW: Sie lebte in unserem Haus, als ich von dort weggegangen bin. Ich weiß nicht, wo sie danach gelebt hat.

 

VL: Ich dachte, das Haus wurde zerstört?

 

BW: Ein Teil des Hauses wurde zerstört. Es wurde nicht demoliert. Es gibt einen Unterschied zwischen Ruinieren und Demolieren. Beim Zerstören können noch Teile des Hauses erhalten bleiben.

 

VL: Wie ist die Zerstörung des Hauses vor sich gegangen?

 

BW: Sie haben die Eingangstür und einige Fenster zerstört.

 

VL: Und Ihren Schornstein?

 

BW: Und das Dach.

 

VL: Womit wurde das zerstört?

 

BW: Das Dach war aus Metall und wurde mit Steinen zerstört. Ein Teil davon war aus Eisen, es wurde nicht das ganze zerstört.

 

VL: Wie wurde die Eingangstür zerstört?

 

BW: Die wurde mit Füßen niedergetreten.

 

VL: Und dann gingen diese Leute wieder?

 

BW: Ja.

 

VL: Was war der Sinn dabei?

 

BW: Es war eine Art Drohung, dass ich die Stelle annehme. Es war so, als würden sie mir einfach einen Vorgeschmack geben, um mir zu zeigen, sollte ich die Stelle nicht annehme, sie zurückkommen können, um alles zu zerstören.

 

VL: Was wurde noch gegen Ihre Familie unternommen?

 

BW: Sie haben unsere Tiere, z.B. die Ziegen getötet. Alles, was sie auf unserem Gelände gefunden haben, haben sie zerstört, die Papayas und die Bananen.

 

VL: Warum haben Sie Ihrer Mutter keinen Brief geschrieben, seit Sie hier sind?

 

BW: Wir haben keine Adressen, ich kann ihr keinen Brief schicken.

 

VL: Sie könnten dem Pfarrer einen Brief schicken und dieser bringt ihn ihr.

 

BW: Ich habe keinen Kontakt mehr zum Pfarrer, diese Menschen stehen mir alle nicht sehr nahe, sie haben das nur gemacht, um mein Leben zu retten.

 

VL: Wie kamen Sie zu Ihrer Geburtsurkunde?

 

BW: Von der nigerianischen Botschaft.

 

VL: Wie genau?

 

BW: Als ich vorhatte, zu heiraten, bin ich dorthin gegangen. Sie haben mir auch gesagt, dass sie einige Dokumente von mir brauchen werden. Ich sagte, dass ich diese nicht hätte und auch keine Möglichkeit habe, diese zu bekommen. Sie sagten, sie würden mir helfen, diese zu besorgen. Ich habe ihnen meine Daten gegeben und sie haben das alles für mich organisiert, dafür habe ich auch bezahlt.

 

VL: Wie kann man sich dieses Idol vorstellen?

 

BW: Es ist eine menschliche Figur aus Holz gemacht.

 

VL: Wie groß?

 

BW: In etwa 120cm.

 

VL: Dieses steht in Ihrem Haus?

 

BW: Nein, es ist im Busch. Dort steht ein ganz kleines Haus, das Idol ist drinnen. Der Eingang des Hauses ist mit Stoff in den Farben Rot, Schwarz und Weiß bedeckt.

 

Erörtert wird ein Kurzbericht über den Nigeria-Workshop, 2. u. 3.3.2004, Seite 6.

 

BW dazu: Ich habe das nicht sehr gut verstanden, ich kann nur sagen, dass diese Informationen durch einflussreiche Personen entstanden sind. Es sind auch Informationen, die Sie aus größeren, wichtigeren Städten wie Lagos und Abuja haben. Es wird keiner in mein Dorf gehen um zu überprüfen, wie die Lage dort ist. Ich kann dort nicht bleiben und warten, bis ich mein Leben verliere. Wenn ich sterbe, wird man nichts davon im Radio hören, im Fernsehen sehen oder in den Zeitungen lesen.

 

Erörtert wird Frage 30 des Gutachtens von Dr. S..

 

BW: Diese Gesellschaft, die hier erwähnt wird, die Ogbonis, ist eine Yoruba-Gesellschaft. Früher waren diese Menschen genauso wie wir, sie haben sich aber weiterentwickelt. Die Gesellschaft existiert in größeren Städten wie Lagos, wo die Augen der Menschen offen sind sie mehr wissen. Aber bei uns im Dorf, wo es kein Radio und Fernsehen gibt, funktioniert es nicht so wie hier beschrieben. Man wird aufgefordert, etwas zu tun, wenn man sich weigert, wird man getötet.

 

VL: Die Eingangsfrage, was Sie jetzt, 2008, noch befürchten, haben Sie noch nicht beantwortet?

 

BW: Sie würden mich töten.

 

VL: Warum sollte man Sie nach 6 Jahren noch töten wollen?

 

BW: Das mag sein, sie warten aber immer noch auf mich, weil ich mich damals geweigert habe, die Stelle anzunehmen und dadurch Schaden angerichtet habe.

 

VL: Gesundheitlich geht es Ihnen gut?

 

BW: Ja, ich wurde 2005 operiert. Seitdem muss ich zweimal im Jahr zur Untersuchung.

 

VL: Das war die Lymphknoten-OP?

 

BW: Ja.

 

VL: Haben Sie einen Befund mit?

 

BW: Ich habe ihn nicht mit. Ich möchte noch sagen, ich weiß, dass mir die Asylbehörde und die Republik Österreich nicht glauben, wenn ich meine Geschichte erzähle, das ist aber das, was mir passiert ist und niemandem sonst. Sie können auch alle Unterlagen mich betreffend seit meiner Ankunft in Österreich überprüfen und Sie werden sehen, dass ich nie die Gesetze Österreichs gebrochen habe. Ich weiß, dass ich zu Hause ein Problem habe und wollte nie etwas tun und dadurch riskieren, dass ich nach Nigeria zurückgebracht werde. Ich will alles vergessen, was hinter mir liegt und nur in die Zukunft blicken. Ich bin jetzt verheiratet und möchte einfach mein Leben mit meiner Frau und meinem Sohn leben.

 

VL: Wissen Sie, warum Sie S. heißen?

 

BW: Das ist mein christlicher Name."

 

Auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden seitens des Asylgerichtshofes folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Weiters konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 17.06.2002 einen Asylantrag gestellt hat und englisch spricht.

 

Geheimgesellschaften in Nigeria:

 

Es gibt eine Unzahl von Geheimgesellschaften bzw. Studentenvereinigungen. Abgesehen von der christlichen oder moslemischen Religion betreibt jeder Nigerianer nebenbei eine alteingesessene Naturreligion, Voodoo wird ständig praktiziert. Auf jedem größeren Markt gibt es auch einen Platz für "Voodoo - Stände", wo für jede Art von Ritualen die notwendigen Utensilien, Kräuter, Arzneien bis hin zu Affen- und Pferdeköpfen, gekauft werden können.

 

Man wird nicht Mitglied in einem Geheimbund - man ist Mitglied aufgrund seiner familiären Zugehörigkeit, man wird in eine Gesellschaft hineingeboren. Dadurch hat man enorme Vorteile, womit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass aufgrund der insgesamt schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Nigeria ein Nigerianer nicht Mitglied sein will bzw. auf die Mitgliedschaft verzichten möchte. Die Nachfolge in Positionen wird von einflussreichen Familien bestimmt, aber es besteht keine Lebensgefahr, wenn man ablehnt.

 

Tatsächliche tief greifende Informationen über Geheimbünde liegen nicht vor - ansonsten könnte man logischer Weise auch nicht von einem Geheimbund sprechen. In Nigeria hat das Problem mit Geheimbünden bei weitem nicht den Stellenwert, den es aufgrund der hier vorgebrachten Asylvorbringen haben müsste. Eigene gesetzliche Regelungen dagegen gibt es nicht, Vergehen und Verbrechen werden nach dem allgemeinen Strafgesetz verfolgt.

 

Menschenopfer sind selbstverständlich verboten. Die Polizei kümmert sich allerdings nicht um Rituale oder Bräuche, solange nicht strafrechtliche Tatbestände vorliegen. Es gibt dokumentierte Festnahmen und Verurteilungen bei Menschenopfern. Diese werden streng unter das nigerianische Strafrecht subsumiert und bedingen den Sachverhalt "Mord".

 

Unter den stark christianisierten Ibos sind Geheimgesellschaften nicht mehr aktiv. Ebenso nicht unter den Haussa, das hat dort wenig Bedeutung.

 

(BAA, Nigeria-Workshop 2004 - Bericht-Zusammenfassung Seite 6)

 

Hat eine Person, welche die Mitgliedschaft bei einer Sekte verweigert, in Folge Konsequenzen zu befürchten? Wenn ja, wie können diese ausfallen und besteht eine Gefahr für Leib und Leben.

 

Antwort:

 

Da jede Person auf Grund ihrer familiären Zugehörigkeit gleichzeitig auch Mitglied der traditionellen Ogboni Gesellschaft ist und hierdurch enorme Vorteile genießt, kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass eine Person freiwillig auf die Mitgliedschaft oder die Nachfolge im Amt verzichten würde. Das Ausscheiden aus der traditionellen Ogboni Gesellschaft ist auf Grund der familiären Zugehörigkeit nicht, der Verzicht auf die Nachfolge im Amt aber problemlos möglich, da die Familie das Vorschlagsrecht bei der Nachfolge im Amt ausübt. So lange sich eine Person, welche die Mitgliedschaft ablehnt, an die Verschwiegenheitsgebote der Gesellschaft hält, hat sie keine Konsequenzen zu befürchten.

 

(Anfragebeantwortung Dr. S., Frage 30, 05.10.2004)

 

Nicht festgestellt werden konnten die Identität, der Fluchtweg sowie die behaupteten Fluchtgründe des Beschwerdeführers.

 

Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Nigeria ist, ergibt sich aus seinen Sprach- und geographischen Kenntnissen. Das Datum der Asylantragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellungen zu Geheimgesellschaften in Nigeria aus den oben erwähnten Dokumenten. Der Beschwerdeführer ist mit seinen Äußerungen in der Verhandlung diesen Feststellungen nicht substantiiert entgegen getreten.

 

Die Identität des Beschwerdeführers konnte aufgrund verschieden behaupteter Identitäten nicht festgestellt werden. Wenn der Beschwerdeführer meint, er hätte sich um 17 Jahre jünger gemacht, um daraus Vorteile im Asylverfahren zu erzielen, so mag dies auch für seine Fluchtgeschichte gelten. Insofern der Beschwerdeführer angab, einen falschen Namen verwendet zu haben, um einer sofortigen Abschiebung anlässlich seiner ersten Einvernahme zu entgehen, so ist es nicht nachvollziehbar, warum diese falsche Identität gleich vier Jahre lang aufrechterhalten worden ist. Erst als der Beschwerdeführer die Möglichkeit sah eine österreichische Staatsbürgerin zu heiraten und sich deswegen Dokumente im Heimatstaat besorgen ließ, war er gewillt, die neue - und angeblich richtige - Identität den Asylbehörden bekannt zu geben. Aufgrund der Tatsache, dass die Geburtsbestätigung ohne persönliche Anwesenheit und erst am 00.02.2006 ausgestellt wurde, darf - im Hinblick auf das Amtswissen über die Echtheit nigerianischer Dokumente - der Wahrheitsgehalt dieser ¿Urkunde' stark bezweifelt werden. Darüber hinaus ist als Registrationszentrum das "XY Centre" eingetragen, was darauf schließen lässt, das der Beschwerdeführer doch nicht aus einem Dorf namens A., sondern - wie ihm in der Verhandlung vorgehalten wurde - aus der Stadt A. in Anambra State stammt, welches eher über ein "Health Centre" verfügen sollte als ein Dorf.

 

Der Beschwerdeführer konnte über den Kult, welchen er als oberster Priester beitreten hätte sollen, nur fragmentarisch Auskunft geben, nämlich nur den Namen des Kultes, den Namen ihres Gottes und die Höhe des "Idols". Dies obwohl sein Vater jahrelang Chief Priest des Kultes gewesen sein und der Beschwerdeführer schon zu Lebzeiten des Vaters eine Nachfolge abgelehnt haben soll. Für die erkennende Behörde liegt daher der Schluss nahe, dass der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Geheimbund entweder nicht existiert oder keinen Bezug zum Beschwerdeführer aufweist. In den Quellen scheint ein derartiger Kult nicht auf, was weiters dafür spricht, dass ein solcher nicht besteht bzw. dass dieser nur auf das Dorf/Stadt A. beschränkt ist, was wiederum die Glaubwürdigkeit des Vorbringens, der Beschwerdeführer könne in ganz Nigeria gefunden werden, nicht stützen kann.

 

Weiters ist es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer eine Mitgliedschaft in einer Vereinigung abgelehnt haben soll, die enorme wirtschaftliche Vorteile in einem Land mit schwierigen ökonomischen Möglichkeiten, bietet. Wie den Feststellungen zu Kulten in Nigeria nämlich zu entnehmen ist, wird man in einen Kult hineingeboren und genießt im Sinne einer Interessensgemeinschaft enorme Vorteile gegenüber Nichtmitgliedern. Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer Angehöriger des Volkes der Ibo, bei welchen Geheimgesellschaften nicht mehr aktiv sind. Nicht nachvollziehbar ist, dass - sollte der Kult tatsächlich existieren - der Beschwerdeführer in einem Land mit mehr als 120 Mio. Einwohnern und ohne Meldewesen, von Einwohnern eines - vom Beschwerdeführer angegebenen - Dorfes gefunden werden kann. Ebenso wenig nachvollziehbar ist die Vermutung des Beschwerdeführers (mangels Kontakt mit seiner Heimat), dass er nach sechs Jahren noch immer von den Dorfbewohnern verfolgt würde.

 

Die Zerstörung seines Elternhauses hat der Beschwerdeführer vor der Erstinstanz im Gegensatz zur Verhandlung nicht erwähnt.

 

Zusammenfassend ergibt sich nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung für den Asylgerichtshof daher die Unglaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer behaupteten fluchtauslösenden Ereignisse.

 

Rechtlich folgt daraus:

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag vor dem 1. Mai 2004 gestellt; das Verfahren war am 31. Dezember 2005 anhängig; das Verfahren ist daher nach dem AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Richter stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Ad I.) Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352).

 

Auf Grund obiger Erwägungen wird dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit seines Vorbringens abgesprochen, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist eine Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft zu machen und eine Asylgewährung aus diesem Grunde ausgeschlossen ist.

 

Selbst für den hypothetischen Fall, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers den Tatsachen entsprechen würde, ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen:

 

Da laut Angaben des Beschwerdeführers der Kult seines Dorfes A. lokal begrenzt ist, steht ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in Nigeria mit 120 Mio. Einwohnern und ohne Meldewesen, zur Verfügung. Auch die Mutter ist in Nigeria aufhältig. Darüber hinaus hat die Kirche dem Beschwerdeführer in seiner damaligen Situation geholfen und könnte dies auch bei einer Rückkehr wieder tun.

 

Ad II.) Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I Nr. 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 01.01.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I Nr. 100/2005 [FPG]) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG - sofern man die Übergangsbestimmungen des § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 und in weiterer Folge des § 44 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 nicht ohnedies als lex specialis zu § 124 Abs. 2 FPG 2005 begreift, womit die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG weiterhin aufrecht bliebe - nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di.

§ 50 FPG. Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 und 4 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 GFK), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Ob diese Verweisung auf § 50 FPG wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht, obwohl Verfahren nach dem AsylG 1997 nur weiterzuführen sind, wenn der zugrundeliegende Antrag vor dem 01.01.2006 gestellt worden ist, braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe.

 

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG knüpft an jene zum inhaltsgleichen § 37 Fremdengesetz BGBl. 838/1992 an. Für § 57 Abs. 1 FrG i.d.F. BG BGBl I Nr. 126/2002 kann auf die Rechtsprechung zur Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl I Nr. 75/1997) zurückgegriffen werden (VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059, VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573), mit der sie sich inhaltlich deckt (die Änderung diente nur der Verdeutlichung). Nach der Judikatur zu (§ 8 AsylG - nunmehr § 8 Abs. 1 AsylG - i.V.m.) § 57 FrG ist Voraussetzung einer Feststellung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Beschwerdeführer betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.06.1997, 95/18/1291; 17.07.1997, 97/18/0336). Die Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Wie bereits ausgeführt, konnte der Beschwerdeführer seine Angaben nicht glaubhaft machen, womit es ihm nicht gelungen ist, die behaupteten, für eine drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe, konkret und in sich stimmig zu schildern, weshalb nach Ansicht der erkennenden Behörde der Schluss zu ziehen war, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 AsylG nach Nigeria zulässig ist.

 

Wie bereits dargelegt, steht - bei Unterstellung der Richtigkeit des Vorbringens - im gegenständlichen Verfahren dem Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative in Nigeria bei seiner Mutter bzw. der Kirche zur Verfügung.

 

Da der Beschwerdeführer bereits 2005 an seinen Lymphknoten operiert wurde und laut vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben der MA 15 nur mehr Kontrolluntersuchungen vorgesehen sind, ist auch aus diesem Grund im Lichte der Judikatur des EGMR kein Abschiebehindernis im Sinne des Art. 3 EMRK gegeben, weshalb der Schluss zu ziehen war, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 AsylG nach Nigeria zulässig ist.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, inländische Schutzalternative, innerstaatliche Fluchtalternative, non refoulement, private Verfolgung
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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