TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/19 A1 316219-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2008
beobachten
merken
Spruch

A1 316.219-1/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner als Vorsitzenden und den Richter Dr. Christian Filzwieser als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Ines Csucker über die Beschwerde des M.A., StA. Marokkos, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8.11.2007, Zl. 07 00.323-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs 1; 8 Abs 1 Z 1; 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl Nr. 100/2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

Der Beschwerdeführer beantragte am 9.1.2007 die Gewährung von Asyl.

 

Am 10.1.2007, am 18.1.2007 und am 27.3.2007 wurde der Beschwerdeführer jeweils beim Bundesasylamt zu seinem Asylantrag niederschriftlich einvernommen.

 

Dabei gab er an, er würde M.A. heißen, wäre am 00.00.1990 geboren und marokkanischer Staatsbürger.

 

Darüber hinaus gab er im Wesentlichen Folgendes an:

 

...

 

F: Nennen Sie bitte alle Gründe warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben und in Österreich um Asyl ansuchen!

 

A: Mein Vater war mir gegenüber sehr brutal, er hat sehr viel getrunken und mich auch geschlagen. Er hat mich aus der Berufsschule herausgenommen und zwang mich zu arbeiten, ich sollte mein Geld selbst verdienen. Danach hat er mich aus dem Haus geworfen, er sagte ich dürfte nicht mehr nach Hause kommen. Ich begab mich in den Hafen nach Casablanca und wartete dort und versuchte auszureisen. Ich habe mich dann auf einem Lkw versteckt, ohne dass der Lenker etwas bemerkte, und so kam ich dann auf dem Lkw mit einem Schiff nach Deutschland.

 

F: Wollen Sie weitere Fluchtgründe angeben oder Ihr Vorbringen ergänzen?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie jemals Probleme mit den Behörden, der Polizei oder dem Militär Ihres Heimatlandes gehabt?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie sonst Probleme in Ihrem Heimatland?

 

A: Nein, sonst habe ich keine Probleme.

 

F: Wann konkret haben Sie sich entschlossen, Ihr Heimatland zu verlassen?

 

A: Als ich vor etwa vier Monaten in den Hafen kam und mich mein Vater aus dem Haus geworfen hatte. Ich habe am Hafen den Fischern bei der Arbeit geholfen, Sie gaben mir dafür Essen und Geld.

 

F: Wo haben Sie am Hafen geschlafen?

 

A: Meistens in verschiedenen Lkws am Hafen.

 

F: Was war der konkrete fluchtentscheidende Ausreisegrund?

 

A: Mein Vater hat mich aus dem Haus geworfen und am Hafen war ich eigentlich obdachlos und habe auf der Straße gelebt. Ich habe den Fischern immer nur geholfen und bekam keine richtige Arbeit.

 

F: Warum haben Sie sich nicht in einem anderen Landesteil Ihres Heimatlandes niedergelassen um diesen Problemen zu entgehen?

 

A: Ich war in vielen Städten und habe auch in anderen Häfen Arbeit gesucht, aber ich habe nirgends Arbeit gefunden und habe deshalb diese Städte wieder verlassen.

 

...

 

F: Warum sind Sie in Marokko nicht zu karitativen Einrichtungen gegangen, oder in Pflege oder Waisenhäuser oder in eine Moschee?

 

A: Ich war in solchen Einrichtungen, aber die haben mir nicht geholfen. Sie hatten auch kein Geld.

 

F: Wo waren Sie?

 

A: Ich war selbst nie dort, ich wurde einige Male von der Polizei am Hafen festgenommen und später wurde mit diesen Heimen von der Polizei Kontakt aufgenommen, aber sie konnten uns dort nicht helfen.

 

F: Kann es sein, dass Sie doch in solchen Heimen waren und von dort aber abgehauen sind?

 

A: Nein, ich war nie in solchen Heimen.

 

F: Waren Sie nun selbst in Pflegeheimen vorstellig und haben um Hilfe ersucht?

 

A: Nein, ich war nie dort, ich war nur einige Male in Moscheen.

 

F: Warum haben Sie Ihre Lehre abgebrochen?

 

A: Ich hätte im dritten Lehrjahr mehrfach mit dem Bus fahren müssen und mein Vater konnte mir das nicht finanzieren.

 

...

 

V: Sie haben bisher lediglich wirtschaftliche bzw. private Probleme vorgebracht, diese begründen keine Flüchtlingseigenschaft. Was sagen Sie dazu?

 

A: Was muss ich sagen, dass man Asyl bekommt.

 

...

 

F: Wie oft hat Ihr Vater Sie bereits geschlagen?

 

A: Immer wieder, viele male.

 

F: Hat Ihr Vater Ihnen auch Verletzungen zugefügt?

 

A: Mir wurde einmal im Spital zwei Metallstücke im Unterkiefer eingesetzt, weil mir der Vater mit der Hand solange auf mein Gesicht geschlagen hat, bis mein Kiefer gebrochen war. Auch hat meine Nase sehr stark geblutet, und meine Augen waren rundherum blau und geschwollen. Ich wurde sogar ohnmächtig.

 

Anmerkung: Es konnte eine ca. 5 cm lange Rötung unterhalb der Zähne des AW im Unterkiefer wahrgenommen werden.

 

F: Wer hat Sie danach in ein Krankenhaus gebracht?

 

A: Ich glaube, meine Mutter war es.

 

F: Wurden Sie im Krankenhaus befragt, wie diese Verletzungen zustande gekommen sind?

 

A: Ja, aber meine Mutter hat gesagt, dass ich sagen sollte, dass es auf der Straße passiert ist. Ich hatte Angst, dass dann mein Vater meine Mutter noch mehr schlägt.

 

F: Haben Sie oder Ihre Familie je eine Anzeige gegen Ihren Vater gemacht?

 

A: Nein.

 

F: Warum nicht?

 

A: Meine Mutter hat Angst vor meinen Vater, falls er eingesperrt wird, hätte wir gar kein Geld und meine ganze Familie würde auf der Straße stehen.

 

F: Wie heißt das Krankenhaus wo Sie untergebracht waren?

 

A: In Casablanca, im XY

 

F: Wann waren Sie im Krankenhaus?

 

A: Vor ca. einem Jahr, genauer kann ich es nicht angeben.

 

F: Wann sind Sie dann endgültig vor Ihren Vater geflüchtet?

 

A: Von jetzt weggerechnet ca. 5 bis 6 Monate.

 

Dem RB wird die Möglichkeit gegeben, Fragen oder Anträge zu stellen.

 

Der RB bzw. gesetzliche Vertreter bringt folgenden Antrag:

 

Aufgrund der tristen vom AW geschilderten familiären Situation bitte ich um eine Zulassung, da der AW von den marokkanischen Behörden direkt an seine Familie zurück überstellt werden würde, weiters hätte der AW aufgrund seines Alters so gut wie keine Möglichkeiten, sei es auch in einer staatlichen Stelle unterzukommen.

 

...

 

F: Alle Ihre Geschwister konnten zu Hause leben - warum mussten Sie das Haus verlassen?

 

A: Immer wenn mein Vater getrunken war, hat er mich geschlagen. Er verlangte von mir, dass ich arbeiten gehe.

 

F: Nennen Sie die Namen und das Alter Ihrer Geschwister!

 

A: Schwestern: F. 25 Jahre alt, K. 20 Jahre alt, M. 16 J., Z. 10 Jahre alt;

 

Brüder: E. 15 J., O. 7 J., H. 5 Jahre alt.

 

F: Wohnen alle noch zu Hause?

 

A: Nur F. ist verheiratet, sie wohnt in einem anderen Haus.

 

F: Wie wurde der Lebensunterhalt für eine solch große Familie von ihren Eltern bestritten?

 

A: Mein Vater arbeitete in einer Firma.

 

F: Was war ausschlaggebend, dass gerade Sie nicht mehr zu Hause wohnen konnten?

 

A: Er hat mich immer aufgefordert, ihn zu unterstützen. Er hat geklagt, dass er die Familie nicht alleine unterstützen kann.

 

F: Gingen Sie einer Arbeit nach?

 

A: Ich arbeitete 3 Monate bei einem Tischler. Er erhielt nur 5 Euro pro Woche. Er meinte, dass dies zu wenig wäre und ich mir woanders eine Arbeit suchen sollte. Nachdem ich dann eine andere Stelle gesucht und keine gefunden habe, wurde ich von ihm auf die Straße gesetzt. Er hat mich deswegen geschlagen und mir das Kiefer gebrochen. Ich wurde dann operiert und sie haben ein Metall eingesetzt.

 

...

 

F: Was kostete Ihnen die Reise von Marokko bis nach Österreich?

 

A: Ich musste für meine Reise nichts bezahlen.

 

Ich war obdachlos und habe mehrmals versucht, über den Hafen das Land zu verlassen. Ich wurde mit einer anderen Person in einem LKW versteckt und der LKW wurde auf ein Schiff verladen. Mit dem LKW fuhren wir bis nach München.

 

V: Es ist absolut unglaubwürdig, dass sie ohne Probleme, ohne Geldmittel und ohne auch nur einmal - zumindest bei der Einreise nach Europa wurde der LKW sicher kontrolliert - bis nach München reisen konnten!!! Auch der LKW-Fahrer bemerkte nichts von seinen Mitfahrern!!!!

 

Erklären Sie sich hiezu!

 

A: Die Reise bis nach München dauerte nur 5 Tage. Der LKW wurde immer nur aufgemacht und dann wieder geschlossen. Die Leute in der Moschee meinten, dass es in Österreich leichter ist, Asyl zu erhalten und kauften uns die Zugkarten bis nach Innsbruck.

 

...

 

V: Ihnen werden nun aktuelle Länderfeststellungen bezüglich Ihres

Heimatlandes Marokko zur Kenntnis gebracht:

 

sh. Länderfeststellungen

 

F: Wollen Sie zu den Länderfeststellungen Angaben machen?

 

A: Nein, ich will dazu nichts sagen.

 

F: Haben Sie jemals Unterstützung bei der AMESIP-Organisation bzw. einer anderen Organisation, die sich um Straßenkinder kümmert, gesucht?

 

A: Ich kenne die Organisation nicht namentlich. Ich wurde von der Polizei zu mehreren Organisationen gebracht, die mich jedoch alle nicht aufnahmen.

 

F: Warum sollte die Polizei Sie zu einer Einrichtung bringen, die nicht Ihrem Alter entspricht?

 

A: Immer wieder habe ich versucht, das Land zu verlassen, weil ich das Land verlassen wollte. Sie brachten mich immer zu einer Organisation.

 

Man darf den Hafen nicht betreten.

 

F: Warum blieben Sie nicht in einer solchen Einrichtung?

 

A: Die Einrichtungen sagten immer, dass ich zu alt bin.

 

F: Warum sollte denn die Polizei Sie immer in eine Einrichtung bringen, die nicht Ihrem Alter entspricht!!!!???

 

A: Ich weiß es nicht. Sie brachten mich in eine Einrichtung, wo man nur Kinder bis 15 Jahre nimmt, ich war 15 1/2.

 

...

 

Des Weiteren wurde ein Führungsbericht der Betreuungseinrichtung des Antragstellers am 06.08.2007 vorgelegt.

 

Am 19.09.2007 wurde der Antragsteller einer psychiatrischen Untersuchung zum Zwecke der Altersfeststellung bei Dr. L. zugeführt.

 

Dr. L. führt in seinem Gutachten auszugsweise aus:

 

Daher ist insgesamt aufgrund der Zusammenschau der Befunde das Erreichen bzw. Überschreiben des 18. Lebensjahres als sehr wahrscheinlich anzusehen.

 

Am 16.08.2007 langte bei der ho. Behörde eine Faxkopie einer Geburtsurkunde samt Übersetzung ein. Demzufolge würde der Antragsteller M.A. heißen und wäre 00.00.1990 geboren. Das Schriftstück wäre am 00.00.2007 vor marokkanischen Behörden ausgestellt worden.

 

Das Originaldokument wurde bis dato der ho. Behörde nicht vorgelegt.

 

Per Eingabe vom 04.11.2007 langte eine Stellungnahme zur Altersfeststellung der Diakonie bei der ho. Behörde ein.

 

In diesem Schreiben wird zusammenfassend ausgeführt, dass es bei der Protokollierung der Untersuchung zu einigen Fehlern gekommen wäre. Des Weiteren wird die Art und Weise der Untersuchungsmethoden kritisiert. Auch entspreche das Gutachten nicht einem Sachverständigengutachten wie es vom VwGH gefordert werden würde.

 

Mit Bescheid vom 8.11.2007, Zl. 07 00.323-BAT, wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I.) ab, erklärte gleichzeitig seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Marokko gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

 

Zur Person des Asylwerbers traf das Bundesasylamt folgende Feststellungen:

 

Der Antragsteller stammt aus Casablanca und ist marokkanischer Staatsbürger.

 

Die Identität des ASt. konnte mangels geeigneter Dokumente jedoch nicht festgestellt werden.

 

Seinen Angaben zufolge verließ er sein Heimatland primär aus wirtschaftlichen Gründen.

 

Festgestellt wird auch, dass der Antragsteller bereits 1 x wegen Diebstahl und 1 x gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen hat.

 

Diesbezügliche Verurteilungen stehen noch aus.

 

Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass er in Marokko Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt wäre.

 

Es konnten keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Antragsteller im Falle einer Rückkehr nach Marokko Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder Todesstrafe unterworfen zu werden, festgestellt werden.

 

Im Falle des Antragstellers konnte mit der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kein Eingriff in das Privat- oder Familienleben festgestellt werden.

 

Zum Herkunftsstaat Nigeria traf das Bundesasylamt folgende

Feststellungen:

 

Aktuelle politische Situation:

 

Marokko ist nach der Verfassung von 1972 (mit Änderungen 1992 und 1996) eine konstitutionelle Monarchie. Neben den Verfassungsorganen besteht das traditionelle System des "Makhzen" mit dem König als Führungsperson. Er beherrscht das politische und in weiten Bereichen das wirtschaftliche System. Nach Verfassung und Tradition hat der König eine Doppelrolle: Er ist weltlicher Herrscher und zugleich geistlicher Führer (Amir Al Mu'minin).

 

König Mohammed VI. verkörpert einen weltoffenen liberalen Regierungsstil, hat aber auf keines der Vorrechte seines Vaters verzichtet. Er betont stärker als sein Vater die Idee der konstitutionellen Monarchie, ist aber auch bereit, seine exekutiven Befugnisse zu nutzen, wenn er es für erforderlich hält. Nach den Parlamentswahlen am 27. September 2002 ernannte er den parteilosen Technokraten Driss Jettou zum neuen Premierminister und unterstrich damit seinen politischen Führungsanspruch. Die Wahl kann weitgehend als frei, fair und transparent bezeichnet werden.

 

Der innenpolitische Stil des Königs hat sich auch durch die Ankündigung von Initiativen bei der Bekämpfung von Armut und Bildungsnotstand und bei der Gleichberechtigung der Frau manifestiert.

 

Der König hat den Kampf gegen den Terrorismus und die Demokratisierung und Modernisierung des Landes als gleichgewichtige Aufgaben bezeichnet. Die Sicherheitsbehörden gehen mit großer Härte gegen radikale islamistische Gruppen vor.

 

(Auswärtiges Amt, Innenpolitik Algerien, März 2005, U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices, 08.03.2006)

 

Anfang Januar legte die noch unter Hassan II ins Leben gerufene Ethikkommission "Gerechtigkeit und Versöhnung" ihren Abschlussbericht vor. Ihre Aufgabe bestand darin, die Vorkommnisse zwischen 1970-1990, der Unterdrückungszeit unter Hassan II zu untersuchen und den Opfern von Menschenrechtsverletzungen Gehör zu verschaffen. Der Bericht mit seinen Forderungen, neben der Aufklärung zukünftig derartige Menschenrechtsverletzungen durch eine Verfassungsreform zu unterbinden, wurde von Mohamed VI zum Anlass genommen, eine Gesamtbilanz der 50 jährigen Unabhängigkeit Marokkos zu ziehen.

 

Der König unterließ es, sich öffentlich für die Vorkommnisse unter der Regentschaft Hassan II zu entschuldigen und enttäuschte damit die Erwartungen der Öffentlichkeit. Er nahm die Gelegenheit zum Anlass, die Kontinuität der konstitutionellen Monarchie zu betonen, einen Schlussstrich unter die "bleiernen Jahre" zu ziehen und zu einem neuen nationalen Konsens aufzurufen. Hierbei wendete er sich vor allem an die junge Bevölkerung; die er aufrief, sich zur territorialen Integrität, zur nationalen Identität und zur "Bürgermonarchie" zu bekennen. Der Saharakonflikt wurde Mitte Januar im UN Sicherheitsrat erneut zur Sprache gebracht. Der Bericht des UN Sonderbeauftragten für die Sahara zeigte die Misserfolge der bisherigen UN Lösungsmodelle auf. Vielmehr könne nur durch eine direkte Beteiligung der Konfliktpartner, Algerien eingeschlossen, der über 30 Jahre währende Konflikt einer Lösung zugeführt werden. Erwartet wird jetzt der von Marokko angekündigte Plan einer weitgehenden Autonomie des umstrittenen Gebietes innerhalb des marokkanischen Territoriums. (Hans Seidel Stiftung, Monatsbericht, Jänner 2006)

 

Menschenrechtssituation:

 

Marokko zeigt weiterhin ein gemischtes Bild bei den Menschenrechten.

 

Es hat große Fortschritte bei vergangenen Misshandlungen gemacht und erlaubt große Freiräume für kritische Meinungen und Protesten in den letzten Jahren.

 

Die Behörden werden weiterhin von gefälligen Richtern unterstützt und sie benutzen diskriminierende Gesetze, um friedliche Gegner zu bestrafen. Die Polizei geht teilweise mit überzogener Gewalt vor, um Demonstrationen aufzulösen.

 

(Human Rights Watch, Country Summary Morocco, January 2006)

 

Menschenrechte sind heute besser als zuvor in der politischen Wirklichkeit Marokkos verankert. Durch die weitgehend freie Diskussion von Menschenrechtsfragen vor allem in regierungskritischen Zeitungen ist die Sensibilität der Öffentlichkeit gewachsen.

 

Es gibt Fortschritte bei der Einführung des "Moudawana (Familiy Status Code) und bei der Arbeit der Gerechtigkeits- und Versöhnungskommission (IER). Dennoch bleibt die Menschenrechtssituation in manchen Gebieten Marokkos unbefriedigend.

 

Menschenrechtsorganisationen und die Polisario Front (Popular Front for the Liberation of the Saguia el Hamra and Rio de Oro), eine Front die für die Unabhängigkeit von Westsahara eintritt, beschuldigen die Regierung des harten Vorgehens in Laayoune und Dakhla (Western Sahara) gegen Demonstranten im Mai und kritisiert auch die folgenden Gerichtsverfahren und harten Urteile gegen Demonstranten.

 

Menschenrechtsaktivisten in der Westsahara berichteten an Amnesty International (AI) und Human Rights Watch (HRW) dass die Demonstranten teilweise auch gefoltert wurden.

 

Monatliche Demonstrationen von arbeitslosen Akademikern vor dem Parlament wurden von Sicherheitskräften durch übertriebene Gewalt aufgelöst.

 

(U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices, 08.03.2006)

 

Marokko wird vor Ablauf des Einsatzes der UN- Friedenstruppen MINURSO Ende April der UN einen Vorschlag zur Lösung des Saharakonfliktes unterbreiten. Derzeit sind die politischen Parteien aufgefordert, ihre Vorstellungen einer größtmöglichen Autonomie des umstrittenen Gebietes innerhalb des marokkanischen Hoheitsgebiets zu unterbreiten. Marokko hat bei der UN Beschwerde eingelegt, da die Polisario in der entmilitarisierten Zone mit Demonstrationen auf sich aufmerksam machen versuchte. (Hans Seidel Stiftung, Monatsbericht, Februar 2006)

 

Versorgungslage

 

Sozialversicherungssystem:

 

Aktuelle Gesetze: 1972 (social security scheme); 1981 (agricultural and forestry workers) und 2002 (basic health coverage), eingeführt 2005.

 

Versicherungsschutz:

 

Angestellte Arbeiter und Lehrlinge in Industrie und Handel, Forst- und Landwirtschaft, Personen die bei Handwerkern oder anderen Selbständigen beschäftigt sind, Personen die bei Grundherren oder in der Fischerei beschäftigt sind.

 

Ausnahmen: Selbständige

 

Es gibt ein spezielles Versicherungssystem für öffentlich Bedienstete und für bestimmte andere Kategorien von Angestellten.

 

Versicherungsschutz bei Krankheit und Mutterschaft: medizinische Versorgung

 

Versicherungsschutz für Arbeiter: medizinische Grundversorgung

 

Versicherungsschutz für Hinterbliebene: medizinische Grundversorgung

 

(U.S. Social Security Administration, Bericht über das Sozialversicherungssystem, September 2005)

 

Die von Mohammed VI zur Armutsreduzierung initiierte "nationale Initiative zur menschlichen Entwicklung" wird, von Medienberichten begleitet, als im gesellschaftlichen Konsens entstandene Initiative konsequent weiterverfolgt. Der Monarch selbst wirkt als Garant für den Erfolg, wenn er landesweit Entwicklungsvorhaben im Bereich Grundversorgung einweiht. Die Finanzierung der Vorhaben im Bereich Grundversorgung und Infrastruktur wird auch durch ausländische Gelder unterstützt.

 

Auch die Schaffung von entwicklungsorientierten Rahmenbedingungen wird gefördert. In diesem Zusammenhang sind die erleichterten Mikrokreditvergaben, sowie Arbeitseingliederungsmöglichkeiten in kleine und mittlere Betriebe zu nennen, wobei der Staat selbst für die Lohnnebenkosten aufkommt.

 

(www.hss.de, Marokko, Monatsbericht September 2005)

 

Bewegungsfreiheit:

 

Das Gesetz erlaubt uneingeschränkte Bewegungsfreiheit, jedoch schränkt die Regierung dieses Recht in bestimmten Gebieten ein. Besonders im Gebiet der West Sahara, das von der Regierung verwaltet wird und als militärisch sensibles Gebiet gilt. Die Behörden verweigerten zahlreichen regierungskritischen Personen die Ausstellung von Pässen in diesem Gebiet.

 

(U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices, 08.03.2006)

 

Ein weiterer Accord-Bericht bezüglich der Situation von verwaister und verstoßener Kinder in Marokko wird ihnen zur Kenntnis gebracht und wird in ausgedruckter Form - der Niederschrift beigefügt und an die Vertreterin übergeben.

 

In einem anderen Asylfall wurde eine Botschaftsanfrage an die ÖB

Marokko gestellt:

 

Antworten der ÖB Marokko:

 

· Prinzipiell ist die Situation für Minderjährige ohne Familienbildung in Marokko schwierig. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und des noch sehr im Aufbau begriffenen staatlichen sozialen Netzes ist die Familie im Normalfall die Garantie für eine dem regionalen Umfeld entsprechende soziale Absicherung. Aufgrund von einschlägigen Erfahrungswerten ist unter Umständen ein abgleiten in das fundamentalistische Lager möglich.

 

· Unterbringung und Verpflegung sind in Marokko nicht gesichert, jedoch hat sich die Situation in den letzten Jahren vor allem aufgrund des Engagements privater Institutionen gebessert und eine Betreuung durch staatliche bzw. private Institutionen ist zumindest teilweise möglich. · Es gibt Institutionen welche sich um Jugendliche kümmern, so u.a. AMESIP welche speziell Straßenkinder in u. a. Casablanca betreut.

 

Beweiswürdigend führte das Bundesasylamt Folgendes aus:

 

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Marokko gründen sich auf die o.a. Quellen.

 

Sofern auf Quellen älteren Datums verwiesen wurde, dient dies zur Dokumentierung der geschilderten chronologischen Hergänge der Ereignisse bzw. gegen jüngere öffentlich zugängliche Quellen, seien sie von UNHCR, Menschenrechtsorganisationen oder periodisch aktualisierte Online-Quellen das gleiche Bild wieder bzw. dienen diese Quellen der Schilderung chronologischer Hergänge asylrelevanter Ereignisse. Das Bundesasylamt konnte sich daher bei der Feststellung des Ermittlungsergebnisses auf die streckenweise wörtliche Zitierung dieser Quellen beschränken (vgl. zu dieser Vorgangsweise etwa Bescheid des UBAS vom 4.2.2005, Az.:

242.404/0-VII/22/03). Aufgrund der politischen kontinuierlichen Lage, sowie aufgrund der Ausführungen in den vorhergegangenen Sätzen sind daher sämtliche Quellen als aktuell anzusehen.

 

Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates über den berichtet wird zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach von besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diese Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung findet sich bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprungs (vgl. hiezu Feststellung des UBAS im Bescheid 3.2.20005, Az.:

242.404/0-VII/22/03 zum Verhältnis zwischen Berichten des Deutschen Auswärtigen Amtes und Menschenrechtsorganisationen).

 

Die im Bescheid getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen.

 

Bezüglich der von der ho. Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation in Marokko ist festzuhalten, dass diese Kenntnisse -soweit dem ASt. das ho. Amtswissen hierzu nicht vorgehalten wurde- als notorisch vorauszusetzen sind. Gemäß § 45 Abs 1 AVG bedürfen nämlich Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind (sog "notorische" Tatsachen; vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 13-MSA1998-89) keines Beweises. "Offenkundig" ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder "allgemein bekannt" (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt und dadurch "bei der Behörde notorisch" (amtsbekannt) geworden ist; "allgemein bekannt" sind Tatsachen, die aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnittsmenschen - ohne besondere Fachkenntnisse - hergeleitet werden können (VwGH 23.1.1986, 85/02/0210; vgl. auch Fasching; Lehrbuch 2 Rz 853). Zu den notorischen Tatsachen zählen auch Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleichlautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert wurden, wobei sich die Allgemeinnotorietät nicht auf die bloße Verlautbarung beschränkt, sondern allgemein bekannt ist, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen.

 

Der vom gesetzlichen Vertreter vorgelegte Bericht der World Organisation against Torture wurde berücksichtigt. Der Bericht bezieht sich aus Quellen aus dem Jahre 2003. Der somit vorgelegte Bericht ist von vornherein nicht geeignet die wesentlich aktuelleren Feststellungen des BAA zum Herkunftsstaat in Zweifel zu ziehen.

 

Insbesondere wird durch diesen in englischer Sprache verfassten Berichte in keiner Weise substantiiert dargetan, inwieweit sich daraus eine asylrelevante Verfolgung oder die Gewährung von subsidiärem Schutz konkret für den Antragsteller ergeben soll.

 

Zur Person des Antragstellers:

 

Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit und zur Herkunftsregion ergeben sich aus den unwiderlegten und diesbezüglich schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben des Antragstellers sowie aufgrund dessen Sprach- und Ortskenntnisse.

 

Auch die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und familiären bzw. verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten ergeben sich aus den unwiderlegten und schlüssigen Angaben des Antragstellers.

 

Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes oder sonstigen Bescheinigungsmittels steht die Identität des Antragstellers jedoch nicht fest. Soweit er im Asylverfahren namentlich genannt wird, dient dies lediglich der Individualisierung seiner Person als Verfahrenspartei, nicht jedoch als Feststellung der Identität.

 

Bezüglich der mittels FAX vorgelegten Kopie einer Geburtsurkunde wird folgendes ausgeführt:

 

FAKTEN:

 

1. Der Antragsteller behauptete bei seinem ersten Kontakt mit der Polizei in St. Georgen M.A. zu heißen und am 00.00.1990 geboren zu sein.

 

2. Der Antragsteller behauptete anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 18.01.2007, nie im Besitze irgendwelcher Dokumente gewesen zu sein. Anlässlich seiner weiteren Einvernahme am 27.03.2007 meinte er dann, dass seine Eltern in Marokko über eine Geburtsurkunde verfügen würde und er mit ihnen dahingehend Kontakt aufnehmen wird.

 

3. Faktum ist, dass die Kopie der Geburtsurkunde am 00.00.2007 auf den Namen M.A., geb. 00.00.1990 ausgestellt wurde.

 

Demzufolge wird erstens die Echtheit der vorgelegten Kopie der "Geburtsurkunde" insoweit angezweifelt, dass KOPIEN grundsätzlich über keinerlei Beweiskraft verfügen. Zweitens ist es nicht logisch nachvollziehbar, dass der Antragsteller bereits am 27.03.2007, über das Vorhandensein einer Geburtsurkunde unterrichtet ist, die jedoch tatsächlich erst einige Tage später von marokkanischen Behörden ausgestellt wird.

 

Auch behauptet der Antragsteller - bei mehrmaligen Einvernahmen - am 00.00.1990 geboren zu sein - auf der Geburtsurkunde wäre 00.00.1990 vermerkt.

 

Fakt ist auch, dass bis dato der ho. Behörde das Original nicht vorgelegt wurde.

 

Aufgrund obiger Erwägungen geht die Behörde davon aus, dem vorgelegten Dokument keinerlei Beweiskraft zukommt.

 

Die ho. Behörde geht davon aus, dass der Antragsteller bereits das 18. Lebensjahr vollendet hat. Dies aus folgenden Erwägungen:

 

Psychiatrisches Gutachten von Dr. L., demzufolge der Antragsteller das 18. Lebensjahr erreicht hat.

 

Zur Kritik an der Alterseinschätzung durch Dr. L. seitens des gesetzlichen Vertreters des Antragstellers wird festgestellt, dass seitens der Diakonie nicht auf gleicher fachlicher Ebene, etwa durch die Vorlage eines anders lautenden, zumindest gleich aktuellen Gutachtens, entgegengetreten wurde.

 

Zu den behaupteten Ausreisegründen:

 

Im Verfahren nach dem Asylgesetz ist es unabdingbare Voraussetzung für die Bewertung des Vorbringens eines Asylwerbers zu den Fluchtgründen als glaubhaft, dass der Antragsteller nicht bloß eine "leere" Rahmengeschichte im Zuge der Einvernahme vorbringt, ohne diese durch das Vorbringen von Details, Interaktionen, glaubhaften Emotionen etc. zu substantiieren bzw. "mit Leben zu erfüllen".

 

Da in einem Asylverfahren unzweifelhaft die niederschriftliche Aussage eines Antragstellers vor den Asylbehörden die zentrale Erkenntnisquelle für die Entscheidung darstellt, reicht es keinesfalls aus, dass der Asylwerber lediglich nicht zu widerlegende Behauptungen aufstellt, welche - oftmals aufgrund zu geringer "Öffentlichkeitswirksamkeit" oder " Drittwirkung" - einer Verifizierung nicht zugänglich sind.

 

Vielmehr sind die Aussagen des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen und zum Fluchtweg daran zu messen, wie eine durchschnittliche "Maßfigur" über tatsächlich persönlich erlebte Sachverhalte berichten würde.

 

Die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen zeichnet sich jedoch gerade dadurch aus, dass man nicht lediglich objektive Rahmenbedingungen darlegt, sondern entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, oft weitschweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung an auch oft unwesentliche Details oder Nebenumstände berichten.

 

Weiters ist die Darlegung von persönlich erlebten Umständen dadurch gekennzeichnet, dass man beim Vorbringen der eigenen "Lebensgeschichte" vor allem sich selbst in die präsentierte Rahmengeschichte dergestalt einbaut, dass man die eigenen Emotionen bzw. die eigene Erlebniswahrnehmung zu erklären versucht, sich allenfalls selbst beim Erzählen emotionalisiert zeigt, bzw. jedenfalls Handlungsabläufe bzw. die Kommunikation und Interaktion zwischen den handelnden Personen der Geschichte darlegt. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um wichtige Ereignisse im Leben eines Menschen handelt, die oftmals das eigene Schicksal oder einen Lebensweg dergestalt verändern, dass man sich letztendlich dazu veranlasst sieht, sein Heimatland oder das Land des letzten Aufenthaltes deshalb "fluchtartig" zu verlassen.

 

Der Antragsteller wurde eingangs der Einvernahme zu seinen Fluchtgründen aufgefordert, alle Gründe anzuführen, weshalb er sein Heimatland verlassen hätte und weshalb er in Österreich einen Asylantrag stellte.

 

Allein diese Aufforderung an einen Antragsteller erfordert wohl ein wie bereits oben angeführtes erwartetes Verhalten und Vorbringen eines Asylwerbers.

 

Den Ausführungen des Antragstellers hinsichtlich dessen Ausreisegründe, dass die wirtschaftliche Situation in Marokko sehr schlecht ist, er keine geeignete Arbeit fand und die familiäre Situation prekär war, wird Glaube geschenkt.

 

Aufgrund der amtswegigen Feststellungen zur Situation in Marokko, sowie den Feststellungen zur Person des Antragstellers konnte nicht festgestellt werden, dass dieser in Marokko über keine Lebensgrundlage verfügt, da er dort einerseits über familiäre Bindungen als auch über eines Freundes- und Bekanntenkreises verfügt, weshalb seine Behauptung, er würde in Marokko über keine Lebensgrundlage verfügen als nicht glaubwürdig zu qualifizieren ist.

 

In einer Gesamtbetrachtung gelangt die erkennende Behörde deshalb zu dem Schluss, dass der Antragsteller keinesfalls einen Sachverhalt vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, dem schlüssig die tatbestandsmäßige Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft entnommen werden können und geht die Behörde davon aus, dass es sich bei dem Vorbringen - speziell die Personalien betreffend - um eine bloßes Konstrukt handelt und der Antragsteller nicht seine wahre Identität darlegen wollte.

 

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Asylwerber fristgerecht Beschwerde.

 

Über die Beschwerde hat der Asylgerichtshof wie folgt erwogen:

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

 

Der Asylgerichtshof als Berufungsinstanz schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Mit der Beschwerde konnte der Entscheidung des Bundesasylamtes nicht wirkungsvoll entgegengetreten werden:

 

Der Beschwerdeführer verließ tatsächlich primär aus wirtschaftlichen Gründen sein Heimatland, sein Vorbringen enthält an und für sich keinerlei asylrelevante Aspekte - der Beschwerdeführer brachte lediglich vor, familiäre Probleme und Schwierigkeiten mit der Arbeitsuche gehabt zu haben. Bezüglich der Schwierigkeiten mit seinem Vater, welcher ihn regelmäßig brutal geschlagen haben soll, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer nicht einmal versuchte, Schutz bei den marokkanischen Behörden zu erlangen und vor dem Hintergrund der festgestellten Situation in Marokko davon auszugehen ist, dass die Behörden grundsätzlich Schutz auch vor familiärer Misshandlung bieten.

 

Die Ausführungen des Beschwerdeführers sowohl in den Einvernahmen als auch erneut in der Beschwerde, er sei noch minderjährig von seinem Vater vor die Tür gesetzt worden, weil dieser sich weigerte, den Beschwerdeführer noch weiter zu versorgen und habe dann die Zeit vor der Flucht aus seinem Heimatland als Straßenkind verbringen müssen und in keinem Kinderheim Unterkunft finden können und sich erfolglos bemüht, Arbeit zu finden, erscheinen im Lichte seines nunmehr festgestellten, tatsächlichen Alters - der Beschwerdeführer muss zum damaligen Zeitpunkt bereits über 20 Jahre (!!) alt gewesen sein - als nicht nur vollkommen unglaubwürdig und völlig außerhalb jeder Lebenserfahrung, sondern legen auch den Schluss nahe, dass die dargestellten Lebensumstände in Marokko vor der Flucht vom Beschwerdeführers entsprechend seines falsch angegebenen Alters adaptiert wurden.

 

Auch die Tatsache, dass in der Beschwerde damit argumentiert wird, dass die Vorlage der Geburtsurkunde für die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht, gerade weil sie ein anderes als das vom Beschwerdeführer in der Einvernahme angegebenes Geburtsdatum enthält - hätte der Beschwerdeführer seine Identität vortäuschen wollen, hätte er eine im Nachhinein ausgestellte Urkunde auf das entsprechende Datum angepasst - entbehrt jeder Logik. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes weisen verschiedene Geburtsdaten vielmehr auf eine vorhandene Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hin, welcher es offensichtlich mit der Wahrheit nicht so genau nimmt.

 

Nochmals sei im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Fall zur Diskussion stehenden Frage des Alters des Beschwerdeführers ausdrücklich bekräftigt, dass die entsprechende Sachverhaltsfeststellung über die Volljährigkeit auf einer schlüssigen Beweiswürdigung fußt. Das Gutachten weist keine Widersprüche auf und wurde von einer hiezu berufenen sachkundigen Person angefertigt.

 

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass zwischenzeitlich Interpol die Volljährigkeit des Beschwerdeführers ermittelte und letztlich damit das ohnehin als schlüssig auszuweisende Gutachten - zugegebenermaßen im Nachhinein - bekräftigt.

 

Im Übrigen setzt sich die Beschwerde lediglich mit der Situation Minderjähriger in Marokko auseinander - alle diese Überlegungen sind jedoch mit der Feststellung des tatsächlichen Alters des Beschwerdeführers, welcher derzeit 25 Jahre alt ist, obsolet.

 

Sohin wurde in der Beschwerde nichts vorgebracht, was zu einem vom Bundesasylamt abweichenden Ergebnis gelange..

 

Rechtlich folgt:

 

§ 3 (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (vgl. VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0370). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH v. 23.09.1998, Zl. 98/01/0224). Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (vgl. zur der Asylentscheidung immanenten Prognose VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH v. 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

 

Das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers im Asylverfahren enthält nichts, was eine wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung im Sinne der GFK darstellen würde.

 

Der Beschwerdeführer brachte vor, wegen Problemen mit seiner Familie - sein Vater schlug ihn - und wegen Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz seinen Heimatstaat verlassen zu haben und gab selbst an, weder vom Militär, von der Polizei noch von sonstigen Behörden in seinem Heimatstaat gesucht zu werden und außer dem von ihm Vorgebrachten keinerlei Probleme in Marokko gehabt zu haben. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer keinen Schutz des marokkanischen Staates vor den Gewalttätigkeiten seines Vaters bekommen hätte, wäre er zur Polizei gegangen und hätte Anzeige erstattet. Vielmehr gab der Beschwerdeführer an, dass er - auch auf Wunsch seiner Mutter - die Gewalttätigkeiten seines Vaters ständig verheimlicht und diese nie bei der Polizei angezeigt hatte.

 

§ 8 (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr.6 oder Nr.13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Es kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr nach Marokko einer Bedrohungssituation im soeben genannten Sinne ausgesetzt wäre. Selbst wenn sich die familiäre Situation des Beschwerdeführers nach der Rückkehr in sein Heimatland nicht gebessert hat, ist es einem jungen, gesunden und arbeitsfähigem Mann im Alter von 25 (!) Jahren durchaus zumutbar, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten, auch wenn die wirtschaftliche Lage in einem Land nicht die allerbeste ist oder mit der Arbeitssuche gewisse Schwierigkeiten verbunden sind.

 

Den Angaben des Beschwerdeführers, er hätte in der Zeit vor seiner Flucht, als er von seinem Vater zum Verlassen seines Elternhauses gezwungen worden sei, als Straßenkind zugebracht, kann, wie bereits erörtert, insofern kein Glaube geschenkt werden, als der Beschwerdeführer damals etwa 22 oder 23 Jahre alt gewesen ist und die Führung eines selbständigen Lebens in diesem Alter absolut der natürlichen Entwicklung eines Menschen entspricht und unabhängig von einer prekären familiären Situation von statten geht.

 

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird; der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

Der Asylwerber hat nichts in der Beschwerde vorgebracht, was die erstinstanzliche Entscheidung über den Ausspruch der Ausweisung in Frage stellt und war daher auch dieser Spruchpunkt zu bestätigen. Insbesondere ergaben sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass eine Ausweisung das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des Art 8 EMRK verletzen würde, zumal der Beschwerdeführer seit 6.6.2008 nicht mehr aufrecht im österreichischen Bundesgebiet gemeldet ist, sich dadurch dem Asylverfahren entzogen hat und in die Illegalität abglitt.

 

Somit war spruchgemäß zu entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gem. Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war und sich insbesondere in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergab, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, Misshandlung, non refoulement, private Verfolgung, staatlicher Schutz, Volljährigkeit, wirtschaftliche Gründe, Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten