TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/19 E5 303357-1/2008

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Veröffentlicht am 19.09.2008
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Spruch

E5 303.357-1/2008-7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. GRABNER-KLOIBMÜLLER als Vorsitzende und den Richter Mag. HABERSACK als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau PRAHER über die Beschwerde des E. B., geb. 00.00.1977, StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. BLUM Helmut, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2005, FZ. 04 20.965-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1. Verfahrensgang:

 

I.1.1. Mit Bescheid vom 25.01.2006, FZ. 04 20.965-BAL, wurde der am 13.10.2004 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers - ein Staatsangehöriger der Türkei - gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei für zulässig erklärt. Unter einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

 

Dieser Bescheid wurde nach zwei erfolglosen Zustellversuchen beim zuständigen Postamt XX am 02.02.2006 hinterlegt.

 

Am 22.02.2006 wurde der Bescheid mit dem Vermerk "nicht behoben" wieder an das Bundesasylamt retourniert.

 

I.1.2. Am 20.04.2006 langte beim Bundesasylamt der am 19.04.2006 zur Post gegebene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG gegen die Versäumung der Berufungsfrist durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers, RA Dr. Helmut Blum ein. Gleichzeitig wurde der Antrag mit einer Berufung gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.01.2006, FZ. 04 20.965-BAL, verbunden. Diesem Schreiben lagen zwei handschriftliche Zeugenaussagen bei.

 

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer habe erstmalig durch einen Betreuer der Volkshilfe Linz am 05.04.2006 von der negativen Beendigung seines Asylverfahrens erfahren. Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.01.2006, FZ. 04 20.965-BAL, sei ihm niemals zugestellt worden und habe er auch keine Hinterlegungsanzeige erhalten. Es gebe an seinem Wohnort immer wieder Zustellprobleme, insbesondere mit Urlaubsvertretungen bei der Post, was auch aus den beigelegten Schreiben von Nachbarn ersichtlich sei. Dem für seinen Wohnort zuständigen Zusteller - dieser ist dem Beschwerdeführer persönlich bekannt - sei sein Briefkasten bekannt gewesen und er habe auch immer wieder wichtige Schreiben und Hinterlegungsanzeigen verlässlich zugestellt erhalten. Es sei jedoch ein Problem, dass der Briefkasten des Beschwerdeführers seitens der Hausverwaltung fälschlich mit der Nummer 9 beschriftet worden sei, während der Beschwerdeführer in der Wohnung mit der Türnummer 10 wohnhaft sei. Im Inneren des Briefkastens (Nummer 9) sei der Name des Beschwerdeführers angebracht und es habe aus diesem Grund für den Briefträger erkennbar sein müssen, dass dieser Briefkasten der Briefkasten des Beschwerdeführers sei. Dies könne der ständig dort diensthabende Postbeamte bezeugen, dessen Einvernahme beantragt wurde. Die Urlaubsvertreterin habe vermutlich den Brief in den falschen Briefkasten geworfen und auch die Hinterlegungsanzeige nicht richtig angebracht.

 

Der Zustellmangel durch die Urlaubsvertretung sei ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis für den Beschwerdeführer gewesen und träfe ihn auch aufgrund der falschen Beschriftung (Nr. 9 statt 10) des Briefkastens höchstens ein minderer Grad des Versehens.

 

Auf Anfrage des Bundesasylamtes übermittelte das Postamt XY per Fax am 30.05.2006 folgende Antwort: Die Post sei Anfang Februar im Zustellbereich des Beschwerdeführers von einer Vertretung zugestellt worden, die Zustellerin erinnere sich, dass in diesem Zeitpunkt weder das Brieffach mit der Nummer 9 noch die Glocke mit E. B. beschriftet gewesen sei. Weiters habe die Zustellerin das Meldeamt telefonisch kontaktiert und die Auskunft erhalten, das der Beschwerdeführer bei C. XStr. 5/9 gemeldet und aufgrund dieser Auskunft die Benachrichtigung über die Hinterlegung in das Fach mit der Nummer 9 eingelegt worden sei.

 

Diese Anfragebeantwortung vom 30.05.2006 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen übermittelt. Die diesbezügliche Stellungnahme vom 20.06.2006 langte am 22.06.2006 beim Bundesasylamt ein. In dieser führte der Beschwerdeführer aus, dass sich ausschließlich seine Schwester um die Post kümmern würde, diese dabei aber so gewissenhaft vorgehen würde, dass ein Übersehen der Hinterlegungsanzeige auszuschließen sei. Weiters wurde die Einvernahme der Schwester beantragt, die auch bestätigen könne, dass der Briefkasten im Zeitpunkt der Hinterlegung innen mit E. B. und C. E. beschriftet gewesen sei.

 

Aus der im Akt einliegenden Abfrage des zentralen Melderegisters vom 27.06.2006 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seit dem 07.10.2005 an der Adresse XStr. 5/10 gemeldet ist.

 

Der gegenständliche Wiedereinsetzungsantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2005, FZ. 04 20.965-BAL, gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG abgewiesen. Beweiswürdigend führte die erstinsanzliche Behörde aus: "Soweit der Ast. vorbringt, dass er die Berufungsfrist nicht einhalten konnte, da er aufgrund eines Zustellproblems den Bescheid nie erhalten habe, wird diese Darstellung der Geschehnisse als nicht glaubwürdig angesehen. Eine Anfrage beim zuständigen Postamt hat eindeutig ergeben, dass eine rechtswirksame Zustellung erfolgt ist. Die vom ASt. vorgebrachten Zustellprobleme entsprechen folglich nicht der Wahrheit. Von Seiten der ho. Behörde gibt es keine Anhaltspunkte an der Richtigkeit der Auskunftserteilung des zuständigen Postamtes zu zweifeln. Der ASt. hat bestärkt durch das Antwortschreiben vom zuständigen Postamt nicht glaubhaft gemacht, dass die Verständigungszettel nicht vom Zusteller im Hausbrieffach eingelegt wurden, oder dass die erfolgte Zustellung nicht nach den Bestimmungen des ZustellG rechtmäßig und rechtsrichtig erfolgt ist."

 

Begründend wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer der Bescheid rechtswirksam nach zweimaligem Zustellversuch durch Hinterlegung beim PostamtXZ zugestellt worden sei. Die Verständigung von der Hinterlegung sei in das Hausbrieffach der vom Beschwerdeführer bekanntgegebenen Adresse, XStr. 5, eingelegt worden. Demnach könnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer durch ein unabwendbares oder unvorhersehbares Ereignisses die Berufungsfrist versäumt habe.

 

Rechtlich führte die erstinstanzliche Behörde aus, dass von der Hinterlassung der Hinterlegungsanzeige, nicht aber von der Kenntnisnahme des Empfängers die Ordnungsgemäßheit des Zustellvorgangs abhängen würde. Weiters würde ein Zustellmangel keinen Wiedereinsetzungsgrund bilden, weil bei mangelnder Zustellung die versäumte Frist nicht zu laufen beginnen würde. Dieser Bescheid wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers mittels Fax am 27.06.2006 zugestellt.

 

I.1.3. Mittels Schreiben vom 10.07.2006, beim Bundesasylamt eingelangt am 11.07.2006, erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen den die Wiedereinsetzung abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2006, FZ. 04 20.965-BAL. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, dass es entgegen der Annahme der erstinstanzlichen Behörde nicht ausgeschlossen ist, dass die Urlaubsvertretung die Hinterlegungsanzeige ins falsche Postfach einlegte. Weiters hätte die erstinstanzliche Behörde zumindest die Schwester des Beschwerdeführers einvernehmen müssen, da diese ja die tatsächliche Postfachentleerung vorgenommen habe. Damit wurde der erstinstanzlichen Behörde auch eine mangelnde Ermittlungstätigkeit vorgeworfen.

 

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt unter Berücksichtigung der Angaben der Zustellbasis Asten vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt des Beschwerdeführers.

 

II.2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

II.2.1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I 4/2008 (AsylG) sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Der Asylgerichtshof entscheidet, soweit keine der Ausnahmen des § 61 Abs. 3 AsylG vorliegt, in Senaten.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.2.2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21. November 2002, 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt (ein zwar auf das AsylG 1997 bezogenes Erkenntnis, welches jedoch - wie die folgenden - weiterhin aufgrund der herausgearbeiteten Grundsätze und mangels diesbezüglicher Änderung der Rechtslage relevant bleibt):

 

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nunmehr wurde durch den oben zitierten § 23 AsylGHG das AVG, und damit mangels anderslautenden Bestimmungen im B-VG, VwGG und AsylG 2005 auch § 66 AVG für anwendbar erklärt. Zu den allgemein im Verfahren vor dem Asylgerichtshof anzuwendenden Vorschriften vergleiche das hg. Erkenntnis vom 12.08.2008, C5 251.212-0/2008.

 

Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden (vgl. dazu unter dem besonderen Gesichtspunkt der Auslegung der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde im abgekürzten Berufungsverfahren nach § 32 AsylG 1997 die Ausführungen im Erkenntnis des VwGH vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175, Slg. Nr. 14.945/A, die mehrfach vergleichend auf § 66 Abs. 2 AVG Bezug nehmen; zu diesem Erkenntnis siehe auch Wiederin, ZUV 2000/1, 20 f).

 

Gemäß § 66 Absatz 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Gemäß § 66 Absatz 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist (...) (Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2 [1992] 127 f), dessen Ausführungen sich insoweit allerdings nicht auf § 66 Absatz 3 AVG, sondern auf die "im § 39 AVG normierten Ermessensdeterminanten" beziehen, vertritt dazu die Ansicht, die Zurückweisung durch einen unabhängigen Verwaltungssenat werde ¿regelmäßig jedenfalls den Geboten der Raschheit und Kostenersparnis zuwiderlaufen' und ¿unnötigen Verwaltungsaufwand' verursachen."

 

Nach Ausführungen zur Frage der Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG außerhalb des abgekürzten Berufungsverfahrens mit dem Ergebnis, dass von einer generellen Unzulässigkeit der Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG nicht auszugehen sei, setzt der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. November 2002, 2002/20/0315, fort wie folgt:

 

"In diese Richtung gehen auch die Gesetzesmaterialen zu § 38 Asylgesetz (RV 686 BlgNR 20. GP 30), weil diese ausdrücklich die Geltung des AVG für das Verfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat betonen und daran anschließend hervorheben, dass die Möglichkeit der ¿Zurückverweisung' durch § 32 Asylgesetz ¿erweitert' worden sei, was in Bezug auf Berufungsverfahren vor der belangten Behörde, in denen § 32 Asylgesetz nicht anzuwenden ist, eine positive Anknüpfung an die in § 66 Absatz 2 AVG vorgesehene Zurückverweisungsmöglichkeit bedeutet (...).

 

Der Verwaltungsgerichthof hat im Erkenntnis vom 27. April 1989, Slg. 12.917/A, aus einer in den Verwaltungsvorschriften angeordneten zwingenden und ohne Ausnahme bestehenden Verpflichtung zur Durchführung einer Berufungsverhandlung trotz Fehlens einer ausdrücklichen Ausnahme hinsichtlich der Geltung des § 66 Abs. 2 AVG die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung in einem solchen Berufungsverfahren gefolgert. Das steht aber zu der hier - für das Verfahren vor der belangten Behörde - zu Grunde gelegten gegenteiligen Auffassung schon deshalb nicht im Widerspruch, weil eine derartige uneingeschränkte Verhandlungspflicht für den Unabhängigen Bundesasylsenat nicht besteht. (...) Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. März 2001, 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' iSd § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."

 

Nach grundsätzlichen Bejahung der Frage der Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat führte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl.2002/20/0315 zur Frage der Gesetzmäßigkeit der Ermessensübung im Sinne des § 66 Abs. 2 und 3 AVG noch Folgendes aus:

 

"Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht..."

 

Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 21.11.2002, 2000/20/0084, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"In der Abstandnahme von der durch § 66 Abs. 3 AVG der Berufungsbehörde eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist, kann im vorliegenden Fall keine Ermessensfehler gelegen sein. Es trifft zwar zu, dass durch die mit der Kassation verbundene Eröffnung eines zweiten Instanzenzuges das Verfahren insgesamt verlängert werden kann. Dieser von Rohrböck (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl [1999] 492) offenbar verkannten Überlegung wurde in dem Vorerkenntnis vom 23. Juli 1998 bei der Deutung der Vorschriften über das abgekürzte Berufungsverfahren nach § 32 AsylG erhebliche Bedeutung beigemessen (Wiederin, ZUV 2000/1, 20f). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um die Auslegung von Sondervorschriften über ein abgekürztes, der besonders raschen Verfahrensbeendigung dienendes Berufungsverfahren, sondern um die Interpretation des § 66 AVG außerhalb eines solchen Verfahrens.

 

Diesbezüglich ist zunächst auf die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 381f zu § 66 AVG, wiedergegebene Rechtsprechung zu verweisen, wonach es gemäß § 66 Abs. 3 AVG nicht auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die konkrete Amtshandlung ankommt. Unter diesem Gesichtspunkt wurde eine rechtswidrige Ausübung des Ermessens durch eine auf § 66 Abs. 2 AVG gestützte Entscheidung schon dann nicht angenommen, wenn die beteiligten Behörden ihren Sitz am selben Ort hatten (Erkenntnis vom 29. Jänner 1987, 86/08/0243).

 

Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

 

In Erkenntnis vom 17.10.2006, 2005/20/0459, hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

 

II.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst unter Zugrundelegung der alten Rechtslage vor dem 01.07.2008 und damit vor der Novelle des Bundesverfassungsgesetz BGBl I 2008/2, dem Asylgerichtshofeinrichtungsgesetz BGBl I 2008/4 mit dem ein Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) erlassen und unter anderem das AsylG 2005 (AsylG 2005) geändert wurde in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Diese Überlegungen müssen umso mehr gelten, als nunmehr durch Einrichtung des Asylgerichtshofes dieser als zweite und letzte Instanz entscheidet. Gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofes kann - anders als dies bis zum 30.06.2008 in Bezug auf Bescheide des Unabhängigen Bundesasylsenates möglich war - keine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Damit ist offenkundig, dass es zur Sicherung der Qualität des Rechtsschutzes im Instanzenzug in Hinblick auf die neue Rechtslage umso notwendiger ist, bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse zu finden.

 

Wie sich aus der detailliert oben ausgeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung ergibt, war in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet; dabei kam dem Unabhängigen Bundesasylsenat - einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens - die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zu (Art. 129 c Abs. 1 B-VG idF vor Art. 1 Z 5 BG BGBl. I 100/2005).

 

Art. 129 c B-VG idF des Art. 1 Z 28 BVG BGBl. I 2/2008 spricht nicht mehr vom Unabhängigen Bundesasylsenat als der "oberste[n] Berufungsbehörde", sondern richtet den Asylgerichtshof als Gericht ein, das nach Erschöpfung des Instanzenzuges (ua.) "über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen" erkennt. Der Asylgerichtshof sieht keinen Grund anzunehmen, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht auf die neue Verfassungsrechtslage übertragen ließe, kann doch von einer Behörde, die - verfassungsrechtlich vorgesehen - "nach Erschöpfung des Instanzenzuges" zu erkennen hat, nicht gesagt werden, sie habe in dieser Hinsicht nicht (mindestens) dieselbe Stellung wie eine oberste Berufungsbehörde. Es liegt weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es dieses Gericht ist, das erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Asylgerichtshof beginnen und zugleich enden, sieht man von der beschränkten Kontrolle seiner Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof ab. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es der Asylgerichtshof ist, der erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass dieser seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Dies kann auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür sprechen, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen.

 

II.3.1. Der erstinstanzlichen Behörde ist insofern zuzustimmen, dass sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH vom 30. Juni 1994, Zl. 91/06/0056, u. a) ergibt, dass der Rückschein als Zustellnachweis eine öffentliche Urkunde im Sinn des § 47 AVG in Verbindung mit § 292 ZPO darstellt und die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat.

 

Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (vgl VwGH vom 08.07.2004, 2002/07/0033; VwGH 11.05.1990, Zl. 89/18/0165).

 

Ein derartiges, durch entsprechende Beweisanbote untermauertes konkretes Vorbringen ist jedenfalls gemäß der Entscheidung des VwGH vom 30. Juni 1994, Zl. 91/06/0056 in dem Hinweis des Beschwerdeführers an die entscheidende Behörde zu sehen, dass zum Zeitpunkt der angeblichen Zustellung durch Hinterlegung in der Umgebung des Beschwerdeführers ähnliche Probleme im Zusammenhang mit Zustellungen aufgetreten seien.

 

Wenngleich der erstinstanzlichen Behörde zuzugestehen ist, dass die bloße Behauptung, eine Hinterlegungsanzeige nicht erhalten zu haben, im allgemeinen nicht ausreichen wird, Zweifel an der Richtigkeit der Beurkundung auf dem Rückschein durch den Zusteller herbeizuführen, sprechen im vorliegenden Zusammenhang mehrere Umstände dafür, das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht von vornherein als unglaubwürdig abzutun.

 

Im vorliegenden Fall wurde durch den Beschwerdeführer sehr konkret dargelegt, dass in seinem Wohnhaus immer wieder Probleme mit Zustellungen auftreten und auch Beweise hierfür angeboten, mit welchen sich die erstinstanzliche Behörde in keinster Weise auseinandergesetzt hat. Sie hat weder das Vorbringen betreffend der falsch beschrifteten Postfächer noch das Vorbringen betreffend der Probleme mit der Zustellung im Wohnhaus des Beschwerdeführers in ihrem Bescheid behandelt. Der von der Behörde festgestellte Sachverhalt lässt daher noch nicht zweifelsfrei die Vorgänge im Zusammenhang mit der Zustellung erkennen. Vor allem ist die erstinstanzliche Behörde lediglich aufgrund einer Mail, - in welcher durch eine dritte Person die Angaben der damaligen Zustellerin wiedergegeben wurden, - davon ausgegangen, dass eine Hinterlegungsanzeige erfolgte. Weiters ist die erstinstanzliche Behörde auch nicht auf den Widerspruch in dieser Mail, - dass die Zustellerin aufgrund einer Nachfrage erfahren habe, der Beschwerdeführer sei an der Adresse 5/9 gemeldet, obwohl sich aus der im Akt erliegenden Meldeauskunft ergibt, dass der Beschwerdeführer an der Adresse 5/10 gemeldet ist und war, - eingegangen. Die beantragten Vernehmungen des Zustellers und der Urlaubsvertretung des Zustellers wären durchaus geeignet gewesen, diesbezügliche Zweifel auszuräumen und hätte hierdurch wohl auch die Frage der namentlichen Beschriftung des Postfaches geklärt werden können (vgl zur Möglichkeit, die Zustellverfügung bei Unverwechselbarkeit im berichtigten Sinne zu lesen VwGH vom 06.05.1997, 97/08/0022).

 

Dass die ungeklärt gebliebenen Umstände für den vorliegenden Fall auch wesentlich sind, ergibt sich aus folgender Überlegung:

 

Die erstinstanzliche Behörde übersieht mit ihrem Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, VwSlg 12.240 A/1986, dass zwar die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig ist, wenn die in § 17 Abs. 2 ZustellG (in der im Zustellungszeitpunkt anzuwendenden Fassung, BGBl. Nr. 200/1982) oder die in § 21 ZustellG genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde, dass aber diese Rechtsfolge nur eintreten kann, wenn tatsächlich eine derartige Verständigung hinterlassen wurde. Eben in dieser Frage ist im Hinblick auf das von der Behörde unbeachtet gebliebene, jedoch nicht von vornherein unplausible Vorbringen des Beschwerdeführers das Verfahren ergänzungsbedürftig geblieben.

 

Gemäß § 21 Abs. 2 ZustellG war nach zweimaligem erfolglosem Zustellversuch nach § 17 ZustellG vorzugehen. Nach § 17 Abs. 2 ZustellG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen, oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Eine Hinterlegung ohne schriftliche Verständigung entfaltet keine Rechtswirkungen; eine Anwendung des § 17 Abs. 4 Zustellgesetz (Gültigkeit auch bei Beschädigung oder Entfernung der Verständigung über die Hinterlegung) kommt in jenen Fällen nicht in Betracht, in denen keine derartige Verständigung hinterlassen wurde (vgl. VwGH 23.05.1989, 85/07/0161; 06.02. 1990, 89/14/0256; sowie Walter-Mayer, Zustellrecht, Anmerkung 18 zu § 17).

 

Die in den Briefkasten einer anderen als im Rückschein angegebenen Abgabestelle eingelegte Verständigung (§ 17 Abs 2 ZustG) entspricht nicht dem Zustellgesetz, weil auch im § 17 Abs 2 ZustG unter der "Abgabestelle" nur die auf der Sendung und dem Rückschein angeführte Abgabestelle gemeint ist (VwGH 18.09.1998, 96/19/1636). Weiters kann von einem für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten im Sinne des § 21 Abs. 2 Zustellgesetz nur dann gesprochen werden, wenn dieser Briefkasten nur einer Abgabestelle, und zwar der des Empfängers dient. Dies trifft daher auf einen Briefkasten für mehrere Abgabestellen nicht zu (VwGH 6.02.1990, Zl. 89/14/0256; 28.10.2003, 2003/11/0161; 20.01.2004, 2003/01/0362). Anderenfalls wäre nicht die die Zustellfiktion rechtfertigende Gewähr gegeben, ein durchschnittlich sorgfältiger Empfänger könne nach der Rückkehr an die Abgabestelle in den Besitz der Verständigung bzw. der Hinterlegungsanzeige kommen (vgl. den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 28. März 2000, 1 Ob 247/99a, EvBl 2000/160). In einem solchen Fall ist, sofern auch die Zurücklassung an der Abgabestelle nicht möglich ist, die Verständigung an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen.

 

Es ist zwar nicht Sache der Behörde, tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsantrag bilden könnten (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0268 unter Bezugnahme auf das dg. Erkenntnis vom 28.01.1998, Zl. 97/01/0983), es ist jedoch im Rahmen des Vorbringens des Beschwerdeführers zu ermitteln.

 

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist im Sinne der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber (vgl. VwGH vom 11.05.1990, Zl. 89/18/0165; 30. Juni 1994, Zl. 91/06/0056) als ausreichend konkretisierte Behauptung unter Anbot von geeigneten Beweisen zu werten, welche - bei Zutreffen der Behauptung - die von der erstinstanzlichen Behörde angenommene Rechtmäßigkeit der Zustellung gegebenenfalls widerlegen könnten. Die erstinstanzliche Behörde hat lediglich über eine dritte Person eine Auskunft der Urlaubsvertretung des zuständigen Zustellorgans eingeholt, welche an sich widersprüchlich zum Akteninhalt ist und dennoch die gesamte Beweiswürdigung auf diese Auskunft gestützt, ohne weitere Erhebungen bzw. Vernehmungen von beantragten Zeugen zu führen. Im Übrigen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Partei im Verfahren wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an den im Antrag vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund gebunden bleibt. Eine Auswechslung dieses Grundes im Berufungsverfahren ist rechtlich unzulässig (vgl. VwGH 28.02.2000, Zl. 99/17/0317, VwGH 30.11.2000, Zl. 99/20/0543, VwGH 25.02.2003, Zl. 2002/10/0223).

 

Die Ausführung der erstinstanzlichen Behörde, dass die Verständigung von der Hinterlegung in das Hausbrieffach der vom Beschwerdeführer bekanntgegebenen Adresse, XStr. 5, eingelegt worden sei, ist in Anbetracht der oben angeführten Judikatur nicht ausreichend. Ohne Feststellungen zum dem Beschwerdeführer konkret zuzuordnenden Postfach lässt sich nicht beurteilen, ob die Verständigung über die Hinterlegung dem Beschwerdeführer tatsächlich in einer erst zur Anwendbarkeit von § 17 ZustellG geeigneten Form zugekommen ist.

 

Die belangte Behörde hätte daher, um begründetermaßen feststellen zu können, dass eine ordnungsgemäße Zustellung im Sinne des § 17 ZustellG vorgelegen ist, die angebotenen Beweise zu behandeln bzw. aufzunehmen gehabt (vgl. VwGH vom 02.10.2000, 98/19/0198). In seinem Erkenntnis vom 25.04.2006, 2006/19/0393 hat der Verwaltungsgerichtshof, ausgehend von der aufklärungsbedürftigen Tatsache, dass an einer von mehreren ausländischen Personen bewohnten Wohnadresse die Möglichkeit der Verwechslung von Brieffächern besteht, ausgeführt: "Eine Übergehung der dazu gestellten Beweisanträge kam daher nicht in Frage, wobei der Klarheit halber festzuhalten ist, dass die vom Bundesasylamt eingeholte ¿Stellungnahme' des Zustellorgans dessen Vernehmung nicht erübrigt und auch der Drittmitbeteiligten im Sinne ihres Antrages Gelegenheit zu geben ist, die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben im Rahmen einer persönlichen Einvernahme unter Beweis zu stellen. Somit liegt jedenfalls auch die Voraussetzung zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG vor, da nämlich Einvernahmen durchzuführen sind und die so gewonnenen Ermittlungsergebnisse der erstinstanzlichen Behörde eine Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheinen lassen. (Ob es sich um eine kontradiktorische Verhandlung oder bloße Einvernahme handelt, macht nach der Judikatur des VwGH keinen Unterschied, vgl VwGH 21.11.2002, 2002/20/0084.)

 

Zum Hinweis im bekämpften Bescheid, dass ein Zustellmangel keinen Wiedereinsetzungsgrund bilden würde, ist auszuführen, dass auch im Falle der ordnungsgemäßen Zustellung die Unkenntnis von der Zustellung einen Wiedereinsetzungsgrund bilden könnte (vgl. VwGH vom 06.05.1997, 97/08/0022; VwGH 28.09.1999, 97/18/0418).

 

II.3.2. Das erstinstanzliche Verfahren wurde somit in einer Art und Weise mangelhaft geführt, dass sämtliche Erhebungen, welche grundsätzlich von der Erstbehörde durchzuführen sind, vom Asylgerichtshof zu tätigen wären, sohin verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes und unter Effizienzgesichtspunkten eine Heranziehung des § 66 Abs. 3 AVG. Zusammenfassend ist auszuführen, dass sich der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft darstellt, dass der Asylgerichtshof gezwungen war gemäß § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen.

 

Die Rechtssache war daher spruchgemäß an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Erstbehörde wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Verfahrensschritte nachzuholen haben: Es wird abzuklären sein, ob bzw in welchen Postkasten die Hinterlegungsanzeige durch das Zustellorgan eingeworfen wurde. Überdies wird im Falle der Feststellung, dass das Postfach mit der Nummer 9 tatsächlich der Wohnungsnummer 10 zugeordnet ist, aufzuklären sein, ob dies auf ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden des Beschwerdeführers (Beschriftung ua.) zurückzuführen ist.

 

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen kann von keinem mängelfreien Sachverhalt ausgegangen werden, da keine konkreten Ermittlungsergebnisse zur Wirksamkeit der Zustellung des Bescheides vorliegen. Sollte das Bundesasylamt zur Feststellung gelangen, dass die Zustellung nicht rechtswirksam erfolgt ist, dann wäre das Verfahren über den Asylantrag vom 13.10.2004 noch offen und der erstinstanzliche Bescheid zuzustellen (die bloße Kenntnisnahme vom Inhalt eines Bescheides durch Akteneinsicht oder anfertigen einer Kopie ist einer Zustellung nicht gleichzusetzen, vgl. VwSlg. 11487/A und VwGH 30.06.1992, 92/05/0067sowie VwGH 02.10.2000, 98/19/0198). Ein Ersatzbescheid, der den angefochtenen Bescheid ersetzen müsste, bräuchte in diesem Fall nicht erlassen zu werden.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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