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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1332;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2001/15/0039Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über 1. die Beschwerde des I in G, vertreten durch Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hauptplatz 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 27. Oktober 1999, RV 367/1-9/99, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1998 (2001/15/0032), 2. über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Abtretungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof in dieser Beschwerdesache (2001/15/0039), den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Abtretungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Beschluss vom 27. November 2000, B 1985/99-3, dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers (idF nur: Rechtsanwalt) zugestellt am 12. Jänner 2001, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen den im Spruch dieses Beschlusses genannten Bescheid (idF nur: Bescheid) gerichteten Beschwerde, die keinen Abtretungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof (idF nur: Abtretungsantrag) enthielt, ab.
In einem am 29. Jänner 2001 zur Post gegebenen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Antrag, mit dem der Beschwerdeführer den Abtretungsantrag verband, begehrte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Abtretungsantrag. Zur Begründung führte der Beschwerdeführer aus, die zweiwöchige Frist für die Stellung des Abtretungsantrages nach § 87 Abs 3 VfGG sei von der beim Rechtsanwalt tätigen Kanzleikraft MK richtig mit 26. Jänner 2001 im Terminbuch eingetragen worden. Der Rechtsanwalt habe den Abtretungsantrag am 25. Jänner 2001 diktiert. Anlässlich der Fristenkontrolle am 26. Jänner 2001 sei festgestellt worden, dass die Frist für die Stellung des Abtretungsantrages im Terminbuch als erledigt ausgestrichen sei. Am 29. Jänner 2001 sei festgestellt worden, dass der Abtretungsantrag nicht an den Verfassungsgerichtshof abgefertigt worden sei. MK sei mit Fristvormerken befasst, fertige die Ausgangspost ab und nehme die vorgemerkten Fristen dementsprechend außer Evidenz. MK habe diese Tätigkeit stets zur Zufriedenheit verrichtet und bisher keine Frist versäumt. Offenbar habe MK jedoch übersehen, dass der Abtretungsantrag zwar diktiert, aber nicht abgefertigt worden sei. In diesem Irrtum befangen habe MK die Frist außer Evidenz genommen. Anlässlich der am 26. Jänner 2001 vorgenommenen Fristenkontrolle sei daher die unterlassene Abfertigung des Abtretungsantrages nicht feststellbar gewesen.
Mit Beschluss vom 7. Februar 2001, B 1985/99-5, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde gegen den Bescheid dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab, wobei er es unter Hinweis auf mehrere hg Entscheidungen dem Verwaltungsgerichtshof überließ, über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Abtretungsantrag und damit über die Rechtzeitigkeit der auch an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde zu entscheiden.
Unter Berücksichtigung der hg Rechtsprechung (vgl insbesondere den hg Beschluss vom 13. September 1994, 94/14/0126, 0127, mwA) sieht der Verwaltungsgerichtshof den beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Abtretungsantrag auch als einen an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Antrag an, der daher vom Verwaltungsgerichtshof zu erledigen ist, wobei er dem Beschwerdeführer hinsichtlich des rechtzeitigen Antrages Folgendes entgegenhält:
Nach § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis .... eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl beispielsweise den hg Beschluss vom 17. Dezember 1993, 93/15/0202, 0203, mwA), gibt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Das Verschulden einer Kanzleikraft stellt für den Rechtsanwalt dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis iSd obigen Ausführungen dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Der Rechtsanwalt muss die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die Wahrung von Fristen sicher gestellt ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Rechtsanwalt verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind.
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen der Partei innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird. Nun hat jedoch der Beschwerdeführer keinerlei Behauptungen darüber aufgestellt, ob und in welcher Weise der Rechtsanwalt seine Kanzleikräfte kontrolliert bzw in welcher Weise er der ihm obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten nachgekommen ist. Aus den Ausführungen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Abtretungsantrag ist nicht einmal ersichtlich, wer am 29. Jänner 2001 festgestellt hat, dass der Abtretungsantrag nicht an den Verfassungsgerichtshof abgefertigt worden ist. Die bloße Behauptung, anlässlich der Fristenkontrolle am 26. Jänner 2001 sei festgestellt worden, dass die Frist für die Stellung des Abtretungsantrages im Terminbuch als erledigt ausgestrichen sei, reicht - wie sich aus der Versäumung der Frist zur Stellung des Abtretungsantrages ergibt - nicht aus, um (wirksame) Kontrollsysteme als gegeben anzunehmen. Aus den Ausführungen, offenbar sei von MK übersehen worden, dass der Abtretungsantrag zwar diktiert aber nicht abgefertigt worden sei, weswegen sie im Irrtum befangen die Frist außer Evidenz genommen habe, ergibt sich ebenfalls, dass der Rechtsanwalt keine (wirksamen) Kontrollsysteme aufgebaut hat (vgl dazu den hg Beschluss vom 18. Mai 1995, 95/18/0523, mwA). Bei dem Vorbringen des Beschwerdeführers bleibt es überdies dunkel, weshalb sich unter dem vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Aktenkonvolut ein ebenfalls am 29. Jänner 2001 zur Post gegebener, an den Verfassungsgerichtshof gerichteter Abtretungsantrag befindet, in dem von einem Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Abtretungsantrag keine Rede ist, sondern ausgeführt wird, "innerhalb offener Frist (wird) an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, die Beschwerde gemäß Artikel 144 Abs 2 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten."
Dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers fällt daher ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Einbringung des Abtretungsantrages zur Last, das einen minderen Grad des Versehens iSd § 46 Abs 1 VwGG übersteigt, weswegen der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Abtretungsantrag abzuweisen war.
Mangels eines fristgerechten Abtretungsantrages handelt es sich bei der Beschwerde nicht um eine so genannte Sukzessivbeschwerde. Die Beschwerde ist daher nicht bereits als im Zeitpunkt der Einbringung beim Verfassungsgerichtshof auch als beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht anzusehen. Im Zeitpunkt des Einlangens der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof am 14. Februar 2001 war aber die durch die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 2. November 1999 in Gang gesetzte Frist des § 26 Abs 1 Z 1 VwGG längst verstrichen, weswegen die Beschwerde gegen den Bescheid ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 34 Abs 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen war.
Wien, am 5. April 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2001150032.X00Im RIS seit
29.08.2001