A9 265.906-0/2008/12 E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER- BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde der W.L., geb. 00.00.1979, StA. Russische Föderation, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.10.2005, GZ 04 18.982- BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.06.2007 zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde von W.L. wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Absatz 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste im schwangeren Zustand gemeinsam mit ihrem Ehemann W.R. und ihren beiden Söhnen, W.Al. und W.Ar., am 19.09.2004 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. In ihrer Einvernahme am 24.09.2004 gab sie an, keine eigenen Fluchtgründe zu haben, sondern wegen der Gründe ihres Ehemannes geflohen zu sein.
Am 00.00.2004 gebar die Beschwerdeführerin ihr drittes Kind, W.Az., in Österreich.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 13.10.2005 gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl Nr. 76/1997 I Nr. 126/2002 ab (Spruchpunkt I), stellte gemäß § 8 Abs 1 AsylG fest, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Russland zulässig sei (Spruchpunkt II) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Russland aus (Spruchpunkt III).
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
Aus einem von der Vertreterin der Beschwerdeführerin vorgelegten Befund der Dr. R., FA für Neurologie und Psychiatrie, geht eine posttraumatische Belastungsstörung der Beschwerdeführerin hervor (OZ 11), dem vorgelegten psychotherapeutischen Bericht vom 05.06.2008 ist zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin bereits seit drei Jahren einer Therapie für traumatisierte Flüchtlinge unterzieht (OZ 10).
Auch die Asylanträge der oa. Familienangehörigen der Beschwerdeführerin hatte das Bundesasylamt jeweils mit Bescheid in Spruchteil I. unter Berufung auf § 7 AsylG abgewiesen, in Spruchteil II. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei und in Spruchteil III. gemäß § 8 Abs. 2 AsylG jeweils ihre Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet verfügt.
In Erledigung der jeweils rechtzeitig erhobenen Beschwerden der Familienangehörigen wurden die sie betreffenden Bescheide vom Asylgerichtshof nach der am 05.06.2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen (Erkenntnisse Zlen. A9 265.908-0/2008/19E, betreffend den Gatten W.R.; A9 265.907-0/2008/11E betreffend den Sohn W.Ar., A9 265.904-0/2008/10E betreffend den Sohn W.Az., A9 265.905-0/2008/11E betreffend den Sohn W.Al., alle vom 22.09.2008).
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.
Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof - soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr.10, nichts anderes ergibt - die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, das an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. 101/2003 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Anträge die danach gestellt wurden nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes idF. BGBI. I Nr. 101/2003.
Alle übrigen Verfahren werden nach den Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (BGBl. 100/2005) geführt.
Da der im Beschwerdefall zu prüfende Antrag nach dem 1. Mai 2004 (und vor dem 31.12.2005) gestellt wurde, wird das gegenständliche Beschwerdeverfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 129/2004 geführt.
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG (idF BGBl. I Nr. 101/2003) von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG).
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann der Asylgerichtshof, so der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann der Asylgerichtshof jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Nach dem mit "Familienverfahren" übertitelten § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG stellen Familienangehörige (§ 1 Z 6) eines Asylwerbers einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat.
Gemäß § 10 Abs. 5 hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid.
Im Hinblick darauf, dass im Beschwerdefall die die Entscheidung über die Asylanträge der Familienangehörigen der Beschwerdeführerin betreffenden erstinstanzlichen Bescheide vom Asylgerichtshof behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen wurden, konnte im Lichte des § 10 Abs. 5 AsylG auch der den Asylantrag abweisende angefochtene Bescheid keinen Bestand haben (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0402 bis 0404).
Das Verfahren war daher - entsprechend jenem betreffend die Familienangehörigen - zur Ermöglichung eines Familienverfahrens an die Erstbehörde zurückzuverweisen.
Hinzukommt, dass die Erstbehörde unterlassen hat, Ermittlungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin durchzuführen. Auch finden sich im erstinstanzlichen Bescheid keinerlei Feststellungen über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin. Wie oben ausgeführt geht aus den vorgelegten Befunden hervor, dass die Beschwerdeführerin aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung in Therapie sei.
Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass der vorliegende Fall nach der Rechtslage des BGBl. I Nr. 129/2004 zu beurteilen ist und nicht, wie fälschlich vom Bundesasylamt angenommen, nach der Rechtslage BGBl. I Nr. 126/2002.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.