B13 252.140-0/2008/29E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Maga. Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde von R.A., geb. 00.00.1969, StA:
Russische Föderation, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Longin Josef Kempf, Dr. Josef Maier, vom 3. 8. 2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. 7. 2004, Zl 03 20.612-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 8. 6. 2006 und am 18. 9. 2008 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und R.A. gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idF BGBl. I Nr. 126/2002, Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass R.A. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Beschwerdeführer stellte am 9. 7. 2003 beim Bundesasylamt einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
Am 1. 8. 2003 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt einvernommen und zu seinen Fluchtgründen befragt. Dabei gab er an, dass er Lesginer sei. Er habe deshalb sein Heimatland verlassen, da sein Vater ermordet worden sei. Während der Festnahme seines Vaters seien er und sein Bruder Marat aus dem Fenster gesprungen und geflüchtet. Sein Vater sei danach drei Tage von Mitarbeitern des FSB und Angehörigen des russischen Militärs gefoltert worden. Am 21. 4. 2003 sei sein Vater seinen erlittenen Verletzungen erlegen. Der Beschwerdeführer habe lediglich Flüchtlingshilfe geleistet. Er sei im März 2000 von Mitarbeitern des FSB verhaftet worden. Es sei ihm vorgeworfen worden der Familie eines Rebellenführers Unterkunft gewährt zu haben. Er sei in der Haft gefoltert worden. Danach sei er freigekauft worden.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. 7. 2004, Zl 03 20.612-BAL, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 Absatz 1 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Absatz 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 3. 8. 2004 Beschwerde.
Der unabhängige Bundesasylsenat führte am 8. 6. 2006 und am 18. 9. 2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesasylamt als weitere Partei des Verfahrens nicht teilgenommen hat. Der Beschwerdeführer gab ergänzend an, dass er im Jahre 1994 die Brüder Chatschilajew kennengelernt habe. Diese wären Vertreter der Konföderation der kaukasischen Moslems gewesen. Diese Konföderation sei gegründet worden, um in Not geratenen Personen zu helfen. Der Beschwerdeführer selbst habe sich tschetschenischer Flüchtlinge angenommen und diese unterstützt, indem er sie nach Aserbeidschan gebracht habe.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Folgender Sachverhalt wird festgestellt:
Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Lesginer an und lebte bis zu seiner Flucht aus der Russischen Föderation in der Stadt K. in Dagestan. Der Beschwerdeführer lernte im Jahre 1994 die Brüder Chatschilajew kennen, die der Konföderation der kaukasischen Moslems vorgestanden waren. Der Vater des Beschwerdeführers hatte bereits zu diesem Zeitpunkt eine tschetschenische Familie bei sich beherbergt. Da auch diese Organisation mit der Außerlandesschaffung von Tschetschenen befasst war, bestand die Aufgabe des Beschwerdeführers darin, die geflüchteten Tschetschenen nach Aserbeidschan zu befördern. Aus diesem Grund wurde der Beschwerdeführer im März 2000 von Mitarbeitern des FSB verhaftet und in weiterer Folge auch gefoltert. Der Beschwerdeführer wurde damals von seinem Vater gegen Bezahlung einer Geldleistung freigekauft. Danach fanden zwei Hausdurchsuchungen im Wohnhaus der Familie des Beschwerdeführers statt. Im April 2003 war seitens des FSB beabsichtigt den Beschwerdeführer erneut festzunehmen. Da der Beschwerdeführer jedoch nicht anwesend war, wurde anstelle dessen der Vater des Beschwerdeführers verhaftet und schwer misshandelt. Nach drei Tagen wurde dieser freigelassen und ist kurze Zeit später seinen schweren Verletzungen erlegen. Der Beschwerdeführer mietete daraufhin in M. eine Wohnung und hielt sich dort bis zu seiner Flucht auf. Am 6. 7. 2003 verließ der Beschwerdeführer Dagestan und stellte am 9. 7. 2003 in Österreich einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
Der Berufungswerber verfügt über keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu Personen, welche außerhalb Dagestans oder Tschetscheniens innerhalb der Russischen Föderation leben würden.
Zur Situation im Heimatland des Beschwerdeführers:
Allgemeines:
Das im Nordkaukasus gelegene Dagestan ist seit 1991 eine Republik im südlichen Teil Russlands. Die Republik Dagestan grenzt im Süden an Georgien und Aserbaidschan, im Westen an Tschetschenien und im Norden an Kalmykien und die Region Stawropol. In Dagestan liegt der südlichste Punkt der Russischen Föderation. Die Region ist wichtig für den Transitverkehr von Russland nach Aserbaidschan und in den Iran. Die Republik Dagestan weist eine Fläche von 50.278km2 auf und hat 2,6 Millionen Einwohner. In Dagestan leben über 100 Völker auf engem Raum zusammen. Zu den Völkern mit kaukasischer Sprache gehören unter anderem die Awaren (30%), die Darginer (16%), die Lesgier (13%), die Laken (5%) und die Tabassaranen (5%), zu den Turkvölkern zählen die Kumyken (14%) und die Nogaier (2%). Weitere Volksgruppen umfassen unter anderem die Taten und die Bergjuden. Die Russen machen rund 8 % der Bevölkerung aus. Der Großteil der Bevölkerung gehört dem islamischen Glauben an. Amtssprachen sind Russisch und Awarisch.
Zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen zählen die Ölförderung, Energieerzeugung und Lebensmittelverarbeitung. Generell ist die Republik weniger industrialisiert als andere Regionen Russlands. Aufgrund der gebirgigen Lage spielt die Landwirtschaft eine untergeordnete Rolle, einen gewissen Stellenwert nimmt das traditionelle Handwerk ein. Trotzdem liegt die Arbeitslosenquote über 30 Prozent.
Aufgrund der Vielfalt von Völkern in der Republik Dagestan kommt es immer wieder zu ethnisch bedingten Auseinandersetzungen. Die Gruppe der Nogaier waren unzufrieden mit der Ansiedelung von awarischen Flüchtlingen aus Aserbaidschan in ihren Siedlungsgebieten. Die Volksgruppe der Lesgier strebt einen eigenen Staat an. Die Kumyken ihrerseits wehren sich gegen eine Ansiedelung von Laken in ihren Siedlungsgebieten, während Laken und Tschetschenen-Akintsy einen heftigen Streit um die Region Aukhovsky führen. Am 23. 2. 2004 gab es eine Demonstration von 4000 Tschetschenen für eine Wiederherstellung des Bezirks Aukhovsky. Ein Teil der tschetschenischen Minderheit wüscht sich einen Staat aus Tschetschenien und Dagestan. Die Awaren ihrerseits haben in der Vergangenheit alle wichtigen Positionen in der Politik, Wirtschaft und Kultur an sich gerissen. Minderheiten wie die Laken, Draginer und die Kumyken wurden effektiv ausgeschlossen. Der spezifische Anteil nicht aufgeklärter Morde ist heute am höchsten in Karatschajewo-Tscherkessien, Inguschetien und Dagestan. Dort werden 30 - 55 Prozent dieser Verbrechen nicht aufgeklärt, teilte der russische Generalstaatsanwalt, Wladimir Ustinow, auf der Sitzung des Kollegiums seiner Behörde mit.
In der Vergangenheit kam es immer wieder zu Zusammenstössen zwischen der unterdrückten tschetschenischen (Akkin) Minderheit und Polizeikräften. Die Benachteiligung der Tschetschenen wird damit begründet, dass ein Großteil der Tschetschenen Kriminelle sind. Die Vorgangsweise der Polizeikräfte gegen Tschetschenen ist sehr brutal.
Mittlerweile weist Dagestan mehr Gewaltdelikte auf als Tschetschenien. Hinter den meisten Anschlägen stecken tschetschenische Separatisten, zusammen mit lokalen Handlangern. Diese sind häufig Mitglieder der so genannten Dschamaats - in sich geschlossener militanter islamischer Gemeinden, die der wahhabitischen Glaubensrichtung angehören. Diese extremistischen Organisationen sind mit dem tschetschenischen Untergrund verbunden und werden von diesem auch koordiniert. Allein 2005 wurden in Dagestan 113 Anschläge verübt, bei denen 59 Polizisten, Militärangehörige und Beamte getötet sowie 112 verwundet wurden. Außerdem starben dabei 12 Zivilpersonen; 47 weitere wurden verletzt. Eine wesentliche Verbesserung der Lage ist auch im Jahr 2007 nicht erkennbar. (vgl. auch die Berichte von Radio Free Europa vom 17. 9. 2007 "Russia Says Top Militant Killed In Daghestan", 4. 8. 2007 "Attackers Kill Policeman In Daghestan", 3. 8. 2007 "Clashes In Daghestan Leave Seven Dead" u. v. a.)
Grosse Teile der Bevölkerung Dagestans sind nicht nur verängstigt, sondern auch verärgert über die weit verbreitete Korruption in ihrer Republik und machen ihrem Zorn immer öfter in Demonstrationen Luft, die von den Sicherheitskräften nicht selten mit Gewalt beendet werden. Die Demonstranten protestieren konkret gegen die undurchsichtige, illegale und unfaire Umverteilung des Bodens in den vergangenen Jahren sowie gegen die Unterschlagung von Steuergeldern. Der im Februar 2006 eingesetzte Präsident und ehemalige Sowjetbeamte Muchu Aliev hat zwar einen ehrenhaften Ruf, aber wenig Handhabe gegen die korrupten Beamten.
Auch die Lage im Nordkaukasus hat sich in den letzten Jahren nicht durchgreifend verbessert. Zwar prägen die schweren Menschenrechtsverletzungen, die mit dem massiven militärischen Eingreifen russischer Einheiten zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges verbunden waren, heute nicht mehr den Alltag in Tschetschenien. Zudem gibt es Wiederaufbaumaßnahmen und Entschädigungsprogramme, die allerdings angesichts der weit verbreiteten Korruption nur zum Teil die Empfänger erreichen. All dem steht aber die Ausweitung des Konfliktes auf Nachbarrepubliken wie Inguschetien oder Dagestan gegenüber. Ein Mitte Juni 2005 bekannt gewordener Bericht von Dmitri Kosak, dem nach dem Geiseldrama von Beslan von Putin eingesetzten Generalgouverneur für den südlichen Föderalbezirk, beschreibt die Lage in den Nordkaukasusrepubliken ungeschminkt: Die dortigen Führungen würden nur ihre eigenen Interessen vertreten.
Die Zivilbevölkerung leidet zudem unverändert unter willkürlichen Verhaftungen, dem "Verschwindenlassen", Folterungen und Misshandlungen. Dieses Vorgehen führt zwar immer wieder zu Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, bleibt in Russland aber nach wie vor weitgehend straflos. Die Situation von unabhängigen NGOs und Menschenrechtsverteidigern wird immer schwieriger. Durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen - Änderungen des Parteiengesetzes und des Wahlrechts, die Abschaffung der direkten Wahl der Gouverneure - wurden Vorkehrungen gegen mögliche Entwicklungen "von unten" getroffen, die dem Konzept der Zentralmacht zuwiderlaufen könnten. Spätestens seit der "orangenen" Revolution in der Ukraine wurde auch die Entwicklung der Zivilgesellschaft zur Angelegenheit der zentralen Macht erklärt: Zivilgesellschaft findet im Rahmen der vom Kreml weitgehend kontrollierten Gesellschaftskammer statt. Unabhängige NGOs sehen sich infolge eines neuen NGO-Gesetzes mit verschärfter Kontrolle und einschneidenden Sanktionen konfrontiert. Die von den staatlich kontrollierten Medien gegen NGOs geführte Kampagne, in der sie als Handlanger ausländischer Geheimdienste dargestellt werden, zeigt Wirkung: Prominente Bürger- und Menschenrechtler finden sich plötzlich als "Feinde des russischen Volkes" mit Privatadresse auf den Webseiten nationalistischer Organisationen wieder. Der Mord an Anna Politkowskaja zeigt, wie unsicher sie inzwischen selbst in Moskau leben.
Übergreifen des Tschetschenien-Konfliktes auf Dagestan
Die International Helsinki Federation for Human Rights (IHF) schreibt in ihrem Jahresbericht zur Menschenrechtslage in den OSZE-Staaten vom Juni 2006, dass sich Instabilität, Menschenrechtsverletzungen und Straflosigkeit der Sicherheitskräfte ausgehend von Tschetschenien auch in anderen Teilen des Nordkaukasus verbreiten würden. Besonders alarmierend sei die Situation unter anderem in Dagestan:
"Instability and human rights violations, accompanied by impunity of security forces, increasingly spread from Chechnya to other parts of the Northern Caucasus, and the overall security situation of the region deteriorated. The situation was especially alarming in the republics of Ingushetia, North Ossetia, Dagestan and Kabardino-Balkaria. While there were major differences in the respective situation in these republics, it was clear with respect to all of them that effective action by the federal authorities was needed to prevent further destabilization and violence." (IHF, 8. Juni 2006)
Auch das International Rescue Committee (IRC) berichtete im Jänner 2006 von Anzeichen, dass sich die Instabilität von Tschetschenien ausgehend auch in den anderen Republiken des Nordkaukasus verbreite.
In Dagestan äußere sich das in eskalierender täglicher Gewalt:
"There have been signs of instability spreading to other republics in the Northern Caucasus, with increased levels of militant activity (including hostage-taking, bombs, and armed attacks). The Belsan siege in September 2004, large-scale attack in Nalchik in October 2005, and escalating daily violence in Dagestan all illustrate the unpredictability of extremist actions and political instability that continues to simmer throughout the entire region. The spread of violent rebel activities throughout the Northern Caucasus has also contributed to an increase in tensions between ethnic groups. This tension has become especially evident following the Beslan school hostage crisis since when relations and daily interactions between ethnic Ingush and ethnic North Ossetians have become markedly strained." (IRC, 31. Jänner 2006)
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) berichtet im November 2005 über das Vorgehen von tschetschenischen Sicherheitskräften in Dagestan:
"Die Situation in den Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan hat sich derjenigen in Tschetschenien in den vergangenen Monaten immer stärker angeglichen. [...]
Dagestan ist in den vergangenen Monaten Schauplatz einer Serie von Mordanschlägen - rund 70 allein zwischen Januar und Juli dieses Jahres - auf führende Sicherheitsbeamte und andere Exponenten der Staatsgewalt gewesen. Im Rahmen einer groß angelegten Fahndungsaktion im Januar 2005 kam es in der ganzen Republik zu mehreren hundert Festnahmen, wobei allerdings die Grenze zwischen Terroristen und gewöhnlichen Kriminellen zunehmend verwischt wurde. Die lokale Mafia, Extremisten und die russischen Sicherheitskräfte bekämpfen sich immer offener. Der Kreml hat auf diese Eskalation bisher hauptsächlich mit der Aufstockung seiner Truppen geantwortet." (SFH, 7. November 2005, S. 17)
"Nicht nur die Widerstandskämpfer tragen den bewaffneten Konflikt in letzter Zeit vermehrt in die Nachbarrepubliken Tschetscheniens, auch die tschetschenischen Sicherheitskräfte weiten ihre Aktivitäten offenbar aus. Ramzan Kadyrov hat bereits offen erklärt, er wolle auch in Dagestan "für Ordnung sorgen". Gemäß èeèenskoe ob¿èestvo sind tschetschenische Einheiten seit Beginn dieses Jahres damit aktiv beschäftigt. Dabei ist es auch bereits zu offenen Konflikten mit den dagestanischen Sicherheitskräften gekommen. Moskau stützt offenbar die tschetschenischen Bemühungen, denn seit Oktober 2004 ist Ramzan Kadyrow u.a. Berater Dmitri Kosaks und zuständig für dessen Zusammenarbeit mit den lokalen Sicherheitskräften. In Anbetracht all dieser Tatsachen ist es kaum verwunderlich, dass sich die Menschenrechtslage auch in den Nachbarrepubliken Tschetscheniens kontinuierlich verschlechtert. Auch in Dagestan und Inguschetien sind Menschenrechts-AktivistInnen, aber auch seriöse Gesetzeshüter zunehmend gefährdet." (SFH, 7. November 2005, S. 18)
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) berichtet im November 2005 über Spezialoperationen der föderalen Kräfte in Dagestan im Zusammenhang mit dem Tschetschenienkonflikt:
"Der Politikwissenschaftler Murad Batal al-Shishani hat eine quantitative Analyse der Militäroperationen im Nordkaukasus seit dem Tod von Aslan Maschadow im März 2005 vorgenommen. Danach fanden 42 von 102 Operationen in Dagestan statt, was 41% entspricht, 51% fanden in Tschetschenien statt. Im Monat kommt er damit auf durchschnittlich 12 Militäroperationen, wovon sechs in Tschetschenien, fünf in Dagestan und eine in Inguschetien durchgeführt wurden (Central Asia - Caucasus Analyst, 19.10.2005 From Grozny to Nalchik). Dies betätigt die Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen, dass sich die Lage in Dagestan mehr und mehr zuspitzt. Am 25.10.2005 sind zwei Anführer des islamistischen Untergrunds in der russischen Teilrepublik bei einer Razzia der Sicherheitskräfte in Machatschkala getötet worden (www.russland-news.de). Auf die Angriffe von Kämpfer reagieren die Sicherheitsorgane in Dagestan mit Gewalt. Auch Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen der Religionsfreiheit sind an der Tagesordnung. So wurde am 10. Oktober der bekannte Menschenrechtler und Leiter der Organisation "Bürgeralternative", Abdurachim Magomedow verschleppt. (s.o.) Nach Angaben der Internetzeitung Kavkazkij Uzel unterschrieben Vertreter von Dagestan und Tschetschenien eine Übereinkunft darüber, dass tschetschenische Spezialeinheiten auf dagestanischem Territorium eingesetzt werden könnten (www.kavkaz.memo.ru, 27.10.2005). Am 18. November wurde der Vorsitzende der Menschenrechtsorganisation Romaschka, Osman Boliev, in Chasawjurt verhaftet. Er war gerade dabei, sein Auto zu putzen. Angehörige fanden in diesem Auto dann eine Handgranate, die die Sicherheitskräfte, die ihn verhafteten, dort als Verhaftungsgrund platziert hatten. Boliev hat zwei Klagen beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg eingereicht, eine wegen der Entführung eines Zivilisten und eine andere wegen der Ermordung eines sechsjährigen tschetschenischen Mädchens während einer so genannten Spezialoperation. Es wird davon ausgegangen, dass er wegen dieser Klagen verschleppt wurde (RFE/RF 21.11.2005).
Bei Razzien in der gesamten Republik aber besonders in der Hauptstadt Machatschkala und im Gebiet Chasawjurt, an der Grenze zu Tschetschenien, sollen seit Jahresbeginn mehrere hundert Personen festgenommen worden sein. Die Grenzen zwischen bloßer Kriminalität und politisch motivierten Guerillaaktivitäten scheinen sich dabei immer stärker zu verwischen. "Kriminelle Gruppen, nationalistische Rebellen, fanatische Terroristen und Sicherheitskräfte sind in einem feinmaschigen Netz aus wechselnden Allianzen, Intrigen und offenen Konflikten gleichermaßen gefangen", schreibt die NZZ am 13.1.2005.
Im Vergleich zu den Nachbarrepubliken fällt bei den Terroranschlägen in Dagestan auf, dass mindestens die Hälfte von ihnen gegen höhere Beamte, ein Drittel gegen Sicherheitsbeamte und der Rest gegen Armeeangehörige gerichtet sind. Die Zivilbevölkerung insgesamt wird weniger in Mitleidenschaft gezogen, so dass es aus der Bevölkerung auch keinen starken Widerstand gegen die Anschläge gibt." (GfbV, November 2005, S. 15)
Vorgehen der Sicherheitskräfte in Dagestan gegen angebliche Terror-Verdächtige
Im Juli 2005 schreibt die Schweizer Tageszeitung "Tages-Anzeiger" in einem Bericht zur Lage in Dagestan, dass die Sicherheitskräfte wahllos junge Männer verhaften, zu Geständnissen prügeln, vergewaltigen und halb erdrosseln würden. Nur durch Schmiergeldzahlungen könne man sich retten:
"Die russische Polizei ist berüchtigt für unter Folter erpresste Geständnisse, doch in Dagestan nehmen sich die Beamten offenbar die besonders brutalen Methoden der Sicherheitskräfte in Tschetschenien zum Vorbild: Junge Männer werden unter dem Vorwurf der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation wahllos verhaftet, zu Geständnissen geprügelt, vergewaltigt oder halb erdrosselt. Retten kann sie oft nur ein Schmiergeld von mehreren Hundert Dollar an die prügelnden Polizisten, welche die "Scharia Jamaat" mit Namen, Adressen und Telefonnummern auf ihre Todeslisten setzt.
[...] Der russische Präsident hatte 1999 den zweiten Tschetschenienkrieg begonnen, nachdem Tschetschenenfuehrer Bassajew Dagestan überfallen und dort einen Gottesstaat hatte ausrufen wollen. Die Dagestaner traten den kaukasischen Brüdern damals mit der Waffe in der Hand entgegen. Doch die letzten sechs Jahre haben Tschetschenien keine Ruhe gebracht, sondern eine weitere Isolation vom Rest Russlands und immer mehr Gewaltexport. Im Grenzgebiet kommt es regelmäßig zu Zusammenstössen, und tschetschenische Rebellen werben unter jungen Dagestanern erfolgreich um Gefolgsleute. Der Krieg fraß sich immer weiter nach Dagestan hinein: Russische Sondereinheiten führen heute mitten in der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala Kommandoaktionen gegen Rebellen durch und walzen ganze Häuser mit Panzern nieder." (Tages-Anzeiger, 27. Juli 2005)
Auch die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) schreibt im Juni 2005, dass die Sicherheitskräfte in Dagestan durch Menschenrechtsverletzungen "Schuldige" produzieren würden. Personen würden bei Verhören so lange gefoltert werden, bis sie erfundene Geständnisse unterschreiben würden:
"Der Abgeordnete im dagestanischen Parlament Sulaiman Uladijew zählt aus dem Stegreif ein halbes Dutzend soziale, wirtschaftliche, religiöse und politische Faktoren auf, die alle dazu beitragen, dass die Lage in seiner Heimat derart explosiv ist.
[...] Als weiteren "internen" Faktor nennt Uladijew die völlig unverhältnismässige Reaktion der Sicherheitskräfte auf die zunehmend bedrohliche Sicherheitslage. Mit massiven Rechts- und Menschenrechtsverletzungen werden "Schuldige" produziert, aber diese Methoden sorgen auch für stetigen Nachwuchs an jungen Dagestanern, die zu allem bereit sind. Nach Ansicht des ehemaligen Polizeioffiziers sind ein guter Teil der Attentate auf Angehörige der Sicherheitskräfte reine Racheakte von Angehörigen und Freunden solcher Personen, die in dubiosen Polizeioperationen umkamen oder bei Verhören so lange gefoltert wurden, bis sie frei erfundene Geständnisse unterschrieben." (NZZ, 30. Juni 2005)
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schreibt im Oktober 2005, dass bei Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften, tschetschenischen Terroristen und Untergrundkämpfern aus Dagestan immer wieder unbeteiligte Zivilisten zu Tode kämen. Außerdem sei es bekannt, dass die Sicherheitskräfte in Dagestan foltern würden, um Geständnisse zu erzwingen:
"Es ist seit längerem bekannt, dass tschetschenische Terroristen auch in Dagestan operieren. Die Zahl der Terroranschläge in der Kaukasusrepublik hat insbesondere in diesem Jahr erheblich zugenommen. Beteiligt sind allerdings nicht nur tschetschenische Terroristen, sondern auch Untergrundkämpfer aus Dagestan. Bei den Auseinandersetzungen kommen immer wieder unbeteiligte Zivilisten zu Tode. Es ist zudem bekannt, dass die Sicherheitskräfte foltern, um Geständnisse zu erzwingen, und dadurch die Gewaltbereitschaft junger Muslime noch fördern. In Dagestan, aber auch in anderen kaukasischen Teilrepubliken der Föderation versuchen die Sicherheitskräfte seit dem Sommer in Großaktionen den terroristischen Untergrund trockenzulegen; dabei kommt es immer wieder zu größeren Schießereien. Die Welle von Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte ebbt dennoch nicht ab. Immer wieder verschwinden zudem Zivilisten."
(FAZ, 20. Oktober 2005)
Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtete im August 2005 über das Schicksal eines Bürgers Dagestans, der verdächtigt worden sei, an einem Terroranschlag beteiligt gewesen zu sein, und der durch Misshandlungen in Polizeigewahrsam in den Wahnsinn getrieben worden sei:
"Aminat Umachanowa muss innehalten. Sie versucht, den Strom der Tränen zu bremsen. Was sie zu erzählen hat, hat sich vor über zwei Jahren abgespielt, doch ganz wird sie nie damit fertig werden.
Damals, am 28. März 2003, sah sie, wie Polizisten im Kirow-Posten von Machatschkala einen Mann durch den Hof schleppten. Sie dachte, er sei ein verwahrloster Obdachloser, bis er schrie: "Mama, Mama, hilf mir!" Er hatte Schnittwunden im Gesicht und Spuren von Fesseln am Hals und an den Handgelenken. Von früher gut 90 Kilogramm Körpergewicht war der einst begeisterte Ringer auf die Hälfte abgemagert. Aber das war noch nicht das Ende von Chanali Umachanows Leidensweg - es war erst der Anfang.
Zurück ins Jahr 2002. Am 9. Mai, dem in Russland jährlich und mit großem Aufwand gefeierten Tag des Sieges, findet auch in der dagestanischen Hafenstadt Kaspisk eine Parade statt. Stolze Veteranen, eine Militärkapelle und natürlich Kinder, die mit der Musik mitmarschieren. Ein gewaltiger Knall, eine am Straßenrand versteckte Bombe explodiert, gerade als die Kapelle vorbeimarschiert, und tötet 43 Menschen auf der Stelle. Körperteile, Tote und Verletzte liegen zwischen zerbeulten Instrumenten. Das ganze Land steht unter Schock. Die Behörden versprechen eine unerbittliche Jagd auf die Täter, denen die ganze Härte des Gesetzes drohe.
Chanali Umachanow verfolgt die Fernsehbilder des Attentats in einem Café in Wolgograd, wo sein Bus auf dem Weg nach Moskau eine Pause einlegte. Seine Mutter hatte ihn bereits acht Monate früher nach Moskau geschickt, weil er Ärger mit einem Polizisten hatte. Dieser wollte ihn als Spitzel anheuern. Er sollte Informationen über seinen Cousin liefern, doch er weigerte sich. Von da an, davon ist die Mutter überzeugt, hatte es der Polizist auf ihren Sohn abgesehen. Sie spricht mit anderen Beamten, auch mit einem vom Inlandgeheimdienst FSB, doch sie erreicht nichts. Anfang Mai reihen sich in Russland die Feiertage, und viele nutzen das, um in die Ferien oder in die Heimat zu fahren. So auch Chanali. Es war sein dritter Besuch zu Hause in den acht Monaten, die er bereits in Moskau verbrachte.
Neun Monate vergehen ereignislos, bis zum Februar 2003. Chanali wird in Moskau verhaftet, angeblich wegen Handtaschendiebstahls. Doch bald wird er nach Machatschkala gebracht, und der Albtraum nimmt seinen Lauf. Die Fernbedienung zur Zündung der Bombe von Kaspisk stamme von Chanali, wirft ihm die Polizei vor, er habe sie den Attentätern vor seiner Abreise aus Machatschkala persönlich übergeben. Am 28. März sollte er in Anwesenheit seiner Anwälte ein Geständnis unterschreiben. Aminat ging mit den Anwälten zum Polizeiposten; sie wusste, dass ihr Sohn aus der Zelle im Keller über den Hof in den Verhörraum gebracht würde. Sie wollte ihn unbedingt sehen.
Trotz den offensichtlichen Misshandlungen weigert sich Chanali, das Geständnis zu unterschreiben. In Anwesenheit der Anwälte schlagen die Polizisten weiter auf ihn ein. Als einer der beiden Anwälte protestiert, wird er selber bedroht. Am Abend schleifen zwei Beamte den Häftling mit einem Sack über dem Kopf zurück in die Zelle, vier weitere Beamte misshandeln ihn dabei. Die Mutter will ihrem Sohn zu Hilfe eilen. Einer der Polizisten geht sofort auf sie los. Die Ärzte im Spital diagnostizieren später eine Hirnerschütterung.
Danach verliert Aminat ihren Sohn aus den Augen. Sie geht regelmäßig zum Polizeiposten, erhält aber keinerlei Auskünfte. Wie ihre Nachforschungen später ergeben, wurde ihr Sohn zusammen mit anderen dagestanischen Häftlingen im April in ein Lager in Tschetschenien gebracht. Nach Monaten hört sie von einem seiner Mithäftlinge, der inzwischen wieder im Gefängnis von Machatschkala sitzt, ihr Sohn sei am Leben, aber es gehe ihm nicht gut. Im August schließlich kann sie ihn zum ersten Mal sehen. Er erkennt sie nicht, kann nur stöhnen und röcheln. Er hat den Verstand verloren.
Sie erreicht die Verlegung ins Gefängnisspital. Von da aus wird er für neun Monate in eine psychiatrische Klinik nach Wolgograd gebracht. Langsam kann er sich etwas erholen, doch die Ärzte teilen Aminat mit, er werde nie mehr ein normales Leben führen können. Vor ein paar Wochen erwirkte die Staatsanwaltschaft die Rückverlegung ins Gefängnis von Machatschkala, damit der Prozess gegen Chanali beginnen kann. "Er war ein guter Bub", sagt Aminat Umachanowa. Würde das nicht jede Mutter sagen? "Wenn er mit dem Bombenattentat von Kaspisk etwas zu tun hätte, würde ich ihn eigenhändig umbringen."
Nach einer kurzen Pause fährt sie mit einem bitteren Lächeln fort:
"Eigentlich müsste er freigesprochen werden. Wenn alles mit normalen Dingen zuginge."
Auf ihre Briefe, in denen sie sich über die Behandlung ihres Sohns und über die Schläge, die sie selber einstecken musste, beschwert hatte, trifft Monate später eine Antwort ein. Die Polizei habe sich so verhalten, wie es in einem Fall von Terrorismus angemessen sei, heißt es darin. Der Absender, ein Polizeioffizier der Abteilung gegen religiösen Extremismus und Terrorismus, war zu diesem Zeitpunkt bereits tot, umgekommen im Kugelhagel bei einem Überfall auf sein Auto. In russischen Zeitungen sind mehrere Fälle belegt, in denen Attentäter gezielt Polizisten umbrachten, die entweder selber an Misshandlungen beteiligt waren oder die Folterer in Uniform deckten.
Sergei Kwasow glaubt Aminats Geschichte sofort. Er kennt ähnliche Fälle aus seiner Praxis als Strafverteidiger. Aber noch besser kennt er die Zustände bei der Polizei, denn er war bis Frühling 2002 selber Polizist, Leiter einer Abteilung zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Diese war früher direkt dem Moskauer Innenministerium unterstellt gewesen, dann wurde sie in die dagestanischen Behörden eingegliedert. Zeit zu gehen für Kwasow:
"Mich denen unterzuordnen, gegen die ich ermittelt hatte, war mir zu blöd", sagt der blonde Hüne.
Das Hauptproblem ist laut Kwasow, dass die fähigen, gut ausgebildeten Beamten den Polizeidienst verlassen haben, weil sie mit dem Lohn kein Auskommen mehr finden. "Es gibt zwar noch anständige Beamte, aber sie haben weder die technischen Mittel noch die Fachausbildung, die nötig sind, um Untersuchungen gesetzeskonform durchzuführen. Deshalb wird in 95 Prozent der Fälle beim Verhör geschlagen. Statt die Täter zu überführen, prügelt man sie zu Geständnissen." Beim Attentat von Kaspisk, dessen ist sich Kwasow sicher, gingen die Untersuchungsbehörden nach dem gleichen Muster vor: "Zuerst wird der Fall "aufgeklärt", dann werden "Verdächtige" eingesammelt, die dann gezwungen werden, passende Geständnisse zu unterschreiben."
[...] Ohne Frage existieren in Russland und gerade auch im Nordkaukasus Zellen von Extremisten, die zu anderen radikal-islamistischen Gruppen Verbindungen haben. Es steht auch außer Zweifel, dass ausländische Söldner bei tschetschenischen Rebellen eine Rolle spielen und bei den Rekrutierungsbemühungen anderer Gruppen Pate stehen. Doch das unterschiedslose Vorgehen der Sicherheitskräfte im Nordkaukasus und die lange Indifferenz des Zentrums gegenüber den Besonderheiten dieser Region sind in keiner Weise geeignet, die Bedrohung zu vermindern oder gar auszumerzen. Sie dienen vielmehr als Katalysatoren für die Rekrutierung der Extremistengruppen.[...]" (NZZ, 24. August 2005).
Fahndungsaktionen und Festnahmen in Dagestan
Die NZZ berichtete im Jänner 2005 über eine groß angelegte Operation der Sicherheitskräfte in Dagestan, bei der mehrere hundert Personen festgenommen worden sein sollen:
"Im Osten Tschetscheniens, in der explosiven Vielvölker-Republik Dagestan, antworteten die Sicherheitskräfte Ende der vergangenen Woche mit einer groß angelegten Operation auf eine Serie von Mordanschlägen auf hohe Polizeioffiziere und andere Exponenten der Staatsgewalt. Bei Fahndungsaktionen in der ganzen Republik, besonders aber in der Hauptstadt Machatschkala und im Gebiet von Chasawjurt an der Grenze zu Tschetschenien, sollen laut Presseberichten mehrere hundert Personen festgenommen worden sein. Die Vorwürfe gegen die Verhafteten lauten von Mitgliedschaft in einer illegalen bewaffneten Formation - der russische Euphemismus für Guerillakämpfer - über Mord bis zu Verletzung der Meldepflicht und der Einwanderungsgesetze. Dies zeigt, dass sich die Grenzen zwischen bloßer Kriminalität und politisch motivierten Guerillaaktivitäten bis hin zu islamistischem Terrorismus immer mehr verwischen. Kriminelle Gruppen, nationalistische Rebellen, fanatische Terroristen und Sicherheitskräfte sind in einem feinmaschigen Netz aus wechselnden Allianzen, Intrigen und offenen Konflikten gleichermaßen gefangen." (NZZ, 13. Januar 2005)
Im Jänner 2006 berichtete das Institute for War and Peace Reporting (IWPR) über eine Aktion der Sicherheitskräfte, nachdem in der Nähe eines awarischen Dorfes zwei Polizisten getötet worden waren. Daraufhin seien etwa 1.500 russische Soldaten und Angehörige von Einheiten des Innenministeriums eingesetzt worden, um mit Hilfe von Artillerie und Helikoptern gegen eine Gruppe von islamistischen Kämpfer vorzugehen. Es sei aber weder zu Festnahmen gekommen, noch konnten Spuren von getöteten Kämpfern gefunden werden:
"For three days last week, a handful of alleged Islamic militants holed up in the mountains of Dagestan were pounded by Russian artillery and helicopters. Although the armed group was surrounded by soldiers, police and special forces, when the operation ended, no trace of any dead rebels was found. Russian forces suffered a number of casualties.
The fighting broke out on January 3, after a three-member police patrol was shot at near the villages of Gimry and Shamilkala in the mountains of central Dagestan. A local police source told IWPR that one policeman escaped, but the other two were later found dead.
The source, who requested anonymity, told IWPR that the three days of fighting that followed involved some 1,500 soldiers from the Russian army and from interior ministry special units, backed by heavy artillery and combat aircraft.
Officials said all these forces were deployed against a small group of eight militants. According to the Islamist website Kavkaz Center, at least 30 fighters were involved.
The Dagestani interior ministry reported five militants dead, but their bodies have not been found.
[...] Gimry, populated by Avars, the largest of Dagestan's ethnic groups, has been tense for some time. In November, with rumours of a military operation in the area, alarmed locals told the government they would not resist any attempt to arrest suspected militants and promised to hand over any villagers believed to hold extremist views. In December, one local resident was killed in a shootout after he resisted arrest." (IWPR, 11. Jänner 2006)
Über diese Operation berichteten auch Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) und BBC World News, allerdings mit unterschiedlichen Angaben zur Anzahl der Getöteten (RFE/RL, 5. Jänner 2006; BBC World News, 3. Jänner 2006).
Weitere Berichte über Operationen der Sicherheitskräfte in Dagestan finden Sie in drei Artikeln der NZZ vom Jänner, Oktober bzw. November 2005, von denen wir Kopien in der Anlage beifügen (NZZ, 17. Januar 2005; NZZ, 10. Oktober 2005; NZZ, 22. November 2005).
Rückkehrfragen:
Nicht nur im Nordkaukasus sondern in der gesamten Russischen Föderation nehmen
die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Russen und Menschen kaukasischer Abstammung zu. Den bisherigen traurigen Höhepunkt dieser ethnischen Konflikte bildeten die tagelangen Unruhen in der karelischen Kleinstadt Kondopoga Anfang August des vergangenen Jahres: Bei einer Schlägerei zwischen dem tschetschenischen Personal eines tschetschenischen Restaurants und russischen Gästen waren zwei Russen ums Leben gekommen. Auf der folgenden Massendemonstration forderte die Menge die Behörden auf, alle Tschetschenen aus der 30.000 Einwohner-Stadt auszuweisen. Bei der Organisation der Proteste mischten auch nationale Parlamentarier mit. Der stellvertretende Parlamentsvorsitzende Wladimir Schirinovski forderte umgehend die Einschränkung der Rechte der kaukasischen Immigranten. Dabei stehen die Rechte der Immigranten aus dem Kaukasus, die eigentlich russische Staatsbürger sind, in der Praxis bereits weit hinter denjenigen der ethnischen Russen zurück. Die Organisation Migration und Recht wiederholt in ihrem alljährlichen Bericht zur Situation der tschetschenischen Bevölkerung in der Russischen Föderation den immer gleichen Befund:
-
dass Tschetschenen vielerorts keine Aufenthaltsbewilligung erhalten,
-
dass sie größte Mühe haben eine Arbeitsstelle zu finden,
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dass sie ständigen Schikanen durch die Sicherheitskräfte ausgesetzt sind und
-
dass grundsätzlich jeder Tschetschene in der Russischen Föderation mit dem
Tod bedroht sei und folglich den Flüchtlingsstatus erfülle.
Verbessert hat sich an ihrer Situation im vergangenen Jahr nichts - im Gegenteil: Der Hass gegenüber Menschen kaukasischer Abstammung wächst kontinuierlich. Laut einer Umfrage des Lewada-Zentrums stimmten im vergangen Jahr 54 Prozent der Russen der Losung "Russland den Russen" zu, ebenso wie der Forderung, der Zuzug von Fremden sei einzudämmen. 42 Prozent befürworten gar die Deportation gewisser Bevölkerungsteile. Zwar wird rassistisch motivierte Gewalt in Russland von der Justiz langsam effizienter geahndet - es kommt öfter zu Verurteilungen - doch die diesbezüglichen negativen Trends überwiegen laut dem SOWA-Zentrum für Analyse und Information bei weitem: Die rassistische Kampagne gegen Georgiern in der Russischen Föderation vom vergangenen Herbst wurde von offiziellen Stellen offen unterstützt. Gleichzeitig nutzen die russischen Behörden den offiziellen Kampf gegen Extremismus immer wieder, um die Gesetzgebung zu verschärfen und so die politische Opposition zu unterdrücken. Im Umgang mit rechtsextremen Gruppierungen greifen die Behörden zudem oft zu gesetzeswidrigen Methoden, was die gerichtliche Ahndung erschwert und die Extremisten zu "Opfern der Polizei" macht. Die Kombination von anti-faschistischer Demagogie, diskriminierender Rhetorik und missbräuchlichen Methoden zur Unterdrückung von Rechtsextremismus birgt die Gefahr, in der russischen Gesellschaft noch mehr Rassenhass zu provozieren. Die Zahl der rassistisch motivierten Übergriffe nahm im Jahr 2006 erneut zu: Bis zum 30. November 2006 registrierte das SOWA-Zentrum 44 Tote und 395 Verletzte bei rassistischen Überfällen, im Vergleich zu 42 Toten und 406 Verletzten im ganzen Jahr 2005. Überdurchschnittlich häufig - nämlich in rund einem Drittel der Fälle - sind Menschen aus dem Kaukasus Opfer dieser Übergriffe.
Sowohl in Tschetschenien als auch in Dagestan bleibt die Situation angespannt. Wie eine Auflistung der aktuellsten Vorfälle zeigt, kann von einem Ende der Kampfhandlungen im Nordkaukasus keine Rede sein:
26. 11. 2007: tschetschenische Kämpfer liefern sich Kämpfe mit Regierungstruppen in der Nähe des Dorfes Kharsenoi im tschetschenischen Bezirk Shatoysky.
22. 11. 2007: sechs Menschen sterben infolge einer Busexplosion in der Nähe des nord-ossetischen Dorfes Elkhtovo an der Grenze zu Kabardino-Balkarien.
8. 11. 2007: In Poskrowskoe (Rayon Chasawjurt, Dagestan) wird ein Polizist in seinem Haus von Unbekannten erschossen.
15. 11. 2007: In Machatschkala, der Hauptstadt Dagestans, haben Sondereinheiten ein Haus umzingelt, in dem eine Gruppe Untergrundkämpfer vermutet wird.
12. 11. 2007: Kräfte des Inlandsgeheimdienstes FSB und der Inneren Truppen umstellen ein Gebäude in Machatschkala (Dagestan), in dem eine Gruppe Untergrundkämpfer verschanzt ist. Bei einem Feuergefecht, bei dem auch Artillerie eingesetzt wird, werden acht Untergrundkämpfer getötet. Zwei weitere, die aus dem Gebäude entkommen können, werden unweit davon niedergeschossen.
Dass das "Verschwindenlassen" immer noch praktiziert wird zeigt u.a. folgender Auszug aus einem Bericht von September 2007: "There continue to be reports about human rights violations commited in Chechnya and other regions of the North Caucasus. According to reports , around 16 young men, between 20 and 31 years old, have gone missing in Dagesatn in 2007 so far. Their families fear that they have been arbitrarily detained by police officers and are being held in incommunicado detention in Dagestan or in Chechnya, where they are at high risk of torture or extra-judicial execution. The prosecutor of Dagestan has reportedly stated that law enforcement officials were involved in some of the cases. A demonstration by a group of relatives of the disappeared who protested against the disappearences in Makhachkala, the capital of Dagestan, was violently dispersed on 10 August 2007. Several participants were charched with violations of the Administrative Code of the Russian Federation. A court in Makhachkala later found that the demonstrators had acted in line with the law and critizised the police action. Amnesty Inernational is not aware of further actions against the policemen involved in this incident. (Russia: human rights concerns. Briefing paper prior to the EU-Russia Human Rights consultations, October 2007, Amnesty International, 19 September 2007)
Fluchtalternative innerhalb der Russischen Föderation:
Kaukasisch aussehende Personen stehen unter einer Art Generalverdacht, so dass in der Tat verstärkte Kontrollmaßnahmen aller Art (Ausweiskontrollen, Wohnungsdurchsuchungen, Abnahme von Fingerabdrücken) zu befürchten sind (UBAS 17. 11. 2006, 239.667/0-IX/27/03; 14. 11. 2006, 254.558/F1-V/14/04). Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen berichten, dass Tschetschenen, besonders in Moskau, häufig die Registrierung verweigert wird. Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt und die Registrierung am Wohnort. Diese ist Voraussetzung für den Zugang zu Sozialhilfe, staatlich geförderten Wohnungen oder Zugang zum kostenlosen Gesundheitssystem. Auch eine Registrierung als Binnenflüchtling und die damit verbundene Gewährung von Aufenthaltsrechten und Sozialleistungen wird in der Russischen Föderation laut Berichten von amnesty international und UNHCR regelmäßig verwehrt. Nach Moskau zurückgeführte Tschetschenen haben deshalb in der Regel nur dann eine Chance, in der Stadt überhaupt Aufnahme zu finden, wenn sie auf ein Netzwerk von Bekannten oder Verwandten zurückgreifen können. Nach der Moskauer Geiselnahme im Okt. 2002 haben sich administrative Schwierigkeiten und Behördenwillkür gegenüber Tschetschenen im Allgemeinen und rückgeführten Tschetschenen im Besonderen bei der Niederlassung verstärkt. Angesichts der Terrorwelle im August / September 2004 dürfte sich an dieser Vorgehensweise der Behörden in absehbarer Zeit nichts ändern. Eine verschärfte Neufassung des Aufenthaltsrechts spezifisch für Tschetschenen wird von der Moskauer Stadtverwaltung und Abgeordneten des Stadtparlaments gefordert, steht jedoch in der Staatsduma bislang nicht auf der Tagesordnung (vgl UBAS 17. 11. 2006, 239.667/0-IX/27/03). Das russische Innenministerium berichtete Ende 2002 über die Zunahme von Drohungen gegenüber Tschetschenen besonders in Orten, in denen diese geballt leben. Nach Zeitungsberichten hatte die extremistische russische Gruppe "Autonome Kampfeinheit der russischen Selbstverteidigung in der Stadt Moskau" mit Vergeltungsschlägen gegenüber Tschetschenen in Moskau gedroht. Diese angekündigten Vergeltungsschläge haben sich jedoch nicht realisiert. Die Bevölkerung begegnet Tschetschenen größtenteils mit Misstrauen. Hier wirken sich latenter Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Teilen der russischen Bevölkerung und insbesondere die negative Wahrnehmung der Tschetschenen aus, die sich durch die Attentate in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. September 2001, Berichte über Kontakte der tschetschenischen Rebellen zu den Taliban und Osama Bin Laden, die Geiselnahme in Moskau und die aktuellen Anschläge noch verstärkt hat. Dies äußert sich z.B. auch in Problemen von Tschetschenen, in Moskau eine Wohnung anzumieten (s dazu UBAS 17. 11. 2006, 239.667/0-IX/27/03).
Kriminalität und Desintegration
Dagestan war auf das plötzliche Verschwinden der sowjetischen Ordnungsmacht nicht vorbereitet und reagierte auf das Vakuum mit ethnisch definierten Organisationen. Bereits in den Achtzigerjahren formierten sich die 'Awarische Nationale Bewegung' und die 'Volksfront Imam Schamil'. 1990 bildeten sich die kumykische Volksfront 'Tenglik' und der 'Kumykische Nationalrat', die 1991 nach einem Aufsehen erregenden Streik einen Ku-myken als Justizminister durchsetzten. Weitere wichtige Gruppierungen stellen die lakische Volksbewegung 'Kazi-Kumuch', die 'Darginische Nationalbewegung' und der 'Rat der Akkinzen-Tschetschenen' dar. Alle verfügen über bewaffnete Einheiten. Das Beispiel des umstrittenen Laken-Führers Nadirschah Chatschilaev zeigt, wie leicht ethnisch legitimierte Verbände für persönliche Ziele missbraucht werden. Seine Biographie liest sich wie eine Synthese des 'Räuber-Kapitalismus' der Jelzin-Zeit:. Unerklärbarer plötzlicher Reichtum wurde abgedeckt durch ein Mandat als Duma-Abgeordneter und den Vorsitz im Rat Russischer Muslime. Nachdem er 1996 seine Kontakte zum tschetschenischen Widerstand für die Anbahnung von Gesprächen zwischen Moskau und Grosny eingesetzt hatte, überstiegen die politischen Ambitionen seine Möglichkeiten. Der missglückte Versuch, 1998 mit einer Privatarmee das Parlamentsgebäude in Ma-chatschkala zu stürmen, leitete den politischen Niedergang ein. 2003 wurde er auf offener Strasse erschossen. Die Wirren hinterliessen kriminelle bewaffnete Verbände, die von der Bevölkerung bis heute als eine der grössten Probleme betrachtet werden. Teilweise versteckten sich hinter Auseinandersetzungen mafioser Clans politische und ökonomische Verteilkämpfe. Das scheinbar ungehinderte Vorgehen der organisierten Kriminalität, die auch vor Angriffen auf Einrichtungen der Armee nicht zurückschreckte und mit Einverständnis korrupter Beamter zu operieren schien, höhlte das Vertrauen in die Staatsmacht aus. Die Folge war ein teilweiser Zerfall der Sitten, der sich etwa in einem Ausbreiten von Prostitution manifestierte. Der Staat lieferte zwei grundlegende Güter nicht mehr: persönliche Sicherheit und minimales wirtschaftliches Auskommen
Folgende Erkenntnisquellen wurden den Sachverhaltsfeststellungen zugrunde gelegt:
Amnesty Deutschland Bericht vom 16. 4. 2004
Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 24. 5. 2004
Bericht aus dem Asylmagazin 6/2004
Bericht des Radio Free Europe vom 19. 5. 1997
NUPI - Centre for Russian Studies
Caucasus Reporting Service 14. 7. 2000
Bericht der IDP von 2003
Bericht der Russischen Nachrichtenagentur Nowosti vom 28. 12. 2004; 18. 1. 2005
Berichte des Institut for War & Peace (speziell Bericht von Musa Musayev vom 26. 2. 2004)
Lexikon Wikipedia unter www.wikipedia.org
Berichte von Russland Aktuell (23. 5. 2002; 18. 1. 2005)
Reporter ohne Grenzen (Rundbrief 4. 12. 2002)
Ärzte Zeitung vom 14. 4. 2004
Bericht von ZDF heute 1. 9. 2004
Stellungnahme des UNHCR vom Jänner 2002
Bericht des Flüchtlingsrats
Bericht des Menschenrechtsmemorial (Moskau 2002)
Bericht der Schweizerflüchtlingshilfe über "Entwicklungen in Tschetschenien sowie in Dagestan, Kabardino-Balkarien, Inguschetien und Nordossetien" vom Jänner 2007;
Bericht von amnesty international Deutschland über "Dunkle Aussichten: Zur Menschenrechtslage in Russland." vom Mai 2007;
Hompage der Universität Bremen über die Entwicklung in Russland unter: http://www.russlandanalysen.de
Wochenberichte über die Situation in Tschetschenien von "prague watchdog" unter
http://www.reliefweb.int/rw/rwb.nsf/db900SID/KHII-79J2B9?OpenDocument&RSS20=02-P (Zugriff am 18. Jänner 2008)
Übergreifen des Tschetschenien-Konfliktes auf Dagestan
GfbV - Gesellschaft für bedrohte Völker: Schleichender Völkermord in Tschetschenien, November 2005
http://www.gfbv.de/reedit/openObjects/openObjects/show_file.php?type=r
eport&property=download&id=15 (Zugriff am 14. Juni 2006)
IHF - International Helsinki Federation for Human Rights: Human Rights in the OSCE Region Report 2006 (Events of 2005), 8. Juni 2006
http://www.ihf-hr.org/viewbinary/viewdocument.php?download=1&doc_i
d=6860 (Zugriff am 14. Juni 2006)
IRC - International Rescue Committee: The crisis in Chechnya and the Northern Caucasus at a glance, 31. Jänner 2006 (veröffentlicht auf ReliefWeb)
http://www.reliefweb.int/rw/RWB.NSF/db900SID/EKOI-6LM4SV?OpenDocument (Zugriff am 14. Juni 2006)
SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe: Tschetschenien: Update:
Entwicklungen in Tschetschenien, Inguschetien, Dagestan und anderen Teilen der Russischen Föderation, 7. November 2005
http://www.ecoi.net/pub/hl897_tschetschenien_lag0511_d.pdf (Zugriff am 14. Juni 2006)
Vorgehen der Sicherheitskräfte in Dagestan gegen Terror-Verdächtige
FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung: Sicherheitskräfte töten in Dagestan Vertrauten Bassajews; Überfall auf Wohnhäuser von Polizisten in Inguschetien, 20. Oktober 2005 (veröffentlicht auf Nexis)
NZZ - Neue Zürcher Zeitung: Dagestan am Rande des Abgrunds, 30. Juli 2005 (veröffentlicht auf Nexis)
Tages-Anzeiger: Der Kreml-Fuehrung droht ein zweites Tschetschenien, 27. Juli 2005 (veröffentlicht auf Nexis)
NZZ - Neue Zürcher Zeitung: Auch hauseigener Terrorismus in Russland, 24. August 2005
http://www.nzz.ch/2005/08/24/al/articleD0LOR.html (Zugriff am 14. Juni 2006)
Fahndungsaktionen und Festnahmen in Dagestan
BBC World News: Troops 'kill' gunmen in Dagestan, 3. Jänner 2006
http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/4578152.stm (Zugriff am 14. Juni 2006)
IWPR - Institute for War and Peace Reporting: Dagestan Assault Fails to Deliver, 11. Jänner 2006
http://www.iwpr.net/?p=crs&s=f&o=258929&apc_state=henpcrs (Zugriff am 14. Juni 2006)
NZZ - Neue Zürcher Zeitung: Erneut Zwischenfälle im Nordkaukasus, 13. Januar 2005 (veröffentlicht auf Nexis)
NZZ - Neue Zürcher Zeitung: Blutige Polizeioperationen im Nordkaukasus, 17. Januar 2005 (veröffentlicht auf Nexis)
NZZ - Neue Zürcher Zeitung: Fünf Verdächtige in Dagestan getötet, 10. Oktober 2005 (veröffentlicht auf Nexis)
NZZ - Neue Zürcher Zeitung: Feuergefecht in Dagestan, 22. November 2005 (veröffentlicht auf Nexis)
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty: Russia: Forces Battle Militants In Daghestan, 5. Jänner 2006
http://www.rferl.org/featuresarticle/2006/01/71AFA9B1-2E12-4D7B-B397-0
7706A58ABBB.html (Zugriff am 14. Juni 2006)
Russland, Dagestan - ein zweites Tschetschenien? Teil 1:
Grundprobleme, S. 5f
Diese Feststellungen resultieren aus den Einvernahmen des Beschwerdeführers beim Bundesasylamt sowie anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung beim unabhängigen Bundesasylsenat und den Ausführungen des Sachverständigen für die Situation in Tschetschenien, Dagestan und Inguschetien.
Die von dem Beschwerdeführer sowohl in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat dokumentierten Geschehnisse haben sich nach Gesamtbetrachtung der Geschehnisse, als auch auf Grund der herangezogenen Materialien durchaus in Einklang bringen lassen und stellen sich als in sich schlüssig und glaubwürdig dar und entsprechen der Situation in dem Herkunftsstaat des Beschwerdeführers.
Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer durch seine Hilfeleistung und der Außerlandesschaffung von Angehörigen der tschetschenischen Volksgruppe in das Blickfeld der dagestanischen Sicherheitskräfte und des FSB geraten ist. Dies zeigen seine Verhaftung und die damit verbundenen Folterungen.
Wenn das Bundesasylamt davon ausgeht, dass dem Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative offen stünde, ist auf die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zu verweisen, wonach Bürgern "kaukasischer Nationalität" keine anderweitige Ausweichmöglichkeit im Heimatland offen steht.
Rechtlich ergibt sich Folgendes:
Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), BGBl. I 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.
Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Ei