TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/22 E9 401505-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.09.2008
beobachten
merken
Spruch

E9 401.505-1/2008-5E

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Reinhard Engel als Vorsitzenden und den Richter Mag. Hermann Leitner als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Mayer über die Beschwerde des K.M., geb. 00.00.1960, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.08.2008, FZ. 07 10.695-BAS, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2008/4 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Beschwerdeführer, seinen Angaben nach ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 18.11.2007 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Als Begründung für das Verlassen seines Herkunftsstaates Türkei brachte er im erstinstanzlichen Verfahren im Wesentlichen folgendes vor (Auszug aus der Ersteinvernahme beim BAA am 27.12.2007):

 

(...)

 

F: Warum verließen Sie Ihr Herkunftsland? Erzählen Sie unter Anführung von Fakten und Daten die Ihnen wichtig scheinenden Ereignisse.

 

A: Während meiner Militärzeit musste ich bei einer Operation teilnehmen. Bei dieser Operation hat man einen verletzten Guerilla festgenommen. An dieser Operation nahmen 24 Soldaten teil. Ich habe den verletzten Guerilla gesehen und sagte zu meinen Kameraden, die auch Kurden waren, dass wir so tun sollten, ob wir ihn nicht gesehen hätten. Ein Leutnant, der auch den verletzten Guerilla gesehen hat, hat wahrgenommen, dass wir ihn gesehen haben. Der Offizier und andere Soldaten haben den Guerilla vor unseren Augen erschossen. Ein Hubschrauber wurde gerufen, meine zwei Kameraden und ich wurden mit diesem von dort weggebracht. Man hat uns drei in eine Zelle einer Kaserne eingesperrt. Dort wurden wir beschimpft, geschlagen und gefoltert. Die Soldaten haben uns nackt ausgezogen und mit dem Gewehrkolben geschlagen. Seitdem habe ich Probleme mit meinen Ohren bekommen (AW zeigt auf seinen Hinterkopf). Mit einem Gewehr haben sie mich am Hinterkopf verletzt. Ich war bewusstlos, anschließend wurde ich mit einer Rettung ins Krankenhaus gebracht. In der selben Nacht flüchtete ich aus dem Krankenhaus und kehrte nicht mehr zurück. (nach Frage ob noch eine Fortsetzung kommt, wiederholt der AW, dass er nicht mehr zurückkehrte).

 

F: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?

 

A: Ich bin ein Kurde, meine Großeltern haben beim osmanischen Militär gedient. Ich möchte beim türkischen Militär nicht dienen.

 

F: Wann haben sich die von Ihnen geschilderten Ereignisse beim Militär zugetragen, insbes. jene Operation?

 

A: Im Sommer 1985, Juli oder August. (AW möchte wieder oben stehendes wiederholen).

 

F: Hatten Sie nach diesem Vorfall noch Probleme mit dem Militär?

 

A: Ich wurde bis heute vom Militär gesucht.

 

F: Können Sie irgendwelche Beweismittel für Ihr Vorbringen vorlegen?

 

A: Mein Vater hat mich bei einem Telefonat angesprochen und mir erzählt, dass er wegen mir von den Soldaten belästigt wird und er deshalb eine Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft einbringen wird. Zwischendurch hat mein Vater Unterlagen für mich bekommen. Er hat sie bereits weggeschickt. Wenn ich sie habe werde ich Ihnen diese Urkunden vorlegen.

 

F: Um welche Urkunden handelt es sich?

 

A: Zwei Schriftstücke. Mein Vater ist alt, deshalb hat er mir das nicht erklären können.

 

(...)

 

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das ausreisekausale Vorbringen aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Gründen als nicht glaubhaft.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom BAA gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei verfügt. Gemäß § 38 Abs 1 Z 3 AsylG wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Hinsichtlich des konkreten Inhaltes der Beschwerde, der bei den Erwägungen des Asylgerichtshof berücksichtigt wurde, wird auf den Akteninhalt verwiesen (VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

 

Die im angefochtenen Bescheid bereits enthaltene Sachverhaltsdarstellung wird hiermit zum Inhalt dieser Entscheidung erklärt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das erkennende Gericht berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278).

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes.

 

Die belangte Behörde legte im Rahmen der Beweiswürdigung hinsichtlich seiner vorgebrachten Ausreisemotive dar, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, dieses Vorbringen glaubhaft zu machen.

 

Der BF habe im Verfahren einen NÜFUS, ausgestellt auf einen K.M., vorgelegt, wobei sich bei der Untersuchung des Dokumentes durch einen Sachkundigen des Landeskriminalamtes herausgestellt habe, dass es sich um eine "Totalfälschung" handle. Das fragliche Formular entspräche nicht der Drucktechnik und Qualität für authentisch befundene Formulare und es sei festzustellen, dass der Personalausweis im Kopierverfahren (Farbdrucker oder Farbkopierer) hergestellt worden sei.

 

Das BAA argumentierte weiters, auch wenn er noch Schriftstücke (Gerichtsurteil, Haftbefehl etc.) auf diesen Namen vorgelegt habe, so handle es sich dabei nicht um Identitätsdokumente die eine einwandfreie Identifikation der Person erlauben würden.

 

Auch sei sein Vorbringen hinsichtlich der Identität widersprüchlich gewesen. Anlässlich der Erstbefragung habe der BF angeführt, dass er - außer K.M. - nie einen anderen Namen benutzt hätte. Bei der ergänzenden Einvernahme habe er hingegen behauptet, er habe in der Türkei über einen Zeitraum von 10 Jahren einen fremden Namen verwendet.

 

Hinsichtlich des Fluchtvorbringens würde dies zur Konsequenz haben, dass auch diesem dadurch die Glaubwürdigkeit zu versagen war, da er seine in Österreich angegebene Identität

 

nicht habe glaubhaft machen können, womit auch nicht glaubhaft war, dass die anderen vorgelegten Dokumente seine Person beträfen.

 

Wenngleich diese Beweiswürdigung nicht von vornherein als unschlüssig erachtet werden kann und diese Argumente auch durchaus erhebliche Schlüsse auf die persönliche Unglaubwürdigkeit des BF geradezu aufdrängen, so kann alleine daraus nicht hinreichend auf die Unglaubwürdigkeit seiner "Fluchtgeschichte" geschlossen werden, wenngleich sich aus dem erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren, konkret aus den persönlichen Aussagen des BF, durchaus klare und deutliche Hinweise darauf ergeben, dass seine dargelegten Ausreisemotive zweifelsfrei nicht den Tatsachen entsprechen, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen zeigt.

 

Der BF bringt in der Ersteinvernahme vor, dass er seit seiner Desertion im Sommer 1985 bis zu seiner Ausreise wegen dieser bis zuletzt vom Militär gesucht worden sei und bezeichnet dies als ausreisekausal. Er sagte beim BAA aber auch aus, dass er in dieser Zeit bis zur Ausreise äußerst öffentlichkeitswirksamen Beschäftigungen im elterlichen Betrieb (Cafehaus) und in Istanbul nachging. Er sei als Musiker und Sänger auf diversen Veranstaltungen tätig gewesen und er habe auch im Cafehaus der Eltern als Musiker und Kellner gearbeitet. Für jemanden, der vorgibt ständig auf der Flucht gewesen zu sein, ist eine solche Verhaltensweise nicht plausibel und widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach ein Flüchtender idR jeden nicht notwendigen Auftritt in der Öffentlichkeit vermeiden würde um nicht Gefahr zu laufen erkannt zu werden.

 

Auch sein diesbezüglicher Erklärungsversuche auf Vorhalt dieses Widerspruches beim BAA ist nicht überzeugend. Er versuchte dies damit zu begründen, dass er sich 10 Jahre als B.C. ausgewiesen hätte. Damit widerspricht er aber seiner eigenen Aussage, wonach er beim BAA nach Hinweis auf die Wahrheitspflicht ausdrücklich angab, dass er nie einen anderen Namen führte als K.M.. Selbst wenn er sich tatsächlich diesen Aliasnamen angeeignet hätte - was im Verfahren aber unbescheinigt blieb -, so macht es dieses Verhalten während einer Verfolgung durch staatliche Behörden nicht plausibel, zumal davon ausgegangen werden kann, dass die Fahndungsbehörden zumindest durch seinen Militärdienst über ein Lichtbild von ihm verfügen und er aber nie vorgebracht hat, dass er auch sein optisches Erscheinungsbild dermaßen verändert hätte, damit es zu keiner optischen Wiedererkennung kommt. Auch wäre es nicht plausibel, dass der BF im elterlichen Cafehaus arbeitend lediglich dadurch unentdeckt blieb, weil er dort einen anderen Namen führte. Wenn der BF tatsächlich - von 1985 an gesehen - 10 Jahre unter einem anderen Namen auftrat, so bleiben aber noch immerhin rund 12 Jahre wo er demnach unter seinem angeblich richtigen Namen diesen Beschäftigungen in der Öffentlichkeit nachging.

 

Der BF bringt auch vor, dass er ständig zwischen Istanbul und seinem Heimatdorf gependelt ist. Auch dies ist für einen "Flüchtenden" keine plausible Verhaltensweise, besteht doch der allgemeinen Lebenserfahrung dabei ein erhöhtes Maß an Wahrscheinlichkeit zB in eine polizeiliche Verkehrskontrolle zu geraten. Selbst wenn er öffentliche Verkehrsmittel verwendete, so besteht auch dadurch der allgemeinen Lebenserfahrung nach die erhöhte Gefahr einer Wiedererkennung durch andere Passagiere und Mitteilung an die Fahndungsbehörden.

 

Im erstinstanzlichen Verfahren gab er im Rahmen der Datenaufnahme dieselbe Wohnadresse wie seine Eltern bzw. sein Bruder an. Auch dies lässt sich schwer mit jemandem vereinbaren, der angeblich ständig auf der Flucht ist, kann doch vertretbar davon ausgegangen werden, dass gerade dort nach ihm gefahndet wird und wenn er sich in seinem Heimatdorf aufhält, dies im weiten Umkreis bekannt ist und die erhöhte Gefahr bestünde, dass die Behörden davon Kenntnis erlangen können.

 

Führte der BF ursprünglich an, dass er niemals in Haft war oder festgenommen wurde, äußerte er danach, dass er für 3 Monate - dies sei entweder 1987 oder 1988 gewesen - beim Militär inhaftiert worden sei. Damit widerspricht er nicht nur seinen eigenen Angaben über den Umstand einer Haft bzw. Festnahme, sondern auch dahin gehend, dass er im Sommer 1985 vom Militär desertiert und er seither wegen Desertion gesucht werde bzw. auf der Flucht wäre.

 

Der BF gab auch an, dass er nach seiner angeblichen Desertion in sein Heimatdorf geflüchtet ist. Dies ist nicht plausibel, da nach der allgemeinen Lebenserfahrung nach davon ausgegangen werden kann, dass insbesondere am Wohnort bzw. bei Verwandten/Bekannten Fahndungsmaßnahmen bzw. Ermittlungen über seinen Aufenthaltsort getätigt werden.

 

Im Rahmen der Ersteinvernahme, in der der BF unter Erinnerung auf die Wahrheitspflicht auch aufgefordert wurde nichts zu verschweigen und er alle ihm wichtig erscheinenden Ereignisse erzählen sollte, erwähnte der BF nichts von einer gerichtlichen Verurteilung oder gar einem daraus resultierenden Haftbefehl. Erst als ihm sein Vater diese Dokumente nachschickte, erwähnte er dies, wobei aber durch seine Aussagen der Eindruck erweckt wird, dass er dessen Inhalt nicht genau kannte. Er war auch nicht in der Lage dem Organwalter zu benennen, was ihm sein Vater schicken wollte.

 

Auf das Urteil und den Haftbefehl vom Organwalter des BAA angesprochen, bringt er diese in Zusammenhang mit der Desertion, was diesen Schriftstücken in der Begründung aber nicht ansatzweise entnommen werden kann. Darauf hingewiesen argumentierte er nunmehr erstmals im Verfahren, dass er verdächtigt worden sei im Jahr 2003 eine Bombe in G. gelegt zu haben, was aber auch durch den Inhalt dieser Bescheinigungsmittel keine Deckung findet.

 

Der BF machte im erstinstanzlichen Verfahren auch äußerst divergierende Angaben zu seinen Rückkehrbefürchtungen. Im Rahmen der Erstbefragung gab er einerseits an, dass er Verfolgung durch die türkischen Behörden befürchten würde, andererseits verneinte er das Vorliegen konkreter Hinweise, dass er bei einer Rückkehr unmenschlicher Behandlung, unmenschlicher Strafe oder die Todesstrafe drohen würde ebenso wie dass er bei der Rückkehr in die Türkei mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe.

 

In der letzten Einvernahme erweiterte er diese Befürchtungen dahin gehend, dass er befürchte, dass er wegen der Desertion für zumindest 3 Jahre inhaftiert und gefoltert werde und man würde ihn auch töten, da er Kurde sei.

 

Eine grds. nachvollziehbare Furcht vor Inhaftierung auf Grundlage des vorgelegten Urteils und des daraus resultierenden Haftbefehles, wonach er wegen "Hilfeleistung und Unterschlupfgewährung an die illegale Terrororganisation PKK" zu einer Haftstrafe von 3 Jahren und 5 Monaten verurteilt und bestraft werde" , äußerte er hingegen nicht, woraus geschlossen werden könnte, dass er diese Haftstrafe bereits abgesessen hat und deshalb diesbezüglich keine weitere Haft mehr zu befürchten hat oder es sich hier um Falsifikate handelt und deshalb daraus resultierend keine Furcht vor Inhaftierung hat.

 

Auch ein Bedrohungsszenario durch ein etwaiges Engagement bzw. eine Mitgliedschaft bei der DTP hat er nicht konkret und substantiiert dargebracht und vermochte er eine solche auch aus dem Grund nicht glaubhaft machen, da er angab, dass er 2003 oder 2004 sich um eine Mitgliedschaft bemüht hatte. Richtigerweise hat ihm das BAA vorgehalten, dass dies nicht plausibel wäre, da diese Partei erst 2005 (konkret am 24.10.2005) gegründet worden sei (vgl. zB auch http://de.wikipedia.org/wiki/Demokratik_Toplum_Partisi). Die undatierte Bestätigung der DTP vermag diesen Beitritt zu oa. Zeitpunkt nicht plausibel machen.

 

Unter Berücksichtigung aller Umstände gelangt der Asylgerichtshof nach diesen Erwägungen zur Erkenntnis, dass das dargelegte Vorbringen betreffend der Ausreisemotive zweifelsfrei nicht den Tatsachen entspricht und damit nicht glaubhaft ist. Dies auch unter der hypothetischen Annahme, dass es sich hier beim BF tasächlich um K.M. handelt, was aber - abgesehen von dem als Totalfälschung anzusehenden NÜFUS - nicht durch ein unbedenkliches Identitätsdokument bescheinigt wurde.

 

Die Zulässigkeit für den Asylgerichtshof über die Beweiswürdigung der Erstbehörde hinaus ergänzende Schlüsse aus den bisherigen Ermittlungen zu ziehen, ergibt sich aus § 41 Abs 7, 2. Fall, AsylG 2005, wonach von einer mündlichen Verhandlung auch dann abgesehen werden kann, wenn sich aus "den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht". Um der Begründungspflicht, resultierend aus § 60 AVG, wonach der Bescheid [das Erkenntnis] erkennen lassen muss, aus welchen Erwägungen die Behörde [der Asylgerichtshof] zu dieser Ansicht gelangt ist, zu entsprechen, bedarf es aber einer (nachvollziehbaren) Darstellung der dafür maßgeblichen gedanklichen Vorgänge.

 

Der Gesetzgeber verwendet hier mit "zweifelsfrei" eine andere Diktion wie im § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 1997 idFd Asylgesetz-Novelle 2003, wonach ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzuweisen ist, wenn das "......Bedrohungsszenario offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht". Schon aus dem anders gewählten Wortlaut leuchtet es ein, dass der Gesetzgeber hier im § 41 Abs 7 2. Fall AsylG 2005 idgF - womit eine Erweiterung der Möglichkeit der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung geschaffen werden sollte - mit "zweifelsfrei" auf Grund des anderen Wortsinnes eine andere Wertung anlegen wollte, als mit der "Offensichtlichkeit", ansonsten es keiner Änderung der Diktion bedurft hätte. Daraus resultiert aber auch, dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Offensichtlichkeit (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1997 Praxiskommentar, S 100ff mwN auf die Judikatur des VwGH) im zitierten § 6 AsylG 1997 nicht ohne weiteres auf diese neue Bestimmung übertragen lässt. Dem Wortsinn nach ist unter "zweifelsfrei" die "Freiheit von (innerer) Unsicherheit, Ungewissheit, mangelndem Glauben oder innerem Schwanken gegenüber einem (möglichen) Sachverhalt oder einer Behauptung" zu verstehen. Zu dieser Überzeugung hat der Richter (das Gericht) auf Basis der "bisherigen Ermittlungen" zu gelangen.

 

Hier ergeben sich derartige Fakten aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens. Der Asylgerichtshof ist nicht verhalten, den Asylwerber zu Widersprüchen in Ansehung seines Asylantrages zu befragen, weil keine Verpflichtung besteht, ihm im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche in seinen eigenen Aussagen vorhanden seien, die im Rahmen der gem § 45 Abs 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; vgl. ua. auch VwGH 27.6.1985, 85/18/0219; 3.4.1998, 95/19/1734; 30.1.1998, 95/19/1713 wonach keine Verpflichtung besteht, den vom Antragsteller selbst vorgebrachten Sachverhalt zu Gehör zu bringen [siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 29 zu § 45 mwN]). Die Behörde bzw. das Gericht ist auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich einer vorgenommenen Beweiswürdigung zu geben [Hinweis E 23. April 1982, 398/80] (VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN). Wenn die Behörde bzw. das Gericht aufgrund der vorliegenden Widersprüche zur Auffassung gelangte, dass dem Asylwerber die Glaubhaftmachung (seiner Fluchtgründe) nicht gelungen ist, so handelt es sich um einen Akt der freien Beweiswürdigung (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560).

 

Die vom Asylgerichtshof vorgenommenen Beweiswürdigung steht im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde (das Gericht) einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

 

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

 

Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BAA in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft, weshalb der Asylgerichtshof - auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Erwägungen - nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

 

In der Beschwerde wiederholt er im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und verweist auf die Richtigkeit seiner Angaben. Auch sein Vorbringen betreffend des NÜFUS ist im Großen und Ganzen eine Wiederholung seiner Angaben beim BAA. Hingegen lässt er den von der belangten Behörde aufgegriffenen Widerspruch, dass er hinsichtlich der Anzahl seiner verwendeten Identitäten die Unwahrheit sagte unbekämpft.

 

Der BF beantragt in der Beschwerde zum Beweis seiner Glaubwürdigkeit seine persönliche Einvernahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung. Was dabei an konkretem Sachverhalt hätte hervorkommen können. Der BF hat nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber schon in der Beschwerdeschrift darzulegen was seine ergänzende Einvernahme hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären. (zB. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Diese Notwendigkeit ergibt sich auch aus dem Neuerungsverbot, wonach in der Beschwerde nur eingeschränkt neue Beweismittel und Tatsachen vorgebracht werden dürfen. Würde man diesem Antrag so stattgeben so könnte der BF mit diesem Verschweigen in der Beschwerdeschrift dieses Verbot umgehen.

 

Soweit er die amtswegige Einholung geeigneter Dokumente zur Belegung seiner Identität beantragt ist dazu folgendes anzumerken: der BF legt dar, dass er von staatlichen Behörden seines Heimatlandes Verfolgung ausgesetzt sei. Gemäß § 57 Abs 10 AsylG 2005 ist es den Asylbehörden grds. untersagt personenbezogene Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat zu übermitteln. Eine solche Übermittlung wäre hier aber zweifelsfrei notwendig um solche "Dokumente" zu erlangen. Dieses Verbot kann auch durch seine Zustimmung nicht umgangen werden (Datenschutzkommission v. 15.5.2001, Zl. K120.713/005-DSK/2001). Abgesehen davon ist dieser Beweisantrag auch nicht als hinreichend konkretisiert anzusehen, um diesem nachkommen zu müssen. Wenn der BF keine Scheu vor Repressalien seines Heimatstaates hat - aus dem Beweisantrag könnte durchaus darauf geschlossen werden - seine personenbezogenen Daten an seinen Herkunftsstaat zu übermitteln, so hätte er sich auch selbst zB an die türkische Botschaft wenden oder sein familiäres Netzwerk im Heimatstaat aktivieren können, zu dem er offensichtlich auch Kontakt hat.

 

Den vom Bundesasylamt herangezogenen Berichten zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurde in der Beschwerde nicht konkret und substantiiert entgegen getreten. Eine maßgebliche Änderung der entscheidungsrelevanten Lage in der Türkei ist weder notorisch noch entspricht dies dem Amtswissen, weshalb die dargestellte Situation - sofern sie entscheidungsrelevant ist - noch als aktuell anzusehen ist.

 

Im Ergebnis ist der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde der erstinstanzlichen Entscheidung nicht substantiiert entgegen getreten um dadurch eine ergänzende Ermittlungspflicht des Asylgerichtshofes aufzuzeigen. Zudem zeigt sich aus den oa. Erwägungen, dass das Gericht zur Überzeugung gelangte, dass die dargelegten Ausreisemotive bzw. das diesbezügliche Vorbringen zweifelsfrei nicht den Tatsachen entspricht.

 

2. Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gem. § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Zu Spruchpunkt I.:

 

1.) Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Antrag auf Internationalen Schutz ist gem. § 3 Abs 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müssen konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und bescheinigt werden, aus denen die von der zitierten Konventionsbestimmung geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl zB vom 8. 11. 1989, 89/01/0287 bis 0291 und vom 19. 9 1990, 90/01/0113). Der Hinweis eines Asylwerbers auf einen allgemeinen Bericht genügt dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf die allgemeine Lage, zB. einer Volksgruppe, in seinem Herkunftsstaat (vgl VwGH 29. 11. 1989, 89/01/0362; 5. 12. 1990, 90/01/0202; 5. 6. 1991, 90/01/0198; 19. 9 1990, 90/01/0113).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Wie sich aus der Beweiswürdigung ergibt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen eine solche glaubhaft zu machen, weshalb die vorgetragenen fluchtkausalen Angaben des Asylwerbers gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380). Auch aus der allgemeinen Lage lässt sich konkret für den Beschwerdeführer kein Status eines Asylberechtigten ableiten.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein Asyl zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II.:

 

Gem. § 8 Abs 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z1), wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine "reale Gefahr" einer Verletzung von Art 2 EMRK (Recht auf Leben), Art 3 EMRK (Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung) oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 (Abschaffung der Todesstrafe) zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung nach § 7 zu verbinden (Abs 2 leg cit). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH 99/20/0573 v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR)

 

§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit grds. derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Kann dieser nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bzgl. des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen (Abs 6 leg cit).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005).

 

Im gegenständlichen Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen seine vorgebrachte Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr im dargestellten Ausmaß glaubhaft zu machen, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

 

In einer Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers, ist festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage in seinem Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Asylgerichtshofes nicht gesprochen werden kann.

 

Der BF war in der Vergangenheit schon in der Lage seinen Lebensunterhalt in der Türkei selbst zu bestreiten. Er war als Musiker und als Kellner tätig, die auch keine ortsgebundenen Beschäftigungen darstellen. Zudem verfügt er in der Türkei auch noch über ein familiäres Netz.

 

Ergänzend ist anzuführen, dass gemäß § 67 AsylG 2005 zB. auch eine finanzielle Rückkehrhilfe (über diese wird im erstinstanzlichen Verfahren schon informiert) als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens in der Türkei gewährt werden kann. Im Rahmen der Rückkehrhilfe wird dabei der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu Hilfsorganisationen im Heimatland vermittelt, finanzielle Unterstützung geleistet und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen

(http://www.caritas.at/hilfe-einrichtungen/fluechtlinge/beratung-und-vertretung/rueckkehrhilfe/).

 

Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ergibt sich somit kein "reales Risiko", dass es derzeit durch die Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

 

Es kam im Verfahren nicht hervor, dass konkret für den Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat die reale Gefahr bestünde, als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt zu sein.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht kein subsidiärer Schutz zu gewähren, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt III.:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

 

(...)

 

Z 2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

(...)

 

Gemäß § 10 Abs 2 AsylG ist eine Ausweisung nach Abs 1 leg cit unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würde.

 

Der Gesetzgeber wollte durch diese - im Gegensatz zur fremdenpolizeilichen Ausweisung keinem Ermessen zugängliche - zwingende asylrechtliche Ausweisung eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Asylwerber, die bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung sich im Bundesgebiet aufhalten durften, verhindern (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).

 

Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen und auch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten war nicht zuzuerkennen. Ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht liegt zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vor. Der Berufungswerber hält sich daher nach Erlassung dieses Bescheides nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

 

Bei Erlassung einer Ausweisung kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK). Ein unverhältnismäßiger Eingriff würde eine Ausweisung unzulässig machen.

 

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

 

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

 

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).

 

Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).

 

Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993). Beim Privatleben spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da idR erst nach einigen Jahren eine Integration im Aufenthaltsstaat anzunehmen sein wird, die von Art 8 EMRK geschützt ist (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 857 mwN; vlg. zB VwGH vom 26.6.2007, 2007/01/0479-7).

 

Das BAA führte in ihrer Entscheidung auf Grundlage der Angaben des BF aus, dass er keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich hat, die ein relevantes Familienleben iSd Art 8 EMRK dargstellen würden. Dem wurde in der Beschwerde nicht entgegen getreten, weshalb die Ausweisung - der maßgeblichen Judikatur des EGMR folgend - auch nach Ansicht des Asylgerichtshofes keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben darstellt und es diesbezüglich auch keiner Abwägung gem. Art 8 Abs 2 EMRK bedarf.

 

Der BF, welcher unter Umgehung der Grenzkontrolle in Österreich eingereist ist, ist erst seit sehr kurzer Zeit (rund 10 Monate) im Bundesgebiet aufhältig. In dieser Zeit entstandene relevante private - und damit in seiner persönlichen Sphäre liegende - Anknüpfungspunkt zu Österreich wurden im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht. Auch in der Beschwerde wurde nichts dergleichen konkret dargetan. Die Ausweisung stellt daher - der maßgeblichen Judikatur des EGMR folgend (insbes. NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich) - mangels Bestehen eines solchen relevanten Privatlebens keinen Eingriff in dieses Recht dar und es bedarf diesbezüglich auch keiner Abwägung gem. Art 8 Abs 2 EMRK.

 

Selbst wenn man von einem relevanten Privatleben ausgehen würde, so wäre eine Ausweisung im gegenständlichen Fall nicht als unverhältnismäßig anzusehen, da das öffentliche Interesse - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, konkret das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung und Stärkung der Einwanderungskontrolle (vgl. EGMR im Fall NNYANZI gg. das Vereinigte Königreich) und das wirtschaftliche Wohl des Landes, seine Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegen würden..

 

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass einwanderungswillige Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung, allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet, in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrages unterlassen und in rechtskonformer Art und Weise vom Ausland aus ihren Antrag auf Erteilung eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels stellen sowie die Entscheidung auch dort abwarten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche, einer geordneten Zuwanderung widersprechend, genau zu diesen verpönten Mitteln greifen, um ohne jeden sonstigen anerkannten Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich zu erzwingen bzw. zu legalisieren. Dies würde in letzter Konsequenz wohl zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der einwanderungswilligen Fremden untereinander führen (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip oder auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

 

Es ergaben sich im Verfahren keine begründeten Hinweise auf die Notwendigkeit eines Aufschubs, weil etwa die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer wären (§ 10 Abs 3 AsylG 2005 idF VfGH 1.10.2007, G 179, 180/07-6).

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht eine Ausweisung zu verfügen, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt III. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt IV:

 

Im gegenständlichen Fall war der Beschwerde - innerhalb einer Woche ab Vorlage - hinsichtlich der Spruchpunkte I, II. und III. nicht stattzugeben, weshalb daraus resultierend auch die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung iSd § 38 Abs 2 AsylG 2005 nicht gegeben sind bzw. sich eine Entscheidung darüber durch das Erkenntnis in der Sache erübrigte.

 

III. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG.

 

Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen der mündlichen Verhandlung auf die 2. Fallvariante gestützt werden. Es wurde im Rahmen der gerichtlichen Erwägungen dargestellt, dass sich aus den bisherigen Ermittlungen für den erkennenden Asylgerichtshof zweifelsfrei ergab, dass das Vorbringen im dargestellten Ausmaß nicht den Tatsachen entspricht. Auch das Beschwerdevorbringen war nicht dergestalt, dass sich daraus die Verpflichtung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens ergeben hätte. Es konnte daher eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverband, Glaubwürdigkeit, Identität, Lebensgrundlage, non refoulement, Urkundenfälschung
Zuletzt aktualisiert am
25.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten