TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/22 E8 309419-1/2008

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Veröffentlicht am 22.09.2008
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Spruch

E8 309.419-1/2008-6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Diehsbacher als Vorsitzenden und den Richter Dr. Bracher als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Schwarz über die Beschwerde der C.S., geb. 00.00.1981, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.01.2007, FZ. 06 12.119 EAST-Ost, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1 Z 1 und 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Die BF, eine Staatsangehörige der Türkei und moslemischen Glaubens, gelangte am 09.11.2006 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet, wo sie am 10.11.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

2. Am 10.11.2006 wurde die BF vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST Ost (AS 13 ff) und in weiterer Folge am 16.11.2006 (AS 37 ff) und am 22.11.2006 (AS 61 ff) vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte die BF im Wesentlichen vor, dass es im Jahr 2001 aufgrund einer Streitigkeit um ein Grundstück zwischen ihrer und einer benachbarten Familie zu einer Auseinandersetzung gekommen sei. Dabei sei auf zwei Brüder der BF geschossen worden und habe einer schwere und der andere tödliche Verletzungen davongetragen. Nach diesem Vorfall habe die Familie der BF Drohanrufe bekommen, weshalb der Vater der BF ihr geraten habe, die Türkei zu verlassen.

 

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.01.2007, Zahl: 06 12.119-EAST Ost, wies das Bundesasylamt den Antrag der BF auf internationalen Schutz in Spruchteil I unter Berufung auf § 3 Abs 1 AsylG ab; in Spruchteil II wurde der BF gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt. Gleichzeitig wurde die BF in Spruchteil III des Bescheides gem. § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischem Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (AS 77). Das Bundesasylamt begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen der BF aus näher dargelegten Gründen unglaubwürdig sei und verwies insbesondere auf die von der BF getätigten Widersprüche sowie den fehlenden zeitlichen Konnex zwischen der vorgebrachten Bluttat im Jahr 2001 und der Flucht im Jahr 2006. Im Rahmen der Refoulementprüfung führte die Erstbehörde begründend aus, dass die BF ihre Fluchtgründe nicht glaubhaft machen habe können, weshalb auch keine Gefährdung iSd Art. 3 EMRK bestehe. Auch aus der allgemeinen Lage im Heimatland der BF ergebe sich keine Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK. Die Zulässigkeit der Ausweisung der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in deren Herkunftsstaat begründete die Erstbehörde insbesondere mit dem Fehlenden der geforderten Intensität des Familienlebens zu ihrem in Österreich lebenden Bruder und Onkel, weshalb auch kein Eingriff in das Familienleben vorliege.

 

4. Gegen diesen am 24.01.2007 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 29.01.2007 (AS 173 ff) fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wird zunächst das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde für mangelhaft befunden und sodann auf eine fehlende Gesamtbetrachtung der Asylgründe unter Einbeziehung von subjektiven und objektiven Elementen verwiesen.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des BF.

 

2. Rechtlich ergibt sich folgendes:

 

2.1. Nichtgewährung von Asyl gemäß § 3 AsylG

 

2.1.1. Gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Das Vorbringen des Asylsuchenden muss geeignet sein, eine asylrelevante Verfolgung im rechtlichen Sinne glaubhaft darzulegen. Hiezu muss zunächst eine konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlung glaubhaft gemacht werden, aus der eine wohlbegründete Furcht im Sinne von § 3 Absatz 1 Asylgesetz iVm

Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK rechtlich ableitbar ist. Hiezu genügt der bloße Hinweis auf die allgemeine Lage in dem Heimatland des Asylwerbers nicht (vgl hiezu zB VwGH 10.03.1994, Zahl 94/19/0056). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl hiezu zB VwGH 12.05.1999, Zahl 98/01/0649). Eine Verfolgungshandlung setzt einen Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen voraus, der geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl hiezu zB VwGH 25.04.1999, Zahl 99/01/0280).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

2.2.2. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes hat das Bundesasylamt ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinandergesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation in der Türkei auf Grundlage umfangreichen und aktuellen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation der BF gebracht. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (zB. VwGH

v. 25.03.1999, 98/20/0559; 30.11.2000, 2000/20/0356).

 

2.2.3. Wie die Erstbehörde bereits richtig ausgeführt hat, ist ein wesentlicher Grund für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens in dem Umstand zu sehen, dass sich die BF bei ihren Einvernahmen im Erstverfahren in mehrere Widersprüchlichkeiten verstrickte, zu deren Aufklärung sie in weiterer Folge nicht in der Lage war.

 

So führte das Bundesasylamt zutreffend aus, dass die von der BF ins Treffen geführten Bedrohungen im Zusammenhang mit der angeblichen "Blutrache" nicht nachvollziehbar seien, zumal es im Falle einer "Blutrache" wohl an der Familie der BF läge, diese auszuführen, da ein Bruder der BF bereits ermordet und ein weiterer schwer verletzt worden sein soll. Warum die Nachbarfamilie die behauptete Blutrache noch weiter ausüben sollte, konnte die BF jedoch nicht nachvollziehbar darlegen. Dazu kommt, dass die BF anfangs nicht einmal dazu im Stande war, den Namen der Nachbarfamilie zu nennen und verstrickte sie sich hinsichtlich des Aufenthalts der Nachbarfamilie im Dorf in mehrere Widersprüche. Sie führte einerseits aus, dass die Familie bereits kurz nach dem Vorfall im Jahr 2001 das Dorf verlassen habe und danach "nichts mehr passiert sei", andererseits brachte sie jedoch vor, dass nach diesem Vorfall Bedrohungen stattgefunden hätten und die verfeindete Familie immer wieder in ihr Dorf zurück gekommen sei (AS 43 f). Auf Vorhalt dieses Widerspruches entgegnete die BF lediglich, dass die Familie eigentlich gar nicht ihre Nachbarn gewesen seien und sie daher nicht sehen habe können, ob sich die Familie nach dem Vorfall im Jahr 2001 im Dorf aufgehalten habe oder nicht. Diesbezüglich habe sie sich auf Erzählungen der Dorfbewohner verlassen, die über eine Rückkehr der Familie berichtet hätten (AS 45). Hält man sich nun vor Augen, dass die BF weder genaue Angaben zum Aufenthalt noch zu den angeblich erfolgten Bedrohungen sowie zur Identität der Nachbarfamilie machen konnte, so kann dem Bundesasylamt nicht entgegengetreten werden, wenn es in diesen divergierenden Angaben zu den Bedrohungen nach dem Vorfall im Jahr 2001 grobe Widersprüche erkennt und die Erklärungsversuche der BF als nicht plausibel und unschlüssig einstuft.

 

Wie die Erstbehörde zudem richtig erkannte, spricht auch der von der BF fortgesetzte Aufenthalt in ihrem Heimatland - trotz der angeblich bereits seit mindestens fünf Jahren bestehenden Bedrohungslage seitens der Nachbarfamilie - gegen eine glaubhafte Verfolgungssituation und deutet darauf hin, dass eine Bedrohung im Zeitraum von 2001 bis 2006 nicht vorgelegen hat. Wenn die BF weiters behauptet, dass ihre in der Türkei verbliebenen Eltern und Schwestern nicht von der Blutrache betroffen seien, weil sie bereits alt und krank bzw. verheiratet seien, so ist auch hier der Schlussfolgerung des Bundesasylamtes, dies als unplausible und unglaubwürdige Äußerung zu qualifizieren, nicht entgegenzutreten. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit der Erstbehörde davon auszugehen, dass ihre Eltern und Geschwister deshalb unbehelligt in der Türkei leben können, weil es von Seiten der Nachbarfamilie zumindest seit 2001 zu keinen Bedrohungen mehr gekommen ist und somit auch die BF in dieser Zeit keinen GFK-relevanten Verfolgungshandlungen ausgesetzt war.

 

Anzumerken ist auch, dass sich die Beschwerde zum Teil in global gehaltenen Aussagen erschöpft, die auf die Genfer Flüchtlingskonvention und auf das Handbuch des UNHCR über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abstellen, ohne auf den Fall der BF konkret einzugehen, weshalb aus dem Beschwerdevorbringen keine Schlüsse gewonnen werden konnten, die geeignet gewesen wären, die erstinstanzlichen Erwägungen zu

 

erschüttern.

 

Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

2.3. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei

 

2.3.1. Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen ist, hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigen zukommt. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit der abweisenden Entscheidung zu verbinden.

 

Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wurde dann zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Zur Auslegung des § 8 AsylG ist aus Sicht der Beschwerdebehörde weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den BF betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 14.10.1998, 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

2.3.2. Der Asylgerichtshof schließt sich auch den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid bezüglich der Refoulement-Entscheidung vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses. Ergänzend sei angemerkt, dass es sich bei der BF um eine arbeitsfähige junge Frau handelt, die offensichtlich keine Gesundheitsprobleme hat und nach wie vor über familiäre Beziehungen in ihrer Heimat verfügt. Die BF hätte die Möglichkeit - wie schon vor ihrer Ausreise - wieder bei ihrem Vater zu wohnen und kann davon ausgegangen werden, dass sie von ihren vier Geschwistern auch die nötige Unterstützung erhalten wird. Somit besteht keinerlei Hinweis darauf, dass die BF in eine Notlage geriete, welche das Ausmaß einer gem. Art 3 EMRK relevanten Beeinträchtigung erreichen würde. Im Übrigen sei an dieser Stelle nochmals angemerkt, dass die von der BF vorgebrachte Bedrohungssituation - nämlich die drohende Blutrache seitens einer Nachbarfamilie - bereits im Rahmen der Asylentscheidung für nicht glaubwürdig befunden wurde und somit auch der rechtlichen Beurteilung in Zusammenhang mit der Refoulemententscheidung nicht zugrunde zu legen ist.

 

Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

2.4. Zulässigkeit der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz:

 

2.4.1. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen und wurde festgestellt, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigen nicht zukommt, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden (§ 10 Abs. 1 AsylG). Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 10 Abs. 1 AsylG ist auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH vom 15.10.2004, Zl. G 237/03, VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). Nach § 10 Abs 2 Z 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würde. Gemäß Artikel 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung uns seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

2.4.2. Die Behörde erster Instanz prüfte die Ausweisung der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffes in das Recht auf Familienleben gemäß Artikel 8 Absatz 1 EMRK und kam zu dem rechtsrichtigen Ergebnis, dass im Falle der BF kein diesbezüglicher Grundrechtseingriff vorliege, zumal zu dem in Österreich lebenden Bruder und Onkel kein Familienleben iSd des Art. 8 EMRK besteht.

 

Das Bundesasylamt führte zutreffend aus, dass zu den in Österreich lebenden Verwandten kein Familienleben mit der geforderten Intensität gemäß Art 8 EMRK besteht. Die BF selbst führte aus, dass zu ihrem Bruder kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht (AS 65) und zeigt sich dies auch darin, dass die BF keine Adresse ihres Bruders angeben konnte. Auch die Tatsache, dass die BF nunmehr - wie sie vor dem Bundesasylamt angab - in einer von ihrem Onkel für dessen Kinder angemieteten Wohnung Unterkunft erhält, vermag kein Familienleben iSd Art. 8 EMRK zu begründen, weil diese Unterstützung über eine bloße Bereitstellung eines Schlafplatzes nicht hinausgeht und somit keine Beziehung von außergewöhnlicher Intensität vorliegt. In dieser Hinsicht ist auch zu betonen, dass die BF auf ausdrückliches Nachfragen (AS. 63) angab, dass sie in ihrem Herkunftsstaat nie mit ihrem Onkel in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe.

 

2.4.3. Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben der BF zu verneinen, so bleibt noch zu prüfen, ob mit der Ausweisung der BF ein Eingriff in ihr Privatleben einhergeht und - falls dies zutrifft, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 Absatz 2 EMRK).

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

2.4.4. Im Falle der am 09.11.2006 illegal nach Österreich eingereisten und asylbehördlich einvernommenen BF hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen der BF in Österreich ergeben bzw. wurden solche von dieser auch nicht behauptet. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der ho. Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würden, wird durch den nicht ganz zweijährigen Aufenthalt hier in Österreich kontraindiziert. Ein Eingriff in das Privatleben der BF kann daher im Falle einer Ausweisung in die Türkei nicht festgestellt werden, weshalb es einer Interessenabwägung im Sinne des Artikel 8 Absatz 2 EMRK nicht bedarf.

 

Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

3.1. Auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof findet gemäß § 23 AsylGHG das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG Anwendung. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind in den §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG, wonach eine mündliche Verhandlung dann unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und nach schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Beschwerde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. dazu etwa VwGH 11. 11.1998, Zahl 98/01/0308, sowie VwGH 14.12.2000, Zahl 98/20/0556). Wird hingegen im Beschwerdeverfahren ein konkreter, neuer Sachverhalt zulässigerweise behauptet, so ist es dem Asylgerichtshof verwehrt, durch Würdigung der Beschwerdeangaben als unglaubwürdig den Sachverhalt ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und insbesondere ohne den Asylwerber selbst persönlich einzuvernehmen als geklärt anzusehen (vgl. dazu etwa VwGH 22. 04.1999, Zahl 98/20/0411). Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Wichtigkeit des persönlichen Eindruckes des entscheidenden Organes der Behörde für die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers (vgl. dazu auch das obzitierte Erkenntnis VwGH 11. 11.1998, Zahl 98/01/0308, sowie VwGH 21.01.1999, Zahl 98/20/0339). Allerdings führt nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Aufhebung eines Bescheides, sondern nur dann, wenn die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können (vgl. dazu zB. VwGH 25.03.1999, Zahl 98/20/0577). Bezogen auf die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung liegt ein entscheidungsrelevanter Verfahrensmangel daher nur dann vor, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Asylgerichtshof im Falle einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, weil er beispielsweise auf Grund des dadurch vom BF gewonnen persönlichen Eindrucks dessen Vorbringen zur Gänze als glaubwürdig erachtet hätte (vgl. dazu zB. VwGH 14.12.2000, Zahl 98/20/0556).

 

3.2. Gemessen an diesen vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Kriterien ist der gegenständliche Sachverhalt als geklärt zu betrachten. Insbesondere ist der negativen Glaubwürdigkeitsbeurteilung der BF durch die Erstbehörde nicht entgegenzutreten, zumal das Vorbringen der BF von der Erstbehörde in ausführlicher und schlüssiger Weise dargelegt und gewürdigt wurde. Die bloße zusätzliche Erörterung von verfahrensgegenständlichen Beweismitteln oder Ermittlungsergebnissen sowie Rechtsfragen hätte auch keine anders lautende Entscheidung herbeigeführt. Die BF ist der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nicht substantiiert entgegengetreten. Eine mündliche Verhandlung konnte daher gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 unterbleiben.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Aberkennungstatbestand, Ausweisung, familiäre Situation, Familienverband, Glaubwürdigkeit, Intensität, Lebensgrundlage, non refoulement, Unterkunft
Zuletzt aktualisiert am
19.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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