E10 246.369-0/2008-8E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Hermann LEITNER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Reinhard ENGEL als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Sabine DUTZLER über die Beschwerde des P.V., geb. am 00.00.1981, StA. Türkei, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Norbert LEHNER, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.01.2004, FZ. 03 18.119-BAE, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8, 44 (1) Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF, BGBl. I Nr. 129/2004 iVm § 75 Abs. 1 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2008/4 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Beschwerdeführer (nachfolgend auch: BF), ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 16.06.2003 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Dazu wurde er zu dem im Akt ersichtlichen Datum von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahme ist im angefochtenen Bescheid vollständig wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.
Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte er im Wesentlichen vor, er fürchte Verfolgung wegen einer Blutrache. Im Jahre 1969 oder 1970 sei ein gewisser T.M. im Zuge von Hochzeitsfeierlichkeiten gestürzt und dabei tödlich verletzt worden. Von der Witwe des Verunglückten sei der Vater des BF beschuldigt worden, diesen gestoßen zu haben; bei einer Gerichtsverhandlung sei sein Vater aber freigesprochen worden. Nunmehr fürchte er Blutrache vom Sohn des Verunglückten.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.01.2004, Zahl: 03 18.119-BAE (in weiterer Folge als "angefochtener Bescheid" bezeichnet), wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei wurde gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II).
Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als unglaubwürdig. Er habe die Behauptung, von T.H. getötet zu werden nur allgemein in den Raum gestellt, ohne diese konkret belegen bzw. durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft zu machen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass T.H. als Mitarbeiter des Reinigungsdienstes die Möglichkeit hätte, sich jederzeit Zugang zu den Personaldaten der Universität zu verschaffen und damit zu erfahren, wer der BF sei. Es sei nicht realitätsnahe, dass jemand ohne einen konkreten Verdacht zu haben, sich unrechtmäßig Zugang zu Daten verschaffe, die er nicht konkret benötige und zu denen er sich nicht problemlos Zugang verschaffen könne. T.H. könne den BF nicht als denjenigen erkannt haben, dessen Vater seinen Vater angeblich getötet haben soll, warum solle dieser dann konkret in den Personaldateien der Universität nach dem BF suchen. Der angebliche Zusammenhang zwischen dem Vorfall im Jahre 1969/1970 und dem BF bzw. dem T.H. sei ja nur vom BF erkannt worden. Ohne konkreten Verdacht würde sich niemand bei der Suche in den Personaldateien der Universität dem Risiko erwischt zu werden aussetzen und damit seinen Arbeitsplatz gefährden wollen.
Den Angaben des BF zufolge habe T.H. ihm gegenüber nur angegeben, dass sein Vater getötet worden sei und er dieses Ereignis nicht vergessen könne. Es habe keine näheren Darlegungen gegeben, dass der Vorfall, von dem T.H. gesprochen habe, mit dem Vorfall aus dem Jahre 1969/1970 ident sei. Aufgrund dieser vagen Angaben des BF sei auch nicht davon auszugehen, dass T.H. konkret nach dem BF gesucht habe bzw. suchen werde.
Der BF selbst habe bei seiner Einvernahme angegeben, dass es bis zu seiner Ausreise aus der Türkei zu keinen persönlichen gegen ihn gerichteten Angriffen bzw. Bedrohungen gekommen sei. Auch habe er von beabsichtigten Angriffen bzw. Drohungen nichts in Erfahrung bringen können. Die angebliche Bedrohung stützte der BF einzig darauf, dass T.H. ihm gegenüber angegeben habe, dass er der Sohn eines Mannes sei, der im Jahre 1969 oder 1970 bei einem Unfall ums Leben gekommen sei. Dass T.H. der Sohn des Verunfallten sei, bei dessen Vorfall der Vater des BF anwesend gewesen sei, stelle lediglich eine Vermutung des BF dar.
Für den Fall dass das Vorbringen des BF - entgegen der Ansicht der erkennenden Behörde - den Tatsachen entsprechen würde, stehe in der Türkei eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Darüber hinaus wäre es dem BF jederzeit möglich, bei einer konkreten Bedrohung die Hilfe der türkischen Behörden in Anspruch zu nehmen. Das BAA gehe davon aus, dass die dortigen Behörden den BF vor eventuellen Übergriffen geschützt hätten.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 29.01.2004 innerhalb offener Frist Berufung [jetzt Beschwerde] erhoben. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
Im Wesentlichen wurde nach Darlegung allgemeiner rechtlicher und sonstiger Ausführungen vorgebracht, dass das Vorbringen des BF sehr wohl glaubwürdig sei. Es widerspreche der Zubilligung der Glaubwürdigkeit keinesfalls, dass der BF angenommen habe, dass T.H. als Reinigungskraft seine Zugriffsmöglichkeiten auf die EDV der Universität nütze, um den Wohnort des BF ausfindig zu machen, um Blutrache zu üben. Die Möglichkeit, bei der Datensuche "ertappt" zu werden, hätte ihn bei dieser für ihn so wichtigen Recherche sicher nicht abgehalten; eine Strafe wäre dafür sicher nicht zu erwarten gewesen. T.H. habe den Namen des BF gekannt, habe natürlich auch die Familie des angeblichen Mörders seines Vaters gekannt und dem BF gegenüber selbst angegeben, dass er den Tod seines Vaters nicht vergessen könne. In dieser Angabe, den Tod seines Vaters nicht vergessen zu können, sei die Androhung der Anwendung der Blutrache jedenfalls unmissverständlich enthalten.
Durch eine Flucht innerhalb der Türkei hätte er keinen Schutz zu erwarten, weshalb er zu Recht einen Aufenthalt in Österreich - wo er wesentlich besseren Schutz habe - bevorzugt habe. In der Türkei stehe ihm wirksamer behördlicher Schutz nicht zur Verfügung. Wie allgemein bekannt, sei eine Blutrache dort durch behördlichen Schutz nicht zu verhindern.
Da die seitens der Erstbehörde getroffenen Feststellungen zur Lage in der Türkei, welche sich zwar nunmehr nicht mehr gänzlich aktuell darstellten, deren wesentlicher Aussagekern insbesondere hinsichtlich der allgemeinen Lage und der Sicherheitslage durch das ho. aufliegende aktuelle Beweismaterial in nach wie vor gültiger und im Wesentlichen unveränderter Form als erwiesen anzunehmen ist, wurde seitens des AsylGH mit Schreiben vom 16.07.2008 gem. § 45 (3) AVG Beweis erhoben und den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen 2 Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt; somit wurde aufgrund der vorliegenden aktuelleren Feststellungen zur Türkei (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle vgl. etwa Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß -im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997- das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) bestätigt, dass die erstinstanzlichen Feststellungen nach wie vor gültig sind (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise in diesem speziellen Fall einer sonst schlüssigen und umfassenden Beweiswürdigung des Bundesasylamtes siehe Erkenntnis des VwGH vom 17.10.2006, Zahl: 2005/20/0459-5, ebenso Beschluss des VwGH v. 20.6.2008, Zahl 2008/01/0286-6) .
Mit Schriftsatz vom 01.08.2008 wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des BF ein Antrag auf Übermittlung von Urkunden (Bericht des dt. AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei v. 25.10.2007 sowie U.S. Department of State, Bureau of Democracy, Human Rights and Labor: Turkey, Country Report on Human Rights - 2007, v. 11.03.2008) in deutscher und türkischer Sprache und gleichzeitig Antrag auf Fristerstreckung gestellt. Inhaltlich wurde auf das Schreiben vom 16.7.2008 nicht eingegangen.
Vom BAA wurde keine Stellungnahme abgegeben.
Hinsichtlich des weiteren Verfahrensherganges bzw. des Vorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.
Die vom BAA vorgenommene Beweiswürdigung ist im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig
Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
Aus Sicht des Asylgerichtshofes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesasylamt nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im dargestellten Ausmaß als nicht glaubhaft qualifiziert. Der Asylgerichtshof schließt sich daher diesen beweiswürdigenden Argumenten an.
Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BAA in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft, weshalb der Asylgerichtshof nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).
Der Einwand des BFV, es widerspreche der Zubilligung der Glaubwürdigkeit keinesfalls, dass der BF angenommen habe, dass T.H. als Reinigungskraft seine Zugriffsmöglichkeiten auf die EDV der Universität nütze, um den Wohnort des BF ausfindig zu machen, um Blutrache zu üben und die Möglichkeit, bei der Datensuche "ertappt" zu werden, hätte ihn bei dieser für ihn so wichtigen Recherche sicher nicht abgehalten da eine Strafe wäre dafür sicher nicht zu erwarten gewesen, erfüllt nicht die Anforderungen eines ausreichend substantiierten Entgegentretens der erstinstanzlichen Beweiswürdigung. Er erscheint auch nach Ansicht des erkennenden Gerichtshofs völlig realitätsfremd, dass sich eine Reinigungskraft in die EDV der Universität einloggt und so an Daten herankommt. Gerade von einer Universität ist zu erwarten, dass sie ihre Daten entsprechend schützt und erinnert das vom BF beschriebene Verhalten eher an Szenen, welche Serien aus dem angloamerikanischen Raum entnommen wurden. Ebenso kann die bloß in den Raum gestellte Behauptung, der BF hätte bei einer solch schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung mit keinerlei Konsequenzen zu rechnen nicht zur gegenteiligen Annahme führen, da diese Behauptung nicht den Anforderungen der Plausibilität und der Nachvollziehbarkeit entspricht, zumal mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sein wird, dass auch in der Türkei Arbeitgeber Pflichtverletzungen seitens der Arbeitnehmer entsprechend ahnden werden. Es ist T.H. natürlich zuzubilligen, dass er den Tod seines Vaters nicht vergessen könne. In dieser Angabe, den Tod seines Vaters nicht vergessen zu können, die Androhung der Anwendung der Blutrache jedenfalls unmissverständlich zu erblicken ist für sich alleine jedoch nicht nachvollziehbar. Hierzu ist die Gesamtheit aller Umstände heranzuziehen, wobei auf Basis der bereits getroffenen Ausführungen der Schluss der unmissverständliche angedrohten Blutrache nicht nachvollziehbar ist. Dem Akteninhalt ist auch nicht zu entnehmen dass T.H. den Namen des BF - wie in der Beschwerdeschrift ausgeführt - gekannt habe; der BF ist erst im Jahre 1981 geboren und ist dem Vorbringen des BF nicht zu entnehmen, dass er dem T.H. im Zuge des Gespräches mit diesem seinen Namen genannt hat. Die Würdigung des Bundesasylamtes, das Vorbringen des BF sei nicht nachvollziehbar (vgl. Bescheid Seite 12, letzter Absatz) ist daher nicht zu beanstanden.
Zur gleichzeitig mit dem Beschwerdeschriftsatz vorgelegten Bestätigung ist anzuführen, dass diese lediglich aussagt, der BF habe sich an dieser Universität 1999 angemeldet und wurde 2003 abgemeldet. Dass der BF sich im Jahr 2002 in der Türkei befunden haben muss (wo er doch angibt, seit dem 19.11.2000 sich in Österreich aufzuhalten), sagt dieses Dokument nicht aus; auch ist ein Bezug zum Jahr 2002 im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
Betreffend die - unbelegte - Behauptung, es sei allgemein bekannt, dass eine Blutrache in der Türkei durch behördlichen Schutz nicht zu verhindern sei, wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Bericht des Auswärtigen Amtes Berlin v. 25.10.2007, wonach in Art. 82 des tStGB Blutrache ausdrücklich als Mord unter Strafe (mit erschwerter lebenslanger Freiheitsstrafe) gestellt wurde, sowie auf die nachfolgenden Darlegungen zur Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des türkischen Staates verwiesen.
Es wird daher festgestellt, dass nach Ansicht des AsylGH wie bereits oben ausgeführt das Bundesasylamt ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat. Dem BF ist es nicht gelungen, der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes dermaßen konkret und substantiiert entgegen zu treten, dass Zweifel an der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes aufgekommen wären.
III. Rechtliche Beurteilung
Artikel 151 Abs. 39 Z. 1 und 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lauten:
(39) Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:
Z 1: Mit 1. Juli 2008 wird der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.
Z 4: Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof weiterzuführen.
Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gem. § 73 (1) Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) tritt dieses Gesetz mit der Maßgabe des § 75 (1) leg. cit in Kraft, wonach alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen sind.
Gegenständliches Verfahren war am 31.12.2005 anhängig und der Antrag wurde vor dem 1.5.2004 gestellt, weshalb es nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF, BGBl. I Nr. 129/2004 zu Ende zu führen war, dessen § 44 (1) mit der Maßgabe des Abs. 3 leg. cit. anordnet, dass Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetztes BGBl I Nr. 126/2002 zu führen und die in § 44
(3) genannten Bestimmungen anzuwenden sind.
Das hier anhängige Verfahren ist daher nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetztes BGBl I Nr. 126/2002 zu führen, wobei die in § 44 (3) Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF, BGBl. I Nr. 129/2004 genannten Bestimmungen anzuwenden sind.
Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278), weshalb im gegenständlichen Fall im bereits genannten Umfang auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen wird.
Ebenso ist das erkennende Gericht berechtigt, auf die außer Zweifel stehende Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) zu verweisen, weshalb auch hierauf im gegenständlichen Umfang verwiesen wird.
Aufgrund der Feststellungen des Bundesasylamtes in Verbindung mit der bereits genannten Beweisaufnahme vom 16.07.2008 durch den Asylgerichtshof ist von auf ausreichend aktuelle Quellen (vgl. Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch das E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) basierenden Feststellungen auszugehen, welche den weiteren Ausführungen zu Grunde gelegt werden.
Der AsylGH schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (vgl. für viele exemplarisch VwGH 25.3.1999, 98/20/0559; 8.6.2000, 99/20/0366; 30.11.2000, 2000/20/0356; 22.2.2001, 2000/20/0557; 21.6.2001, 99/20/046; 01.3.2007, 2006/20/0005; 21.3.2007, 2007/19/0085-3 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]; 31.5.2007 2007/20/0488-6 [Ablehnung der Behandlung der Beschwerde]).
Soweit im erstinstanzlichen Verfahren das Parteiengehör verletzt wurde, indem dem BF die allgemeine Lage in dessen Herkunftsstaat, welche das Bundesasylamt als erwiesen annimmt, nicht zur Kenntnis gebracht wurde, wird angeführt, dass der BF die Gelegenheit hatte, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen und er davon auch Gebrauch gemacht hat. Aufgrund der hier vorliegenden Sach- und Rechtslage ist daher davon auszugehen, dass die Verletzung des Parteiengehörs durch die Möglichkeit der Einbringung der Beschwerde in diesem konkreten Fall als saniert anzusehen ist (vgl. für viele:
VwGH vom 11.9.2003, 99/07/0062; VwGH vom 27.2.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 26.2.2002, 98/21/0299), wodurch jedoch nicht gesagt ist, dass das Bundesasylamt generell von der Verpflichtung, Parteiengehör zu gewähren befreit ist und nicht Fälle denkbar sind, in welchen eine solche Verpflichtung zur Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gem. § 66 (2) AVG führen kann.
Dem Bundesasylamt ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe, dass der BF im Falle einer Rückkehr in die Türkei dort einer Gefahr im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK bzw. § 8 AsylG (nunmehr) iVm § 50 FPG, BGBl I 2005/100 (aufgrund der §§ 126 iVm 124
(2) leg. cit) ausgesetzt wäre.
Der Umstand, dass der Herkunftsstaat des BF gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, welche Österreich bietet (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964, oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99), ist jedenfalls irrelevant. Sonstige außerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände, welche im Rahmen einer Außerlandeschaffung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964), kamen ebenfalls nicht hervor. Jedenfalls ist aus der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat (vgl. VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984; ebenso: kein Hinweis auf die Existenz einer allgemein existenzbedrohenden Notlage im Sinne einer allgemeinen Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige Elementarereignisse) in Verbindung mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers (er ist ein junger, gesunder, mobiler Mann, der bisher sein Leben im Herkunftsstaat meistern konnte [vgl. Erk. d. VwGHs vom 22.8.2007, Zahlen 2005/01/0015-6, 2005/01/0017-8]) kein Hinweis hierauf ableitbar, welcher zur gegenteiligen Feststellung führen könnte. Ein Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in Bezug auf das Territorium der Türkei ist nicht feststellbar. Hinweise auf einen Sachverhalt gemäß Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe scheiden schon aufgrund der Ausgestaltung des türkischen Strafrechts aus.
Zur hilfsweise herangezogenen Argumentation wird Folgendes erwogen:
Grundsätzlich kann die vom Bundesasylamt angewandte Methodik der hilfsweisen Argumentation im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nicht beanstandet werden (vgl.VwGH 24.1.2008. Zl. 2006/19/0985).
Dem Bundesasylamt ist beizupflichten, dass - rein hypothetisch betrachtet, ohne hierdurch den behaupteten ausreisekausalen Sachverhalt als glaubwürdig werten zu wollen - es dem BF möglich und zumutbar wäre, sich im Falle der behaupteten Bedrohungen an die türkischen Sicherheitsbehörden zu wenden, welche willens und fähig wären, ihm Schutz zu gewähren.
Auch wenn ein solcher Schutz (so wie in keinem Staat auf der Erde) nicht lückenlos möglich ist, stellen die vom BF befürchteten Übergriffe in der Türkei offensichtlich amtswegig zu verfolgende strafbare Handlungen dar; andererseits existieren in der Türkei Behörden welche zur Strafrechtspflege bzw. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit berufen und auch effektiv tätig sind. Die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Behörden ist somit gegeben (vgl. hierzu auch die Ausführungen des VwGH im Erk. vom 8.6.2000, Zahl 2000/20/0141 zu den Voraussetzungen der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des türkischen Staates; Im soeben zitierten Erk. führte der VwGH aus: "Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem die Gewährung von Asyl an einen algerischen Staatsangehörigen betreffenden Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0256, ausgesprochen, dass mangelnde Schutzfähigkeit des Staates nicht bedeute, dass der Staat nicht mehr in der Lage sei, seine Bürger gegen jedwede Art von Übergriffen durch Dritte präventiv zu schützen, sondern dass mangelnde Schutzfähigkeit erst dann vorliege, wenn eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung "infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt" nicht abgewendet werden könne (wobei auf die hg. Erkenntnisse vom 7. Juli 1999, Zl. 98/18/0037, und vom 6. Oktober 1999, Zl. 98/01/0311, Bezug genommen wird). Dies sei dann der Fall, wenn für einen von dritter Seite Verfolgten trotz des staatlichen Schutzes der Eintritt eines - entsprechende Intensität erreichenden - Nachteiles mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei.
Die belangte Behörde leitete aus dem Umstand, dass der türkische Staat bereits die Androhung einer schweren und rechtswidrigen Schadenszufügung strafgerichtlich verpöne, jedenfalls aber eine mit dem Motiv der Blutrache begangene Tötung mit der [Anm: nunmehr in der Türkei nicht mehr angewandten] Todesstrafe bedrohe, die nicht unschlüssige Folgerung ab, dass der türkische Staat gewillt sei, den erforderlichen Schutz zu gewähren. Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der türkische Staat sowohl den Willen als auch die Fähigkeit, den Beschwerdeführer vor den Gefahren einer befürchteten Blutrache ausreichend zu schützen. Die Beschwerde hält dem Argument, der Beschwerdeführer hätte bei staatlichen Stellen Schutz vor Verfolgung finden können, lediglich entgegen, dass ein einmal gegebenes Versprechen, für eine getötete, nahe stehende Person Blutrache zu verüben, nicht einfach wieder zurückgenommen werden könne. Das Versprechen, Blutrache zu üben, binde - nach islamischer Weltanschauung - jene Person, die das Versprechen abgegeben habe, und keine wie auch immer geartete Strafdrohung könne eine die Vollziehung der Blutrache versprechende Person von der Ausübung ihrer nunmehrigen "Pflicht" abschrecken. Der Vollzug der versprochenen Blutrache werde zur Lebensaufgabe des Versprechenden. Es erscheine nicht möglich, sich unter den Schutz des türkischen Staates zu stellen, weil der Beschwerdeführer rund um die Uhr bis zu seinem Lebensende vom türkischen Staat beschützt werden müsste. Der türkische Staat habe weder die finanziellen Mitteln noch ein Interesse an einem solchen Personenschutz.
... Die belangte Behörde hat ...klar zum Ausdruck gebracht, dass sie von einer ausreichenden Schutzgewährung durch den türkischen Staat ausgehe und sie hat den Beschwerdeführer erfolglos aufgefordert, Beweismittel vorzulegen, die diese Annahme erschüttern könnten .... Staatliche Schutzgewährung ist um so eher zu erwarten, als es sich bei den mutmaßlichen Verfolgern um verhältnismäßig leicht auszuforschende Verwandte des vom Beschwerdeführer widerrechtlich Getöteten handeln würde. Der Beschwerdeführer hat überdies nicht einmal den Versuch unternommen, etwa durch Anzeige im Sinne des Art. 191 des türkischen Strafgesetzbuches staatlichen Schutz vor möglicher Blutrache in Anspruch zu nehmen. Es ist auch nicht offenkundig, dass der Beschwerdeführer der von ihm behaupteten Gefahr in der gesamten Türkei ausgesetzt wäre und ihm daher keine Möglichkeit offen stünde, innerhalb seines Heimatstaates einen sicheren Aufenthaltsort zu finden.").
Die bloße Möglichkeit, dass staatlicher Schutz nicht rechtzeitig gewährt werden kann, vermag eine gegenteilige Feststellung nicht zu begründen, solange nicht von der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit der Nichtgewährung staatlichen Schutzes auszugehen ist (vgl. hierzu die im Erkenntnis noch zu treffenden Ausführungen zum Wahrscheinlichkeitskalkül).
Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der türkische Staat ausreichend willens und fähig wäre den BF vor den von ihm allenfalls befürchteten Übergriffen zu schützen.
Im Ergebnis ist ebenfalls der hilfsweisen Argumentation zum Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative beizupflichten:
Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte innerstaatliche Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Nach der Rechtsprechung des VwGHs muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Nach einer in der älteren Rechtssprechung verwendeten Formulierung darf in keinem Teil des Herkunftsstaates Verfolgungssicherheit bestehen (VwGH 10.3.1993, Zl. 03/01/002). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist mit dieser Formulierung jedoch nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, die Formulierung sei dahingehend zu verstehen, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken müsse (VwGH 9.11.2004, Zl 2003/01/0534; VwGH 24.11.2005, 2003/20/0109).
Um vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, müssen die Asylbehörden über Ermittlungsergebnisse verfügen, die die Sicherheit der Asylwerber dartun (vgl. etwa VwGH 8.9.1999, Zl. 99/01/0126; VwGH 16.2.2000, Zl 99/01/0149). Es muss konkret ausgeführt werden, wo der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz vor der von ihm geltend gemachten Bedrohung finden könnte. Entsprechend dem "Ausschlusscharakter" der innerstaatlichen Fluchtalternative nimmt der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich eine Beweislast der Asylbehörde an: Es müsse Sache der Behörde sein, die Existenz einer innerstaatlichen Fluchtalternative aufzuzeigen und nicht umgekehrt Sache des Asylwerbers, die Möglichkeit einer theoretisch möglichen derartigen Alternative zu widerlegen (vgl. VwGH 9.9.2003, Zl.2002/01/0497).
Aufgrund des sich Versteckthaltens kann noch nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden (etwa VwGH 18.4.1996, Zl.95/20/0295; VwGH 20.3.1997, Zl 95/20/0606; in diesem Sinne ebenfalls VwGH 29.10.1998, Zl. 96/20/0069). Ebenso darf der Betroffene im sicheren Landesteil nicht in eine aussichtslos Lage gelangen und jeglicher Existenzgrundlage beraubt werden. Solcherart wird dem Kriterium der Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative Beachtung geschenkt (VwGH 8.9.1999, Zl. 98/01/0614, VwGH 6.10.1999, Zl. 98/01/0535, VwGH 8.6.2000, 99/20/0597, VwGH 19.10.200, 98/20/0430; VwGH 19.10.2006, Zl. 2006/0297-6; VwGH 24.1.2008, Zl. 2006/19/0985-10). Maßgebliche Faktoren zur persönlichen Zumutbarkeit können das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und - möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen sein. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, dass schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Landesteil die innerstaatliche Fluchtalternative nicht grundsätzlich ausschließen (sieheVwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427). Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage gelegen ist, ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage hinzunehmen.
Zu den bereits getroffenen Ausführungen kommt noch hinzu, dass das verfolgungssichere Gebiet eine gewisse Beständigkeit in dem Sinne aufweisen muss, dass der Betroffene nicht damit rechnen muss, jederzeit auch in diesem Gebiet wieder die Verfolgung, vor der er flüchtete, erwarten zu müssen (VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).
Ebenso muss das sichere Gebiet für den Betroffenen erreichbar sein, ohne jenes Gebiet betreten zu müssen, in welchem er Verfolgung befürchtet bzw. muss im Rahmen der Refoulementprüfung feststehen, dass eine Abschiebung in dieses sichere Gebiet möglich ist (VwGH 26.6.1997, Zl.95/21/0294; in diesem Sinne auch VwGH 11.6.1997, Zl. 95/21/0908, 6.11.1998, Zl. 95/21/1121; VwGH 10.6.1999, 95/21/0945, ähnlich VwGH 17.2.2000, 9718/0562).
Zum Wesen und den Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative vgl. weiter: Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1979), Rz 91; Art. 8 der Richtlinie 2004/83 EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Person, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des gewährten Schutzes ("Statusrichtline); Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S. 357 ff.
Wenn der VwGH speziell zur Türkei ausführte, dass für Kurden aus dem Osten der Türkei z. B. in Istanbul eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen kann (vgl. z. B. VwGH 5.6.1996, Z. 95/20/0394, 24.10.1996, 95/20/0560, 19.6.1997, 95/20/0782, siehe aber auch VwGH 21.11.1996, 95/20/0577), so muss dies für Angehörige der Mehrheits- und Titularethnie der Türken umso mehr gehlten. Aus den oa. Ausführungen ergibt sich im gegenständlichen Fall letztlich Folgendes: Wie bereits das Bundesasylamt zutreffend ausführte, wäre dem BF - im Falle des Zutreffens seiner Befürchtungen - in der Türkei eine innerstaatliche Fluchtalternative, vor allem in den größeren Städten, Beispielsweise Istabul, offengestanden. In der Türkei gibt es keine Meldepflicht und herrscht Reise- und Niederlassungsfreiheit. Der BF hätte dieser behaupteten Bedrohung durch einen Wohnungswechsel wirksam begegnen können. Umstände die ihm solches Vorgehen unzumutbar erscheinen ließen, sind dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu entnehmen.
Aus dem Vorbringen des BF kann letztlich bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatschen kein Hinweis abgeleitet werden, dass dieser vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) in dessen Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr ausgesetzt wäre.
Über die vom rechtsfreundlichen Vertreter des BF mit Schriftsatz vom 01.08.2008 gestellten Anträge auf Übermittlung von Urkunden in deutscher und türkischer Sprache und Antrag auf Fristerstreckung wurde wie folgt erwogen:
Dem rechtsfreundlichen Vertreter des BF wurden die in Frage stehenden Dokumente (Bericht des dt. AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei v. 25.10.2007 sowie U.S.
Department of State, Bureau of Democracy, Human Rights and Labor:
Turkey, Country Report on Human Rights - 2007, v. 11.03.2008) in der Beilage des Schreibens vom 16.07.2008 übermittelt und zwar der Bericht des Auswärtigen Amtes Berlin in der deutschen Originalfassung und der Bericht des U.S. Department of State in der englischen Originalfassung (so wie er sich auch im Verwaltungsakt befindet).
§ 39a AVG lautet: Ist eine Partei oder eine zu vernehmende Person der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig, stumm, gehörlos oder hochgradig hörbehindert, so ist erforderlichenfalls der der Behörde beigegebene oder zur Verfügung stehende Dolmetscher (Amtsdolmetscher) beizuziehen. Die §§ 52 Abs. 2 bis 4 und 53 sind anzuwenden.
Diese Norm regelt nur den mündlichen Verkehr mit der Behörde, begründet aber keinen Anspruch auf Verwendung einer fremden Sprache im Schriftverkehr mit den Beteiligten (VwGH 17.02.1993, 92/01/0893; 07.07.2000, 2000/19/0055); insbesondere ist die Beifügung einer Übersetzung eines Schriftstückes nicht vorgesehen (VwGH 11.01.1989, 88/01/0187; 01.02.1989, 88/01/0330). Insofern ist ein Anspruch auf Übersetzung der im Zuge der Beweisaufnahme übermittelten Berichte nicht gegeben. Auch aus anderen Rechtsnormen (vgl. § 22 AsylG) ist ein solcher Anspruch nicht abzuleiten. Entscheidungen des Bundesasylamtes oder des Asylgerichtshofes haben nur den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung, Entscheidungen des Asylgerichtshofes auch den Hinweis auf die Möglichkeit einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten, für die übrigen Teile der Entscheidung ist die deutsche Sprache vorgesehen. Die Übermittlung des Berichts des Auswärtigen Amtes Berlin in der deutschen (Original)fassung war daher rechtmäßig.
Was die Übermittlung des Berichtes des U.S. Department of State (in englischer Originalfassung) anbelangt, so ist hier zu bemerken dass hier dem BF eine ausreichende Frist eingeräumt wurde, um sich über den Inhalt des Schriftstückes zu erkundigen. Es kann von einem durchschnittlich sorgfältigen Asylwerber mit dem Wissen und Fähigkeiten des BF erwartet werden, dass er sich mit dem englischen Originaltext auseinandersetzt oder aber, wenn er der englischen Sprache nicht kundig ist, sich diesbezügliche Unterstützung organisiert. Dies umso mehr, als der BF in seinem Heimatland an einer Universität bereits eingeschrieben war und auch in Österreich ein Studium beabsichtigte - hierfür auch Deutschkurse belegte - und er zudem in Österreich über unterstützende Familienangehörige verfügt. Im Ergebnis heißt dass, es war dem - rechtsfreundlich vertretenen - BF zumutbar, sich mit diesem englischen Originaltext zu befassen und eine Übermittlung dieses Berichts in deutscher Sprache oder aber in türkischer Sprache daher nicht erforderlich.
Auch wäre es dem BF möglich und zumutbar gewesen, sich an den Flüchtlingsberater zu wenden. Dieser ist gem. § 40 Abs. 2 lit. 4 AsylG verpflichtet, Fremden auf Verlangen bei der Übersetzung von Schriftstücken und Bereitstellung von Dolmetschern behilflich zu sein.
Diesen Anträgen war folglich nicht stattzugeben. Bei diesem Ergebnis ist ein Eingehen auf den Antrag auf Fristerstreckung obsolet.
Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67 d AVG. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG, dass die dort als Rechtsfolge vorgesehene sinngemäße Anwendung des AVG 1991 unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG steht. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind, in den in der Erläuterung laut AB 371 XXIII.GP genannten §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, wohl aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005. Es ergibt sich aus § 23 AsylGHG somit die Anwendung von Verfahrensbestimmungen für den Asylgerichtshof in allen anhängigen Verfahren einschließlich der gemäß den Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führenden Verfahren, ohne dass es dafür einer Nennung dieser Bestimmungen (auch) im § 75 Abs. 1 AsylG 2005 bedürfte. § 41 Abs. 7 ist daher im gegenständlichen Verfahren anwendbar.
Im gegenständlichen Fall konnte der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt erachtet werden, da dieser nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde, nach schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt und dieser in der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegen getreten wurde. Weder war der Sachverhalt ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden nicht vorgetragen. Eine Verhandlung konnte unterbleiben.
Der BF wurde vom Bundesasylamt nicht ausgewiesen, was auf den Umstand zurückzuführen ist, dass der erstinstanzliche Bescheid zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, als das Bundesasylamt zur Verfügung der Ausweisung nicht zuständig war.
Soweit sich im Verfahren Hinweise auf in Österreich bestehende Anknüpfungspunkte gem. Art. 8 EMRK ergeben, wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall der AsylGH als Beschwerdeinstanz zur Verfügung der Ausweisung sachlich nicht zuständig ist. Auch eine verfassungskonforme Interpretation des § 44 (3) AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF, BGBl. I Nr. 129/2004 kann zu keinem anderen Ergebnis führen.
Im Gegensatz zu Art. 3 EMRK ist deren Artikel 8 nicht vom Prüfungsumfang des § 8 AsylG 1997 in der hier anzuwendenden Fassung umfasst. Erwägungen zu Art. 8 EMRK sind sohin nicht Gegenstand einer Prüfung von § 8 AsylG 1997 in der hier anzuwendenden Fassung; sedes materiae ist erst die Setzung konkreter Maßnahmen zu Außerlandesschaffung (vgl. Erk. des VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0225-6).
Aufgrund der getroffenen Ausführungen war die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet abzuweisen.