A3 401.362-1/2008/4E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Holzschuster als Vorsitzende und den Richter Mag. LAMMER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB Biondo über die Beschwerde des D.Y., geb. 00.00.1990, StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2008, FZ. 07 12.397-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wird D.Y. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien nicht zuerkannt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wird D.Y. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Algerien, brachte beim Bundesasylamt am 31.12.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ein. Zu seinem Fluchtweg und den Fluchtgründen wurde er im Beisein eines geeigneten Dolmetschers am 01.01.2008, 15.02.2008 und am 11.08.2008 niederschriftlich einvernommen. Diese niederschriftlichen Einvernahmen werden zum Inhalt der vorliegenden Entscheidung erhoben.
2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2008, FZ. 07 12.397-BAI, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und dem nunmehrigen Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer weiters der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und wurde er weiters gemäß § 10 Abs. 1 Z 2AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass seine nachvollziehbaren und plausiblen Angaben glaubwürdig seien. Er habe seine Heimat aus wirtschaftlichen Gründen und aufgrund der Terrorangst verlassen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dem nunmehrigen Beschwerdeführer im Herkunftsland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen gewesen wäre, oder dass er bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende Notlage gedrängt werde. Er habe selbst angegeben, dass seine Mutter und seine Geschwister unbehelligt in der Heimat leben. Der Behauptung, wonach seine Rückkehr nach Algerien den Tod bedeute, da er auf der Straße leben müsse, sei die Glaubwürdigkeit zu versagen. Bei diesen Rückkehrbefürchtungen handle es sich um Vermutungen und damit um subjektiv empfundene Furcht, die von ihm durch keinerlei objektive Beweise untermauert worden seien. In seinem Vorbringen sei im Besonderen die schlechte wirtschaftliche Lage in seinem Heimatland angeführt worden. Diese könne jedoch nicht zu einer Asylgewährung führen, setze eine solche doch eine konkrete gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgung oder begründete Furcht vor Verfolgung voraus. Nachteile, die auf die allgemeinen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebensbedingungen in einem Staat zurückzuführen seien, stellen keine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes dar. Soweit er vorgebracht habe, in seinem Heimatland von der dort herrschenden generellen Ausnahmesituation betroffen gewesen zu sein, so ist dies allein nicht als geeignet anzusehen, das Vorliegen begründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen. Die Ausweisung stelle keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.
3. Gegen diese Entscheidung erhob der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Insbesondere wurde seitens des Beschwerdeführers kurz zusammengefasst betont, dass er den Bescheid anfechten wolle, weil er mehrere Probleme und auch keinen Platz in seiner Heimat habe. Er habe keine Familie, zu der er zurückkehren könne. Weiters bestehe in seinem Land Krieg zwischen der islamischen Bruderschaft und der Polizei. Er entschuldige sich für manche Probleme, die er in Österreich gemacht habe. Er habe diese Probleme nicht machen wollen, aber all diese Probleme seien im Zustand der Trunkenheit und beim Treffen mit einigen Personen entstanden.
II. Der Asylgerichtshof hat über die Beschwerde in nicht öffentlicher Sitzung erwogen:
A. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 (in der Folge: AsylG) hat über die Berufung, die gemäß § 23 AsylGHG nunmehr als Beschwerde zu gelten hat, der Asylgerichtshof zu entscheiden; da keine der in § 61 Abs. 3 AsylG angeführten Ausnahmen vorliegt, hat der Asylgerichtshof in einem Senat von zwei Richtern zu entscheiden.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthalts befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn in objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist.
Das Bundesasylamt hat in der Begründung des Bescheides vom 12.08.2008, FZ. 07 12.397-BAI, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage hinsichtlich der behaupteten Flüchtlingseigenschaft klar und übersichtlich zusammengefasst und den rechtlich maßgeblichen Sachverhalt in völlig ausreichender Weise erhoben. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt der gegenständlichen Entscheidung.
Der Beweiswürdigung wurde nicht substantiiert entgegengetreten, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof abgesehen werden konnte, da der maßgebende Sachverhalt durch die Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) geklärt war (vgl. § 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG). Der Beschwerdeführer gibt in der nunmehrigen Beschwerde keine Erklärungen ab, die sich konkret auf die Beweiswürdigung beziehen. Der Beschwerdeführer bezieht sich in der Beschwerdeschrift lediglich darauf, dass es in seinem Land einen Stammeskrieg zwischen der islamischen Bruderschaft und der Polizei gebe, ohne jedoch den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellungen zu Algerien konkret entgegenzutreten.
Im gegenständlichen Fall konnte der Beschwerdeführer sohin keine konkrete gegen ihn gerichtete aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund glaubhaft machen.
Demnach war der Beschwerde auch hinsichtlich der Entscheidung betreffend den Status des Asylberechtigten der Erfolg zu versagen.
B. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen
oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten demnach insbesondere dann zuzuerkennen - und die Rückschiebung eines Fremden folglich unzulässig - wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK).
Zu § 8 AsylG 2005 kann die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Abs. 1 AsylG 1997 iVm § 57 Fremdengesetz 1997 als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 2.5.1997).
Eine konkrete gegen seine Person gerichtete aktuelle Bedrohung im Sinne von § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen.
Es besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände" (lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen), die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 unzulässig machen könnten. In Algerien herrscht keine Bürgerkriegssituation und hat der Beschwerdeführer im Übrigen weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 darstellen könnte. Es besteht auch kein Anhaltspunkt, dass der arbeitsfähige und gesunde Beschwerdeführer im Fall der Rückführung in eine aussichtslose Situation geraten könnte. In diesem Zusammenhang ist auch auf die niederschriftliche Aussage des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt am 11.08.2008 zu verweisen, wonach seine Mutter und seine drei Geschwister, aber auch sein Vater in der Heimat leben (siehe Seite 251 des erstinstanzlichen Aktes). Ferner sind auch keine Bürgerkriegsgefahren im Sinne von § 8 Abs. 1 letzter Satzteil AsylG 2005 ersichtlich.
Die Beschwerde erweist sich sohin auch hinsichtlich des Ausspruches über die Nichtgewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als nicht berechtigt. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid bezüglich der Refoulement-Entscheidung vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt der gegenständlichen Entscheidung. Angemerkt wird, dass keine Umstände amtsbekannt sind, dass in Algerien landesweit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.
C. Auch die gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG verfügte Ausweisung erweist sich als rechtsrichtig. Die in § 10 Abs. 2 AsylG normierten Ausnahmetatbestände liegen nicht vor. Es ist unstrittig, dass der nunmehrige Beschwerdeführer über kein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht verfügt. Es wurde vom nunmehrigen Beschwerdeführer keine besondere Beziehungsintensität im Sinne eines Abhängigkeitsverhältnisses zu einer in Österreich lebenden Person behauptet. Die Ausweisung stellt daher keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben dar.
Es sind auch keine Umstände hervorgekommen, die auf eine besondere Integration des Beschwerdeführers in Österreich hindeuten. Der Beschwerdeführer ist erst seit kurzer Zeit in Österreich aufhältig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die nunmehrige Ausweisung einen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellt, so gelangt die erkennende Behörde im Hinblick auf diese Umstände (kein Anhaltspunkt für besondere Integration, erst kurzer Aufenthalt) doch zum Ergebnis, dass die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das wirtschaftliche Wohl des Landes (Verhinderung ungeordneter Zuwanderung) die Interessen des nunmehrigen Beschwerdeführers am weiteren Verbleib überwiegen, dies auch deshalb, weil dem nunmehrigen Beschwerdeführer bewusst sein musste, dass er nur über eine vorübergehende Aufenthaltsberechtigung für Asylwerber verfügt und das Land im Falle einer negativen Verfahrensbeendigung zu verlassen hat.
Von einer mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (§ 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG).
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.