A9 265.905-0/2008/11 E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER- BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde des W.A., geb. 00.00.1999, StA. Russische Föderation, gesetzlich vertreten durch den Vater, dieser vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.10.2005, GZ 04 18.992-BAS nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.06.2007 zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde von W.A. wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Absatz 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste gemeinsam mit seinen Eltern W.R. und W.L. und seinem Bruder, W.Ar., am 19.09.2004 in das Bundesgebiet ein und stellten die gesetzlichen Vertreter am selben Tag einen Asylantrag für ihn.
Am 15.11.2004 kam ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers, W.Az., in Österreich zur Welt.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 13.10.2005 gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl Nr. 76/1997 I Nr. 126/2002 ab (Spruchpunkt I), stellte gemäß § 8 Abs 1 AsylG fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Russland zulässig sei (Spruchpunkt II) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Russland aus (Spruchpunkt III).
Gegen diesen Bescheid erhob der Vater des Beschwerdeführers fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde für diesen.
Auch die Asylanträge der oa. Familienangehörigen des Beschwerdeführers hatte das Bundesasylamt jeweils mit Bescheid in Spruchteil I. unter Berufung auf § 7 AsylG abgewiesen, in Spruchteil II. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei und in Spruchteil III. gemäß § 8 Abs. 2 AsylG jeweils ihre Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet verfügt.
Aus einem von der Vertreterin des Beschwerdeführers vorgelegten psychotherapeutischen Behandlungsbericht von Kidsnest geht eine psychotherapeutische Behandlung des Beschwerdeführers aufgrund traumatischer Kriegserlebnisse hervor (OZ 8). Ferner wurde ein Befundbericht der Dr. K., Klinische- und Gesundheitspsychologin, vorgelegt, aus welchem die Diagnose posttraumatische Belastungsstörung, Rechenstörung und Enuresis nocturna hervorgeht (OZ 6).
In Erledigung der jeweils rechtzeitig erhobenen Beschwerden der Familienangehörigen wurden die sie betreffenden Bescheide vom Asylgerichtshof nach der am 05.06.2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen (Erkenntnisse Zlen. A9 265.908-0/2008/19E, betreffend den Vater W.R.; A9 265.906-0/2008/12E betreffend die Mutter W.L, A9 265.907-0/2008/11E betreffend den Bruder W.Ar., A9 265.904-0/2008/10E betreffend den Bruder W.Az., alle vom 22.09.2008).
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.
Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof - soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr.10, nichts anderes ergibt - die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, das an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. 101/2003 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Anträge die danach gestellt wurden nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes idF. BGBI. I Nr. 101/2003.
Alle übrigen Verfahren werden nach den Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (BGBl. 100/2005) geführt.
Da der im Beschwerdefall zu prüfende Antrag nach dem 1. Mai 2004 (und vor dem 31.12.2005) gestellt wurde, wird das gegenständliche Beschwerdeverfahren nach den Bestimmungen des AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 129/2004 geführt.
Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG (idF BGBl. I Nr. 101/2003) von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG).
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann der Asylgerichtshof, so der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle kann der Asylgerichtshof jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Nach dem mit "Familienverfahren" übertitelten § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG stellen Familienangehörige (§ 1 Z 6) eines Asylwerbers einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat.
Gemäß § 10 Abs. 5 hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid.
Im Hinblick darauf, dass im Beschwerdefall die die Entscheidung über die Asylanträge der Familienangehörigen des Beschwerdeführers betreffenden erstinstanzlichen Bescheide vom Asylgerichtshof behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen wurden, konnte im Lichte des § 10 Abs. 5 AsylG auch der den Asylantrag abweisende angefochtene Bescheid keinen Bestand haben (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0402 bis 0404).
Das Verfahren war daher - entsprechend jenem betreffend die Familienangehörigen - zur Ermöglichung eines Familienverfahrens an die Erstbehörde zurückzuverweisen.
Hinzu kommt, dass die Erstbehörde unterlassen hat, Ermittlungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers durchzuführen. Auch finden sich im erstinstanzlichen Bescheid keinerlei Feststellungen über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Aus den oben angeführten Befunden geht hervor, dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide.
Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass der vorliegende Fall nach der Rechtslage des BGBl. I Nr. 129/2004 zu beurteilen ist und nicht, wie fälschlich vom Bundesasylamt angenommen, nach der Rechtslage BGBl. I Nr. 126/2002.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.