GZ. D1 254341-0/2008/1E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Stracker als Vorsitzenden und den Richter Dr. Feßl als Beisitzer über die Beschwerde des A.S., geb. 00.00.1963,
StA. Weißrussland, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.09.2004, FZ.
04 08.595-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer reiste am 20.04.2004 über die Tschechische Republik kommend illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 23.04.2004 einen Antrag auf die Gewährung von Asyl.
2. Von einem Organwalter des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, zu seinem Fluchtweg und den Fluchtgründen niederschriftlich befragt, gab er im Wesentlichen an, dass er Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe sei und ursprünglich aus Grosny stamme; dort habe er auch bis zum Jahre 1990 gelebt. Dann sei er zu seiner zukünftigen Frau, die er zwei Jahre zuvor in Tschetschenien kennengelernt habe, nach B. (Weißrussland) gezogen. 1990 oder 1991 habe er die weißrussische Staatsbürgerschaft erhalten und seine Frau geheiratet. Zu Beginn des zweiten Tschetschenien-Konfliktes im Jahre 1999 seien viele Tschetschenen nach B. geflohen, um in weiterer Folge nach Polen zu reisen. Darunter seien auch viele seiner Bekannten und Verwandten gewesen. Diese, aber auch "unbekannte Tschetschenen" hätten sich nach ihrer Flucht telefonisch bei ihm gemeldet und habe er diese am Bahnhof abgeholt, ihnen gesagt, wo man Fahrkarten für die Weiterreise kaufen und Geld wechseln könne bzw. diesen auch vorübergehend Unterkunft in seiner Wohnung gegeben. Anfang 2000 habe er erfahren, dass es in B. Leute gebe, sogenannte "Reisvermittler", die um einen Betrag von ca. USD 250 tschetschenischen Flüchtlingen die Weiterreise nach Polen organisierten. Vor diesen habe er einige Flüchtlinge darüber in Kenntnis gesetzt, dass seiner Ansicht nach niemand für "die Hilfe bei der Reise" zahlen müsse, worauf er verbal zurechtgewiesen worden sei, dass er sich in Acht nehmen solle. Etwa einen Monat nach dieser Begebenheit sei er von unbekannten Männern, die aus einem von einem uniformierten Milizionär gelenkten Auto gesprungen seien, verprügelt worden. Seit damals bis zu seiner Ausreise seien etwa einmal monatlich Milizionäre, die abwechselnd zivil gekleidet oder uniformiert gewesen seien, in seine Wohnung gekommen und hätten ihn abgeführt. Gegen Zahlung eines "Bestechungsgeldes" sei er dann aber immer frei gekommen. Manchmal sei er auch mündlich zur Miliz vorgeladen worden, wo ihm dann vorgeworfen worden sei, tschetschenische Kämpfer "transferiert" zu haben. Bei diesen Anlässen sei er einige Male geschlagen worden. Im Sommer 2003 sei er vom Leiter der Grenzwache in B. vorgeladen und einvernommen worden. Dabei habe ihm dieser gedroht, dass er entweder seine Sachen packen und wegfahren solle oder den russischen Behörden übergeben werde. Es gebe nämlich hinreichende Informationen, dass er tschetschenischen Kämpfern zur Ausreise verhelfe, und man interessiere sich von russischer Seite her bereits für ihn. Nach diesem Gespräch habe er noch von zwei uniformierten Männern fünf oder sechs Schläge erhalten. Daraufhin habe er sich nach Hause begeben und zur Flucht entschlossen (S. 33 ff.).
3. Das Bundesasylamt hat den gegenständlichen Asylantrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.09.2004, FZ. 04 08.595-BAT, gem. § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des nunmehrigen Beschwerdeführers nach Weißrussland gem. § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.) und ihn zugleich gem. § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Im Wesentlichen begründete das Bundesasylamt seine Entscheidung damit, dass der nunmehrige Beschwerdeführer keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen vorgebracht habe. Vielmehr sei wohl deshalb von den weißrussischen Behörden gegen ihn ermittelt worden, weil er in den Verdacht der Schlepperei gekommen sei. Bei den von ihm vorgebrachten Misshandlungen würde es sich um Verfehlungen einzelner Beamter und nicht um eine systematische Verfolgung handeln (S. 57 f.).
4. Gegen diesen, dem Beschwerdeführer am 04.10.2004 eigenhändig zugestellten Bescheid richtet sich die gegenständliche (nunmehr als Beschwerde zu wertende) Berufung (AS 69 ff.).
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (in der Folge: AsylGHG) nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.
1.2. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG 2005 in der geltenden Fassung (in der Folge: AsylG) entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
1.3. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (in der Folge: AsylG 1997) zu Ende zu führen, wobei die Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 i.d.F. BGBl. I Nr.101/2003 gilt.
1.4. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG sind am 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:
Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.
Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.
1.5. Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
2.1. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, "wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist."
2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:
"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden.
(...)
Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14.03.2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' iSd
§ 66 Abs. 2 AVG siehe das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084).
Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.
Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Unabhängige Bundesasylsenat
- anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. dazu auch das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."
2.3. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.10.2006, Zl. 2005/20/0459, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:
"Einem zurückweisenden Bescheid iSd § 66 Abs. 2 AVG muss (demnach) auch entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen zuletzt das Erkenntnis vom 20.04.2006, Zl. 2003/01/0285)."
Was für den Unabhängigen Bundesasylsenat bis zum 30.06.2008 zu gelten hatte, gilt nunmehr sinngemäß gleichermaßen auch für den Asylgerichtshof als dessen Nachfolgebehörde:
3.1. Im gegenständlichen Fall lässt der erstinstanzliche Bescheid jegliche Länderfeststellungen zur Lage in Weißrussland vermissen. Es ist somit überhaupt nicht erkennbar, ob bzw. dass das Bundesasylamt auch nur eine einzige zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Quelle bzw. einen einzigen Länderbericht im Rahmen seiner Entscheidungsfindung herangezogen hat. Die erstinstanzliche Behörde hat sich damit aber nicht nur nicht einmal ansatzweise mit der im entscheidungsrelevanten Zeitraum maßgeblichen Lage in Weißrussland auseinandergesetzt, sondern auch nicht nachvollziehbar geprüft, ob, und wenn ja, welche Sanktionen der Beschwerdeführer zu erwarten hätte, sollte er nach Ablehnung seines Asylantrages zwangsweise nach Weißrussland zurückkehren müssen. Trotzdem gelangt die Erstbehörde "aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens" unter anderem zur Feststellung, dass "ein Asylwerber aus Weißrussland aufgrund eines Asylansuchens in Österreich bei Rückkehr in sein Heimatland mit behördlicher Verfolgung nicht zu rechnen" hat (AS 55). Woher das Bundesasylamt allerdings diese Information bezieht, bleibt im Dunkeln und ist somit weder für den Asylwerber noch für den Asylgerichtshof erkennbar bzw. nachvollziehbar.
Da keinerlei Länderfeststellungen getroffen wurden, enthält der angefochtene Bescheid somit aber auch keine konkreten und belegbaren Feststellungen zur Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der (Sicherheits-)Behörden des Herkunftsstaates. Die Aussage in der Beweiswürdigung, dass "die Angaben des Antragstellers über die Gefahr einer Ermordung durch Miliz, Zollorgane und Grenzorgane unglaubwürdig seien, weil diese Ausführungen mit Behördenerkenntnissen unvereinbar seien" ist somit ebenfalls nicht nachprüfbar.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass selbst Tatsachen, die die Behörde als offenkundig betrachtet, der Partei bekanntzugeben sind (vgl. VwGH 28.04.2004, Zl. 2002/03/0166). Dies kann unter Wahrung des Grundsatzes des Parteiengehörs nur dann unterbleiben, wenn feststeht, dass sie der Partei bekannt sind (in diesem Sinne VwGH 31.01.1995, Zl. 93/07/0123). Davon kann allerdings im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.04.2001, Zl. 99/20/0301, folgendermaßen ausgeführt: " [...] gerade zur Abgrenzung einer konkreten, von einem Asylwerber vorgebrachten Fluchtgeschichte zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat ist eine - je nach Fall unterschiedlich detaillierte - Ermittlung der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat notwendig. Darüber hinaus erweist sich die Ermittlung dieser Situation auch im Bereich der Feststellung nach § 8 AsylG iVm § 57 FrG als unentbehrlich, stellt sie doch den Hintergrund für die Beurteilung der Zulässigkeit einer der dort genannten Rückbringungsmaßnahmen dar."
3.2. Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof in der Vergangenheit bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass von den Asylbehörden eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten ist und dessen Behauptungen auch am Verhältnis zu der aktuellen Berichtslage über dessen Herkunftsstaat zu messen sind. Hinzuzufügen ist, dass diese Aufgabe "primär dem Bundesasylamt zukäme". Es kann nämlich nicht der "obersten Berufungsbehörde" allein überlassen bleiben, über die Befragung des Asylwerbers hinaus auch geeignetes Berichtsmaterial in das Verfahren einzuführen (VwGH v. 30.09.2004, Zl. 2001/20/0135, m.w.N.). Zudem wird die Ansicht vertreten, dass beweiswürdigende Überlegungen zur Stichhaltigkeit einer Fluchtgeschichte sich regelmäßig nicht auf das Vorbringen des Asylwerbers beschränken dürfen. Vielmehr bedürfe es in der Regel auch einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (VwGH v. 18.04.2002, Zl. 2001/01/0002; in diesem Sinne auch VwGH v. 28.01.2005, Zl. 2004/01/0476).
Der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis B 2136/00 vom 02.10.2001 davon aus, dass sich die Asylbehörden nicht mit Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat begnügen dürfen, sondern fallbezogen konkrete Ermittlungen in Bezug auf das individuelle Vorbringen tätigen müssen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes im oben zitierten Erkenntnis besteht diese Verpflichtung selbst dann, "wenn die vom Beschwerdeführer gegebene Schilderung von vornherein als kaum glaubwürdig und als irreal erscheint. Dies entbindet die Asylbehörde nicht von ihrer Verpflichtung, die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen".
3.3. Im gegenständlichen Fall ist die erstinstanzliche Behörde dieser Vorgehensweise jedoch nicht einmal ansatzweise gefolgt. Aufgrund der fehlenden Länderberichte ist es für den Asylgerichtshof, wie schon oben ausgeführt, unmöglich nachzuvollziehen bzw. zu überprüfen, ob die von der Erstbehörde getroffenen Feststellungen sowie die darauf fußende Beweiswürdigung folgerichtig und schlüssig sind.
3.4. Die Unvermeidlichkeit einer (neuerlichen) mündlichen Verhandlung i.S.d. § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich aber auch daraus, dass es aufgrund der Art der Protokollführung anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vom 20.09.2004 für den Asylgerichtshof unmöglich ist, den Ablauf der Befragung nachzuvollziehen, da sich daraus keine einzige Fragestellung des einvernehmenden Organwalters ersehen lässt und schon deswegen eine diesbezügliche Überprüfung der Schlüssigkeit scheitern muss. Somit erscheint es aber nicht undenkbar, dass der Beschwerdeführer - wie dieser in seiner Berufung (nunmehr: Beschwerde) auch vorgebracht hat - tatsächlich nicht erschöpfend über seine Ausreisegründe befragt worden ist.
Aufgrund der im vorliegenden Fall anzuwendenden Gesetzeslage (AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002), ist weiters darauf zu verweisen, dass gegenständlich ein etwaiges Neuerungsverbot nicht zu berücksichtigen ist und die nunmehr neu vorgebrachten Sachverhaltselemente (Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Nationalität bzw. Volksgruppenzugehörigkeit) daher im Rahmen der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sein werden. Damit würde das Verfahren allerdings (quasi) wieder in seine Anfangsphase eintreten, das diesbezügliche Ermittlungsverfahren vor die Beschwerdeinstanz verlagert und somit der zweitinstanzliche Verfahrensgang unterlaufen werden. Mit der Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG im vorliegenden Fall, hat der Asylgerichtshof jedoch die Möglichkeit, dem Abbau einer echten Zweitinstanzlichkeit des Verfahrens und der Aushöhlung seiner Funktion als Kontrollinstanz entgegenzuwirken (vgl. VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084 sowie Zl. 2002/20/0315).
4. Im konkreten Fall wäre im Zuge des weiteren Verfahrens daher jedenfalls eine neuerliche Vernehmung des Beschwerdeführers anzuberaumen und mit diesem die in der Berufung (nunmehr: Beschwerde) völlig neu vorgebrachten Sachverhaltselemente abzuklären. Darüber hinaus werden sachverhalts- und vorbringensrelevante aktuelle Feststellungen über die Lage in Weißrussland zu treffen sein, die in weiterer Folge dem nunmehrigen Beschwerdeführer unter Beachtung des Parteiengehörs vorzuhalten sein werden bzw. ihm die Möglichkeit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.
5. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Da der Ausspruch des angefochtenen Bescheides nach § 8 Abs. 1 AsylG und die gem. § 8 Abs. 2 AsylG erlassene Ausweisung die Abweisung des Asylantrages voraussetzen und dieser Spruchteil nach dem Vorgesagten der Aufhebung unterliegt, sind schon wegen des dadurch bewirkten Wegfalls ihrer Voraussetzungen auch die Spruchteile II. und III. des angefochtenen Bescheides aufzuheben.