TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/22 E8 307175-1/2008

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Veröffentlicht am 22.09.2008
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Spruch

E8 307.175-1/2008-6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Diehsbacher als Vorsitzenden und den Richter Dr. Bracher als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Frau Schwarz über die Beschwerde des C.C., geb. 00.00.1985, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.10.2006, FZ. 06 10.805 EAST-Ost, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1 Z 1 und 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der BF, ein Staatsangehöriger der Türkei und moslemischen Glaubens, gelangte am 08.10.2006 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet, wo er am 10.10.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

2. Am 10.10.2006 wurde der BF vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST Ost (AS 17 ff) schriftlich einvernommen. Dabei brachte er vor, der türkischen Volksgruppe anzugehören und seine Heimat verlassen zu haben, weil er ab dem 16.07.2006 seinen Militärdienst ableisten hätte sollen, er aber keine Waffe tragen und auch niemanden umbringen wolle. Gleichzeitig legte der BF das ausgefüllte Formular mit seinen Asylgründen vor, in dem er angab, er sei Deserteur; weiters bestehe keine politische Freiheit in der Türkei und gab der BF an: "Wir haben keine Rechte, weil wir Kurden sind.". In weiterer Folge wurde der BF am 17.10.2006 (AS 45 ff) und am 20.10.2006 (AS 75 ff) vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Dabei wiederholte der BF sein Vorbringen hinsichtlich der Militärdienstverweigerung, führte jedoch aus, Türke mit kurdischen Ahnen zu sein (AS 49). In seiner dritten Einvernahme am 20.10.2006 führte der BF sodann aus, dass er kein Türke, sondern kurdischer Abstammung sei und befürchte, aufgrund dieser Abstammung während der Ableistung seines Militärdienstes gegen Kurden eingesetzt zu werden (AS 77).

 

3. Mit Aktenvermerk des Bundesasylamtes vom 25.10.2006 (AS 83) wurde festgehalten, dass im gegenständlichen Fall die Einvernahmen durch den zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes aus organisatorischen Gründen ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht möglich gewesen wären, weshalb die Befragungen durch den Referenten

S. durchgeführt worden seien. Vor der Bescheiderlassung durch den Beamten L. habe jedoch eine genaue Absprache stattgefunden.

 

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.10.2006, Zahl: 06 10.805-EAST Ost, wies das Bundesasylamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz in Spruchteil I unter Berufung auf § 3 Abs 1 AsylG ab; in Spruchteil II wurde dem BF gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt. Gleichzeitig wurde der BF in Spruchteil III des Bescheides gem. § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischem Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (AS 77). Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass die Einberufung zum Wehrdienst keine asylrelevante Verfolgung darstelle, zumal es sich beim Militärdienst um eine Pflicht handle, die jeder Staat seinen Bürgern auferlegen könne. Die Flucht des BF vor einem möglicherweise drohenden Militärdienst indiziere daher ebenso wenig die Flüchtlingseigenschaft wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung. Da der BF auch nicht dargetan habe, dass er ausschließlich wegen seiner Nationalität oder seiner politischen Gesinnung oder aus anderen individuellen Merkmalen einberufen werden würde, oder dass mit der Einberufung eine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um eine gegen den BF gerichtete Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention handle. Im Übrigen sei es auch nicht glaubwürdig, dass der BF - wie er teilweise angab - der kurdischen Volksgruppe angehöre.

 

5. Gegen diesen dem BF am 30.10.2006 persönlich ausgefolgten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 13.11.2006 (AS 179 ff) fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wird ausgeführt, dass es die belangte Behörde verabsäumt habe, sich mit der konkreten Situation des BF und der Kurden auseinanderzusetzen, weshalb ein mangelhaftes Verfahren und in weiterer Folge eine unrichtige rechtliche Beurteilung erfolgt sei. Zudem wird vorgebracht, dass der Bescheid "nichtig" sei, weil der Verfasser des bekämpfen Bescheides und der einvernehmende Referent der Erstbehörde nicht identisch waren.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt des BF.

 

2. Rechtlich ergibt sich folgendes:

 

2.1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, treten mit 1. Juli 2008 die Art. 10 Abs. 1 Z 1, 3, 6 und 14, Art. 78d Abs. 2, Art. 102 Abs. 2, Art. 129, Abschnitt B des (neuen) siebenten Hauptstückes, Art. 132a, Art. 135 Abs. 2 und 3, Art. 138 Abs. 1, Art. 140 Abs. 1 erster Satz und Art. 144a in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008 in Kraft.

Für den Übergang zur neuen Rechtslage gilt:

 

Gemäß Z 1 leg. cit. wird mit 1. Juli 2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof.

 

Gemäß Z 4 leg. cit. sind die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof anhängige Verfahren über Beschwerden gegen Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates sind von diesen mit der Maßgabe weiterzuführen, dass als belangte Behörde der Asylgerichtshof gilt.

 

2.2. Nichtgewährung von Asyl gemäß § 3 Asylgesetz

 

2.2.1. Gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Das Vorbringen des Asylsuchenden muss geeignet sein, eine asylrelevante Verfolgung im rechtlichen Sinne glaubhaft darzulegen. Hiezu muss zunächst eine konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlung glaubhaft gemacht werden, aus der eine wohlbegründete Furcht im Sinne von § 3 Absatz 1 Asylgesetz iVm

Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK rechtlich ableitbar ist. Hiezu genügt der bloße Hinweis auf die allgemeine Lage in dem Heimatland des Asylwerbers nicht (vgl hiezu zB VwGH 10.03.1994, Zahl 94/19/0056). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl hiezu zB VwGH 12.05.1999, Zahl 98/01/0649). Eine Verfolgungshandlung setzt einen Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen voraus, der geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl hiezu zB VwGH 25.04.1999, Zahl 99/01/0280).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

2.2.2. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes hat das Bundesasylamt ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die Erstbehörde hat sich sowohl mit dem individuellen Vorbringen auseinandergesetzt, als auch ausführliche Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen Situation in der Türkei auf Grundlage umfangreichen und aktuellen Berichtsmaterials getroffen und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des BF gebracht. Die Beschwerdebehörde schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Beschwerdesbescheides (zB. VwGH v. 25.03.1999, 98/20/0559; 30.11.2000, 2000/20/0356).

 

Ergänzend sei ausgeführt, dass das Bundesasylamt im Rahmen der Beweiswürdigung überzeugend und nachvollziehbar dargelegt hat, dass der BF lediglich seine Wehrdienstverweigerung glaubhaft machen konnte, seinen Angaben zu der kurdischen Abstammung und der daraus (möglicherweise) resultierenden Diskriminierung beim Ableisten seines Militärdienstes jedoch kein Glauben zu schenken war.

 

So ist der Behörde erster Instanz darin beizupflichten, dass die Wehrdienstverweigerung bzw. die daraus resultierende Bestrafung für sich allein nicht als Grund für die Gewährung von Asyl herangezogen werden kann und der Wehrdienst eine Pflicht ist, die ein Staat seinen Staatsbürgern abverlangen kann. In diesem Zusammenhang verweist das Bundesasylamt daher richtigerweise auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (AS 143 f), wonach eine asylrechtlich relevante Furcht vor Verfolgung nur in solchen Fällen bestehe, in denen eine Einberufung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK angeführten Gründen erfolgt und in denen damit gerechnet werden muss, dass ein Asylwerber während des Militärdienstes aus einem in der GFK genannten Gründen im Vergleich zu Angehörigen anderer Gruppierungen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichenden Weise, benachteiligt werden würde, oder wenn davon auszugehen wäre, dass eine dem Asylwerber wegen Wehrdienstverweigerung drohende Strafe aus den in der GFK genannten Gründen schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen ausfallen würde.

 

Diesbezüglich ist insbesondere auf die Beweiswürdigung der Erstbehörde zu verweisen, worin zutreffend ausgeführt wird, dass der BF nicht glaubhaft darlegen habe können, der kurdischen Volksgruppe anzugehören, zumal dieser im Zuge der Erstbefragung am 10.10.2006 (AS 17) und in der Ersteinvernahme am 17.10.2006 (AS 47) noch angab, der türkischen Volksgruppe anzugehören, dies in weiterer Folge jedoch verneinte (AS 77), indem er ausführte, kurdische Ahnen zu haben und deshalb Benachteiligungen beim Militär ausgesetzt zu sein. Der BF führte in seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 17.10.2006 sogar ausdrücklich aus, kein Kurde zu sein (AS 29), sondern lediglich aus einem Kurdengebiet zu stammen und bestätigte in Laufe der Einvernahme auch, dass es keinen Grund gäbe, warum er beim Militär anders behandelt werden sollte als andere Grundwehrdiener (AS 53). Dem Bundesasylamt ist auch dahingehend zuzustimmen, wenn es ausführt, dass aus den fehlenden Kurdischkenntnissen (der BF spricht nur Türkisch) und dem fehlenden Hintergrundwissen zur kurdischen Kultur abzuleiten sei, dass der BF dieser Volksgruppe nicht angehört.

 

Der Asylgerichtshof geht daher in Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt davon aus, dass der BF nicht dazu in der Lage war, glaubwürdig vorzubringen, ausschließlich aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit einberufen worden zu sein bzw. dass bei der Ableistung des Militärdienstes Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit entstehen würden, zumal der BF seine kurdische Abstammung nicht glaubhaft machen konnte und vom Bundesasylamt zutreffend die türkische Volksgruppenzugehörigkeit festgestellt wurde. Zudem brachte der BF zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens vor, aus anderen individuellen Merkmalen einberufen worden zu sein, weshalb es dem BF nicht gelang, schlüssig und nachvollziehbar darzulegen, dass er aufgrund seiner ethnischen, religiösen oder politischen Zugehörigkeit hinsichtlich des Militärdienstes oder der wegen Wehrdienstverweigerung zu erwartenden Strafe erheblich benachteiligt werden würde.

 

Zusammenfassend ist daher anzumerken, dass der Asylgerichtshof keine Bedenken gegen die Feststellung des Bundesasylamtes hegt, wonach der BF die befürchteten Diskriminierungen während des Militärdienstes aufgrund der von ihm teilweise behaupteten kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit lediglich als Vorwand für seinen Antrag auf internationalen Schutz herangezogen hat.

 

Zur Beschwerde, worin "vorsichtshalber" vorgebracht wird, dass der angefochtene Bescheid "nichtig" wäre, weil der Verfasser des Bescheides nicht identisch ist mit der Person, die die Einvernahme durchgeführt hat, ist anzuführen, dass gemäß § 19 Abs 2 AsylG eine Einvernahme des zur Entscheidung berufenen Organs dann unterbleiben kann, wenn dies einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellen würde. Dem Akt ist zu entnehmen (AS 83), dass im vorliegenden Fall eine Einvernahme durch das zur Entscheidung berufene Organ aus organisatorischen Gründen nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand durchgeführt hätte werden können und vor der Bescheiderlassung eine genau Absprache zwischen dem einvernehmenden Referenten S. und dem Bescheidverfasser L. stattgefunden hat. Demnach kann ein Verstoß gegen § 19 Abs 2 AsylG nicht erkannt werden und ist daher auch nicht weiter zu erörtern, ob ein solcher zur "Nichtigkeit" des Bescheides führen würde, wie der BF vorbringt.

 

Weiters wurde in der Beschwerde moniert, dass sich das Bundesasylamt nicht ausreichend mit der konkreten Situation des BF und der Kurden in der Türkei auseinandersetzt habe. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt mit dem BF zwei ausführliche Befragungen durchführte und der aufgrund dieser ausführlichen Befragungen festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und ausführliche Länderfeststellungen zur Türkei ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid finden. Insbesondere begründete das Bundesasylamt ausführlich und nachvollziehbar, weshalb der BF eine kurdische Abstammung nicht glaubhaft machen konnte, indem es zutreffend ausführt, dass der BF anfangs selbst angegeben habe, der türkischen Volksgruppe anzugehören, er weiters über kein nachhaltiges Wissen zum Kurdentum verfügt und außerdem nur türkisch spricht (AS 147). Eine nähere Auseinandersetzug der Erstbehörde mit der Situation der Kurden wäre daher ohnehin nicht notwendig gewesen, zumal aufgrund der aufgezeigten Widersprüche nicht davon ausgegangen werden kann, dass der BF dieser Volksgruppe angehört. Zudem beruhen die vom Bundesasylamt herangezogenen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen, die ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bilden und besteht daher kein Anlass, an der Anzahl und Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen des Bundesasylamtes zu zweifeln.

 

Den vom Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid zu entnehmenden und die Beweiswürdigung hinsichtlich der Nichtglaubhaftmachung tragenden Argumenten wird in der Beschwerde daher nicht konkret und substantiiert entgegen getreten, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen war.

 

2.3. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 1 Asylgesetz in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei

 

2.3.1. Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen ist, hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigen zukommt. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit der abweisenden Entscheidung zu verbinden.

 

Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wurde dann zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Zur Auslegung des § 8 AsylG ist aus Sicht der Beschwerdesbehörde weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den BF betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 14.10.1998, 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

2.3.2. Der Asylgerichtshof schließt sich auch den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid bezüglich der Refoulement-Entscheidung vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses. Ergänzend sei ausgeführt, dass es sich bei dem BF um einen arbeitsfähigen, jungen Mann handelt, der in der Türkei über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, zumal seine Eltern, vier Schwestern und vier Brüder nach wie vor in der Türkei aufhältig sind und dem BF - wie schon vor seiner Ausreise - finanzielle Unterstützung bieten können, weshalb dem BF im Falle seiner Rückkehr keine Gefahr für Leib oder Leben droht.

 

Hinsichtlich der Ableistung des Militärdienstes durch den BF sei an dieser Stelle auch auf die Ausführungen zur Asylentscheidung zu verweisen. Weiters ist anzumerken, dass dem in den erstinstanzlichen Bescheid aufgenommenen Berichtsmaterial auch keine Hinweise zu entnehmen sind, dass dem BF im Falle der Wehrdienstverweigerung eine unverhältnismäßig hohe Strafe drohen würde; so reicht die Strafdrohung im Regelfall bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe.

 

Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

2.4. Zulässigkeit der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz:

 

2.4.1. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen und wurde festgestellt, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigen nicht zukommt, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden (§ 10 Abs. 1 AsylG). Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 10 Abs. 1 AsylG ist auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH vom 15.10.2004, Zl. G 237/03, VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). Nach § 10 Abs 2 Z 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würde. Gemäß Artikel 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung uns seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

2.4.2. Die Behörde erster Instanz prüfte die Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffes in das Recht auf Familienleben gemäß Artikel 8 Absatz 1 EMRK und kam zu dem rechtsrichtigen Ergebnis, dass im Fall des BF kein diesbezüglicher Grundrechtseingriff vorliege. Der BF führte zwar an, dass drei Onkel in Österreich aufhältig seien (AS. 77: "Meine ganze Familie lebt in der Türkei, in Österreich habe ich nur drei Onkel") und in seiner Beschwerde führt er dazu lapidar aus, dass ihn diese "unterstützen" würden. Eine besondere Beziehungsintensität, welche ein Familienleben iSd Art 8 EMRK bewirken würde, macht er damit jedoch nicht geltend.

 

2.4.3. Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben des BF zu verneinen, so bleibt noch zu prüfen, ob mit der Ausweisung des BF ein Eingriff in sein Privatleben einhergeht und - falls dies zutrifft, ob dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 Absatz 2 EMRK).

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

2.4.4. Im Falle des am 08.10.2006 illegal nach Österreich eingereisten und asylbehördlich einvernommenen BF hat das bisherige Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen des BF in Österreich ergeben bzw. wurden solche von diesem auch nicht behauptet. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz der ho. Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würden, wird durch den gerade einmal rund zweijährigen Aufenthalt hier in Österreich kontraindiziert. Ein Eingriff in das Privatleben des BF kann daher im Falle einer Ausweisung in die Türkei nicht festgestellt werden, weshalb es einer Interessenabwägung im Sinne des Artikel 8 Absatz 2 EMRK nicht bedarf.

 

Folglich ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

3. 1. Auf das Verfahren nach dem Asylgesetz findet gemäß § 23 AsylGHG das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) unter dem Vorbehalt anderer Regelungsinhalte des

 

B-VG, des AsylG 2005 und des VwGG Anwendung. Derartige ausdrückliche andere Regelungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof sind in den in der Erläuterung laut AB 371 XXIII.GP genannten §§ 20, 22 und 41 AsylG 2005 enthalten, aber auch in den §§ 42, 61 und 62 AsylG 2005. Gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt 67 d AVG, wonach eine mündliche Verhandlung dann unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Dies ist dann der Fall, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und nach schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Beschwerde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. dazu etwa VwGH 11. 11.1998, Zahl 98/01/0308, sowie VwGH 14.12.2000, Zahl 98/20/0556). Wird hingegen im Beschwerdeverfahren ein konkreter, neuer Sachverhalt zulässigerweise behauptet, so ist es dem unabhängigen Bundesasylsenat verwehrt, durch Würdigung der Beschwerdeangaben als unglaubwürdig den Sachverhalt ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und insbesondere ohne den Asylwerber selbst persönlich einzuvernehmen als geklärt anzusehen (vgl. dazu etwa VwGH 22. 04.1999, Zahl 98/20/0411). Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Wichtigkeit des persönlichen Eindruckes des entscheidenden Organes der Behörde für die Bewertung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers (vgl. dazu auch das obzitierte Erkenntnis VwGH 11. 11.1998, Zahl 98/01/0308, sowie VwGH 21.01.1999, Zahl 98/20/0339). Allerdings führt nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Aufhebung eines Bescheides, sondern nur dann, wenn die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können (vgl. dazu zB. VwGH 25.03.1999, Zahl 98/20/0577). Bezogen auf die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung liegt ein entscheidungsrelevanter Verfahrensmangel daher nur dann vor, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Unabhängige Bundesasylsenat im Falle einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, weil er beispielsweise auf Grund des dadurch vom BW gewonnen persönlichen Eindruck dessen Vorbringen zur Gänze als glaubwürdig erachtet hätte (vgl. dazu zB. VwGH 14.12.2000, Zahl 98/20/0556).

 

3.2. Gemessen an diesen vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Kriterien ist der gegenständliche Sachverhalt als geklärt zu betrachten. Insbesondere ist der negativen Glaubwürdigkeitsbeurteilung des BF durch die Erstbehörde nicht entgegenzutreten, zumal das Vorbringen des BF von der Erstbehörde in ausführlicher und schlüssiger Weise dargelegt und gewürdigt wurde. Die bloße zusätzliche Erörterung von verfahrensgegenständlichen Beweismitteln oder Ermittlungsergebnissen sowie Rechtsfragen hätte auch keine anders lautende Entscheidung herbeigeführt. Der BF ist der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nicht substantiiert entgegengetreten. Eine mündliche Verhandlung konnte daher gemäß § 41 Abs 7 AsylG 2005 unterbleiben.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Diskriminierung, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, Militärdienst, non refoulement, soziale Verhältnisse, strafrechtliche Verfolgung, Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
19.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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