TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/23 C8 222499-0/2008

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Veröffentlicht am 23.09.2008
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Spruch

C8 222499-0/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Felseisen als Vorsitzenden und der Richterin Dr. Hat als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. Bernold über die Beschwerde des S.K., geb. 00.00.1975, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.05.2001, FZ. 00 17.629-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.9.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997, BGBl I Nr. 76/1997 idgF, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 14.12.2000 durch seinen Rechtsvertreter einen Asylantrag in Österreich. Im Schriftsatz vom 14.12.2000 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er der Volksgruppe der Sikhs angehöre und im Punjab lebe. Er gehöre der Barkhalsadal Partei, welche die Unabhängigkeit in einem eigenen Staat namens Khalistan anstrebe, an.

 

Da er sich politisch gegen die Regierung gewandt habe, sei er aufgrund seiner Tätigkeit zum wiederholten Male von den lokalen Behörden verhört, verhaftet und körperlich schwer misshandelt worden. Da ihm weiteres Unbill unmittelbar drohe, habe er aus begründeter Furcht die Flucht nach Österreich angetreten.

 

In der Niederschrift vom 3.5.2001 gab der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt Traiskirchen an, dass er wegen Probleme mit der Polizei sein Heimatland verlassen habe.

 

Er hätte mit seinem Taxi seinen Freund, einem Drucker und zwei Terroristen nach M. befördert. Diese hätten das von den Terroristen stammende Werbematerial in der Stadt M. verteilt, während er in seinem Taxi gewartet hätte. Im Zuge einer Kontrolle der Polizei habe man in seinem Auto noch einen Teil des Werbematerials der Terroristen gefunden.

 

Daraufhin sei er auf die Polizeistation B. gebracht worden, von wo er in den Punjab, nach K. überstellt worden sei. In beiden Polizeistationen sei er sehr viel geschlagen worden und nach der Herkunft des Werbematerials befragt worden. Über einen Häftling, welcher Hafturlaub gehabt habe, hätte er seine Eltern verständigen lassen. Diese seien gemeinsam mit dem Bürgermeister und den Dorfbewohnern ins Gefängnis gekommen und hätten 50.000 indische Rupien als Kaution bezahlt, bevor der Beschwerdeführer freigelassen worden sei.

 

Nach etwa zwei oder drei Tagen sei sein Freund wieder gekommen, damit der Beschwerdeführer Werbematerial nach J. bringen sollte. Nachdem der Beschwerdeführer dieser Aufforderung nicht nachkam, seien am nächsten Tag mit seinem Freund zwei bewaffnete Personen erschienen, welche ihm gedroht hätten mitzumachen.

 

Er musste mit diesen nach N. fahren. Im ca. 10 km entfernten H. hätte die Polizei alle Fahrzeuge kontrolliert. Die Terroristen seien mit einem zweiten Auto gefahren, um auf den Beschwerdeführer aufzupassen, da er ansonsten das Werbematerial woanders hätte unterbringen können.

 

Der Beschwerdeführer sei in der Folge als erster von der Polizei kontrolliert worden, sodass die Terroristen genügend Zeit gehabt hätten, das Werbematerial woanders unterzubringen.

 

In der Folge sei er auf die Polizeistation H., wo er viel geschlagen worden sei, mitgenommen worden. Anschließend sei er wieder auf die Polizeistation K. überstellt worden. Dort sei er eine Nacht aufhältig gewesen.

 

In der Folge hätte er einen Polizisten 10.000 indische Rupien dafür in Aussicht gestellt, dass dieser seine Familie informieren sollte. Am nächsten Tag sei seine Familie mit dem Bürgermeister und Dorfbewohner, welche sich für den Beschwerdeführer verbürgt hätten, gekommen. Aus diesem Grund sei er enthaftet worden.

 

Sein Taxi und seinen Führerschein hätte sich die Polizei einbehalten.

 

Am übernächsten Tag sei wiederum die Polizei gekommen und hätte ihn wieder mitgenommen und geschlagen. Dabei hätte er seine Zähne verloren. Durch die Bezahlung einer Kaution von 100.000 indischen Rupien seiner Familie, sei er von der Polizeistation entlassen worden. Unmittelbar darauf sei er nach nach Neu-Dheli geflüchtet. Er wisse, dass die Polizei öfters nach ihn gefragt hätte.

 

Auf die Frage, wie oft der Beschwerdeführer in Haft gewesen sei, gab dieser drei Mal an. Er führte dazu aus, dass er am 00.00.2000 zwei Tage in B. und K. gewesen sei. Die zweite Haft sei am 00.00.2000 für eine Nacht gewesen.

 

Auf die Frage, wann der Beschwerdeführer das dritte Mal in Haft gewesen sei, gab dieser zur Antwort, dass er dreimal in Haft gewesen sei, wobei er auf wiederholen dieser Frage angab, zweimal in Haft gewesen zu sein.

 

Auf den Vorhalt der Widersprüchlichkeit des Vorbringens im Schriftsatz des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 13.12.2000 und der niederschriftlichen Einvernahme vom 3.5.2001 gab dieser an, dass früher alle Parteien gemeinsam und nunmehr getrennt seien.

 

Im Falle einer Rückkehr befürchte er, dass er von der Polizei auf Grund der falschen Anzeige verhaftet und umgebracht werden würde, zumal die Polizei auch schon andere Terroristen umgebracht hätte.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.05.2001 wurde der Asylantrag des Asylwerbers gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchteil I) sowie festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Indien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig ist (Spruchteil II). Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Berufung.

 

Am 24.04.2008 wurde vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm und zu der das Bundesasylamt keinen Vertreter entsandt hat. Dabei gab der Berufungswerber (BW) auf Befragen durch den Richter (VL) und der Richterin (BR) folgendes an:

 

VR: Ist Ihre dem bisherigen Verfahren zugrunde gelegte Identität richtig? Auf § 119 Abs. 2 FPG wird hingewiesen.

 

BF: Ja, meine Daten sind absolut richtig.

 

VR: Waren Ihre Aussagen im erstinstanzlichen Verfahren richtig und bleiben diese aufrecht ?

 

BF: Meine Angaben waren richtig und ich möchte diese beibehalten.

 

VR: Wo in Indien haben Sie genau gelebt?

 

BF: Ich war wohnhaft in V.P.O. (Village and Post Office) L., T. und Distrikt K., Bundesland Punjab, Indien.

 

VR: Mit wem haben Sie in Indien zusammengelebt?

 

BF: Dort habe ich gemeinsam mit meinen Eltern und meinem jüngeren Bruder gelebt. Ich habe auch 3 Schwestern, diese sind alle verheiratet. Derzeit wohnt jedoch niemand an dieser Adresse.

 

VR: Wie heißen Ihre Eltern?

 

BF: Mein Vater heißt S.P., meine Mutter K.G..

 

VR: Wie heißt Ihr Bruder?

 

BF: Mein Bruder heißt S.A..

 

VR: Wie heißen Ihre Schwestern?

 

BF: K.D., K.B. und K.M..

 

VR: Wo lebt Ihre Familie jetzt?

 

BF: Mein Bruder ist aus Indien ausgereist. Das war im Zuge der Probleme, die nach meiner Ausreise entstanden sind. Ich weiß nicht, wo meine Eltern leben.

 

VR: Haben Sie noch Kontakt mit Ihren Eltern?

 

BF: Ab und zu rufen meine Eltern mich an, aber ich habe keine Nummer von ihnen. Meine Eltern kommen ab und zu auch in unser Dorf zurück, sie leben aber dort nicht mehr.

 

VR: Sie leben aber in Indien?

 

BF: Ja.

 

VR: Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt in Indien bestritten?

 

BF: Ich war ein Taxilenker.

 

VR: Wovon bestreiten Ihre Eltern Ihren Lebensunterhalt?

 

BF: Meine Eltern mussten unsere Grundstücke verkaufen, um die Eheschließungen der 3 Schwestern zu finanzieren. Ich habe mein Taxi verkaufen müssen, um die Ausreise zu finanzieren. Wahrscheinlich wird mein Vater jetzt irgendwo arbeiten, um die täglichen Bedürfnisse zu decken.

 

VR: Warum haben Sie Indien verlassen?

 

BF: Wie gesagt, ich war ein Taxilenker, ein Freund von mir war ein Drucker und hat verschiedene Flugblätter und andere Sachen gedruckt. Eines Tages bat er mich, ihn und 2 mir unbekannte Personen nach M. im Distrikt B. im Bundesland Jammu und Kashmir zu fahren. Sie haben auch Flugblätter mittransportiert. Als wir das Dorf M. erreicht haben, sind die 3 Männer, also mein Bekannter und die 2 mir unbekannten Männer, ins Dorf gegangen und haben einige der Flugblätter mitgenommen, um diese im Dorf zu verteilen. Ich wartete bei meinem Taxi, als eine Polizeikontrolle kam und mein Taxi untersuchte. Die Polizisten fanden dabei die restlichen Flugblätter im Taxi. Da waren auch Poster dabei. Ich wurde dann zur Polizeistation B. mitgenommen und befragt, dabei wurde ich auch geschlagen. Die Polizisten wollten wissen, wem diese Flugblätter, Poster und andere Materialien, die sie in meinem Taxi gefunden hatten, gehören. Ich habe gesagt, diese habe ich im Auftrag meines Freundes transportiert, aber über die 2 Männer, die ihn begleitet haben, konnte ich keine Informationen machen, da ich diese nicht kannte. Sie haben dann meine Taxipapiere und den Führerschein kontrolliert und am nächsten Tag wurde ich zur Polizeistation K. überstellt.

 

In K. wurde ich auch wieder befragt und geschlagen. Ich habe einen Mann, den ich dort zufällig getroffen habe, gebeten, meine Familie zu informieren, dass ich an der Polizeistation K. angehalten wurde. Daraufhin sind meine Eltern gemeinsam mit dem Dorfrat und noch einigen Dorfbewohnern zur Polizeistation gekommen und haben 50.000 Rupien für meine Freilassung der Polizei gegeben. 2 Tage nach meiner Freilassung ist der Drucker nochmals zu mir gekommen und wollte, dass ich nochmals mit ihm fahren sollte, um seine Sachen zu transportieren. Ich habe das abgelehnt und ihn weggeschickt, da ich keine Probleme mehr haben wollte. Am nächsten Tag ist er wieder mit 2 Männern gekommen. Diese Männer trugen Waffen und haben mich bedroht, dass sie meine gesamte Familie ermorden werden, falls ich nicht mit ihnen mitginge.

 

VR: Wie hat der Freund, der Drucker, geheißen?

 

BF: Er hieß P.S., ich kannte ihn von der College-Zeit, er ging in dasselbe College.

 

VR: Wie hat dieses College geheißen?

 

BF: J..

 

VR: Wo wohnte der Freund?

 

BF: Seine Heimatadresse habe ich nicht gekannt, ich weiß nur, dass seine Druckerei in K. war.

 

VR: Wie sind Sie mit diesem Freund, dem Drucker, in Kontakt getreten?

 

BF: Er war ein Kunde von mir und ich habe auch früher für ihn gearbeitet.

 

VR: Was für ein Kunde war er bei Ihnen?

 

BF: Er war Fahrgast.

 

VR: Wissen Sie, welche Stellung Ihr Freund bei diesen 2 Männern hatte?

 

BF: Ich habe erst am Tag meiner Anhaltung durch die Polizei erfahren, dass diese Flugblätter nicht gut waren und diese die Menschen aufhetzen. Wenn ich das früher gewusst hätte, hätte ich nicht für ihn gearbeitet.

 

VR: Haben Sie Geld versprochen bekommen, für die Fahrt mit diesen Flugblättern?

 

BF: Ich hätte das normale Kilometergeld als Taxilenker bekommen, kein Extralohn für die Fahrt. Wie gesagt, wenn ich gewusst hätte, dass es sich nicht um "gutes Material" handelt, hätte ich die Fahrt abgelehnt.

 

VR: Haben Sie vorher gesehen, was die Fahrtgäste bei sich hatten?

 

BF: Was meinen Sie damit?

 

VR: An dem Tag, als Sie von der Polizei aufgehalten wurden.

 

BF: Ja, ich habe gesehen, dass es Druckmaterial in Urdu-Sprache war. Da ich Urdu nicht lesen kann, diese wird nur von der moslemischen Bevölkerung in Jammu und Kashmir gelesen, konnte ich nicht sagen, was darin stand.

 

VR: Haben Sie Ihren Freund nicht gefragt, was auf den Flugblättern stand?

 

BF: Doch, aber er meinte, das wären normale Drucksachen, wir sollten sie einfach einmal liefern und dann zurückkommen.

 

VR: Haben Sie der Polizei erzählt, dass Sie eigentlich mit dieser Sache nichts zu tun gehabt haben?

 

BF: Doch, ich habe der Polizei mehrmals gesagt, dass ich mit der Sachen nichts zu tun hatte und dass ich lediglich im Auftrag des Druckers diese Sachen mithatte. Die Polizei hat mir keinen Glauben geschenkt und behauptete, dass ich für diese Personen arbeite und mit ihnen weitere Kontakte unterhalte.

 

VR: Haben Sie nicht versucht, die Situation aufzuklären?

 

BF: Nicht nur ich, sondern auch meine Eltern und der Dorfvorsteher und die anderen Dorfbewohner haben mehrmals die Polizisten versucht, zu überzeugen, dass ich keine Kontakte zu Terroristen habe. Trotzdem haben Sie Geld von uns verlangt. Das System in Indien lautet "Zuerst schlagen, dann befragen".

 

VR: Auf dem Weg damals nach M., wie viele Fahrtgäste waren in Ihrem Taxi?

 

BF: Es waren 3 Fahrtgäste, der Bekannte von mir und 2 mir unbekannte Personen.

 

VR: Was ist nachher passiert, als Ihr Freund wieder zu Ihnen nach Hause gekommen ist und Ihnen mit den beiden bewaffneten Personen gedroht hat?

 

BF: Dann haben sie Waffen und Munition in mein Auto verladen und forderten mich auf, nach N. in Himachal Pradesh im Bundesland Himachal Pradesh zu fahren. Sie selbst fuhren hinter mir in einem 2. Auto. Ca. 10km nach der Stadt H. gab es einen Polizeiposten und ich wurde dort kontrolliert. Die Polizei fand die Waffen und die Munition in meinem Auto, ich wurde festgenommen und zur Polizeistation H. gebracht und danach zur Polizeistation K. überstellt. Auf der Polizeistation K. wurde ich gefoltert und meine Zähne wurden mir von der Polizei abgebrochen. Ich habe einen Polizisten dort 10.000 Rupien angeboten, dass er meine Familie über meine Situation informiert, und das tat er auch. Daraufhin sind meine Eltern, gemeinsam mit dem Dorfvorsteher und anderen Dorfbewohnern zur Polizeistation gekommen und konnten meine Freilassung bewirken. Ein oder 2 Tage später wurde ich nochmals von der Polizei festgenommen und diesmal musste meine Familie 100.000 Rupien für die Freilassung an die Polizei bezahlen. Ich bekam Angst, dass mich die Polizei nun immer wieder verhaften würde und mich in irgendwelche gefälschten Anzeigen verwickeln würde, deswegen habe ich dann mein Taxi verkauft und meine Ausreise aus Indien finanziert. Das sind meine Fluchtgründe.

 

VR: Wie Sie von der Polizei angehalten wurden, wie viele Personen waren das 2. Mal, als Sie kontrolliert wurden, in Ihrem Auto?

 

BF: Ich war alleine. Die anderen Männer waren im 2. Auto welches hinter meinem fuhr. Als Sie gesehen haben, dass ich von der Polizei bei dem Posten angehalten und kontrolliert wurde, sind sie in ihrem Auto von dort geflüchtet.

 

VR: Ihr Freund war also auch im 2. Auto?

 

BF: Richtig, wie gesagt, ich war allein in meinem Taxi.

 

VR: Warum sind Sie beim 2. Mal nicht auch miteinander im Taxi gefahren, wie beim 1. Mal?

 

BF: Sie sind hinter mir gefahren, wahrscheinlich hatten sie jetzt kein Vertrauen mehr und dachten, dass ich sie eventuell zu einer Polizeistation fahren könnte.

 

VR: Warum hätten das die 3 Personen glauben sollen?

 

BF: Am Tag zuvor haben ich diesen Bekannten von mir weggeschickt und gesagt, dass ich mit ihm nichts mehr zu tun haben wollte und dass er in meinen Augen Unterstützer der Terroristen war. Vielleicht hatte er dann kein Vertrauen mehr zu mir.

 

VR: Was haben die 3 Personen gemacht, als sie merkten, dass Sie von der Polizei kontrolliert werden?

 

BF: Nachdem diese Männer hinter mir im Auto waren, weiß ich nicht, was sie genau gemacht haben. Ich wurde von der Polizei verhaftet und zur Polizeistation gebracht. Ob diese Männer dann kontrolliert und durchgelassen wurden, nachdem sie keine Waffen bei sich hatten, oder ob sie vor der Kontrolle noch einen Rückzieher gemacht haben, kann ich nicht sagen.

 

VR: Haben Sie der Polizei erzählt, wieso Sie die Waffen in Ihrem Auto gehabt haben?

 

BF: Ich habe immer wieder betont, dass diese Waffen nicht mir gehören und dass ich im Auftrag handle aber die Polizisten haben mir wieder nicht geglaubt. Sie meinten, nachdem die Waffen in meinem Auto gefunden wurden, bin ich auch für diese zuständig.

 

VR: Haben Sie der Polizei den Namen Ihres Freundes genannt?

 

BF: Doch, sie wollten seine Adresse notieren, diese wusste ich aber nicht.

 

VR: Warum haben Sie in der Niederschrift vom 03.05.2001 beim BAA gesagt, dass Sie auch beim 2. Mal Werbematerial transportiert haben? Heute sagen Sie, Sie hätten Waffen transportiert?

 

BF: Es war auch Werbematerial dabei, ich kann mich jetzt nicht erinnern, ob ich die Waffen und Munition erwähnt habe oder nicht.

 

VR: Warum haben Sie diese beim 1. Mal nicht erwähnt?

 

BF: Ich bin nervös geworden und hatte Angst, dass ich abgeschoben werden könnte. In Indien hatte ich Angst um mein Leben.

 

VR: Sie haben heute gesagt, dass Sie nicht wissen, was die Männer gemacht haben, nachdem Sie beim 2. Mal von den Polizisten im Auto aufgehalten wurden, stimmt das?

 

BF: Das ist richtig, ich weiß es nicht.

 

VR: Warum haben Sie dann bei der Einvernahme beim BAA damals gesagt, dass die Terroristen genügend Zeit hatten, das Werbematerial zu entsorgen?

 

BF: Ich habe damals gesagt, dass diese Männer genügend Zeit gehabt hätten, eventuelle Sachen, welche ihnen durch die Polizei Probleme bereiten konnten, entsorgen konnten, denn es gab eine lange Schlange vor dem Polizeiposten, aber mit Sicherheit kann ich nicht sagen, was sie gemacht haben.

 

VR: Ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll, wenn das Auto Ihrer Freunde hinter Ihnen war.

 

BF: Ich habe gesagt, dass sie hinter mir gefahren sind, das heißt nicht, dass sie direkt hinter mir waren, es kann sein, dass dazwischen andere Autos waren. Wie gesagt, ich sagte nicht, direkt hinter mir.

 

VR: Sind Sie Angehöriger der Volksgruppe der Sikhs?

 

BF: Ja.

 

VR: Haben Sie jemals einer politischen Partei angehört?

 

BF: Ja, seit 1992 bis zu meiner Ausreise war ich Unterstützer der Akali-Dal Mann Partei. Diese Partei kämpft um die Rechte der Sikhs.

 

VR: Waren Sie auch Mitglied dieser Partei?

 

BF: Ja.

 

VR: Waren Sie sonst noch Angehöriger einer anderen Partei?

 

BF: Mein Anwalt in Österreich hat irrtümlich in einem Schreiben geschrieben, dass ich Mitglied der Babbar Khalsa war, das ist nicht richtig, ich war Mitglied der Akali-Dal Mann Partei.

 

VR: Warum hätte Ihr Anwalt schreiben sollen, dass Sie Mitglied der Babbar Khalsa sind?

 

BF: Da ich der deutschen Sprache nicht mächtig war, musste ich einen anderen Inder mitnehmen, der als Dolmetscher fungiert hat, dieser hat irrtümlich Babbar Khalsa statt Akali-Dal Mann gesagt. Ich habe diesen Irrtum erst am Tag meiner Einvernahme entdeckt.

 

VR: Wurde Ihr Freund und diese 2 bewaffneten Männer auch jemals von der Polizei festgenommen und befragt?

 

BF: Das weiß ich nicht, wie gesagt, ich bin aus Indien geflüchtet. Ich bin aus Indien ausgereist und habe dann gehört, dass der Bekannte von mir von den Terroristen umgebracht wurde. Das ist nämlich das Problem, das ich am Anfang der Einvernahme erwähnt hatte, welches nach meiner Ausreise aus Indien zustande kam.

 

VR: Was war das eigentliche Ziel der Terroristen?

 

BF: Sie wollen die Unabhängigkeit von Kashmir.

 

VR: Woher wissen Sie, dass es sich dabei um Terroristen gehandelt hat?

 

BF: Wie meinen Sie das?

 

VR: Wie sie darauf gekommen sind, dass es sich bei den beiden Personen um Terroristen handeln könnte?

 

BF: Waffen tragen nur entweder Polizisten, Soldaten oder Terroristen. Nachdem diese Männer weder Polizisten noch Soldaten waren, waren es Terroristen. Sie haben mich auch bedroht.

 

VR: Werden diese beiden Männer von der Polizei gesucht?

 

BF: Ich weiß nicht, ob sie von der Polizei gesucht werden, ob sie noch am Leben sind und was ihnen geworden ist. Ich hatte keinen Kontakt mehr.

 

VR: Wie hat sich die Gruppe der Terroristen genannt?

 

BF: Ich weiß nicht.

 

VR: Wie viele Mitglieder hatte diese Gruppe?

 

BF: Ich habe nur diese 2 Männer mit dem Bekannten gesehen, wie viele es noch gab, kann ich nicht sagen. Von der Sprache her konnte ich erkennen, dass sie nicht aus dem Punjab waren. Sie haben Urdu gesprochen, nicht Punjabi. Aber mein Bekannter hat Punjabi gesprochen.

 

VR: Wie oft sind Sie insgesamt von der Polizei festgenommen worden?

 

BF: Dreimal. Das 1. Mal, als das Werbematerial in meinem Auto gefunden wurde, das 2. Mal bei der Kontrolle in der Nähe von H. und das 3. Mal zu Hause.

 

VR: Hat die Polizei einen Haftbefehl gegen Sie gehabt?

 

BF: Nein, ich habe keinen Haftbefehl bei der Polizei gesehen, das System in Indien ist ganz anders, die Polizei kann Leute einfach so mitnehmen.

 

VR: Können Sie nochmals sagen, wo Sie das 1. Mal festgenommen und zu welcher Polizeistation Sie gebracht wurden?

 

BF: Das 1. Mal wurde ich in M. festgenommen und wurde zur Polizeistation B. gebracht. Ich glaube, dass es diese war. Es kann auch sein, dass es die Polizeistation J. war, ich wurde damals sehr stark gefoltert und es ist 8 Jahre her.

 

VR: Wie lange sind Sie auf dieser Polizeistation geblieben?

 

BF: Einen Tag, am nächsten Tag wurde ich nach K. überstellt.

 

VR: Wo sind Sie das 2. Mal festgenommen worden?

 

BF: Das war 10km nach der Stadt H..

 

VR: Wohin wurden Sie von dort aus gebracht?

 

BF: Zuerst zur Polizeistation H., dann wurde ich nach K. überstellt.

 

VR: Wie lange waren Sie auf der Polizeistation H.?

 

BF: Ich glaube, das war einen Tag.

 

VR: Wohin sind Sie dann gebracht worden?

 

BF: K..

 

VR: Wie lange waren Sie dort?

 

BF: Ich wurde in K. einen Tag angehalten und konnte in dieser Zeit die Information an meine Eltern weiterleiten, diese sind dann gekommen, um meine Freilassung zu erwirken.

 

VR: Wie konnten Sie die Information an Ihre Eltern weiterleiten, wenn Sie im Gefängnis waren?

 

BF: Ich habe einen Polizisten 10.000 Rupien versprochen, damit er meine Familie über meine Anhaltung informiert.

 

VR: Wie wurden Ihre Eltern beim 1. Mal von Ihrer Verhaftung informiert?

 

BF: Beim 1. Mal traf ich einen Mann, dieser verließ gerade die Polizeistation, ich habe ihn gebeten, meine Eltern über meine Anhaltung zu informieren.

 

VR: Was war das für ein Mann?

 

BF: Das war eine mir unbekannte Person.

 

VR: Was hat dieser Mann in der Polizeistation gemacht?

 

BF: Er war genauso wie ich angehalten, wurde aber an diesem Tag entlassen.

 

VR: Wissen Sie den Namen dieses Mannes?

 

BF: Nein.

 

VR: Wie sind Sie von Indien ausgereist?

 

BF: Ich bin nach New Delhi gereist, mit Hilfe eines Schleppers bin ich nach Moskau geflogen.

 

VR: Hatten Sie bei der Ausreise irgendwelche Probleme?

 

BF: Nein, der Schlepper hat für mich ein Visum nach Moskau besorgt.

 

VR: Warum glauben Sie hat Sie die Polizei immer wieder freigelassen?

 

BF: Meine Eltern haben immer wieder den Polizisten Geld angeboten, wie Sie wissen, ist die Polizei korrupt. Der Dorfvorsteher und die Dorfbewohner haben auch eine "Garantie" für mich abgegeben.

 

VR: Welche war das?

 

BF: Der Dorfvorsteher und die Dorfbewohner sagten, dass sie mich schon mehrere Jahre kennen und ich in keine terroristischen Gruppierungen verwickelt bin.

 

VR: Das hat gereicht, Sie freizulassen?

 

BF: Nein, die Polizei hat beim 1. Mal 50.000 Rupien verlangt und bekommen. Das 2. Mal hatten meine Eltern kein Geld mit und ich wurde aufgrund dieser Garantie freigelassen, aber dann sind die Polizisten zu mir nach Hause gekommen und bei der 3. Festnahme musste meine Eltern 100.000 Rupien bezahlen.

 

VR: Waren diese 50.000 Rupien beim 1. Mal als Kaution gedacht?

 

BF: Nein, es war Bestechung.

 

VR: Warum haben Sie in der Niederschrift vom 03.05.2001 gesagt, dass es sich bei den 50.000 Rupien um eine Kaution gehandelt hat?

 

BF: Ich habe lediglich gesagt, dass meine Eltern 50.000 Rupien bezahlt haben, der Einvernehmende hat nicht gefragt, ob das als Kaution oder Bestechung zu sehen war.

 

VR: Um was hat es sich beim letzten Mal gehandelt, als Ihre Eltern 100.000 Rupien gezahlt haben?

 

BF: Das war auch Bestechung. Bei einer Kaution muss man zuerst vor einen Richter gebracht werden, dieser setzt die Kaution dann fest.

 

VR: Warum haben Sie bei der Einvernahme am 03.05.2001 gesagt, dass es sich bei den 100.000 Rupien um eine Kaution gehandelt hat?

 

BF: Das habe ich nicht gesagt, wie gesagt habe ich erzählt, dass meine Eltern mich durch Bezahlung von 100.000 Rupien freibekommen haben. Ich wurde nicht gefragt, ob es eine Kaution oder Bestechung war. Bei einer Kaution muss man einem Richter vorgeführt werden, der die Kaution festlegt, das war nicht der Fall.

 

VR: Wieso haben Sie das Protokoll vom 03.05.2001 bei Rückübersetzung nicht berichtigt?

 

BF: Bei der Rückübersetzung hat der Dolmetscher das Wort Kaution nicht erwähnt. Er sagte nur: "Ich wurde nach Bezahlung von 50.000 bzw. 100.000 Rupien freigelassen wurde": Es kann sich gar nicht um eine Kaution handeln, da ich nie einem Haftrichter vorgeführt wurde.

 

VR: Waren oder sind Sie schwer krank oder waren Sie im Spital?

 

BF: Ich war in Österreich nie im Krankenhaus.

 

VR: Was würde allenfalls passieren, wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten?

 

BF: Ich bin kein reicher Mann und habe keine Besitztümer. Wenn ich nach meiner Rückkehr wieder von der Polizei verhaftet werde, könnte ich keine Bestechungsgelder bezahlen, um meine Freilassung zu erwirken. Das System in Indien ist so, dass die Polizei korrupt ist und viele Bestechungen als zusätzlichen Verdienst einnimmt. Ich bin nicht gegen die Regierung, sondern ich bin ein Opfer des Systems. Außerdem habe ich kein Zuhause mehr, ich wüsste nicht, wo ich mich niederlassen könnte.

 

VR: Haben Sie sich jemals bei einer übergeordneten Polizeidienststelle beschwert?

 

BF: Nein, ich habe mich das nicht getraut. Ich war sehr verängstigt. Außerdem haben mich die Polizisten mit den verbotenen Materialien bzw. Waffen und Munition in meinem Auto festgenommen. Wenn ich eine Beschwerde gegen die Polizisten bei einer übergeordneten Dienststelle eingebracht hätte, hätten sie noch einen Grund gehabt, mich zu verhaften und zu foltern. Das habe ich über mich ergehen lassen, eine nochmalige Misshandlung hätte ich wahrscheinlich nicht überlebt.

 

VR: Warum können Sie bei Ihren Eltern in Indien nicht leben?

 

BF: 1. weiß ich nicht, wo sich meine Eltern befinden, 2. möchte ich deren Leben nicht in Gefahr bringen, indem ich mich bei Ihnen aufhalte.

 

Die Verhandlung wird für 10 Minuten unterbrochen.

 

VR: Wollen Sie zu Ihren Fluchtgründen noch irgendetwas anführen?

 

BF: Meine Fluchtgründe, welche mich bewogen haben, Indien zu verlassen, habe ich bereits dargelegt. Ich möchte noch die neue Gefahr erwähnen, die nach meiner Ausreise aus Indien entflammt ist. Die Terroristen hatten ein Zusammentreffen in H., die Polizei erlangte Information darüber und in einem Feuergefecht wurden mehrere Terroristen getötet. Die anderen Terroristen aus dieser Gruppe haben dann meinen Bekannten verschleppt und unter Folter hat er den Terroristen gegenüber meinen Namen erwähnt. Nun suchen auch diese nach mir und haben meine Eltern mit dem Umbringen bedroht, falls sie mich nicht finden. Aus diesem Grund musste meine Familie unsere Heimatadresse verlassen. Ich bin nun sowohl seitens der Polizei, als auch seitens der Terroristen in Gefahr und eine Rückkehr nach Indien würde eine große Gefahr für mich darstellen. Mein Nachbar wurde von diesen Terroristen auch mehrmals besucht. Er ist ein älterer Herr und hat mir gesagt, dass diese Terroristen immer in der Nacht zu ihm kommen und nach mir fragen. Die Terroristen haben meinen Bekannten umgebracht und ich habe Angst, dass sie mich auch umbringen würden, weil sie der Meinung sind, dass ich ein Informant der Polizei bin. Selbst wenn ich durch Bestechung von der Polizei freikomme, würde ich von den Terroristen umgebracht.

 

VR: Wie ist der Name des Bekannten?

 

BF: P.S..

 

VR: Wer hat Ihnen diese Information zukommen lassen?

 

BF: Das ist mein Nachbar S.N., er hat meine Nummer, wenn diese Leute zu ihm kommen, ruft er mich an und gibt mir eine Nummer, wo ich ihn zurückrufen kann.

 

VR: Woher weiß er, dass die Terroristen den Drucker umgebracht haben?

 

BF: Das hat er in der Zeitung gelesen.

 

VR: In welcher Zeitung?

 

BF: Das weiß ich nicht. Das war kurz nach meiner Ausreise.

 

VR: Mit Ihren Eltern haben Sie über diese Vorfälle nie gesprochen?

 

BF: Meine Eltern haben mir damals erzählt, dass sie auch von den Terroristen besucht und bedroht wurden, danach haben sie unser Haus im Dorf verlassen, um dieser Gefahr zu entfliehen.

 

VR: Warum können Sie nicht in einem anderen Ort/anderem Bundesstaat wohnen?

 

BF: Wie gesagt, ich sehe Gefahr von 2 Seiten. Falls die Polizei oder die Terroristen herausbekommen, wo ich mich aufhalte, werde ich entweder von der Polizei verhaftet oder von den Terroristen umgebracht. Beide haben ein Informantennetz, ich konnte dieses Risiko nicht eingehen.

 

VR: Hat die Beisitzerin noch Fragen?

 

BR: Wann hat Ihre Familie das Heimatdorf verlassen?

 

BF: Diese Terroristen sind noch nach 2001, nach meiner Ausreise, zu meiner Familie gekommen und haben dabei auch meine Familie bedroht. Nach dem 2. Besuch hat die Familie noch 2001 das Heimatdorf verlassen.

 

BR: Warum sollten die Terroristen jetzt noch, 7 Jahre nach Ihrer Ausreise, Interesse an Ihrer Person haben?

 

BF: Meinem Verständnis nach haben die Terroristen eine Liste der Personen, die sie exekutieren wollen. Besonders solche, die ihrer Meinung nach Informanten der Polizei sind, wie gesagt, der Bekannte wurde von ihnen verschleppt und während seiner Folter hat er meinen Namen als Informant erwähnt. Nun wollen sie mich auch töten, egal, wie lange es dauert.

 

BR: Wer sind diese Terroristen, die Ihre Familie bedroht haben?

 

BF: Die Muslimen, die in Jammu und Kashmir aktiv sind.

 

VR: Sind Sie eventuell damit einverstanden, wenn die Behörde einen SV beauftragt, Ihre Angaben zu überprüfen?

 

BF: Ja, Sie können Erhebungen durchführen. Es ist nur die Gefahr, dass die erhebende Person auf einen "falschen" Dorfbewohner trifft und dieser ihr nicht die Wahrheit in meinem Fall erzählt. Ich habe, wie gesagt, keinen Kontakt mit den Dorfbewohnern seit 8 Jahren und weiß nicht, was diese aussagen werden.

 

Folgende Erkenntnisquellen werden der beschwerdeführenden Partei genannt und deren Inhalt erörtert:

 

Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien", Stand Oktober 2006

 

UK Home Office, Border & Immigration Agency (BIA), India Country Report, January 2008

 

UK Home Office, Border & Immigration Agency (BIA), Operational Guidance Note India, April 2008

 

US Department of State, India, Country Report on Human Rights Practices - 2007, 11.03.2008

 

www.indian-elections.com

 

Christian Brüser, Gutachten Indien, November 2007, Allgemeiner Teil

 

Der VR bringt dem BF nachfolgende - vorläufige - Beurteilung der politischen und menschenrechtlichen Situation im Herkunftsstaat des BF unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF auf Grund der dem Asylgerichtshof vorliegenden Informationsunterlagen (siehe oben) zur Kenntnis:

 

Die indische Verfassungs- und Rechtsordnung garantieren die grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten. Die Justiz ist unabhängig. Die Verfahrensdauer ist allerdings häufig extrem lang; Korruption im Einzelfall kann nicht ausgeschlossen werden. Es gibt menschenrechtsverletzende Übergriffe von Polizei- und Sicherheitskräften, eine Systematik ist dabei nicht erkennbar.

 

Was die Provinz Punjab anbelangt, so ist der Terrorismus im Punjab Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Zu Terroranschlägen kommt es nur noch vereinzelt, so im April 2005 auf ein Kino in Neu Delhi, welcher der Babbar Khalsa zugeschrieben wird.

 

Sikhs haben aufgrund ihrer religiösen oder Überzeugung oder der allgemeinen politischen Situation mit keinen staatlichen Repressalien zu rechnen.

 

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern. Volle Bewegungsfreiheit ist gewährleistet. Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Bürger. Die Bürger besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Wer sich verfolgt fühlt, kann sich demnach in einem anderen Landesteil niederlassen.

 

Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist in der Regel ein unbehelligtes Leben in ländlichen Gebieten in anderen Teilen Indiens möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss. In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. In Neu Delhi wurden Separatisten aus dem Punjab nach mehreren Jahren friedlichen Aufenthaltes aufgespürt und verhaftet. Allerdings besteht die Gefahr, von staatlichen Behörden (strafrechtlich) verfolgt zu werden, in der Regel für hochrangige Führungspersonen separatistischer Bewegungen oder militanter Organisationen ("high profile activists") oder ihre Familienangehörige und weniger für "low profile activists".

 

Soweit Probleme somit mit der lokalen Polizei bestehen und der Asylwerber für die zentralen Behörden von keinem Interesse ist, ist eine innerstaatliche Fluchtalternative zumutbar.

 

Das Stellen eines Asylantrags allein hat keine nachteiligen Konsequenzen für abgeschobene indische Staatsangehörige.

 

In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder Privater angewiesen.

 

Was Angehörige der Sikhs betrifft, so gelten sie als mobile und unternehmerische Gemeinschaft. In ganz Indien sind Sikhs in verschiedenen Berufen (Kraftfahrer, Mechaniker, Inhaber von Restaurants, Hotels oder Reisebüros, etc.) und im öffentlichen Dienst anzutreffen. Bedürftigen Sikhs wird zumindest vorübergehend in Sikh-Tempeln (Gurudwara) Nahrung und Unterkunft gewährt.

 

VR fragt den BF um seine Stellungnahme zu dieser Beurteilung.

 

BF: Ich bin kein Terrorist und bin eigentlich gegen die Terroristen, ich bin selbst Opfer des Systems. Ich bin nicht gegen die Regierung, aber Sikhs bilden die Minderheit in Indien. Egal, wo ich mich in Indien niederlassen, es könnte sein, dass die Terroristen, die mich auf ihrer Exekutionsliste haben, mich finden und umbringen. Es kann sein, dass mich die Polizei wieder gegen Bestechungsgeld festnimmt. Sie sagen, dass die Sikhs in Indien nicht bedroht sind, dazu möchte ich Zeitschriften vorlegen, aus denen hervorgeht, dass die Sikhs immer noch von der Polizei verfolgt und getötet werden.

 

VR: Wer ist der Herausgeber dieser Zeitschriften?

 

BF: Die Zeitschrift heißt F. und ist in A. gedruckt worden.

 

VR wiederholt seine Frage.

 

BF: S.B..

 

VR: Ist das eine Organisation, etc.?

 

BF: Er ist ein neutraler Mann und hat keine Verbindungen zu irgendwelchen Organisationen, er bringt die Unterdrückung der Sikhs zu Papier und ist Aktivist der Sikhs.

 

VR nimmt die Zeitschriften im Original zum Akt und es wird vereinbart, dass ihm diese nach Entscheidung des Falles wieder rückerstattet werden.

 

VR fragt den BF, ob er den Dolmetscher gut verstanden habe; dies wird bejaht.

 

VR: Werden Sie noch von Ihrem bisherigen Rechtsvertreter Dr. Waldhof vertreten?

 

BF: Ja.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Es werden folgende Feststellungen getroffen:

 

1.1. Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger. Seine Identität wird entsprechend seinen Angaben in der Verhandlung festgestellt.

 

1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war oder dass ihm Verfolgung droht.

 

1.3. Zur Lage in Indien werden aufgrund der in der Verhandlung vorgehaltenen Quellen die dort daraus getroffenen vorläufigen entscheidungsrelevanten Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

 

1.4. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer vor einer etwaigen, seinem Vorbringen im Verfahren entsprechenden Bedrohung, Sicherheit durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in einen anderen Teil von Indien finden könnte.

 

2. Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

2.1. Der Asylgerichtshof geht davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht glaubhaft ist.

 

Für den Asylgerichtshof stellt sich zunächst in der Darstellung der Fluchtgründe vom 4.5.2001 vor dem Bundesasylamt Wien und der am 10.9.2008 stattgefunden Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick der seinerzeit vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eingebrachten Beschwerde (vormals Berufung) nach wie vor ein Widerspruch dar. Abgesehen davon, dass im ursprünglichen Schriftsatz des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine Mitgliedschaft bei der Barkhalsadal Partei angegeben wurde, welche allerdings nach Angabe des Beschwerdeführers auf einen Übersetzungsfehlers beruhen soll, so geht sowohl aus der Niederschrift vor dem Bundesasylamt vom 3.5.2001, als auch der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof vom 10.9.2008 nicht annähernd hervor, dass sich der Beschwerdeführer wie im Schriftsatz vom 13.12.2000 dargestellt, jemals gegen die Regierung gewandt hätte und auf Grund dessen zum wiederholten Male von den lokalen Behörden verhört, verhaftet und körperlich misshandelt worden sein soll.

 

Unabhängig davon, erscheinen allerdings auch dem Asylgerichtshof in Zusammenschau der Einvernahme des Beschwerdeführers vom Bundesasylamt am 3.5.2001 und der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 10.9.2008 dessen Ausführungen als nicht glaubwürdig bzw. nicht nachvollziehbar.

 

So haben sich im Zuge dessen, insofern Widersprüchlichkeiten ergeben, als der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner ersten Verhaftung von Seiten der Polizei unterschiedliche Orte von Polizeistationen angab, an denen er angehalten worden sein soll. Ursprünglich ging der Beschwerdeführer bei der Einvernahme vor dem Bundesasylamt noch von einer Polizeistation in B. aus, während er in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof nicht mehr sicher war, ob es sich um die Polizeistation B. oder doch nicht um die Polizeistation in J. gehandelt habe.

 

Hinsichtlich der zweiten Anhaltung von Seiten der Polizei führte der Beschwerdeführer in der Niederschrift vom 3.5.2001 aus, dass die Polizei im Rahmen der zweiten Kontrolle in seinem Auto Werbematerial von Terroristen gefunden hätte, während er bei der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 10.9.2008 angab, im Rahmen der zweiten Verhaftung deshalb festgenommen worden zu sein, weil die Polizei die von den Terroristen im Auto verstauten Waffen und Munition gefunden hätte. Erst auf ausdrücklichen Hinweis des Widerspruchs zu den vom Beschwerdeführer transportierten Gegenständen, gab dieser an, dass sich neben den Waffen auch verbotenes Werbematerial in seinem Auto befunden hätte. In der Niederschrift vom 3.5.2001 gab der Beschwerdeführer noch an, dass die in einem zweiten Auto fahrenden Terroristen genügend Zeit gehabt hätten entsprechendes Werbematerial zu entsorgen. Abgesehen davon, dass auch in diesem Zusammenhang in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof keine Waffen bzw. eine etwaige Munition erwähnt worden sind, konnte der Beschwerdeführer nicht mehr angeben, was die Terroristen während der Kontrolle seines Autos gemacht hätten.

 

Unabhängig von den diversen Widersprüchlichkeiten, war es dem Beschwerdeführer nicht möglich dem Asylgerichtshof glaubhaft zu machen, weshalb die Terroristen bei der zweiten Fahrt nach N. in Himachal Pradesh im Gegensatz zur ersten Fahrt nach M. ein eigenes Fahrzeug benützt haben sollen. Nach Meinung des Beschwerdeführers hätten die Terroristen einerseits kein entsprechendes Vertrauen mehr gehabt, nachdem dieser Ihnen mitgeteilt hätte, dass er mit Ihnen nichts mehr zu tun haben wolle und diese andererseits befürchtet hätten, dass er sie direkt zur Polizei bringen könnte.

 

Abgesehen vom Widerspruch, dass der Beschwerdeführer in der Niederschrift vom 3.5.2001 noch behauptete, dass sein Freund und die Terroristen deshalb ein eigenes Fahrzeug benutzt hätten, weil diese die Befürchtung gehabt hätten, dass er das Werbematerial woanders hinbringen würde, so kann das getrennte Benützen von Fahrzeugen des Beschwerdeführers und der Terroristen insofern nicht nachvollzogen werden, als sich Terroristen nach allgemeiner Lebenserfahrung in einer solchen Situation nicht einer Person bedienen würden, von welcher sie vermuten, dass diese ihre Sicherheit in Gefahr bringen könnten bzw. der Beschwerdeführer die ihm anvertrauten Transportgegenstände woanders hinbringen würde.

 

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die bewaffneten Terroristen den Beschwerdeführer in einem gemeinsam fahrenden Auto eher unter ihrer Kontrolle gehabt hätten, als dieser wäre - wie der Beschwerdeführer behauptet- in einem eigenen Auto unterwegs gewesen.

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes erscheint auch das Verhalten der Polizei ebensowenig nachvollziehbar, als diese den mit den Terroristen kooperierenden in Verdacht stehenden Beschwerdeführer, nach einer Haft von drei Tagen und einer Bezahlung von 50.000 indischen Rupien, freigelassen haben sollen. Dies wird umso unglaubwürdiger, als der Beschwerdeführer nach der zweiten Festnahme auf Grund einer bloßen "Garantie" des Dorfvorstehers, dass der Beschwerdeführer nichts mit den Terroristen zu tun haben soll, freigelassen worden sein soll.

 

Für eine neuerliche Freilassung auf Grund einer nochmaligen Festnahme hätten die Eltern des Beschwerdeführers 100.000 indische Rupien bezahlt.

 

Auch wenn der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof entgegen der erstinstanzlichen Niederschrift behauptet, dass es sich bei diesen Bezahlungen um keine Kautionen gehandelt haben soll, so erscheint es bei einer mit den Terroristen kooperierenden unter Verdacht stehenden Person unglaubwürdig, dass diese in einer solchen Situation nach so kurzer Zeit auf freien Fuß gesetzt werden würde.

 

Außerdem ist es nicht nachvollziehbar, wie eine Peron in einer derartigen Situation ohne Probleme am Flughafen New Dheli ihr Heimatland verlassen hätte können.

 

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass der Asylgerichtshof nicht verkennt, dass sich der Vorfall bereits vor etwa acht Jahren zugetragen haben soll und es daher nicht zumutbar wäre, dass der Beschwerdeführer sich an alle Einzelheiten im Detail erinnern kann. Umgekehrt sollte es allerdings dem Beschwerdeführer bei einem derartig einschneidenden Erlebnis möglich sein, zumindest die grundlegenden Ereignisse (z.B. Angabe von unterschiedlichen Transportgegenständen) wiedergeben zu können.

 

In eventu wird, sofern man davon ausgehen würde, dass das Vorbringen den Tatsachen entsprechen würde, auf die in den Länderfeststellungen angeführte Möglichkeit verwiesen, sich in anderen Landsteilen Indiens niederzulassen und könnte der Berufungswerber somit durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in eine andere Region Indiens, beispielsweise nach Delhi oder Mumbai, der behaupteten Verfolgung entgehen. Dafür, dass die Terroristen bzw. Polizei ihn überall in Indien suchen würden und finden könnten, lassen sich - auch angesichts der Größe und der Bevölkerungsdichte - keine begründeten Anhaltspunkte finden. Auch die behaupteten Probleme mit den Terroristen wären örtlich auf sein Heimatdorf und die umliegende Gegend beschränkt und wäre nicht davon auszugehen, dass der Berufungswerber an anderen Orten bzw. in anderen Landesteilen Indiens ebenfalls derartigen Schwierigkeiten ausgesetzt sein würde; für eine landesweite polizeiliche Suche haben sich keine substantiierten Hinweise ergeben. Auch hat er seinen Heimatstaat vom Flughafen Delhi aus legal und problemlos mit seinem Reisepass verlassen können.

 

2.3. Die Feststellungen über das Herkunftsland des Berufungswerbers ergeben sich aus den zitierten Quellen. Der Berufungswerber hat dazu in der mündlichen Verhandlung insofern Stellung genommen, als dieser angibt, dass er sich einerseits auf der Exekutionsliste der Terroristen, welche ihn in ganz Indien finden könnten, befindet und andererseits durch die Vorlage von zwei Zeitschriften namens "F."

einen Nachweis dafür erbringen wollte, dass die Polizei nach wie vor Sikhs in Indien tötet.

 

In Anbetracht des Umstandes, dass es sich nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers bei dem Herausgeber der Zeitschrift "F." um einen Aktivisten der Sikhs handelt, konnte dessen Inhalt nicht die entsprechende Objektivität beigemessen werden.

 

Ebenso erscheint eine vom Beschwerdeführer beschriebene Verfolgung wie bereits o.a. nicht möglich, als es den Länderberichten nach, auf Grund des mangelnden Melde-, und Registrierungssystems und der Einwohneranzahl von einer Milliarde Menschen in Indien möglich ist, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen.

 

Aus den Länderberichten ist zudem ersichtlich, dass in Indien jedenfalls keine Situation herrscht, in der die Staatsgewalt zusammengebrochen wäre oder systematische schwere Menschenrechtsverletzungen zu erkennen wären. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass sich, wie die Länderberichte zeigen, die Lage in Indien seit Jahren im Wesentlichen unverändert darstellt und eine Verschlechterung der Situation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch nicht zu erwarten ist.

 

4. Rechtliche Beurteilung:

 

Anzuwenden war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005") anzuwenden.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

4.1. Spruchpunkt I

 

Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/195

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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