D6 249568-0/2008/10E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Christine AMANN als Beisitzerin über die Beschwerde des A.A., geb. 00.00.1982, StA. d. Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.4.2004, FZ. 03 17.908-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und A.A. gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002, Asyl gewährt. Gemäß § 12 Asylgesetz 1997 wird festgestellt, dass A.A. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, reiste unter falschem Namen am 11.6.2003 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Am 25.8.2003 wurde das Verfahren eingestellt, da der Beschwerdeführer zur Einvernahme vor der Bundesasylamt unentschuldigt nicht erschienen war.
Nachdem der Beschwerdeführer über Belgien nach Norwegen, wo er ebenfalls Asyl beantragte, gereist war, wurde er am 5.2.2004 gemäß dem Dubliner Übereinkommen von der Republik Österreich rückübernommen. In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 29.3.2004 vor dem Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen einvernommen.
1. Nach Berichtigung seines Namens und seines Geburtsdatums gab der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Fluchtgründe zusammengefasst an, dass er die russischen Säuberungsaktionen nicht mehr ertragen habe. Im Jänner 2003 sei er misshandelt und verschleppt sowie zwanzig Tage - zuerst in Chankala und anschließend in Gudermes - angehalten worden. Sein Großvater habe mit Hilfe der Dorfadministration seine Freilassung organisiert, wobei seine Familie insgesamt US-Dollar 2.000,-- bezahlt habe. Bereits im März 2002 sei er für vierzig Tage festgenommen worden und erst nach Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von US-Dollar 1.500,-- freigekommen. Dem Beschwerdeführer sei vorgeworfen worden, dass sein Vater im ersten Tschetschenienkrieg gegen die Russen gekämpft habe. Auch habe man von ihm den Aufenthaltsort seines Onkels, der ebenfalls ein Kämpfer sei, wissen wollen. Er sei mit Gummiknüppeln geschlagen und am Hinterkopf mit Fäusten und Stromschlägen gefoltert worden und habe ein Schriftstück, dessen Inhalt er nicht kannte, unterschreiben müssen. Verwandte von Ramsan Kadyrow würden im Dorf des Beschwerdeführers leben und die Dorfbewohner schikanieren. Sein Bruder habe eine Misshandlung fast nicht überlebt. Er befürchte, von Kadyrows Leuten getötet zu werden.
Mit Bescheid vom 29.4.2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: AsylG 1997), ab (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation gemäß § 8 AsylG 1997 nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.); ferner wurde gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 3 leg. cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 19.4.2005 erteilt (Spruchpunkt III.).
In seiner Begründung stellte das Bundesasylamt die Identität und Nationalität des Beschwerdeführers fest und traf umfangreiche Feststellungen zur Situation in der Russischen Föderation außerhalb der unmittelbaren Kaukasus-Region. Das Vorliegen von (in weiterer Folge asylrechtlich relevanten) Verfolgungshandlungen gegenüber dem Beschwerdeführer habe nicht festgestellt werden können, da die Angaben nicht glaubwürdig gewesen seien. Unplausibel sei erschienen, dass der Beschwerdeführer trotz seiner Befürchtungen bis zur Ausreise im Juni 2003 an seiner Wohnadresse gelebt habe. Bei Zutreffen der geltend gemachten Fluchtgründe hätte sich der Beschwerdeführer sicher nicht nach seiner Freilassung im Februar 2003 verfolgungsfrei in seinem Heimatdorf aufhalten können. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in der Russischen Föderation keinen über die - durch den Bürgerkrieg in Tschetschenien begründeten - allgemeinen "Rahmenbedingungen" hinausgehenden (und gegen ihn gerichteten) Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Diese Annahme werde auch durch das Verhalten des Beschwerdeführers (falsche Identitätsangaben sowie Weiterreise nach Norwegen) gestützt. Der Grund seiner Ausreise liege vielmehr in der "allgemeinen Situation in der Russischen Föderation - Tschetschenien; Bürgerkrieg und den daraus resultierenden allgemeinen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Säuberungsaktion und die Suche nach Widerstandskämpfern". Damit sei aber keine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention gegeben. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesasylamt ferner aus, dass aufgrund der (im Bescheiderlassungszeitpunkt gegenwärtigen) Situation in der Russischen Föderation keine Rückschlüsse dahingehend gezogen werden könnten, dass in der Russischen Föderation systematisch gegen die tschetschenische Volksgruppe iSe Gruppenverfolgung vorgegangen werde.
Unter Hinweis auf die allgemeine Lage in der Russischen Föderation, auf die wirtschaftliche Situation, die Versorgungslage, den Bürgerkrieg in Tschetschenien und das Fehlen von "Anknüpfungspunkten außerhalb von Tschetschenien" begründete das Bundesasylamt den Spruchpunkt II. damit, dass derzeit nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nicht einer Gefahr iSd § 57 Abs. 1 Fremdengesetz iVm Art. 3 EMRK ausgesetzt sei.
2. Die dagegen erhobene (als Berufung eingebrachte) Beschwerde vom 30.4.2004 behauptet zum Einen Verfahrensfehler und tritt zum Anderen ausführlich der Beweiswürdigung der belangten Behörde entgegen. Unter anderem verweist der Beschwerdeführer darauf, dass er sich schon seit langer Zeit an verschiedenen Orten versteckt aufgehalten habe und daher von einem verfolgungsfreien Aufenthalt im Heimatdorf bis Juni 2003 nicht gesprochen werden könne. Das während seiner Festnahme von ihm unterfertigte Dokument bilde die Grundlage für künftige Festnahmen. Auch stellte er richtig, nicht von Ramsan Kadyrow persönlich, sondern von seinen Leuten sowie von russischen Soldaten verfolgt zu werden.
In seiner Berufungs- bzw. Beschwerdeergänzung vom 25.2.2008 wiederholt der Beschwerdeführer nochmals seine Fluchtgründe und betont unter Anführung zahlreicher Berichte, dass keine innerstaatliche Fluchtalternative für ihn in der Russischen Föderation bestehe. Zudem würde ihm durch die Flucht ins Ausland eine russlandfeindliche Gesinnung und Verbindung mit dem Widerstand unterstellt; bei einer Rückkehr wäre der Beschwerdeführer und die ganze Familie vor Erpressungs- und Verfolgungshandlungen nicht mehr sicher.
3. Die mit dem angefochtenen Bescheid erstmals erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung wurde bis dato kontinuierlich verlängert. Zuletzt wurde die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung bis 23.8.2009 mit Bescheid vom 20.6.2008 damit begründet, dass noch alle Voraussetzungen für die Erteilung vorliegen würden. Die allgemeine Sicherheitslage habe sich seit dem Zeitpunkt der Gewährung des Refoulement-Schutzes noch nicht dahingehend geändert, dass eine Rückkehr in die Russische Föderation zumutbar wäre.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Folgender Sachverhalt wird festgestellt:
1.1 Zur Situation im Herkunftsland
Die belangte Behörde hat zur Situation in der Russischen Föderation aufgrund verschiedener Länderberichte unterschiedlichster Quellen Feststellungen getroffen, die dem Asylgerichtshof im vorliegenden Fall unbedenklich erscheinen und im Hinblick auf Personen, denen eine separatistische Tätigkeit - aus welchen Gründen immer - unterstellt wird, nichts an Aktualität verloren hat, weshalb er sich diesen Feststellungen anschließt.
1.2 Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsangehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Sein Vater kämpfte im ersten Tschetschenienkrieg auf der Seite der Separatisten und starb im Jahr 1994.
Im Jänner 2003 wurde der Beschwerdeführer vom russischen Militär misshandelt und verschleppt: Er wurde zuerst in Chankala und anschließend in Gudermes festgehalten. Bei der Festnahme wurde der Beschwerdeführer mit Vorwürfen konfrontiert, sein Vater habe viele Russen getötet. Der Beschwerdeführer sollte über den Standort des Grabes seines Vaters und jener der von ihm getöteten Russen ebenso Auskunft geben, wie über den Aufenthaltsort seines Onkels, der im (zweiten) Tschetschenien-Krieg kämpfe. Der Beschwerdeführer wurde mit Gummiknüppeln und am Hinterkopf mit Fäusten geschlagen und mit Stromschlägen gefoltert. Ferner hatte er ein Schriftstück, dessen Inhalt er nicht kennt, zu unterschreiben. Sein Großvater organisierte mit Hilfe der Dorfadministration seine Freilassung, wobei seine Familie insgesamt US-Dollar 2.000,-- bezahlte. Am 2.2.2003 wurde er freigelassen.
Bereits im März 2002 war der Beschwerdeführer für einen Zeitraum von ca. vierzig Tagen festgenommen worden und erst nach Zahlung eines Geldbetrages von US-Dollar 1.500,-- freigekommen. Am 2.6.2003 verließ der Beschwerdeführer die Russische Föderation in Richtung Österreich.
2. Die Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Identität und Nationalität stützen sich auf jene der belangten Behörde. Aus der Aktenlage ergeben sich daran keine Zweifel.
Hinsichtlich der weiteren Feststellungen über die Festnahmen und ihre Umstände und Gründe folgte der erkennende Senat den Angaben des Beschwerdeführers: Die belangte Behörde erachtete die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation aufgrund der Bürgerkriegssituation in Tschetschenien und der allgemeinen und wirtschaftlichen Lage sowie wegen des Fehlens von Anknüpfungspunkten außerhalb Tschetscheniens für unzulässig. Lediglich hinsichtlich der persönlichen Fluchtgründe wertete die belangte Behörde das Vorbringen als unglaubwürdig. Die diesbezügliche Begründung erschöpft sich darin, Voraussetzungen für die "Glaubhaftmachung" aufzustellen und sodann zu behaupten, der Beschwerdeführer stelle seine Verfolgungsbehauptung "nur allgemein in den Raum". Die wenigen angeführten Argumente gegen die Glaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe verweisen auf die Angabe einer falschen Identität und die Weiterreise nach Norwegen sowie auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer sich nach seiner Freilassung 2003 verfolgungsfrei in seinem Heimatdorf aufhalten habe können. Nun erscheint die Weiterreise des Beschwerdeführers schon für sich genommen nicht als derart starkes Indiz, um daraus die Unglaubwürdigkeit der vorgetragenen Fluchtgründe zu folgern; zudem hat der Beschwerdeführer - nach entsprechender Nachfrage - durchaus seine Beweggründe für die Weiterreise, nämlich Furcht vor Rückschiebung, dargelegt und darauf verwiesen, nach Betreten des Bundesgebietes in Schubhaft genommen worden zu sein.
Was den von der belangten Behörde angenommenen "verfolgungsfreien Aufenthalt" von Jänner 2003 bis zur Ausreise im Juni 2003 anbelangt, so ist dem Verwaltungsakt kein Hinweis zu entnehmen, der diese Annahme stützen würde. So wurde der Beschwerdeführer dazu auch nicht befragt. In dieser Hinsicht tritt der Beschwerdeführer der belangten Behörde in der Beschwerde auch massiv entgegen, bringt diesbezüglich Aktenwidrigkeit vor und behauptet, sich an verschiedenen Orten versteckt aufgehalten zu haben. Damit aber erweisen sich die von der belangten Behörde angeführten Argumente als nicht geeignet, die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zu begründen. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde bemerkt - überhaupt freigelassen wurde, ist kein taugliches Substrat, drohende weitere Verfolgungshandlungen in Abrede zu stellen.
3. Rechtlich folgt daraus:
3.1 Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom Asylgerichtshof (konkret: von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat) weiterzuführen.
3.2 Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen; § 44 AsylG 1997 gilt.
Das AsylG 1997 sieht in § 38 den unabhängigen Bundesasylsenat als Instanz für Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes vor; weder das AsylG 2005 noch das AsylGHG begründen eine Zuständigkeit des Asylgerichtshofes auch für Verfahren, die nach dem AsylG 1997 zu Ende zu führen sind. Die mit der Einrichtung des Asylgerichtshofes verbundenen Änderung in der Bundesverfassung (sowie im AsylG 2005) knüpfen stets an den Asylgerichtshof als (neues) Entscheidungsorgan an, ohne auf den Geltungsbereich der verschiedenen asylrechtlichen Gesetzeslagen Bezug zu nehmen (vgl. Art. 129c, 129e, 132a sowie Art. 151 Abs. 39 Z 1 und Z 5 B-VG). Daher ist davon auszugehen, dass der Asylgerichtshof in s ä m t l i c h e n Verfahren, somit auch in jenen Verfahren, die nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind, an die Stelle des unabhängigen Bundesasylsenates tritt. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).
3.3 Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).
3.4 Im vorliegenden Fall ist es dem Beschwerdeführer gelungen, (drohende) Verfolgung glaubhaft zu machen. Der Vater des Beschwerdeführers kämpfte und starb im ersten Tschetschenien-Krieg. Sein Onkel gilt als Kämpfer im zweiten Krieg. Der Beschwerdeführer wurde zweimal aufgrund dieses familiären Hintergrundes verschleppt und wochenlang festgehalten und misshandelt. Damit hat sich bereits gezeigt, dass dem Beschwerdeführer von den russischen Sicherheitskräften eine solche Nähe zu separatistischen Kreisen unterstellt wurde, die ihn auch künftig im Hinblick auf Misshandlungen als gefährdet erscheinen lässt. Er gehört zu einem Personenkreis, dem ein Naheverhältnis zum tschetschenischen Widerstand unterstellt wird und der deshalb von anti-separatistischen Aktionen gegen die Zivilbevölkerung besonders betroffen ist. Gemäß den vom erkennenden Senat übernommenen Länderfeststellungen der belangten Behörde ist weiterhin von Einzelaktionen staatlicher Sicherheitskräfte vor allem gegen Personen auszugehen, denen separatistische bzw. terroristische Aktivitäten zuzurechnen sind oder zumindest unterstellt werden.
Deshalb ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Behörden dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr besondere Aufmerksamkeit widmen würden. Die (befürchtete) Verfolgung knüpft an die (unterstellte) politische Gesinnung des Verfolgten an. Dass keine inländische Fluchtalternative besteht, nimmt die belangte Behörde implizit durch den Spruchpunkt II. an.
Im vorliegenden Fall ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes ihres Herkunftsstaates zu bedienen. Im Verfahren sind weder Ausschluss- noch Endigungsgründe iSd Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK hervorgekommen.
4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur außer Kraft getretenen Regelung des Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG war der Sachverhalt der Sachverhalt nicht als geklärt anzusehen, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (VwGH 2.3.2006, 2003/20/0317 mit Hinweisen auf VwGH 23.1.2003, 2002/20/0533; 12.6.2003, 2002/20/0336). Gemäß dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Asylgerichtshof unterbleiben, da der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen war.