C8 315748-1/2008/4E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Felseisen als Vorsitzenden und der Richterin Dr. Hat als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Fr. Bernold über die Beschwerde des S.H. geb. 00.00.1981, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.10.2007, FZ 07 05.129-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde des S.H. welche vom rechtsfreundlichen Vertreter, Rechtsanwalt Dr. Lennart Binder vom 12.11.2007 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.10. 2007, Zl. 07 05.129-BAW, eingebracht wurde, wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang:
Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 5.6.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er wurde noch am selben Tag einer Erstbefragung durch Organe der Grenzpolizeiinspektion Marchegg unterzogen und am 18.06.2007 und 28.08.2007 in der Erstaufnahmestelle Ost niederschriftlich einvernommen.
In der Niederschrift vom 5.6.2007 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er Mitglied der Congress Party sei und von der Polizei verfolgt werde.
Am 18.6.2007 führte der Beschwerdeführer in der Einvernahme der EAST Ost aus, dass sein Vater Mitglied der "Congress Party" sei. Es sei oft vorgekommen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Vater im Dorf mit den derzeit amtierenden Mitgliedern der Akali Dal Partei gestritten habe. Sein Vater habe beschlossen ihn wegzuschicken, da er der einzige Sohn der Familie sei.
Im Rahmen der Einvernahme vom 28.08.2007 führte der Beschwerdeführer hinsichtlich dem Verhältnis zur Akali Dal Partei aus, dass die Mitglieder dieser Partei, die Mitglieder der Congress Partei und umgekehrt Mitglieder der Congress Partei die Akali Dal Mitglieder schlagen würden. Seine Eltern hätten daher Angst gehabt, dass er im Zuge dieser Streitereien umgebracht werden würde und hätten ihn daher ins Ausland geschickt, damit er dort in Sicherheit sei.
Er selbst sei zweimal geschlagen worden. Das erste Mal sei dies seiner Erinnerung nach Ende 2006 bzw. Anfang 2007 gewesen. 10 Tage später sei der zweite Streit gewesen.
Im Gegensatz zur ersten Niederschrift gab der Beschwerdeführer in der zweiten Einvernahme der Erstaufnahmestelle EAST an, dass er in seinem Heimatstadt nie Probleme mit den dortigen Behörden bzw. Organen gehabt habe.
In der Zeit vom zweiten Vorfall bis zur Ausreise am 1.4.2007 habe er keine Probleme mehr gehabt, da er bei seiner Schwester K.K.. welche ca. 40 Kilometer von seinem Heimatdorf entfernt ist, gelebt habe.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.10.2007 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt II gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG der Status des subsidiären Schutzberechtigten im Bezug auf seinen Herkunftsstaat nicht zuerkannt. In Spruchpunkt III wurde er gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.
Die Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen wurden als nicht glaubwürdig gewertet (Seiten 139 ff des Erstbescheides):
Die Angaben des Beschwerdeführers würden nicht nur im Allgemeinen, sondern auch im gegenständlichen Fall nicht der in Indien herrschenden Realität entsprechen. So würden u.a. die Schmiergeldzahlungen an die Polizei im Zusammenhang mit der politischen Einflussnahme bezweifelt, als diese im Falle des tatsächlichen Bestehens öffentlichkeitswirksam durch Bekanntgabe der unabhängigen Presse bekämpft hätten werden können und andererseits sich auch die Polizisten bei einer widerrechtlichen Handlung im Hinblick des funktionierenden Rechtsschutzes in Indien der Gefahr einer entsprechenden Sanktion ausgesetzt hätten.
Darüber hinaus hätte der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Verfolger widersprüchliche Angaben gemacht. So wäre er anfänglich von der Polizei bzw. Regierung, später von Mitgliedern der Alkali Dal Partei verfolgt worden.
Unabhängig davon habe der Antragsteller selbst eingestanden, dass es ihm möglich gewesen wäre, sich bei seiner von seinem Wohnort 40 Kilometer entfernten Schwester problemlos aufzuhalten.
Zu Spruchpunkt II führte das Bundesasylamt aus, dass aufgrund der mangelnden Glaubhaftmachung der Fluchtgründe auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgegangen werden könne. Aufgrund der getroffenen Feststellungen könne ferner nicht davon gesprochen werden, dass in Indien eine nicht sanktionierte ständige Praxis grober, offenkundiger und massenhafter Menschenrechtsverletzungen herrschen würde. Auch haben sich keine in der Person des Beschwerdeführers liegende Gründe ergeben, welche der Abschiebung iSd § 8 AsylG entgegenstehen könnten. Unabhängig davon stehe dem Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat in jedem Fall eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Es sei darüber hinaus nicht ersichtlich, warum der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt nicht wieder durch Arbeiten in der Landwirtschaft, welche er vor seiner Ausreise getätigt habe, bestreiten könne.
Zu Spruchpunkt III legte die Erstbehörde dar, dass der Beschwerdeführer über keine familiären Beziehungen in Österreich verfüge und auch sonst keine Gründe vorliegen würden, welche für eine Aufenthaltsverfestigung in Österreich sprechen würden.
Dagegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Berufung (nunmehr: Beschwerde).
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.
Über diese Beschwerde hat der Asylgerichtshof in nicht öffentlicher Sitzung wie folgt erwogen:
1. Anzuwenden war das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.
Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.
2. Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der Beschwerdeführer ist trotz zweier Ladungen zum persönlichen Erscheinen für den 4.09.2007 und für den 2.10.2007 unentschuldigt nicht erschienen. Zuvor ist der Beschwerdeführer allerdings von der Grenzkontrollinspektion Marchegg und der Erstaufnahmestelle Ost zweimal konkret und ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt worden. Der festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid.
Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.
In der Beschwerde werden den individuellen Ausführungen des Bundesasylamtes in Bezug auf die fehlende Glaubwürdigkeit des Vorbringens keine Argumente entgegengesetzt bzw. wird kein substantiiertes Beweisanbot getätigt, welches Anlass zu weiteren Ermittlungen der Berufungsbehörde geboten hätte. Im Schriftsatz vom 12.11.2007 wird vielmehr die in der Niederschrift vom 28.08.2007 festgehaltene Auseinandersetzung zwischen den Mitgliedern der Akali Dal Party und der Congress Party wiederholt. Ebenso wird nochmals hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer geschlagen und massiv bedroht worden sei.
3. Hinsichtlich der länderkundlichen Feststellungen ist anzumerken, dass das Bundesasylamt diese insbesondere auf die Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes und dem U.K. Home Office gestützt hat. Zu aktuelleren Berichten haben sich keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben und stellt sich - wie sich der Asylgerichtshof durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage versichert hat - die Lage in Indien seit Jahren im Wesentlichen unverändert dar.
Der Asylgerichtshof geht wie bereits die Behörde erster Instanz davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zum Fluchtgrund nicht glaubhaft ist; dies ergibt sich insbesondere aufgrund der widersprüchlichen Vorbringen hinsichtlich der Verfolger des Beschwerdeführers. So gibt der Beschwerdeführer in der Niederschrift vom 5.6.2007 noch an, dass er als Mitglied der Congress Party von der Regierung und der Polizei verfolgt werden würde, während er in den darauffolgenden Einvernahmen auf ausdrückliches Befragen Probleme mit den dortigen Behörden bzw. Organen verneint und statt dessen angibt von den Mitgliedern der Akali Dal Partei geschlagen zu werden.
Auf ausdrückliches Befragen dieses Widerspruches führt der Beschwerdeführer lediglich an, dass er politische Probleme hätte. Im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland würde der Streit wieder beginnen.
Das unterschiedliche Vorbringen eines Personenkreises, welche den Beschwerdeführer verfolgt haben sollen, erscheint insofern als nicht nachvollziehbar, als man im Falle einer Verfolgung im Regelfall davon ausgehen kann, dass dem Verfolgten bei einem derartig eklatanten Eingriff in die persönliche Sphäre der Täterkreis an sich bekannt ist. Es macht insofern doch einen wesentlichen Unterschied aus, ob jemand von Zivilisten oder Organen des Staates (Polizei) verfolgt wird. Aus dem vorliegenden Sachverhalt lässt sich kein plausibler Grund erkennen, weshalb der Beschwerdeführer die unterschiedlichen Personengruppen verwechselt haben könnte.
Wenngleich sich aus den Länderfeststellungen ergibt, dass in Indien die unteren Instanzen der Justiz bzw. die Polizei nicht durchgehend frei von Bestechungen sind, so kann daraus im gegenständlichen Fall nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass die Akali Dal Mitglieder auf Grund einer Bestechung, wie der Beschwerdeführer behauptet, freigelassen worden sein sollen. Es erscheint in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht unüblich, dass die einer Körperverletzung beschuldigten Personen nicht die gesamte Dauer des Ermittlungsverfahrens in Haft verbringen müssen, wenn nicht eine entsprechende Flucht-, bzw. Verdunkelungsgefahr besteht, zumal es sich nach Angabe des Beschwerdeführers bei den vorgebrachten Vorfällen um Handgreiflichkeiten ohne augenscheinliche Verletzungen gehandelt haben soll.
Unabhängig davon ist - wie die Erstbehörde richtig festgestellt hat - unter der Annahme, dass hinsichtlich der Verfolgung des Beschwerdeführers von Seiten von Parteimitgliedern ein wahrer Kern bestehen sollte, anzumerken, dass es sich bei diesem Konflikt um ein sehr lokal beschränktes Interesse von lokalen Parteimitgliedern der Akali Dal handelt. Der Antragsteller hat selbst angegeben, dass er sich vom Zeitpunkt des Tages, an welchen er zum zweiten Mal von gegnerischen Parteimitgliedern zusammengeschlagen wurde, bei seiner Schwester im 40 km entfernten Dorf P. seines Heimatortes ohne weitere Probleme aufgehalten hat. Unter der Annahme, dass sich dieser Vorfall ca. Ende Dezember bzw. Ende Jänner zugetragen haben soll, hätte der Beschwerdeführer bis zu seinem Flug von Indien nach Moskau ca. drei bis vier Monate problemlos in Indien gelebt.
Weitere Verfolgungen sind offenbar auszuschließen gewesen, als sich der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben ansonsten nicht ohne weitere Probleme ca. drei bis vier Monate in der Nähe seines Heimatortes aufhalten hätte können.
Anzumerken bleibt in diesem Zusammenhang auch, dass wie sich aus der Niederschrift vom 4.4.2007 unzweideutig ergibt, dass die Initiative Indien Anfang April 2007 zu verlassen, offenbar auf einem Entschluss des Vaters des Beschwerdeführers beruhte, welchen sich der Beschwerdeführer in der Folge offenbar angeschlossen hat.
Dem Bundesasylamt ist ferner dahingehend zuzustimmen, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr Gefahr liefe, in Indien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden und daher kein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG vorliegt. Auch besteht in Indien bezogen auf den Gesamtstaat derzeit keine exzeptionelle Situation, wodurch eine Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK gegeben wäre. Eine ausnahmsweise andere Situation hat der Beschwerdeführer nicht belegen können. Ebenso wenig sind auf die Person des Beschwerdeführers bezogene "außergewöhnliche Umstände" ersichtlich. Eine schwere Krankheit oder ein sonstiger Hinweis auf eine besondere Vulnerabilität des Beschwerdeführers sind im Asylverfahren nicht hervorgekommen.
Auch die Ausweisungsentscheidung in Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides ist zu bestätigen. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte, die Eltern bzw. Geschwister leben in der Heimatstadt L. in Indien. Hinweise auf eine sonstige außergewöhnliche Integration in Österreich sind nicht erkennbar, dies auch unter Berücksichtigung der zum Entscheidungszeitpunkt gut mehr als einjährigen Aufenthaltsdauer (vgl. VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479 wonach ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet regelmäßig keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet und jüngst zur Interessensabwägung zwischen Privatleben und öffentlichem Interesse EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).
4. Der Sachverhalt ist zusammengefasst, wie dargestellt, aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde, geklärt (entspricht der bisherigen Judikatur zu § 67d AVG) und sind somit schon aus diesem Grund die Voraussetzungen des § 41 Abs 7 AsylG verwirklicht, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.