TE Vfgh Erkenntnis 1998/6/25 B1548/97

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Veröffentlicht am 25.06.1998
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art118 Abs2
B-VG Art118 Abs4
Nö Gewerbe- und Industrie-Raumordnungsprogramm. LGBl 8000/28-0 §3
Nö Gewerbe- und Industrie-Raumordnungsprogramm. LGBl 8000/28-0 §5
Nö ROG 1976 §21 Abs6
Nö ROG 1976 §22

Leitsatz

Verletzung einer Gemeinde im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Gleichheitsrecht durch Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung der Änderung eines örtlichen Raumordnungsprogrammes betreffend die Umwidmung von Grundstücken von Grünland-Landwirtschaft in Bauland-Betriebsgebiet; keine Verletzung im Selbstverwaltungsrecht; keine Bedenken gegen Bestimmungen des Nö Gewerbe- und Industrie-Raumordnungsprogrammes; kein ausdrückliches Verbot für Nicht-Standort-Gemeinden, bei der Widmung von Betriebsgebiet auf einen über die Gemeinde hinausreichenden Arbeitsplätzebedarf Bedacht zu nehmen

Spruch

Die beschwerdeführende Gemeinde ist durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Gemeinde zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde beschloß am 19. Juni 1996 (TOP 12) die 2. Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes in den Katastralgemeinden Asparn und Langenrohr. In dieser Änderung war die Umwidmung von Grundstücken von Grünland-Landwirtschaft in Bauland-Betriebsgebiet in der KG Asparn im Flächenausmaß von ca. 5,6 ha und in der KG Langenrohr im Flächenausmaß von 2750 m2 vorgesehen.

2. Am 10. Juli 1996 beantragte die beschwerdeführende Gemeinde bei der Niederösterreichischen Landesregierung, dieser Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu erteilen.

3. Mit Bescheid vom 7. Mai 1997, Z RU1-R-334/017, versagte die belangte Behörde gemäß §21 Abs5 Z1 und Abs9 iVm §22 Abs3 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-11, die aufsichtsbehördliche Genehmigung der beabsichtigten Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird nach der Wiedergabe des Wortlautes des §5 Abs2 und 3 des NÖ Gewerbe- und Industrie-Raumordnungsprogrammes, LGBl. 8000/28-0, (im folgenden: GuI-ROP) darauf verwiesen, daß in der Marktgemeinde Langenrohr die Festlegung der Widmungs- und Nutzungsart "Bauland-Betriebsgebiet" nur insoweit zulässig sei, als es für die Deckung des örtlichen Arbeitsplätzebedarfes erforderlich sei.

Im örtlichen Raumordnungsprogramm aus dem Jahre 1993 habe die Marktgemeinde Langenrohr bereits die für die Deckung des örtlichen Arbeitsplätzebedarfes erforderlichen Betriebsgebiete ausgewiesen. Die nunmehr beantragte Erweiterung um ca. 5,9 ha widerspreche somit der Bestimmung des §5 Abs3 des GuI-ROP.

Der Gemeinderat habe die Gesetzmäßigkeit seines Antrages damit begründet, daß kein Widerspruch zum Gewerbe- und Industrie-Raumordnungsprogramm vorliegt, da dieses kein explizites Verbot der Ausweisung von Betriebsgebiet über den örtlichen Bedarf hinaus in allgemeinen Standorten enthalte.

Dem sei §5 Abs3 dieses Raumordnungsprogrammes entgegenzuhalten, wonach Gemeinden, die kein Standort gemäß §3 sind, in ihrem Flächenwidmungsplan die Nutzungsart "Industriegebiet" unter den in dieser Bestimmung genannten Parametern festlegen können.

Im gegenständlichen Fall sollte aber die Ausweisung der Nutzungsart "Betriebsgebiet" erfolgen, die jedoch in der vorgenannten Bestimmung keine Deckung finde.

Daraus ergebe sich der Versagungsgrund nach §21 Abs6 Z1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-11.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Selbstverwaltung, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

5. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde abzuweisen und legte über Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof die Akten betreffend das Zustandekommen des Niederösterreichischen Gewerbe- und Industrie-Raumordnungsprogrammes, LGBl. 8000/28-0, vor.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß §22 Abs3 iVm §21 Abs6 NÖ ROG 1976, LGBl. 8000-11 (im folgenden: NÖ ROG), bedarf die Änderung des örtlichen Raumordnungsplanes der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung ist ua. zu versagen, wenn die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes einem überörtlichen Raumordnungsprogramm oder anderen rechtswirksamen überörtlichen Planungen widerspricht.

Gemäß §3 Abs1 NÖ ROG hat die Landesregierung durch Verordnung Raumordnungsprogramme aufzustellen, und zwar gemäß §3 Abs3 leg. cit. für das gesamte Landesgebiet, für eine Region sowie für Sachbereiche der Raumordnung.

Für den Sachbereich "Gewerbe und Industrie" hat die Niederösterreichische Landesregierung mit Verordnung vom 28. Juli 1992, LGBl. 8000/28-0, das "NÖ Gewerbe- und Industrie-Raumordnungsprogramm" erlassen, dessen §5 lautet:

"§5

Flächenwidmung

(1) Die Nutzungsarten 'Betriebsgebiet' und/oder 'Industriegebiet' sollen im Flächenwidmungsplan so festgelegt werden, daß

1. die Ausnützung der bestehenden Grundausstattung der Gemeinden gewährleistet wird und die Schaffung

zusätzlicher Grundausstattung auf die wirtschaftlichste Weise möglich ist und

2. größtmögliche räumliche Konzentrationen der Betriebe des produzierenden Gewerbes und der Industrie innerhalb der Gemeinde erreicht werden.

(2) Bei der Festlegung der Nutzungsarten 'Betriebsgebiet' und/oder 'Industriegebiet' im Flächenwidmungsplan der Gemeinden, welche Standorte gemäß §3 sind, soll auf das Flächenausmaß Bedacht genommen werden, das für die Deckung des Arbeitsplätzebedarfs eines über die Gemeinde hinausreichenden Einzugsbereiches oder für Umsiedlungen bestehender Betriebe erforderlich ist.

(3) Grundsätzlich darf eine Gemeinde die Nutzungsart 'Industriegebiet' im Flächenwidmungsplan nur dann festlegen, wenn sie als Standort gemäß §3 ausgewiesen ist. Eine Gemeinde, die kein Standort gemäß §3 ist, darf in ihrem Flächenwidmungsplan die Nutzungsart 'Industriegebiet' jedoch dann festlegen, wenn keine überörtlichen Interessen, insbesondere in den Bereichen Natur- und Landschaftsschutz sowie Erholung und Tourismus, dem entgegenstehen."

§3 des GuI-ROP lautet:

"§3

Standorte und Standortzonen

(1) Standorte sind

Gemeinden, die aufgrund ihrer Verkehrslage, ihrer Infrastrukturausstattung und/oder ihre Arbeitskräfteangebotes für industriell-gewerbliche Betriebsansiedlungen besonders geeignet sind,

Gemeinden, in denen die Erhaltung oder Umsiedlung wettbewerbsfähiger bestehender Betriebe, die Beseitigung einer einseitigen Branchenstruktur oder die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen erreicht werden

soll, sowie

Gemeinden mit größeren brachliegenden ehemaligen Industrieflächen, die für neuerliche Betriebsansiedlungen geeignet sind.

(2) Die räumliche Anordnung der Standorte innerhalb des Landesgebietes besteht in Form von

1. einzelnen Standorten, das sind schon vorhandene oder noch zu entwickelnde Arbeitsplatzzentren, welche von den Gemeinden ihrer Umgebung gut erreichbar sein

sollen, und von

2. Standortzonen, das sind Bereiche im Umland von Wien oder von anderen größeren Zentren sowie entlang

wichtiger Verkehrsachsen, welche mehrere zueinander in geringer Entfernung liegende Standorte mit einer annähernd gleichwertigen Eignung für Betriebsansiedlungen umfassen.

(3) Die Einstufung der Gemeinden als Standorte sowie ihre Zuordnung zu bestimmten Standortzonen ergibt sich aus der Anlage."

Die Gemeinde Langenrohr ist in der Anlage zu dieser Verordnung nicht als Standort gemäß §3 angeführt.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 7459/1974, 7568/1975, 7972/1976, 8150/1977, 9156/1981, 9943/1984, 10635/1985) liegt eine Verletzung des der Gemeinde verfassungsgesetzlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrechtes nur dann und insoweit vor, als eine staatliche Behörde eine Maßnahme trifft, mit der das Recht der Gemeinde auf Besorgung einer bestimmten Angelegenheit im eigenen Wirkungsbereich schlechthin verneint wird. In Abkehr von der noch in VfSlg. 6857/1972 vertretenen Auffassung ist der Verfassungsgerichtshof seit seinem Erkenntnis VfSlg. 7459/1974 der Meinung, daß mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Einschränkung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinde durch das dem Bund und dem Land zustehende Aufsichtsrecht (Art118 Abs4 B-VG) eine lediglich gesetzwidrige Ausübung des Aufsichtsrechtes noch keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrechtes bedeutet, zumal die Gemeinde gemäß Art119a Abs9 B-VG die Möglichkeit besitzt, eine derartige Rechtswidrigkeit des aufsichtsbehördlichen Bescheides vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art131 B-VG geltend zu machen (VfSlg. 11633/1988).

Die Versagung der Genehmigung des örtlichen Raumordnungsprogrammes würde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Selbstverwaltung sohin nur dann verletzen, wenn der belangten Behörde der Vorwurf der Verneinung des Selbstverwaltungsrechtes gemacht werden müßte (VfSlg. 9156/1981, 11633/1988). Ein solcher Fall liegt jedoch hier nicht vor.

3. Mit Rücksicht auf die den Gemeinden in Art119 a Abs9 B-VG ausdrücklich eingeräumte Beschwerdebefugnis nach Art144 B-VG ist aber auch die Beschwerde gegen einen aufsichtsbehördlichen Bescheid wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm zulässig (VfSlg. 11633/1988).

3.1. Diesbezüglich bringt die Beschwerde vor, der Verordnungsgeber sei verpflichtet, auf wesentliche Veränderungen der Planungsgrundlagen durch Änderung seines Raumordnungsprogrammes zu reagieren. Seit Erlassung des Raumordnungsprogrammes seien durch neue Infrastrukturprojekte, wie die neue Donaubrücke bei Tulln, die Südumfahrung von Tulln sowie die neue Hochleistungseisenbahntrasse Wien-St.Pölten (mit einem Regionalbahnhof "Tullnerfeld" am südlichen Ortsrand von Langenrohr) die Planungsgrundlage sowohl für die regionale als auch für die kommunale Wirtschaftsentwicklung nachhaltig verändert worden. Diese Veränderungen hätten dazu führen müssen, daß die beschwerdeführende Gemeinde als Standort iSd §3 GuI-ROP ausgewiesen werde, wie dies auch im Entwurf einer Novelle aus 1993 vorgesehen gewesen sei.

Die unterlassene Adaption des GuI-ROP an die geänderten tatsächlichen Verhältnisse hätten zur Invalidation dieses Raumordnungsplanes geführt.

3.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt die von der Beschwerde vorgetragenen Bedenken gegen §5 Abs2 und 3 iVm §3 leg. cit. aus folgenden Gründen nicht:

Eine Verpflichtung zur laufenden Überprüfung des Kataloges der Standorte gemäß §3 würde allenfalls dann bestehen, wenn §5 Abs2 und 3 dieser Verordnung gegenüber Gemeinden, die keine Standorte gemäß §3 sind, eine Sperrwirkung in dem Sinn entfaltete, daß die Gemeinde Betriebsgebiet nur insoweit ausweisen dürfte, als es für die Deckung des örtlichen Arbeitsplätzebedarfes erforderlich ist.

Eine derart einschränkende Wirkung ist jedoch den genannten Bestimmungen des §5 Abs2 und 3 GuI-ROP nicht beizumessen.

Der Wortlaut des §5 Abs2 GuI-ROP enthält kein ausdrückliches Verbot für Gemeinden, die keine §3-Standorte sind, bei der Ausweisung von "Betriebsgebiet" auf ein Flächenausmaß Bedacht zu nehmen, das für die Deckung des Arbeitsplätzebedarfes eines über die Gemeinde hinausreichenden Einzugsbereiches erforderlich ist.

Vielmehr trifft diese Bestimmung nur eine Aussage bezüglich der §3-Standortgemeinden, wobei die Formulierung: "Bei der Festlegung der Nutzungsart ... soll ... auf ... Bedacht genommen

werden" (im Vergleich mit: "darf ... nur ... " in §5 Abs3) den Schluß nahelegt, daß der Verordnungsgeber eine die Gemeinde bei Erlassung des Flächenwidmungsplanes bindende und im Falle der Nichteinhaltung zur Versagung der aufsichtsbehördlichen Bewilligung führende Anordnung vermeiden wollte. Dazu kommt, daß die Bedachtnahme auf einen "über die Gemeinde hinausreichenden Einzugsbereich" offen läßt, wie weit der Kreis des Einzugsbereichs zu ziehen ist, was ebenfalls gegen eine die Gemeinde bindende Anordnung spricht.

Dieses Interpretationsergebnis wird aber auch durch einen Vergleich von §5 Abs2 mit §5 Abs3 GuI-ROP gestützt: Im §5 Abs3 GuI-ROP wird für das Industriegebiet ausdrücklich der Grundsatz festgelegt, daß nur in §3-Standortgemeinden "Industriegebiet" gewidmet werden darf; ebenfalls ausdrücklich normiert wird für Gemeinden, die keine §3 Standort-Gemeinden sind, nur unter bestimmten Voraussetzungen Industriegebiet widmen zu dürfen.

Eine derartige ausdrückliche Regelung (hinsichtlich der Betriebsgebietswidmung) fehlt aber im §5 Abs2 GuI-ROP für jene Gemeinden, die keine §3-Standortgemeinden sind, sodaß es der belangten Behörde verwehrt war, aus §5 Abs2 GuI-ROP im Umkehrschluß abzuleiten, die beschwerdeführende Gemeinde dürfe bei der Widmung von Betriebsgebiet auf einen über die Gemeinde hinausreichenden Arbeitsplätzebedarf nicht Bedacht nehmen.

Für diese Auslegung spricht schließlich auch noch die Entstehungsgeschichte des derzeit geltenden GuI-ROP, die zeigt, daß in vergleichbaren früheren Regelungen des GuI-ROP eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Betriebsgebietswidmung für Allgemeine Standortgemeinden und für andere Gemeinden als Ausbau- und Eignungsstandorte enthalten war, dies allerdings ebenfalls mit der vagen Formulierung "Bei der Ausweisung von Betriebsgebiet ... soll ... Bedacht genommen werden".

Die dem §5 Abs2 GuI-ROP vergleichbare Vorgängerregelung des §9 Z2 des GuI-ROP vom 2. Dezember 1975, das zwischen Allgemeinen Standorten, Eignungsstandorten und Ausbaustandorten unterschied, lautete:

"Bei der Ausweisung von Betriebs- und Industriegebieten in Allgemeinen Standorten soll auf das Flächenausmaß Bedacht genommen werden, das für die Deckung des Arbeitsplätzebedarfes der Gemeinde erforderlich ist. Bei der Ausweisung von Betriebs- und Industriegebieten in Eignungs- und Ausbaustandorten soll auf das Flächenausmaß Bedacht genommen werden, das für die Deckung des Arbeitskräftebedarfs eines über die Gemeinde hinausreichenden Einzugsbereiches erforderlich ist."

§9 Abs2 des GuI-ROP vom 24. November 1981, das die Gemeinden in Ausbaustandorte 1. bis 3. Ordnung sowie in Eignungsstandorte

1. und 2. Ordnung einteilte, lautete:

"Bei der Ausweisung von Betriebs- und/oder Industriegebieten im Flächenwidmungsplan soll auf das Flächenausmaß Bedacht genommen werden, das für die Deckung des Arbeitsplätzebedarfes der Gemeinde erforderlich ist. In Ausbaustandorten 1. Ordnung sollen Betriebs- und/oder Industriegebiete im Ausmaß von mindestens 3 ha, in solchen 2. Ordnung von mindestens 1 bis 3 ha, in solchen 3. Ordnung von mindestens 1 ha kurzfristig verfügbar vorhanden sein. Bei der Ausweisung von Betriebs- und/oder Industriegebieten in Eignungsstandorten soll auf das Flächenausmaß Bedacht genommen werden, das für die Deckung des Arbeitskräftebedarfs eines über die Gemeinde hinausreichenden Einzugsbereiches oder für die Umsiedlungen bestehender Betriebe erforderlich ist."

Die Entstehungsgeschichte des §5 Abs2 GuI-ROP legt ebenfalls den Schluß nahe, daß der Verordnungsgeber zumindest seit dem GuI-ROP vom 28. Juli 1992 auf eine die §3-Standortgemeinden bei der Betriebsgebietsausweisung bindende Regelung verzichtet hat, da er die in den Vorgängerregelungen enthaltenen Aussagen über die Bedachtnahme auf das Flächenausmaß, das für die Deckung des Arbeitsplätzebedarfs der Gemeinde erforderlich ist, nicht mehr vorsieht.

Hätte der Verordnungsgeber ein ausdrückliches Verbot, auf einen überörtlichen Einzugsbereich Bedacht zu nehmen, gewollt, so hätte er dies ausdrücklich regeln müssen.

Der Verzicht auf eine Bindung jener Gemeinden, die kein §3-Standort sind, ist schließlich auch im Lichte der folgenden Regelungen des GuI-ROP zu sehen:

Gemäß §6 GuI-ROP darf das Land in Gemeinden, die in der Anlage als Standorte ausgewiesen sind, die Bereitstellung und die Aufschließung von Betriebsgebieten und/oder Industriegebieten fördern. §7 regelt die Werbung, Information und Beratung von Investoren, wobei sich die Standortberatung des Landes gemäß §7 Abs3 in ihrer Tätigkeit u.a. von den Bestimmungen des §5 leiten zu lassen hat.

Auch dieser Zusammenhang spricht dafür, daß §5 Abs2 GuI-ROP keine die Gemeinde bindende Anordnung enthält, sondern seine Wirkung in Verbindung mit den vom Land zu treffenden Förderungsmaßnahmen entfaltet.

Der Verfassungsgerichtshof hegt daher weder unter dem Blickwinkel der von der Beschwerde vorgetragenen Argumente noch unter anderen Gesichtspunkten Bedenken gegen die angewendeten Rechtsvorschriften.

4. Die Beschwerde behauptet weiters die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil sich die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung nicht nur auf TOP 12 der Gemeinderatssitzung vom 19. Juni 1996 (2. Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes), sondern auch auf TOP 13 (3. Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes) bezieht, wobei die 3. Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes bereits aufsichtsbehördlich genehmigt worden sei.

Über Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof hat die belangte Behörde bestätigt, daß die 3. Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes (Top 13 der Gemeinderatssitzung vom 19. Juni 1996) bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. September 1996, Z R/1-R-334/018, aufsichtsbehördlich genehmigt wurde.

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987, 13280/1992).

Der belangten Behörde kam daher infolge res iudicata keine Zuständigkeit mehr zu, die aufsichtsbehördliche Genehmigung der Verordnung des Gemeinderates vom 19. Juni 1996, TOP 13 zu versagen. Der angefochtene Bescheid hat die beschwerdeführende Gemeinde insofern im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

5. Die Beschwerde behauptet schließlich eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

Wie bereits oben ausgeführt, hat die belangte Behörde die sich aus §5 Abs2 des GuI-ROP ergebende Rechtslage in einem wesentlichen Punkt verkannt.

Gleiches trifft aber auch auf jene Schlüsse zu, die die belangte Behörde aus §5 Abs3 GuI-ROP gezogen hat:

Aus dem Fehlen der Nutzungsart "Betriebsgebiet" im §5 Abs3 leg. cit. kann nicht der - ebenfalls vom angefochtenen Bescheid vertretene - Schluß gezogen werden, die Ausweisung der Nutzungsart "Betriebsgebiet" finde "in der vorgenannten Bestimmung keine Deckung".

Denn einerseits regelt §5 Abs3 GuI-ROP nicht die Festlegung der Nutzungsart "Betriebsgebiet", sondern jene der Nutzungsart "Industriegebiet", andererseits kann aus dem Schweigen des Verordnungsgebers nicht auf ein Verbot der Ausweisung von Betriebsgebieten geschlossen werden. Eine solche Interpretation - die vom Gedanken getragen scheint, die Gemeinde dürfe nur jene Nutzungsart vorsehen, die das überörtliche Raumordnungsprogramm ihr auszuweisen ausdrücklich erlaubt - verbietet sich vor dem Hintergrund des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrechtes der Gemeinde.

Die belangte Behörde hat daher bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Rechtslage in einer Weise verkannt, daß von einem (objektiv) willkürlichen Vorgehen gesprochen werden muß.

Der bekämpfte Bescheid war daher zur Gänze aufzuheben.

III.           Die Kostenentscheidung

stützt sich auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,- enthalten.

IV.                                    Dies konnte gemäß §19

Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Gemeinderecht, Selbstverwaltungsrecht, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Genehmigung (für Gemeindeverordnung), Raumordnung, Flächenwidmungsplan, res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B1548.1997

Dokumentnummer

JFT_10019375_97B01548_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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