S3 401.273-1/2008/5E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Einzelrichter über die Beschwerde von A.A. geb. unbekannt alias 00.00.1992 alias 00.00.1985, StA. Marokko, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.08.2008, GZ 08 03.501-EAST West, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 5 und § 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides lautet:
Sie werden gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Der Beschwerdeführer brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.04.2008 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.
Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.04.2008 führte der Beschwerdeführer zu seiner Reiseroute aus, er habe vermutlich am 15.04.2008 in Casablanca einen LKW bestiegen, dieser sei auf ein Schiff gefahren. Wo das Schiff angelegt habe, wisse er nicht. Der LKW habe dann das Schiff verlassen und erst nach drei Tagen gehalten. Beim Verlassen des LKWs habe er nicht gewusst, dass er in Österreich sei. Er sei dann circa drei Stunden herum gegangen, bis er zufällig einen Marokkaner getroffen habe. Dieser habe ihm empfohlen, zum Flüchtlingslager nach Traiskirchen zu gehen. Er habe ihn eine Nacht bei sich schlafen lassen und ihm auch Kleidung gegeben. Dann habe er ihm eine Fahrkarte für die Badner-Bahn nach Traiskirchen gekauft, wo er am 20.04.2008 angekommen sei, um einen Asylantrag zu stellen.
Das Bundesasylamt richtete am 30.04.2008 ein auf Art. 21 Dublin-Verordnung gestütztes Informationsersuchen an Italien, weil beim Beschwerdeführer eine Seite eines italienischen Magazins sowie Rechnungsbelege aus Mailand gefunden wurden.
Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 30.04.2008 wiederholte der Beschwerdeführer seinen bereits vorgebrachten Reiseweg. Auf den Vorhalt, dass man eine italienische Zeitschrift und italienische Rechnungen bei ihm gefunden habe, gab der Beschwerdeführer an, dass sich diese Sachen bereits in der Hose, die er von dem Marokkaner bekommen habe, befunden hätten. Der Beschwerdeführer sei nicht in Italien gewesen.
Am 06.05.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 mitgeteilt, dass die 20-Tages-Frist nicht mehr gelte, weil seit dem 30.04.2008 Konsultationen nach der Dublin-Verordnung mit Italien geführt würden.
Mit Schreiben vom 15.05.2008 kam Italien dem Informationsersuchen nach Art. 21 Dublin-Verordnung nach und teilte mit, dass dem Beschwerdeführer unter dem Nationale A. N., geb. 00.00.1985, am 12.03.2008 Fingerabdrücke abgenommen worden seien.
Laut einem medizinischen Sachverständigengutachten vom 15.05.2008 wurde das Alter des Beschwerdeführers mit 24 bis 26 Jahre eingeschätzt.
Das Bundesasylamt richtete am 27.05.2008 ein auf Art. 10 Abs. 1 Dublin-Verordnung gestütztes Aufnahmeersuchen an Italien.
Mit Schreiben vom 29.05.2008, welches am 03.06.2008 wegen des unbekannten Aufenthaltes des Beschwerdeführers durch Hinterlegung im Akt zugestellt wurde, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass seit 27.05.2008 Konsultationen mit Italien geführt würden und deshalb beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen.
Mit Schreiben vom 29.07.2008 teilte Österreich gegenüber Italien mit, dass Italien nicht fristgerecht auf das Aufnahmeersuchen geantwortet habe und deshalb davon ausgegangen werde, dass Italien gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin-Verordnung dem Aufnahmeersuchen stattgebe.
Mit Aktenvermerk vom 01.08.2008 wurde das Asylverfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt, weil der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflicht weder bekannt noch sonst leicht feststellbar gewesen sei.
Im Rahmen einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 16.08.2008 gab der Beschwerdeführer auf den Vorhalt, dass er in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden sei, an, es stimme, dass er in Italien gewesen und von dort nach Marokko abgeschoben worden sei. Dann sei er nach Österreich eingereist. Er sei acht bis zwölf Monate lang in Italien gewesen. Circa eine Woche nach der erkennungsdienstlichen Behandlung in Italien sei er nach Marokko gefahren. Befragt nach konkreten Gründen, welche einer Ausweisung nach Italien entgegenstünden, gab er an, er wolle nicht nach Italien zurück. Er sei nur eine Woche dort gewesen und dann freiwillig ausgereist.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 7 Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist, sowie II. der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig ist. Dieser Bescheid wurde umfassend begründet; mehrere offensichtliche Versehen, etwa die irrtümliche Bezugnahme auf Griechenland, sind unwesentlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der vorgebracht wird, dass es in Italien keine Menschenrechte gebe.
2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der Beschwerde wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Marokko. Er wurde am 12.03.2008 in Italien erkennungsdienstlich behandelt, bevor er illegal in das österreichische Bundesgebiet einreiste und am 20.04.2008 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz einbrachte. Es wird weiters festgestellt, dass Österreich am 27.05.2008 ein Aufnahmeersuchen an Italien gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin-Verordnung stellte, welches von Italien - mangels fristgerechter Antwort - akzeptiert wurde.
Besondere, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Italien sprechen, sind nicht glaubhaft. Dazu wird auf die Feststellungen im angefochtenen Bescheid verwiesen. Insbesondere geht dieser Bescheid detailliert auf das italienische Asylverfahren, den subsidiären Schutz sowie die Grund- und Gesundheitsversorgung in Italien ein.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Nach § 5 Abs. 3 AsylG 2005 ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Nach § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn
1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder
2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 75/2007 ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
Nach § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Laut Art. 3 Abs. 2 erster Satz Dublin-Verordnung kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
In den Art. 5ff Dublin-Verordnung werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.
Art. 10 Abs. 1 Dublin-Verordnung lautet: "Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."
Die Beurteilung der Rechtsfrage ergab, dass die Beschwerde zu beiden Spruchpunkten abzuweisen ist:
Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs ist dem Bundesasylamt beizupflichten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Italiens ergibt, und zwar gemäß Art. 10 Dublin-Verordnung.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise darauf ersichtlich, dass die Durchführung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, dass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates aus diesem Grund wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte. Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei (VwGH 23.11.2006, 2005/20/0444; Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff).
Zu einer Verpflichtung Österreichs, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung Gebrauch zu machen, wird bemerkt:
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Fremdenrechtspaket 2005 führen zu § 5 Abs. 3 AsylG 2005 Folgendes aus (952 BlgNR, XXII. GP):
"Es ist davon auszugehen, dass diese Staaten Asylwerbern ein faires, den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Vorschriften entsprechendes Asylverfahren einräumen. Im zweiten Erwägungsgrund der Präambel zur Dublin-Verordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass sich die Mitgliedstaaten als "sichere Staaten" - insbesondere die Grundsätze des Non-Refoulements beachtend - für Drittstaatsangehörige ansehen. Daher normiert Abs. 3 eine Beweisregel, nach der der Asylwerber besondere Gründe vorbringen muss, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes sprechen. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.2.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Im Erkenntnis des VwGH vom 31.3.2005, 2002/20/0582, führt dieser - noch zum AsylG 1997 - aus, dass es für die Frage der Zulässigkeit einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund des Dublin-Übereinkommens nicht darauf ankommt, dass dieser Mitgliedstaat dem Asylwerber alle Verfahrensrechte nach Art. 13 EMRK einräumt. Verlangt sei statt einer detaillierten Bewertung der diesbezüglichen Rechtslage des anderen Mitgliedstaats lediglich eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch Österreich durch die Überstellung. Dabei ist auf die "real risk" - Judikatur des EGMR abzustellen. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen. Dies wird durch die neue Beweisregel des Abs. 3 für Verfahren nach § 5 hervorgehoben, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Behörde entweder notorisch von solchen Umständen - die nur nach einer entscheidenden Änderung zum jetzigen Zustand im jeweiligen Staat vorliegen können - weiß oder diese vom Asylwerber glaubhaft gemacht werden müssen."
Nach der - zur Vorläuferbestimmung im Asylgesetz 1997 ergangenen - Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 15.10.2004, G 237/03; 17.6.2005, B 336/05) sehe die Dublin-Verordnung vor, dass jeder Mitgliedstaat - auch wenn ein anderer Mitgliedstaat nach den Kriterien der Verordnung zuständig wäre - einen von einem Drittstaatsangehörigen eingebrachten Asylantrag selbst prüfen könne (Art. 3 Abs. 2). Er werde damit zum zuständigen Mitgliedstaat (sog. Selbsteintrittsrecht). Ein solches Selbsteintrittsrecht sei schon im - noch heute für das Verhältnis zu Dänemark geltenden - Dubliner Übereinkommen vorgesehen gewesen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe zum Dubliner Übereinkommen ausgesprochen, dass derartige Vereinbarungen die Mitgliedstaaten nicht von ihren Verpflichtungen aus der Konvention entbinden (7.3.2000, 3844/98 - T. I. gegen Vereinigtes Königreich; 12.1.1998, 32829/96 - Iruretagoyena gegen Frankreich; 5.2.2002, 51564/99 - Conka gegen Belgien). Im Erkenntnis VfSlg. 16.122/2001 hatte der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der Anfechtung des § 5 AsylG in der Stammfassung im Hinblick auf das Dubliner Übereinkommen ausgeführt, dass das dort "in Art. 3 Abs. 4 festgelegte Eintrittsrecht Österreichs als Mitgliedstaat des Dubliner Übereinkommens zwingend zu berücksichtigen" sei. Dieses Eintrittsrecht schaffe "nicht etwa ein durch innerstaatliche Rechtsvorschriften ausschaltbares Recht österreichischer Staatsorgane, die betreffende Asylsache an sich zu ziehen, sondern verpflichtet die zuständige Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung i. S. d. § 5 vorzunehmen und von der Annahme einer negativen Prozessvoraussetzung in der Asylsache abzusehen." Eine "strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 [sei] durch die Heranziehung des Art. 3 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens von der Asylbehörde zu vermeiden". Der Verfassungsgerichtshof ging im Hinblick auf die inhaltlich gleiche Regelung in der Dublin-Verordnung davon aus, dass diese zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung zutreffen.
Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949; 26.7.2005, 2005/20/0224) zeigten die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, dass sich die zur verfassungskonformen Auslegung des § 5 AsylG ergangene Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes auch auf die neue Rechtslage übertragen lasse. So habe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05, bereits festgehalten, dass eine Nachprüfung durch die österreichischen Behörden, ob ein der Dublin-Verordnung unterliegender Mitgliedstaat für Asylwerber aus Drittstaaten generell sicher sei, nicht zu erfolgen habe, weil die entsprechende Vergewisserung durch den Rat der Europäischen Gemeinschaften ohnedies erfolgt sei. Insofern sei auch der Verfassungsgerichtshof an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gebunden. Indem die Dublin-Verordnung den Asylbehörden der Mitgliedstaaten aber ein Eintrittsrecht einräume, sei eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall auch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, so sei aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben. Die grundrechtskonforme Interpretation des Asylgesetzes mache eine Bedachtnahme auf die - in Österreich in Verfassungsrang stehenden - Bestimmungen der EMRK notwendig. Die Asylbehörden müssten bei Entscheidungen nach § 5 AsylG auch Art. 3 EMRK berücksichtigen, aus dieser Bestimmung ergebe sich - unbeschadet internationaler Vereinbarungen oder gemeinschaftsrechtlicher Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen - das Erfordernis, auf ein allfälliges Risiko einer Kettenabschiebung bei Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat Rücksicht zu nehmen. Maßgeblich für die Wahrnehmung des Eintrittsrechtes sei, ob eine Gefahrenprognose zu treffen ist, der zufolge ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substanziiertes "real risk" besteht, der auf Grund der Dublin-Verordnung in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber werde trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes im Zielstaat, der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt sein. Diese Grundsätze hätten auch für die Auslegung des § 5 AsylG 2005 weiterhin Beachtung zu finden (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.03.2005, 2002/20/0582). Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, mit § 5 Abs. 3 AsylG 2005 eine "Beweisregel" zu schaffen, die es - im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union vorgenommene normative Vergewisserung - grundsätzlich nicht notwendig mache, die Sicherheit des Asylwerbers vor "Verfolgung" in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat (insbesondere gemeint im Sinne der Achtung der Grundsätze des Non-Refoulements durch diesen Staat) von Amts wegen in Zweifel zu ziehen. Die damit aufgestellte Sicherheitsvermutung sei jedoch widerlegt, wenn besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen seien, glaubhaft gemacht würden oder bei der Behörde offenkundig seien, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in diesem Mitgliedstaat sprächen. Die Wendung "in der Person des Asylwerbers gelegene besondere Gründe" gleiche schon ihrem Wortlaut nach dem § 4 Abs. 2 AsylG. Zu dieser Bestimmung habe der Verfassungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 15.10.2004, G 237/03, ausgeführt, die Regelung dürfe nicht eng ausgelegt werden und erfasse alle Umstände, die sich auf die besondere Situation des einzelnen Asylwerbers auswirken, daher auch solche, die durch die Änderung der Rechtslage oder der Behördenpraxis bewirkt werden. Der Verwaltungsgerichtshof gehe - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in den Materialien zum AsylG 2005 - davon aus, dass diese Auslegung auch für § 5 Abs. 3 AsylG 2005 maßgeblich sei. Was die Frage der "Beweislast" anbelange, so sei vorweg klarzustellen, dass bei Vorliegen "offenkundiger" Gründe (vgl. § 45 Abs. 1 AVG; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I², 1998, E 27 zu § 45 AVG) eine Mitwirkung des Asylwerbers zur Widerlegung der in § 5 Abs. 3 AsylG 2005 implizit aufgestellten Vermutung nicht erforderlich sei. Davon abgesehen liege es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu werde es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstatte, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeuge, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist. Es verstehe sich von selbst, dass bei der Beurteilung, ob die geforderte "Glaubhaftmachung" gelungen ist, der besonderen Situation von Asylwerbern, die häufig keine Möglichkeit der Beischaffung von entsprechenden Beweisen hätten, Rechnung getragen werden müsse. Habe der Asylwerber die oben angesprochenen besonderen Gründe glaubhaft gemacht, sei die dem § 5 Abs. 3 AsylG 2005 immanente Vermutung der im zuständigen Mitgliedstaat gegebenen Sicherheit vor Verfolgung widerlegt. In diesem Fall seien die Asylbehörden gehalten, allenfalls erforderliche weitere Erhebungen (auch) von Amts wegen durchzuführen, um die (nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes erforderliche) Prognose, der Asylwerber werde bei Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat der realen Gefahr ("real risk") einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein, erstellen zu können. Diese Ermittlungspflicht ergebe sich aus § 18 AsylG 2005, die insoweit von § 5 Abs. 3 AsylG 2005 unberührt bleibe.
Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Zu den Behauptungen des Beschwerdeführers, dass es in Italien keine Menschenrechte gebe, wird auf die im angefochtenen Bescheid zitierten aktuellen Länderberichte verwiesen, die auch mit der Dokumentation des Asylgerichtshofes im Einklang stehen (z. B. USDOS, Country Report on Human Rights Practices in Italy - 2007, March 2008.). Der Asylgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die allgemeine Lage für nach Italien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt (AsylGH 05.09.2008, S4 401343-1/2008; 23.07.2008, S12 400500-1/2008). Insbesondere sind die asylrechtliche Praxis, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage in Italien unbedenklich. Die gegenteiligen Behauptungen des Beschwerdeführers blieben unsubstanziiert.
Zur Altersfeststellung eines Asylwerbers ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen: Demnach lasse sich eine Beurteilung des Alters eines Asylwerbers (Feststellung seiner Volljährigkeit) abweichend von seiner Behauptung nicht allein auf einen Augenschein des Bundesasylamtes gründen; den (in diesem Fall) vorgelegten Akten sei eine "besondere fachliche Qualifikation" des einvernehmenden Organwalters (der erstinstanzlichen Behörde) in Fragen der Altersbeurteilung nicht zu entnehmen gewesen (VwGH 22.11.2005, 2005/01/0415). Eine - auf das äußere Erscheinungsbild und das Verhalten dieses Asylwerbers bei seiner Einvernahme gestützte - Alterseinschätzung des Bundesasylamtes wurde für unschlüssig (nicht nachvollziehbar) erachtet (VwGH 21.12.2006, 2005/20/0267; 17.10.2006, 2005/20/0061). Als zulässig wurde eine Alterseinschätzung des Bundesasylamtes erachtet, die sich nicht allein auf den "persönlichen Eindruck (optisches Erscheinungsbild und Auftreten bei der Behörde)", sondern auch auf weitere, nachvollziehbar dargestellte Umstände (gravierende Widersprüche in Bezug auf eine zeitliche Einordnung einzelner Ereignisse im Verhältnis zum angeblich jeweiligen Alter dieses Asylwerbers) gestützt habe (VwGH 23.11.2006, 2005/20/0547).
Laut dem grundlegenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.04.2007, 2005/01/0463, sei die allein auf eine Einschätzung der Verhandlungsleiterin bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung gestützte Begründung (äußeres Erscheinungsbild, persönliche Ausstrahlung und reifes Auftreten des Beschwerdeführers bei seiner Befragung) nicht hinreichend, um die Alterseinschätzung schlüssig zu begründen. In diesem (dem zitierten Erkenntnis zugrunde gelegenen) Beschwerdefall hätten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Altersangaben des Beschwerdeführers offenkundig unrichtig seien. Dies würde nämlich voraussetzen, dass diese Tatsache entweder allgemein bekannt (also notorisch) sei oder von jedermann bereits ohne besondere Fachkenntnisse erkannt werden könnte (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I², zu § 45, E 27, 28). Die Argumentation der (damals) belangten Behörde, ihr entscheidendes Mitglied verfüge über eine "mehrjährige Erfahrung im Umgang mit afrikanischen Asylwerbern", die es "erlaube, entsprechende Alters- und Reifevergleiche" herzustellen, entspreche nicht dem in der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis einer "besonderen fachlichen Qualifikation", weil sich zum einen die nicht näher dargestellten Vergleichsfälle einer nachprüfenden Kontrolle entzögen, zum anderen die Alterseinschätzung eines Asylwerbers in der Regel medizinisches Fachwissen voraussetze, das durch bloßen "Umgang" mit Asylwerbern - im Rahmen von Einvernahmen oder Verhandlungen - nicht erlangt werden könne. Um daher eine Alterseinschätzung in derartigen Fällen überprüfbar zu machen, bedürfe es im Regelfall einer Untersuchung und Beurteilung durch geeignete (zumeist wohl medizinische) Sachverständige. Der Verwaltungsgerichtshof verkenne weiters nicht, dass auch nach Einholung eines Sachverständigengutachtens im Einzelfall über das Alter (Volljährigkeit oder Minderjährigkeit) eines Asylwerbers nicht hinreichend gesicherte Aussagen bzw. eine Aussagesicherheit nur innerhalb einer Bandbreite möglich seien. In einem solchen Zweifelsfall wäre dann von dem vom Antragsteller (Asylwerber) angegebenen Geburtsdatum (Alter) auszugehen.
Im vorliegenden Fall gab der Beschwerdeführer bei der erkennungsdienstlichen Behandlung in Italien am 12.03.2008 als Geburtstag den 00.00.1985 an. Auch in dem medizinischen Sachverständigengutachten vom 15.05.2008 wurde sein Alter mit 24 bis 26 Jahre eingeschätzt. Nicht zuletzt ist der Beschwerdeführer wegen seiner unwahren Angaben zum Reiseweg auch insgesamt persönlich unglaubwürdig. Daher ist von der Volljährigkeit des Beschwerdeführers auszugehen.
Der Asylgerichtshof gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.
Es sind auch keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinn des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ersichtlich, zumal weder ein - nicht auf das Asylgesetz 2005 gestütztes - Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch die Ausweisung eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellt. Darüber hinaus liegen auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 vor.
Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Die öffentliche Verkündung des Erkenntnisses hatte gemäß § 41 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 zu entfallen.