TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/24 A12 302958-1/2008

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Veröffentlicht am 24.09.2008
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Spruch

A12 302958-1/2008/17E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des B.R., geb. 00.00.1979, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.6.2006, Zahl: 05 14.920-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 6.9.2007 zu Recht erkannt:

 

1.)

 

Die Beschwerde von B.R. vom 3.7.2006 wird gemäß § 7 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 abgewiesen.

 

2.)

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 iVm § 50 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von B.R. nach Russland nicht zulässig ist.

 

3.)

 

Gemäß § 15 iVm § 8 Abs. 3 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 wird B.R. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.09.2009 erteilt.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland, Angehöriger der Volksgruppe der Inguschen, moslemischer Religionszugehörigkeit und ist am 14.9.2005 in das Bundesgebiet eingereist. Am folgenden Tag hat er einen Asylantrag gestellt. Er wurde in der Folge am 27.9.2005, 30.9.2005 und am 15.5.2006 vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen (Aktenseiten [folgend kurz AS] 47-57, 61-63 u. 349-361 des Verwaltungsaktes des Bundesasylamtes [folgend kurz: VdB]).

 

Sein damaliges Vorbringen wurde im Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.6.2006, Zahl: 05 14.920-BAL, im Wesentlichen wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erhoben wird.

 

Im Wesentlichen zusammengefasst behauptete der Asylwerber, dass er einer illegalen bewaffneten Gruppierung angehört habe und aus diesem Grund wegen der Teilnahme an bewaffneten Angriffen gegen russische Sicherheitsbehörden angeklagt, jedoch nach achtmonatigem Gefängnisaufenthalt freigesprochen worden wäre. Nachdem die Staatsanwaltschaft Berufung erhoben hätte, sei jedoch im Jahr 2005 ein neuerliches Verfahren gegen ihn eingeleitet worden. Im Zuge seiner Verhöre im Gefängnis sei er gefoltert worden. Im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat fürchte er, erneut ins Gefängnis zu müssen.

 

Infolge einer am 3.10.2005 durchgeführten Untersuchung des Asylwerbers durch eine Fachärztin für Psychiatrie wurde beim Asylwerber eine krankheitswertige psychische Störung festgestellt. Unter einem wurde eine psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung des Asylwerbers indiziert (vgl. Befund und Gutachten Dr. K.D., FA für Psychiatrie, AS 69 des VdB).

 

Das Bundesasylamt hat den Antrag des Asylwerbers mit Bescheid vom 26.6.2006, Zahl: 05 14.920-BAL, abgewiesen, festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Russland zulässig ist, und ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Russland ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Asylwerber fristgerecht Beschwerde und rügte hierbei im Wesentlichen eine mangelnde Ermittlungstätigkeit der Erstbehörde. Weiters beantragte er zum Beweis seiner Glaubwürdigkeit seine persönliche Einvernahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung.

 

In der Folge wurde am 6.9.2007 vor dem unabhängigen Bundesasylsenat - als vormals zuständiger Rechtsmittelinstanz - eine öffentliche mündliche Verhandlung gem. § 67 d AVG durchgeführt, bei welcher der Asylwerber einvernommen wurde und der Verhandlungsleiter zur Überzeugung gelangte, dass der Asylwerber keine mit der Wirklichkeit übereinstimmenden Angaben machte. Die Unglaubwürdigkeit der behaupteten Bedrohungssituation ergibt sich aus nachstehenden Erwägungen:

 

Eine Aussage ist grundsätzlich dann nicht glaubhaft, wenn Asylwerber den ihrer Meinung nach ihren Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildern oder sich auf Gemeinplätze beschränken. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so dürfen sich Antragsteller nicht in wesentlichen Passagen ihrer Aussage widersprechen.

 

Zunächst ist auszuführen, dass sich die Unglaubwürdigkeit der vom Asylwerber behaupteten Bedrohungssituation schon dadurch ergibt, dass dieser bezüglich seiner Einsätze bei der bewaffneten Gruppierung in zeitlicher Hinsicht massiv widersprüchliche Angaben erstattete:

 

So erklärte der Asylwerber etwa im Rahmen der Ersteinvernahme vor dem Bundesasylamt, im Herbst 1999 beim Stützpunkt der Gruppe in Bamut anwesend gewesen zu sein, die Gruppe im März 2000 in Bamut für drei Wochen und sodann im August 2000 ungefähr einen Monat in Arshty vor Ort unterstützt zu haben (AS 55 des VdB). In völligem Widerspruch hierzu legte sich der Asylwerber in der folgenden Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.5.2006 letztlich dahingehend fest, dass er 1999 für 5 Tage bei einer bewaffneten Gruppierung gewesen sei, die keinen Namen gehabt habe, sich Ende 2000 bis Anfang 2002 bei der Gruppe "Halifat" und seit 2002 bis zu seiner Verhaftung im März 2004 bei der Gruppe "Kadzoev Zelimkan" befunden habe (AS 359 des VdB). In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungsbehörde behauptete der Asylwerber, sich ausschließlich 2 bis 3 Wochen im Jahr 2002 bei der Gruppe "Khalifat" (womit wohl die erstinstanzlich genannte Gruppe "Halilfat" gemeint ist, Anm.) aufgehalten zu haben und verneinte überdies sogar ausdrücklich, zu einem anderen Zeitpunkt bei der Gruppe anwesend gewesen zu sein (Seite 12 Verhandlungsprotokoll). Schon diese insgesamt nicht miteinander zu vereinbarenden zeitlichen Angaben des Asylwerbers indizieren, dass seine - auf der behaupteten Unterstützung tschetschenischer bzw. inguschetischer Widerstandskämpfer aufbauende - Fluchtgeschichte lediglich eine oberflächlich zu Recht gelegte Rahmengeschichte darstellt, deren Details dieser nicht mehr stimmig zu reproduzieren vermochte, da nach menschlichem Ermessen nicht vorstellbar ist, dass dieser nicht mehr erinnerlich haben sollte, ob er sich nun tatsächlich nur für wenige Wochen oder gar für Jahre (!) beim Stützpunkt der Gruppe aufgehalten hat. Auch ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass der Asylwerber im Rahmen der Ersteinvernahme lediglich von seinen Aufenthalten bei einer bewaffneten Gruppierung gesprochen hatte, die er damals mit "Halifat" bezeichnet hatte, sodass seine späteren Angaben betreffend seine Mitwirkung bei den namentlich genannten anderen mehreren Organisationen eine "Steigerung" seines Vorbringens darstellt und die Unglaubwürdigkeit seiner Fluchtgeschichte hierdurch erneut evident wird. Der Asylwerber wusste nach Vorhalt seiner widersprüchlichen Zeitangaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung auch keine plausible Erklärung für diese zu liefern, sondern behauptete lediglich, "damals falsch verstanden" worden zu sein (Seite 12 Verhandlungsprotokoll). Dies vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, da der Asylwerber die inhaltliche Richtigkeit sämtlicher Einvernahmeprotokolle durch seine Unterschrift bestätigt hat, im Anschluss an die Rückübersetzung der Niederschrift seiner Einvernahme vom 15.5.2006 seine - zu den später in der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat erstatteten und zu den erstinstanzlichen Ausführungen in krassem Widerspruch stehenden - Angaben noch eigens korrigiert hat (vgl. AS 359 des VdB).

 

Auch fällt auf, dass der Asylwerber im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat zunächst nicht ansatzweise gewillt oder in der Lage schien, über seine Aktivitäten bei den bewaffneten Gruppen zu berichten, was besonders anhand des folgenden Verhandlungsprotokollauszugs (Seite 9 Verhandlungsprotokoll) erkennbar wird:

 

VL (Verhandlungsleiter): "Können Sie mir genauer erklären, was Sie mit dieser Gruppierung zu tun hatten?"

 

AW (Asylwerber): "Nein".

 

VL: "Versuchen Sie darzustellen, welche Aufgabe Sie bei der Gruppe hatten und welche Kontakte Sie hatten etc.!"

 

AW: "Warum soll ich darüber erzählen?"

 

VL: "Heute ist es Ihre Chance, Ihre Fluchtgeschichte konkret darzustellen. Bitte tun Sie das."

 

AW: "Das letzte Mal waren keine Polizisten dabei und mich stört das." [...]

 

Die anhand des obigen Protokollauszugs erkennbar ausweichenden Antworten des Asylwerbers auf mehrfache Aufforderung, über seine Fluchtgeschichte ausführlich zu berichten, muten vor dem Hintergrund, dass tatsächlich verfolgte Personen regelmäßig von sich aus bestrebt sind, möglichst umfassend und detailliert über das eigene Verfolgungsschicksal zu berichten, lebensfremd an und verstärken so auch den Eindruck, dass dem Antrag des Asylwerbers in Wirklichkeit asylfremde Motive zu Grunde liegen.

 

Ebenso verdeutlicht wird die Unglaubwürdigkeit seines Vorbringens durch den Umstand, dass der Asylwerber nicht ansatzweise anzugeben wusste, was ihm im Rahmen des von ihm ins Treffen geführten Gerichtsverfahrens zur Last gelegt worden sein soll und er auch hier erkennbar ausweichende Angaben erstattete (Seite 8 Verhandlungsprotokoll):

 

VL: "Erzählen Sie nun, was der Grund für die gegen Sie erhobene Anklage war?"

 

AW: "Das weiß ich nicht."

 

VL: "Waren Sie des Mordes angeklagt oder welchen Vergehens oder Verbrechens wurden Sie beschuldigt?"

 

AW: "Ich kann mich erinnern, dass während des Prozesses Fehler im Prozess passierten."

 

VL: "Was sagte Ihnen der Richter oder Staatsanwalt? Was warf man Ihnen vor?"

 

AW: "Es ist egal, was mir vorgeworfen wurde. Vielleicht hätte ich das mit Schmiergeld lösen können. Das Problem ist, dass ich bei mir zu Hause nicht frei auf der Straße gehen konnte. Ich entschied mich, meine Heimat zu verlassen." [...]

 

Es lässt sich mit der allgemeinen Lebenserfahrung nicht vereinbaren, dass eine Person, gegen die tatsächlich ein Strafverfahren gelaufen wäre bzw. aktuell laufen würde, in dessen Rahmen sie bereits Verhören unterzogen worden sein soll und aufgrunddessen sie sich sogar zum Verlassen der eigenen Heimat gezwungen gesehen haben soll, nicht einmal rudimentär den Grund der gegen sie erhobenen Anklage anzugeben imstande wäre, sodass letztlich vollends klar wird, dass es sich bei der vorgetragenen Fluchtgeschichte um ein erfundenes Konstrukt handelt.

 

Letztlich ist auch das im Rahmen des Zulassungsverfahrens von Amts wegen eingeholte ärztliche Gutachten vom 3.10.2005 (AS 67 f. des VdB) nicht geeignet, das Vorbringen des Asylwerbers zur behaupteten Bedrohungssituation glaubhaft zu machen, da damit zwar eine posttraumatische Belastungsstörung dokumentiert worden ist, die konkrete Entstehungsgeschichte derselben aber naturgemäß nicht erweislich ist. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Angaben des Asylwerbers zu den konkreten Zusammenhängen glaubwürdig sind oder nicht, da die psychischen Beeinträchtigungen gleichwohl auch aus anderen Erlebnissen resultieren können. Aufgrund der aufgezeigten Widersprüche im Vorbringen des Asylwerbers liegt jedoch auf der Hand, dass seine Angaben zur konkreten Fluchtgeschichte nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen können.

 

Bei einer Abwägung jener Gründe, die für die Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Bedrohungssituation sprechen - dies ist letztlich allein die Behauptung des Asylwerbers, dass die Geschichte wahr ist - und jener Gründe, die gegen die Glaubwürdigkeit dieser Angaben sprechen, überwiegen die für eine erfundene Geschichte sprechenden Argumente bei Weitem, sodass das Vorbringen des Asylwerbers mangels Glaubwürdigkeit nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann.

 

Hinsichtlich der allgemeinen Situation im Kaukasus, einschließlich Inguschetien, wird nachstehender (dem Asylwerber im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat vorgehaltener) Sachverhalt festgestellt:

 

Die im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 06.09.2007 dargestellten Lagefeststellungen werden zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erklärt.

 

Ergänzend wird insbesondere zur aktuellen Lage in Inguschetien Folgendes festgestellt (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Auswärtiges Amt, 13.1.2008, Seite 21):

 

Von Internationalen Organisationen (u. a. den VN) wird die Sicherheitslage in Inguschetien inzwischen für schlechter als in Tschetschenien gehalten. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen kommt es in Inguschetien zu schweren Menschenrechtsverletzungen einschließlich extralegaler Tötungen und dem "Verschwinden" von tschetschenischen Rebellen, denen sich immer mehr Inguschen anschließen. Zu Beginn des Jahres 2006 kam es in Inguschetien auch zu gezielten Übergriffen auf russischstämmige Bewohner, deren Zahl durch ein gezieltes Regierungsprogramm wieder erhöht werden sollte. Die Wirtschaftslage Inguschetiens ist prekär. Der Anteil der föderalen Mittel am Haushalt der Republik ist mit 89,2 % sogar noch höher als in Tschetschenien (dort 80,6 %), die Arbeitslosigkeit beträgt laut Schätzungen der VN ähnlich wie in Tschetschenien 80 %.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gem. § 75 Abs. 1 erster Satz, AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 101/2003 werden Asylanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetztes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Nach § 44 Abs.3 AsylG sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 5 und 6,36,40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf solche Verfahren anzuwenden.

 

Gem. § 124 Abs. 2 des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

Ad.1)

 

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Rechtlich folgt aus dem Umstand, dass es dem Asylwerber nicht gelungen ist, sein Vorbringen glaubhaft zu machen, dass seine Flüchtlingseigenschaft nicht festgestellt und ihm kein Asyl gewährt werden konnte.

 

Ad 2.)

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 hat die Behörde, im Falle einer Abweisung eines Asylantrages, von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

§ 8 AsylG 1997 verweist durch die Übergangsbestimmung des § 124 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) auf § 50 FPG.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974) es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß § 50 Abs. 3 FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Abs. 1 oder Abs. 2 genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden.

 

Der Prüfungsrahmen des § 50 Abs. 1 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 FPG wurde bereits unter Spruchpunkt I geprüft und verneint.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Asylwerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele:

VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 23.6.1994, 94/18/0295) und muss die drohende Maßnahme von einer bestimmten Intensität sein, ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 MRK zu gelangen.

 

Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer drohenden Gefahr im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG ist es erforderlich, dass der Fremde, die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe, konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.6.1997, 95/21/0294), und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 5.4.1995, 93/18/0289).

 

Eine solche Glaubhaftmachung einer individuellen Verfolgungsgefahr ist dem Asylwerber nicht gelungen - diesbezüglich wird auf obige Beweiswürdigung verwiesen, doch ist in casu eine Gesamtbetrachtung der Rückkehrsituation des Asylwerbers anzustellen.

 

Den Feststellungen zur Allgemeinsituation in der Russischen Föderation einschließlich Inguschetien ist entnehmbar, dass sich die Sicherheitslage in Inguschetien mittlerweile sogar prekärer als in Tschetschenien darstellt und es in dieser Kaukasusregion immer wieder zu schweren Menschenrechtsverletzungen einschließlich extralegaler Tötungen und dem "Verschwinden" von Zivilisten kommt. Ausgehend von einer solchen Situation und der derzeit nicht absehbaren Entwicklung kann nicht mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass für den Asylwerber im Falle seiner Rückkehr keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Hinzu kommt, dass infolge der festgestellten psychischen Beeinträchtigungen des Asylwerbers (AS 67 f. des VdB) zu befürchten ist, dass dieser im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland gegebenenfalls nicht in der Lage wäre, in der - ohnehin schwierigen Situation am Arbeitsmarkt in Inguschetien - ausreichend für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ingesamt kann daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller bei seiner Rückkehr nach Inguschetien nicht einem Risiko im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

Zum Vorliegen einer eventuellen inländischen Fluchtalternative bzw. Schutzalternative ist auszuführen, dass aus obigen Länderfeststellungen hervorgeht, dass eine seriöse Prognose hinsichtlich einer erfolgreichen Registrierung und eines möglichen Existenzaufbaus außerhalb Inguschetiens im Einzelfall insofern nicht möglich ist, als eine Registrierung in anderen Landesteilen, etwa Moskau oftmals erst durch Intervention verschiedener Stellen realisiert werden kann, wobei hier auch bürokratische Hemmnisse bzw. Behördenwillkür hineinspielen können. Angesichts einer solchen Situation erschiene eine inländische Fluchtalternative, etwa nach Moskau bzw. in eine andere russische Großstadt oder in die Nachbarrepubliken in casu jedenfalls unzumutbar.

 

Ad 3.)

 

Gem. § 15 Abs. 1 AsylG ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§ 13) rechtskräftig abgewiesen wurde und die sich ohne rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet befinden, mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn gem. § 8 festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist.

 

Gem. Abs. 3 leg.cit. ist die befristete Aufenthaltsberechtigung für höchstens ein Jahr und nach der zweiten Verlängerung für jeweils höchstens drei Jahre zu bewilligen.

 

Die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung liegt innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens und war im erfolgten Ausmaß zu bewilligen, da Umstände, dass die Gefährdung des Asylwerbers in naher Zukunft nicht mehr bestehen wird, nicht ersichtlich sind.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, gesamte Staatsgebiet, gesundheitliche Beeinträchtigung, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
26.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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