TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/24 C11 401242-1/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2008
beobachten
merken
Spruch

C11 401.242-1/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. BÜCHELE als Einzelrichter über die Beschwerde des B.S., geb. 00.00.1976, StA. Indien, vertreten durch Dr. VALLENDER, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2008, Zl. 06 05.563 - EAST West, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde von B.S. vom 27.08.2008 wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, ist im August 2002 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist, wurde am 03.08.2002 im Gemeindegebiet von Neudorf bei Staatz von einem Beamten des Grenzüberwachungspostens Laa a. d. Thaya aufgegriffen und hat anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 03.08.2002 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag) unter dem Namen S.S. gestellt. Mit Aktenvermerk vom 29.09.2002 sowie vom 04.12.2002 wurde das Verfahren gemäß § 30 Abs. 1 AsylG 1997 eingestellt, da aufgrund seiner Abwesenheit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht möglich war.

 

2.1. Der Beschwerdeführer hat sodann nunmehr unter dem Namen B.S. am 15.10.2002 einen zweiten Asylantrag gestellt. Er wurde hierzu vom Bundesasylamt, Außenstelle Wien, am 09.05.2003 niederschriftlich einvernommen. Er brachte vor, er habe bereits im August 2002 einen Asylantrag gestellt, welchen er zurückziehen wolle. Seine Angaben zu seiner Identität seien nicht richtig gewesen und werde er nunmehr korrekte Angaben tätigen. Befragt nach seinen Fluchtgründen gab er an, sein Vater habe mit seinem Nachbar wegen eines Grundstückes Streit gehabt. Sein Vater sei 2002 erschossen worden und hätten die Nachbarn bei der Polizei angegeben, dass seine Familie Terroristen beherberge. Von wem sein Vater erschossen worden sei, wisse er nicht; es sei entweder Herr S.L. selbst oder seine Familie gewesen. Sein Bruder und er hätten bei der Polizei Anzeige erstattet. Der Nachbar sei daraufhin inhaftiert und kurz darauf wieder freigelassen worden. 2002 habe sein Bruder auf dem Feld der Eltern gearbeitet und sei dort erschossen aufgefunden worden. Der Mord an seinem Bruder sei nie aufgeklärt worden. Anfang Juli sei er attackiert worden worauf er weggelaufen sei. Es sei auf ihn geschossen worden und es sei sein linker Fuß getroffen worden. Danach sei er nicht mehr nach Hause gegangen.

 

2.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.05.2003, FZ. 02 30.059-BAW, wurde der Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 15.10.2002 gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, abgewiesen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien gemäß § 8 AsylG 1997 zulässig sei (Spruchpunkt II.).

 

Zusammengefasst begründete die Erstbehörde ihre Entscheidung mit der Unglaubwürdigkeit und Konstruiertheit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers.

 

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

 

3.1. Am 12.01.2004 hat der Beschwerdeführer einen dritten Asylantrag gestellt und wurde hierzu am 20.04.2004 vom Bundesasylamt, Außenstelle Wien, niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen zusammengefasst vor, es habe sich an den vom ihm angegebenen Gründen seit seiner letzten Antragstellung nichts geändert. Sein Onkel, der Mitglied der Alkali Dal in [NN] sei und aktiv an der Politik teilnehme, habe ihn adoptiert. Er habe ihn während des Wahlkampfes begleitet. Bei einer Veranstaltung 2002 sei es zu Auseinandersetzungen mit einer anderen Partei gekommen. Es sei dabei eine Person getötet worden. Aus diesem Grund werde nach ihm gefahndet. Außerdem seien Personen der Kongresspartei hinter ihm her und hätten ihn bedroht. Die Polizei sei bei seiner Mutter gewesen und habe ihr mitgeteilt, dass er wegen Mordes gesucht werde. Dies sei in demselben Monat gewesen, in welchem auch die Veranstaltung stattgefunden habe.

 

3.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.06.2004, FZ. 04 00.483-BAW, wurde der Asylantrag vom 12.01.2004 gemäß § 68 AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

 

Die Erstbehörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer keine neuen asylrelevanten Gründe zur Begründung seines Asylantrages vorgebracht habe bzw. sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe. Der Behauptung stehe die Rechtskraft des Bescheides des Bundesasylamtes entgegen.

 

3.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, in welcher im Wesentlichen der Bescheid des Bundesasylamtes wegen Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens bekämpft wurde.

 

3.4. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 18.04.2006, Zl. 251.157/2-I/01/06, wurde die Berufung abgewiesen. In der Begründung schloss sich der Unabhängige Bundesasylsenat der Erstbehörde an.

 

Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

 

3.5. Die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.10.2006, Zl. 2006/19/1202, abgelehnt.

 

4.1. Am 27.03.2006 wurde der Beschwerdeführer in Schubhaft genommen. Aus der Schubhaft stellt der Beschwerdeführer am 24.05.2006 den gegenständlichen - nunmehr vierten - Asylantrag. Er wurde hierzu am Tag der Antragstellung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeianhaltezentrums am Hernalser Gürtel in Wien niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, er sei Mitglied der Alkali Dal. Seit die Kongresspartei an der Macht sei, habe es immer wieder Probleme gegeben. Er sei von Mitgliedern der Kongresspartei geschlagen und bedroht worden. Er sei aufgefordert worden, für die Kongresspartei zu arbeiten.

 

Der Beschwerdeführer wurde in der Folge wieder aus der Schubhaft entlassen.

 

4.2. Aus einem Bericht des Polizeikommissariats Landstraße vom 10.12.2006 geht hervor, dass der Beschwerdeführer an der von ihm angeführten Adresse bei mehrmaligen Versuchen zu unterschiedlichen Tageszeiten nicht angetroffen wurde. Der Hauptmieter gab an, dass der Beschwerdeführer bereits seit vier Monaten nicht mehr an der Adresse aufhältig sei. Es wurde die amtliche Abmeldung des Beschwerdeführers eingeleitet.

 

4.3. Mit Aktenvermerk vom 07.02.2007 wurde das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt, weil der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers wegen der Verletzung seiner Mitwirkungspflicht weder bekannt noch sonst leicht feststellbar sei.

 

4.4. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 15.11.2007 wurde gegen den Beschwerdeführer ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot verhängt.

 

4.5. Nachdem der Beschwerdeführer am 14.11.2007 in Schubhaft genommen wurde, fand am 21.12.2007 die niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost statt. Der Beschwerdeführer brachte vor, er fühle sich körperlich und geistig nicht in der Lage die Einvernahme durchzuführen. Er habe jedoch einen großen psychischen Druck und könne daher nicht klar denken. Als er beim ersten Mal aus der Haft entlassen worden sei, sei er zum Bundesasylamt, Außenstelle Wien, gefahren. Es sei ihm mitgeteilt worden, dass man nichts mehr für ihn tun könne, weil in Österreich maximal drei Asylanträge erlaubt seien; diese habe er "verbraucht". Darum sei er nach Italien gefahren. Jetzt im Gefängnis werde immer der gleiche Dolmetscher bestellt. Er erfahre nichts; deswegen habe er so einen Stress. Er kenne den Dolmetscher nicht persönlich, aber er habe schon drei Einvernahmen mit ihm gehabt. Er würde viel von sich aus sprechen, ohne dass ein Beamter etwas sagen würde. Er sei sehr unfreundlich, beleidigend und habe ihn unter Druck gesetzt. Beim letzten Mal habe dieser zu ihm gesagt, dass er ihm Geld geben solle, dann würde er sein Asylverfahren ins Laufen bringen. Er sei bis jetzt nicht im Polizeianhaltezentrum untersucht worden. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, er wolle unbedingt seine Angaben machen, aber heute gehe es nicht.

 

Der Beschwerdeführer wurde in der Folge am 12.0.2.2008 wieder aus der Schubhaft entlassen.

 

4.6. Am 16.06.2008 wurde dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, eine Niederschrift der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 13.06.2008 übermittelt, aus welcher hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am 12.06.2008 illegal am Grenzübergang Bad Reichenhall aus Österreich ausgereist sei. Der Beschwerdeführer gab bei der Einvernahme an, er habe Österreich nicht verlassen wollen. Er sei irrtümlich nach Deutschland gefahren. Sein ursprüngliches Ziel sei Salzburg gewesen. Er habe einen Freund besuchen wollen.

 

4.7. Am 26.06.2008 (im angefochtenen Bescheid irrtümlich mit 16.07.2008 datiert) fand eine zweite niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt, nunmehr Erstaufnahmestelle West, statt. Der Beschwerdeführer brachte vor, er habe seine Probleme bereits im Rahmen der Erstbefragung geschildert. Er wolle aber über seine neuen Probleme sprechen. Er habe Angst vor der indischen Polizei. Er befürchte, dass sie ihn umbringen werde. Er bitte daher um eine Frist von einem Jahr. Das Problem mit der Polizei bestehe bereits seit dem Jahr 2002 und habe sich vor seiner Ausreise zugetragen. Die Polizei habe ihn jeden Tag geschlagen. Er habe sein Haus verlassen und sei nach U. gereist. Dort habe er sich bei einem Freund versteckt gehalten. Er habe vier bis fünf Monate keine Probleme gehabt, doch dann habe ihn die Polizei auch dort gefunden. Befragt, warum er nach Deutschland ausgereist sei, gab der Beschwerdeführer an, er habe nicht nach Deutschland reisen wollen. Er habe sich in Wien von einem Freund ein Auto ausgeliehen und habe einen Freund in Salzburg besuchen wollen. Er sei allerdings falsch von der Autobahn abgefahren, weil es dunkel gewesen sei. Er habe mit seinem Freund telefoniert, der ihm erklärt habe, wie er wieder nach Österreich einreise könne.

 

4.8. Mit dem beim Asylgerichtshof angefochtenen verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 07.08.2008, Zl. 06 05.563-EAST West, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG neuerlich wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Österreich ausgewiesen. Die Erstbehörde stellte fest, dass der nunmehrige Beschwerdeführer keine neuen asylrelevanten Gründe zur Begründung seines vierten Asylantrages vorgebracht bzw. sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe. Das Bundesasylamt stütze seine Entscheidung auf umfangreiche länderkundliche Feststellung zu Indien. Beweiswürdigend hielt die Behörde fest, dass die Angaben des nunmehrigen Beschwerdeführers bereits im vorangegangenen rechtskräftigen Asylverfahren als unglaubwürdig gewertet worden seien; die nunmehrigen Behauptungen seien dem nunmehrigen Beschwerdeführer bereits vor seiner Ausreise bekannt gewesen.

 

4.9. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die rechtzeitige innerhalb der zweiwöchigen Frist eingebrachte Beschwerde. In dieser führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass der erstinstanzliche Bescheid mangelhaft sei, da die Rechtsmittelbelehrung unrichtig sei. Durch die Einführung des Asylgerichtshofes würden die Bestimmungen des VwGG zur Anwendungen gelangen, weshalb von einer sechswöchigen Rechtsmittelfrist auszugehen sei.

 

Weiters sei der erstinstanzliche Bescheid mit Rechtswidrigkeit und Verfahrensfehlern behaftet. Die Erstbehörde habe eine antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen und sohin den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt. Bei der zweiten Einvernahme habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er "nun" Angst vor der Verfolgung durch die indische Polizei habe und er seinen Tod befürchte; diese Angabe habe sich auf den Einvernahmezeitpunkt bezogen.

 

Weiters habe sich das Bundesasylamt nicht mit den Kriterien einer zulässigen Ausweisung auseinander gesetzt. Der Beschwerdeführer habe in Österreich Beziehungen, aus denen sich eine Verletzung der durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte ergäbe. Es wird auf - nicht näher bezeichnete - Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom Herbst 2007 verwiesen, wo auf der Basis von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte die Kriterien für eine Einzelfallprüfung aufgezeigt werden. Der Beschwerdeführer habe bei seinen Einvernahmen auch aufgezeigt, dass er zu seinen Verwandten in Indien seit 2005 keine Beziehung mehr habe. Die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Indien führe zu einem massiven Eingriff in die nach Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte.

 

4.10. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 03.09.2008, Zl. C11 401.242-1/2008/4Z, wurde der Beschwerde gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 noch nicht anhängig; es ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

 

2.1. Gemäß 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (vgl. beispielsweise VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266).

 

"Sache" des Beschwerdeverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Der Asylgerichtshof darf demnach nur darüber entscheiden, ob die belangte Behörde den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Er hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - die Beschwerde abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben. Dies hat die Konsequenz, dass die belangte Behörde, an die Auffassung des Asylgerichtshofes gebunden ist und den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Der Asylgerichtshof darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (vgl. mutatis mutandis VwGH 30.05.1995, 93/08/0207). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung nicht neu geltend gemacht werden (s. z.B. VwSlg. 5642A, VwGH 28.11.1968, 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

 

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.1.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162;

10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58;

03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH vom 24.02.2000, Zl. 99/20/0173-6; VwGH vom 25.04.2007, Zl. 2005/20/0300; VwGH vom 13.11.2007, Zl. 2006/18/0494).

 

3.1. Im vierten - dem vor dem Asylgerichtshof verfahrensgegenständlichen - Asylverfahren wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine bisherigen Fluchtgründe und ergänzt diese mit Aussagen, die sich auf den Zeitpunkt vor seiner Ausreise aus seinem Heimatland beziehen. Der Beschwerdeführer führt nun einerseits aus, er sei bei einer Veranstaltung der Alkali Dal in Auseinandersetzungen verwickelt gewesen und werde deshalb von der Polizei gesucht; andererseits führt der Beschwerdeführer aus, er werde von der Polizei gesucht und habe Angst von der indischen Polizei umgebracht zu werden. Es ist festzuhalten, dass sich die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgungshandlung auf den Zeitraum vor Erlassung des rechtskräftigen Bescheides im ersten Asylverfahren bezieht und wurden seine im vorangegangenen (vierten) Asylverfahren vorgebrachten Fluchtgründe als unglaubwürdig gewertet.

 

Das Bundesasylamt hat sohin in Ermangelung zusätzlicher Elemente des Vorbringens des Beschwerdeführers zu Recht erkannt, dass das im neuerlichen Asylverfahren erbrachte Vorbringen nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt zu bewerten ist.

 

3.2. Auch die Behauptung, wonach die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides unrichtig sei, weil die Beschwerdefrist gegen Bescheide des Bundesasylamtes nicht zwei, sondern sechs Wochen "entsprechend den in erster Linie geltenden Vorschriften des Verwaltungsgerichtshofgesetzes" betrage, erweist sich als falsch. § 23 AsylGHG bestimmt, dass auf Verfahren vor dem AsylGH, vorbehaltlich hier nicht in Betracht kommender Asylgerichtshof-spezifischer Bestimmungen im B-VG, dem AsylG 2005 oder VwGG, das AVG mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Daraus ergibt sich aber zwingend, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Asylgerichtshof die gesetzlichen Bestimmungen (des AVG) zu den Berufungen und nicht( jene des VwGG) zu den Beschwerden vor dem VwGH anzuwenden hat, und diesbezüglich lediglich eine Änderung der Termini stattgefunden hat. Dafür, dass nun aber die Bestimmungen des VwGG zu Beschwerden vor dem VwGH zum Tragen kommen sollten, findet sich somit keine Grundlage.

 

3.3. Insoweit die neuerliche Asylantragstellung des Beschwerdeführers unter dem Blickwinkel des Refoulementschutzes (§ 8 AsylG 2005) zu betrachten ist, ist auszuführen, dass bereits dem rechtskräftigen Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.06.2004, Zl. 04 00.483-BAW, umfassende Feststellungen zur allgemeinen Lage Indiens zugrunde gelegt wurden und dies auch weiterhin dem Amtswissen des Asylgerichtshof entspricht. Auch im vierten Verfahren wurde im bekämpften Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2008, Zl. 06 05.563-EAST West, wiederum umfassende länderkundliche Feststellungen getroffen. Es sind keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden.

 

3.4. Da somit auch keine Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesasylamt von Amts wegen zu berücksichtigen wären, vorliegen, sich auch die allgemeine Situation in Indien bezogen auf den Gesamtstaat in der Zeit, bis der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde, nicht wesentlich geändert hat - wie sich die Beschwerdebehörde durch Einsichtnahme in den aktuellen Bericht des USDOS, Country Report on Human Rights Practice 2007 vom 11.03.2008 zu Indien überzeugt hat - und sich auch die Rechtslage in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, ist das Bundesasylamt im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des vierten Asylantrages das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.

 

4. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Nach Abs. 2 leg. cit. sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung der durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde.

 

Nach Abs. 3 leg. cit. ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Nach Abs. 4 dieser Bestimmung gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

4.1. Hinsichtlich der Entscheidung über die Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wird auf die Begründung im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen und wird diese vollinhaltlich zum Bestandteil dieses Erkenntnisses erhoben.

 

Da sohin im gegenständlichen Verwaltungsverfahren die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, nämlich die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache vorliegt, weiters keine Umstände hervorgekommen sind, die diese Ausweisung unzulässig erscheinen ließen, nämlich weder ein auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht noch eine familiäre Beziehung, die eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirken könnten (§ 10 Abs. 2 leg. cit) sowie auch kein Anhaltspunkt für einen Aufschub der Durchführung der Ausweisung vorliegt (§ 10 Abs. 3 leg cit), war auch die Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt der Erfolg versagt.

 

5. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs 4 AsylG 2005 entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
12.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten