D5 300560-1/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Vorsitzende und den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Beisitzer über die Beschwerde der A.C., geb. 00.00.1966, StA. von Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.3.2006, FZ. 04 17.405-BAT, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die Beschwerdeführerin, eine georgische Staatsangehörige, reiste ihren Angaben zufolge am 28.8.2004 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 29.8.2004 einen Asylantrag. Am 24.9.2004 fand ihre Ersteinvernahme und am 3.3.2005 ihre Zweiteinvernahme vor dem Bundesasylamt statt. Mit Bescheid vom 23.3.2006, Zahl: 04 17.405-BAT, wies das Bundesasylamt ihren Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 ab (= Spruchteil I.) und erklärte das Bundesasylamt ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 für zulässig (= Spruchteil II.); gleichzeitig verfügte das Bundesasylamt die Ausweisung der Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. Nr. 101/2003 (= Spruchteil III.). Nachdem dieser Bescheid der Beschwerdeführerin am 28.3.2006 zugestellt worden war, erhob sie dagegen fristgerecht eine Beschwerde.
Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 24.9.2004 beim Bundesasylamt gab die Beschwerdeführerin vor dem Organwalter Hr. M. zu ihrem Asylantrag im Wesentlichen Folgendes an:
Sie sei mit ihrem Gatten, M.G., aufgrund seiner Fluchtgründe geflüchtet. Sie sei die ganze Zeit mit ihm unterwegs gewesen.
Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 3.3.2005 beim Bundesasylamt gab die Beschwerdeführerin vor dem Organwalter Hr. L. zu ihrem Asylantrag im Wesentlichen Folgendes an:
Sie habe keine eigenen Fluchtgründe. Sie sei nur wegen ihres Ehemannes und dessen Gründe, gemeinsam mit ihm, nach Österreich gekommen. Die Probleme ihres Mannes seien ihre eigenen geworden. Sie habe Angst, umgebracht zu werden, denn auch sie sei wegen der Probleme ihres Ehemannes bedroht worden.
Im o.a. Bescheid vom 23.3.2006 stellte das Bundesasylamt (durch die Organwalterin Fr. G.) zunächst als maßgebenden Sachverhalt fest:
Die Identität der Beschwerdeführerin sei in Ermangelung geeigneter Identitätsdokumente nicht feststellbar gewesen. Hinsichtlich der Ausführungen zu den Gründen für das Verlassen ihres Heimatlandes werde der Beschwerdeführerin die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Mit der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme könne kein Eingriff in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführerin festgestellt werden.
In der Folge traf das Bundesasylamt auf Seite 11 bis 37 des o.a. Bescheides Länderfeststellungen zur Lage in Georgien.
Das Bundesasylamt führte sodann im o.a. Bescheid als Beweiswürdigung aus:
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin habe keine Glaubwürdigkeit zuerkannt werden können. Den Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Erlebnisberichtes als glaubhaft, habe die Beschwerdeführerin nicht entsprochen. Vor dem Hintergrund dieser Prämissen sei die von der Beschwerdeführerin vor der Behörde präsentierte Fluchtgeschichte tatsächlich als zu blass, wenig detailreich sowie gänzlich oberflächlich und daher in der Folge als nicht glaubhaft zu qualifizieren gewesen. In diesem Zusammenhang sei konkret anzuführen, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin anlässlich seiner Einvernahme am 3.3.2005 ausgeführt habe, dass er als Kriminalbeamter in der Abteilung für Drogenbekämpfung gearbeitet habe und im Zuge dieses Tätigkeit zwei Drogenhändler verhaftet habe, welche behauptet hätten, im Auftrag von M.M., einem Oberst der georgischen Polizei, tätig gewesen zu sein und habe es aus diesem Grund diverse Verfolgungshandlungen gegeben, wobei allerdings diesem Vorbringen aus den folgenden Gründen keine Glaubwürdigkeit zukomme:
So sei festzuhalten, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin zu Beginn seiner Niederschrift am 3.3.2005 behauptet habe, dass er einmal, und zwar im Jahre 1995, entführt worden sei und ein Monat lang gefoltert worden wäre, jedoch in seiner erstinstanzlichen Ersteinvernahme diese Geschehnisse nicht einmal ansatzweise erwähnt habe. Des Weiteren sei den Ausführungen des Ehegatten der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, dass er wiederum behauptet habe, zweimal und zwar im Jänner 1996 für eine Woche und im Februar 1997 ebenfalls für eine Woche entführt worden zu sein. Den gesamten Ausführungen des Ehegatten der Beschwerdeführerin sei wiederum entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahmen angegeben habe, dass sie nicht wisse, an welcher Dienststelle ihr Ehemann beschäftigt gewesen sei bzw. wann genau die Probleme begonnen hätten, sie glaube, es sei 1996 oder 1997 gewesen. Weiters habe sie im Widerspruch zum Ehegatten behauptet, dass dieser einmal im Februar 1997 für eine Woche entführt worden sei und dass der Ehegatte zwei Mal, nämlich auch im Jahre 1996 (November 1996), zwei Wochen nach der am 00.00.1996 stattgefundenen Eheschließung, entführt worden sei und somit aus diesen Gründen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht einmal ansatzweise Glaubwürdigkeit zugesprochen werden könne. Dem Vorbringen des Ehegatten der Beschwerdeführerin sei weiters entgegenzuhalten, dass er anfänglich behauptet habe, im Jahr 2001 einem Fernsehsender ein Interview gegeben zu haben und sei er im Anschluss daran von unbekannten Personen mit einem Messer niedergestochen worden, wohingegen er in einer späteren Einvernahme ausführte, dass dieses Interview im Mai 2001 ausgestrahlt worden sei und er in weiterer Folge auf dem Nachhauseweg angeschossen worden sei. Hinsichtlich dieser widersprüchlichen Vorbringensteile sei weiters festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin - im Widerspruch zum Ehegatten - behauptet habe, dass dieses Schussattentat am 00.00.2004 passiert sei und das behauptete Fernsehinterview im Juli 2001 stattgefunden habe. Aufgrund all dieser Ausführungen der Beschwerdeführerin sei somit nicht einmal ansatzweise glaubwürdig, dass die Beschwerdeführerin aus den angeführten Gründen Georgien verlassen habe und könne aufgrund obiger Ausführungen den vom Ehegatten der Beschwerdeführerin in Kopie vorgelegten Schreiben ebenfalls keine Beweiskraft zukommen.
Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes führte das Bundesasylamt im o.a. Bescheid zu § 7 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 (= Spruchteil I.) insbesondere aus:
Grundsätzliches Erfordernis für die Gewährung von Asyl sei, dass die Beschwerdeführerin glaubhaft mache, dass sie in ihrer Heimat einer Verfolgung aus politischen, religiösen, rassischen, ethnischen oder sozialen Gründen ausgesetzt sei bzw. im Falle der Rückkehr in ihre Heimat eine solche zu befürchten habe. Wie bereits ausführlich dargelegt worden sei, sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen, die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes glaubhaft zu machen.
In Bezug auf die Entscheidung über den subsidiären Schutz gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (= Spruchteil II.) führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus:
Wie bereits in der Begründung zur Entscheidung über den Asylantrag ausgeführt worden sei, könne im Fall der Beschwerdeführerin von einer Glaubhaftmachung der Fluchtgründe nicht gesprochen werden, weshalb auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 57 FrG ausgegangen werden könne. Auch aus der allgemeinen Lage im Heimatland der Beschwerdeführerin allein ergebe sich eine solche Gefährdung nicht.
Wie bereits festgestellt worden sei, sei es nach georgischem Recht nicht strafbar, aus einem anderen Land ausgewiesen oder abgeschoben zu werden. Auch die Stellung von Asylanträgen im Ausland werde strafrechtlich nicht verfolgt.
In Bezug auf die Entscheidung gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (= Spruchteil III.) stellte das Bundesasylamt fest, dass Hinweise auf das Vorliegen eines Eingriffes in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführerin iSd. Art. 8 EMRK dem gesamten Vorbringen nicht zu entnehmen seien. Es liege somit kein Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vor. Die Ausweisung stelle daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.
Gegen diesen o.a. Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 4.4.2006 fristgerecht eine Beschwerde, in der sie in inhaltlicher Hinsicht ihre Angaben vor dem Bundesasylamt wiederholte und eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Verfahrensmängel geltend machte. Schließlich stellte sie folgende Anträge:
Der Asylgerichtshof möge
den angefochtenen Bescheid, allenfalls nach Verfahrensergänzung dahingehend abändern, dass ihr Asyl gewährt werde, in eventu
den angefochtenen Bescheid zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde 1. Instanz zurückverweisen, in eventu
den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die Unzulässigkeit ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in ihr Heimatland ausgesprochen werde und ihr ein befristetes Aufenthaltsrecht gemäß § 15 AsylG erteilt werde, in eventu
den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid im Spruchpunkt betreffend die Ausweisung ersatzlos behoben werde und festgestellt werde, dass ihre Abschiebung in ihr Heimatland gemäß § 57 FrG unzulässig sei.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
Die Beschwerdeführerin hat ihren Asylantrag im Wesentlichen damit begründet: Sie sei nur wegen ihres Ehemannes und dessen Gründen, gemeinsam mit ihm, nach Österreich gekommen. Jedoch seien die Probleme ihres Ehemannes auch ihre eigenen geworden.
Die Beweiswürdigung im o.a. Bescheides hält in mehrfacher Hinsicht einer näheren Betrachtung nicht stand:
1.1. Die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes erschöpft sich zunächst darin, Voraussetzungen für die "Glaubhaftmachung" aufzustellen, und führt dann zur Schlussfolgerung, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht einmal ansatzweise Glaubwürdigkeit zukomme. Der Organwalterin des Bundesasylamtes, die den o.a. Bescheid genehmigt hat, ist auf der einen Seite zuzugestehen, dass die aufgeführten Widersprüche im Vorbringen der Beschwerdeführerin sowie die teilweise vorhandenen Unstimmigkeiten zum Vorbringen des Ehemannes auf den ersten Blick den Eindruck einer Unglaubwürdigkeit erwecken mögen. Auf der anderen Seite lässt sich mit diesen kleineren Widersprüchen bzw. Unstimmigkeiten aber nicht die Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes begründen, weil der Ehemann sehr wohl seine "Fluchtgeschichte" detailreich und mit eigenen Erlebniswahrnehmungen geschildert hat. So kann auch den äußerst knappen Ausführungen des Bundesasylamtes hinsichtlich der vom Ehemann der Beschwerdeführerin in Kopie vorgelegten Schreiben und Urkunden nicht gefolgt werden, wenn darin festgehalten wird, dass aufgrund der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens den vorgelegten Schreiben "keine Beweiskraft" zukommen könne, zumal die Beurteilung der Beweiskraft der vorgelegten Schreiben jedenfalls eine inhaltliche Auseinandersetzung damit voraussetzt.
1.2. Im gegenständlichen Fall wurde die erstinstanzliche Ersteinvernahme am 24.9.2004 von Hr. M. durchgeführt, die Zweiteinvernahme am 3.3.2005 von Hr. L. und den abschließenden Bescheid des Bundesasylamtes genehmigte Fr. G.. Fest steht jedenfalls, dass bereits die erfolgten erstinstanzlichen Einvernahmen der Beschwerdeführerin von jeweils unterschiedlichen Organwaltern durchgeführt wurden und dass in weiterer Folge wiederum eine ganz andere Organwalterin den erstinstanzlichen Bescheid vom 23.3.2006 genehmigt hat. Dass diese Vorgehensweise lediglich deshalb erfolgt wäre, um unverhältnismäßigen Aufwand abzuwenden, lässt sich dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt nicht ansatzweise entnehmen.
Der hier im Ermittlungsverfahren unterlaufene Fehler durch unterschiedliche Organwalter wiegt insofern umso schwerer, als die den Bescheid genehmigende Organwalterin im o.a. Bescheid die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin, ohne persönliche Eindrücke aus der Einvernahme, festgestellt hat, wodurch sich auch die oben bereits genannten Begründungen als mangelhaft erweisen.
1.3. Zusammenfassend bleibt an dieser Stelle als maßgebend festzuhalten, dass im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren vor dem Bundesasylamt basierend auf dem Verfahrensfehler iSd § 27 Abs. 1 AsylG schwere Mängel - insbesondere mangelhafte Begründungen im o.a. Bescheid - aufgetreten sind.
2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich für den zuständigen Senat des Asylgerichtshofes rechtlich Folgendes:
2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I Nr. 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1.7.2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom Asylgerichtshof (konkret: von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat) weiterzuführen.
Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren nach leg. cit. gegen einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes. Daher ist das Verfahren des Beschwerdeführers von dem zuständigen Senat des Asylgerichtshofes (D/5) weiterzuführen.
2.2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.
Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:
"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden.
(...)
Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. März 2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' iSd § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084).
Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.
Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.10.2006, Zl. 2005/20/0459, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt: "Einem zurückweisenden Bescheid iSd § 66 Abs. 2 AVG muss (demnach) auch entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen zuletzt das Erkenntnis vom 20.4.2006, Zl. 2003/01/0285)."
Was für den Unabhängigen Bundesasylsenat bis zum 30.6.2008 zu gelten hatte, gilt nunmehr gleichermaßen für den Asylgerichtshof.
2.4. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen; § 44 AsylG 1997 gilt.
Gemäß § 27 Abs. 1 erster Satz AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 ist der Asylwerber persönlich von dem zur jeweiligen Entscheidung berufenen Organwalter zu vernehmen, soweit dies ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist.
Gegen die in dieser Bestimmung auferlegte Verpflichtung hat das Bundesasylamt im erstinstanzlichen Verfahren der Beschwerdeführerin verstoßen (siehe oben 1.2.). Dass hier bereits unterschiedliche Organwalter des Bundesasylamtes die erstinstanzlichen Einvernahmen am 24.9.2004 (Hr. M.) sowie am 3.3.2005 (Hr. L.) durchgeführt haben und nicht auch den in der Folge erlassenen erstinstanzlichen Bescheid vom 23.3.2006 genehmigt haben, oder umgekehrt dass hier die den Bescheid genehmigende Organwalterin des Bundesasylamtes (Fr. G.) nicht auch die erstinstanzlichen Einvernahmen durchgeführt hat, lässt sich laut vorgelegtem Verwaltungsakt des Bundesasylamtes nicht ansatzweise damit begründen, dass ein unverhältnismäßiger Aufwand abzuwenden gewesen wäre (vgl. VwGH 30.8.2005, Zl. 2004/01/0602).
Der erfolgte Verstoß gegen die asylrechtliche Verfahrensregel des § 27 Abs. 1 erster Satz AsylG 1997 wurde in der gegenständlichen Fallkonstellation dadurch zum schweren Verfahrensfehler, dass die den Bescheid genehmigende Organwalterin (Fr. G.) ihre Entscheidung mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin begründet hat, ohne diese persönlich einvernommen zu haben.
Bereits in der älteren Judikatur zum AsylG 1997 hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass durch die Bestimmung des § 27 Abs. 1 AsylG die Wichtigkeit des persönlichen Eindruckes des entscheidenden Organs des Bundesasylamtes zur Bewertung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers im besonderen Maße und abweichend von den Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes hervorgehoben werde (VwGH 11.11.1998, Zl. 98/01/0308).
Der im Fall der Beschwerdeführerin gesetzte Verfahrensfehler iSd § 27 Abs. 1 AsylG ist wesentlich, weil nicht auszuschließen ist, dass die den erstinstanzlichen Bescheid genehmigende Organwalterin aufgrund des persönlichen Eindruckes der Beschwerdeführerin in einer Einvernahme zu einer anderen Glaubwürdigkeitsbeurteilung und somit zu anderen Feststellungen im o.a. Bescheid gelangen hätte können.
Daneben sind im erstinstanzlichen Asylverfahren der Beschwerdeführerin noch weitere Mängel - insbesondere mangelhafte Begründung im erstinstanzlichen Bescheid - aufgetreten.
Die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft mit dem Hinweis auf die Unglaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin (und ihres Ehemannes) könnte im gegenständlichen Fall nach Ansicht des zuständigen Senates des Asylgerichtshofes nur dann das maßgebende Ergebnis einer Prüfung sein, wenn der Beschwerdeführerin damit entgegengetreten werden könnte, dass nach vollständiger Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes - insbesondere unter Berücksichtigung und inhaltlicher Auseinandersetzung mit den vom Ehemann der Beschwerdeführerin in Kopie vorgelegten Schreiben und Urkunden - keine Umstände zu Tage treten, die auf eine Gefährdung iSd GFK schließen lassen. Nur in dieser Form hätte das Bundesasylamt im gegenständlichen Fall eine abschließende (negative) Glaubwürdigkeitsprüfung in schlüssiger Weise vornehmen können.
Folglich ist das Ermittlungsverfahren betreffend die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin mangelhaft geblieben. Die aufgezeigten Mängel sind wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Vermeidung der Mängel zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis hätte führen können.
Fest steht, dass das Bundesasylamt den Sachverhalt im gegenständlichen Fall mangelhaft ermittelt hat, dass die Durchführung oder Wiederholung einer Einvernahme unvermeidlich erscheint.
Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes ist der Ansicht, dass die schweren Mängel vom Bundesasylamt zu sanieren sind, da im gegenteiligen Fall der Großteil des Ermittlungsverfahrens vor den Asylgerichtshof als gerichtliche Beschwerdeinstanz verlagert würde und somit - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - der zweiinstanzliche Verfahrensgang unterlaufen würde.
Aus den dargelegten Gründen ist gemäß § 66 Abs. 2 AVG der o.a. Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückzuverweisen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.