TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/25 D5 259195-0/2008

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Veröffentlicht am 25.09.2008
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Spruch

D5 259195-0/2008/1E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Vorsitzende und den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Beisitzer über die Beschwerde des S. G., geb. 00.00.1982, StA. von Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 7.3.2005, FZ. 03 25.697-BAW, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Beschwerdeführer, eine georgischer Staatsangehöriger, reiste seinen Angaben zufolge am 16.8.2003 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.8.2003 einen Asylantrag. Am 5.2.2004 fand seine Einvernahme vor dem Bundesasylamt statt. Mit Bescheid vom 7.3.2005, Zahl: 03 25.697-BAW, wies das Bundesasylamt seinen Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab (= Spruchteil I.) und erklärte das Bundesasylamt seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 für zulässig (= Spruchteil II.); gleichzeitig verfügte das Bundesasylamt die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. Nr. 101/2003 (= Spruchteil III.). Nachdem dieser Bescheid dem Beschwerdeführer am 10.3.2005 zugestellt worden war, erhob er dagegen fristgerecht eine Beschwerde.

 

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am 5.2.2004 beim Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer vor dem Organwalter Hr. Mag. W. (und Hr. RvI F.) zu seinem Asylantrag im Wesentlichen Folgendes an:

 

Er habe Georgien wegen der Probleme seines Vaters verlassen. Sein Vater sei im Jahr 2002 nach Österreich geflüchtet. Die Swaneten, welche vom M. waren, seien absichtlich in das Auto seines Vaters gefahren. Bei diesem Autounfall sei ein Mann gestorben, deshalb sei sein Vater verfolgt, geschlagen und verprügelt worden. Wenig später sei sein Vater geflohen, denn die Swaneten hätten eine Tradition, falls ein Angehöriger der Familie umgebracht werde, dann müssten sie Blutrache verüben. Auch er und die weiteren Familienangehörigen seien gezwungen gewesen, K. zu verlassen und auf das Land zu ziehen. Das Haus der Großmutter, indem sich die restliche Familie versteckt habe, sei in Brand gesteckt worden. Da sein Vater das Land verlassen habe, seien die nächsten Angehörigen der Familie verfolgt worden. Die Swaneten hätten ihn erwischt und entführt. Es sei ihm mit dem Umbringen gedroht worden, wenn er nicht seinen Vater anrufen würde, um 6000 US Dollar zu holen. Am nächsten Tag habe ihm eine Frau zur Flucht verholfen. Er habe es noch geschafft, ein Foto von dem verbrannten Haus zu machen. Sein Vater sei politisch tätig gewesen, daher seien all diese Probleme ausgebrochen. Er selbst sei nicht politisch tätig gewesen.

 

Im o.a. Bescheid vom 7.3.2005 stellte das Bundesasylamt (durch den Organwalter Hr. ADir. P.) zunächst als maßgebenden Sachverhalt fest:

 

Die Identität des Beschwerdeführers stehe aufgrund des vorgelegten (und vom Bundesasylamt als echt klassifizierten) georgischen Führerscheines fest. Nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland Georgien eine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung zu gewärtigen hätte.

 

In der Folge traf das Bundesasylamt auf Seite 7 bis 11 des o.a. Bescheides Länderfeststellungen zur Lage in Georgien.

 

Das Bundesasylamt führte sodann im o.a. Bescheid als Beweiswürdigung aus:

 

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers habe keine Glaubwürdigkeit zuerkannt werden können. Im Asylverfahren sei es nicht ausreichend, Behauptungen aufzustellen, sondern müsse der Beschwerdeführer diese glaubhaft machen. Dazu müsse das Vorbringen in gewissem Maß substantiiert und nachvollziehbar sein. Die Aussagen des Beschwerdeführers seien den Anforderungen nicht gerecht geworden. So habe sich der Beschwerdeführer in seinem gesamten Vorbringen auf die bereits vom Unabhängigen Bundesasylsenat als dem Grunde nach für unglaubwürdig bewerteten Fluchtgründe seines Vaters S. R. gestützt. Des Weiteren falle auf, dass sich die Aussagen des Beschwerdeführers nicht mit dem von seinem Vater dargelegten Sachverhalt in Einklang bringen lassen. So habe der Beschwerdeführer behauptet, dass er deshalb von Swaneten verfolgt worden sei, weil sein Vater in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen sei, wobei eine Person verletzt und in weiterer Folge verstorben sei, während der Vater des Beschwerdeführers lediglich behauptet habe, dass eine Person verletzt worden sei, obwohl dieser in der Berufungsverhandlung eine Bestätigung über den Brand seines Elternhauses vorgelegt habe und daher wohl auch über die Schwere der Verletzung bzw. den angeblichen Tod des Unfallbeteiligten Kenntnis erlangt habe. Zudem habe der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahmen ausgeführt, dass sein Vater in Georgien bereits wegen des beim Autounfall verstorbenen Mannes verfolgt worden sei. Weiters habe der Beschwerdeführer behauptet, dass alle Probleme der Familie lediglich deshalb entstanden seien, weil der Vater politisch tätig gewesen sei, während der Vater des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahme angab, niemals politisch tätig gewesen zu sein. Als weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens werde auch der Umstand gewertet, dass sich der vom Beschwerdeführer vorgetragene Sachverhalt mit den allgemeinen Erfahrungen und Erkenntnissen über Georgien nicht vereinbaren lasse, zumal es in Georgien Blutrache nicht (mehr) gebe.

 

In einer Gesamtschau gelange das Bundesasylamt daher im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass der maßgebende, vom Beschwerdeführer behauptete und den Fluchtgrund betreffende Sachverhalt nicht den Tatsachen entspreche.

 

Bei der rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes führte das Bundesasylamt im o.a. Bescheid zu § 7 AsylG idF BGBl. I Nr. 126/2002 (= Spruchteil I.) insbesondere aus:

 

Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei in seiner Gesamtheit nicht dazu geeignet, eine asylrelevante Verfolgung und wohlbegründete Furcht glaubhaft zu machen. Im gegenständlichen Fall erachte das Bundesasylamt im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Beschwerdeführers grundsätzlich als nicht glaubwürdig, sodass die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können und sei auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen gewesen.

 

In Bezug auf die Entscheidung über den subsidiären Schutz gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (= Spruchteil II.) führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus: Das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 57 Abs. 2 FrG 1997 sei bereits unter Spruchteil I. geprüft und verneint worden. Wie schon in der Begründung zur Entscheidung über den Asylantrag ausgeführt worden sei, könne im gegenständlichen Fall von einer Glaubhaftmachung der Fluchtgründe nicht gesprochen werden, weshalb auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne des § 57 FrG ausgegangen werden könne. Aufgrund der getroffenen Feststellungen könne ferner nicht davon gesprochen werden, dass in Georgien eine nicht sanktionierte ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen herrschen würde; somit könnten auch von Amts wegen keine stichhaltigen dem Refoulement des Beschwerdeführers nach Georgien entgegenstehende Gründe erkannt werden.

 

In Bezug auf die Entscheidung gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (= Spruchteil III.) stellte das Bundesasylamt fest, dass sich auch die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers als Asylwerber in Österreich aufhalten würden. Es liege somit kein Familienbezug (Kernfamilie) zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vor. Der Aufenthalt der Angehörigen ist so wie jener des Beschwerdeführers nur ein vorübergehender. Die Ausweisung stelle daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

Gegen diesen o.a. Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 23.3.2005 fristgerecht eine Beschwerde, in der er eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Verfahrensmängel geltend machte und im Wesentlichen ausführte: Das Bundesasylamt habe in den Feststellungen zur aktuellen Situation in Georgien einen nur kurzen vorgefertigten Länderbericht herangezogen, der nur Teile des Vorbringens des Beschwerdeführers abdecke. Der Beschwerdeführer habe selbst ausgeführt, aufgrund der herrschenden Behördenkorruption keinen staatlichen Schutz vor den von ihm geschilderten Übergriffen von privater Seite erhalten zu haben. Er habe ausführlich dargelegt, dass er aufgrund der politisch motivierten Probleme seines Vaters in der Folge eigene Probleme gehabt habe. Die Verfolgung seiner Person habe er vor allem auf die in Georgien, insbesondere Swanetien, herrschende Tradition der Blutrache zurückgeführt. Er habe glaubwürdig und detailreich dargelegt, von den Verfolgern seines Vaters ebenfalls gesucht zu werden, bedroht und letztlich auch entführt worden zu sein. Die gesamte Familie sei bedroht worden und das Haus der Großmutter sei aus Rache niedergebrannt worden. Vor diesem Hintergrund hätte das Bundesasylamt jedenfalls weitere, ergänzende Feststellungen zur vom Beschwerdeführer geschilderten Situation vornehmen müssen. Zwar seien im angefochtenen Bescheid Feststellungen zum zentralen Vorbringen der Blutrache getroffen worden, dennoch seien diese veraltet, unvollständig und aus diesem Grunde unrichtig. Vielmehr sei die Blutrache ein Phänomen, das nach wie vor in ganz Georgien eine nicht zu unterschätzende Rolle spiele, insbesondere gehe aus den angeführten Berichten ausdrücklich hervor, dass die Blutrache nicht ausschließlich auf Swanetien beschränkt sei. Hinsichtlich der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, welche das Bundesasylamt u.a. mit der Begründung abspreche, dass er sein Vorbringen auf das bereits vom Unabhängigen Bundesasylsenat als unglaubwürdig bewertete Vorbringen des Vaters stütze, sei auszuführen, dass der Beschwerdeführer klar gestellt habe, dass er gerade aufgrund der Probleme seines Vaters in der Folge eigene Probleme gehabt habe. Daher drohe dem Beschwerdeführer als Angehörigen einer sozialen Gruppe asylrelevante Verfolgung in Georgien. Aufgrund der Verwandtschaft zu seinem Vater sei er von Blutrache bedroht. Gegen die ihm drohende Verfolgung werde er durch den georgischen Staat nicht beschützt. Aus diesem Grunde sei ihm Asyl zu gewähren. Darüber hinaus sei die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers unzulässig, denn aufgrund des Rechtssystem-Charakters der Blutrache in Georgien und dem vernetzten Agieren der verfehdeten Sippen ergebe sich jedenfalls, dass sich die vom Beschwerdeführer geschilderte Gefahr auf ganz Georgien erstrecke.

 

Zum Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers sei neben dem Aufenthalt seiner gesamten Familie in Österreich vor allem auszuführen, dass er an der Universität Wien ein Studium aufgenommen habe und in Österreich mittlerweile völlig sozial integriert sei. Es gehe vom Beschwerdeführer keinerlei Gefährdung öffentlicher Interessen aus, ein Eingriff in seine Rechte gemäß Art. 8 EMRK sei schon allein vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig und seine Ausweisung demnach unzulässig.

 

Er stellte daher folgende Anträge:

 

Der Asylgerichtshof möge

 

eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen,

 

den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass ihm Asyl gewährt werde,

 

den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die Unzulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in sein Heimatland ausgesprochen und ihm ein befristetes Aufenthaltsrecht erteilt werde,

 

den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Bescheid im Spruchpunkt betreffend die Ausweisung ersatzlos behoben werde oder zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde I. Instanz zurückverwiesen werde; in eventu

 

den angefochtenen Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Erstbehörde zurückverweisen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

 

Der Beschwerdeführer hat in seinem Asylantrag im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht:

 

Er habe Georgien wegen der Probleme seines Vaters verlassen. Dieser habe im Zuge eines Autounfalls einen Mann verletzt, der daraufhin gestorben sei. Der verstorbene Mann sei ein Swanete gewesen. Die Swaneten hätten die Tradition, falls ein Angehöriger der Familie umgebracht werde, Blutrache zu üben. Daher sei zuerst sein Vater verfolgt und geschlagen worden, woraufhin dieser Georgien verlassen habe. Danach sei er als nächster Angehöriger entführt und bedroht worden. Sein Vater sei politisch tätig gewesen, deshalb seien alle diese Probleme ausgebrochen.

 

Die Beweiswürdigung im o.a. Bescheides hält in mehrfacher Hinsicht einer näheren Betrachtung nicht stand:

 

1.1. Der Organwalter des Bundesasylamtes, welcher den erstinstanzlichen Bescheid genehmigt hat, geht von der Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens des Beschwerdeführers aus. Den Erwägungen des Bundesasylamtes ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme ein Konvolut an Schreiben und Dokumenten (AS 49-85 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes) vorgelegt hat, die eigene - nach der Ausreise des Vaters namens S. R. aus Georgien im Jahr 2001 entstandene - Fluchtgründe des Beschwerdeführers belegen bzw. bestätigen sollen, jedoch das Bundesasylamt diese "Beweismittel" in keinster Weise in seine Beweiswürdigung miteinbezogen hat. Bedenkt man, dass der den Bescheid genehmigende Organwalter des Bundesasylamtes das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers insbesondere mit der Begründung als unglaubwürdig erachtet hat, dass die Fluchtgründe des Vaters bereits "als dem Grunde nach für unglaubwürdig bewertet" worden waren, liegt auf der Hand, dass es unschlüssig ist, später entstandene, auch den Beschwerdeführer selbst betreffende Fluchtgründe mit solch einer Begründung a priori als unglaubwürdig abzutun. Weiters liegt in diesem Zusammenhang auf der Hand, dass die nicht erfolgte Einbeziehung der vorgelegten - zum Teil nicht einmal übersetzten - Schreiben und Dokumente einen Verfahrensmangel darstellt.

 

1.2. Im gegenständlichen Fall wurde die erstinstanzliche Einvernahme am 5.2.2004 von Hr. Mag. W. (und Hr. RvI F.) durchgeführt, wobei aus der gesamten Niederschrift der von 12.40 Uhr bis 14.40 Uhr dauernden Einvernahme nicht entnommen werden kann, ob beide Organwalter gleichermaßen durchgehend bei der Einvernahme anwesend waren, jedoch den abschließenden Bescheid des Bundesasylamtes genehmigte Hr. ADir. P.. Fest steht jedenfalls, dass die erfolgte erstinstanzliche Einvernahme des Beschwerdeführers von den beiden oben genannten Organwaltern durchgeführt wurde, dass jedoch in weiterer Folge ein ganz anderer Organwalter den erstinstanzlichen Bescheid vom 7.3.2005 genehmigt hat. Dass diese Vorgehensweise lediglich deshalb erfolgt wäre, um unverhältnismäßigen Aufwand abzuwenden, lässt sich dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt nicht ansatzweise entnehmen.

 

Der hier im Ermittlungsverfahren unterlaufene Fehler durch unterschiedliche Organwalter wiegt insofern umso schwerer, als der den Bescheid genehmigende Organwalter im o.a. Bescheid die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers, ohne persönliche Eindrücke aus der Einvernahme, festgestellt hat, wodurch sich auch die oben bereits teils genannten Begründungen als mangelhaft erweisen.

 

1.3. Zusammenfassend bleibt an dieser Stelle als maßgebend festzuhalten, dass im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren vor dem Bundesasylamt basierend auf dem Verfahrensfehler iSd § 27 Abs. 1 AsylG schwere Mängel - mangelhafte Begründungen im erstinstanzlichen Bescheid - aufgetreten sind.

 

2. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich für den zuständigen Senat des Asylgerichtshofes rechtlich Folgendes:

 

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I Nr. 4/2008; im Folgenden: AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1.7.2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, vom Asylgerichtshof (konkret: von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat) weiterzuführen.

 

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um ein Beschwerdeverfahren nach leg. cit. gegen einen abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes. Daher ist das Verfahren des Beschwerdeführers von dem zuständigen Senat des Asylgerichtshofes (D/5) weiterzuführen.

 

2.2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt:

 

"Im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde ist gemäß § 23 AsylG und Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (unter anderem) § 66 AVG anzuwenden. Nach § 66 Abs. 1 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Außer dem in § 66 Abs. 2 AVG erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG immer in der Sache selbst zu entscheiden.

(...)

 

Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. März 2001, Zl. 2000/08/0200; zum Begriff ¿mündliche Verhandlung' iSd § 66 Abs. 2 AVG siehe auch die Nachweise im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084).

 

Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet, wobei der belangten Behörde die Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' zukommt (Art. 129c Abs. 1 B-VG). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und es ist gemäß § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

 

Dieser Gesichtspunkt ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichthofes - freilich immer unter ausreichender Bedachtnahme auf das Interesse der Partei an einer raschen Erledigung des Asylverfahrens - bei der Ermessensausübung nach § 66 Abs. 2 und 3 AVG auch einzubeziehen. Unter dem Blickwinkel einer Kostenersparnis für die Partei ist dabei vor allem auch zu beachten, dass die Vernehmung vor dem Bundesasylamt dezentral durch die Außenstellen in den Bundesländern erfolgt, während der Unabhängige Bundesasylsenat - anders als bei den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern, für die Vergleichbares auf Landesebene gilt - als zentrale Bundesbehörde in Wien eingerichtet ist (vgl. auch dazu das bereits erwähnte Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0084)."

 

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.10.2006, Zl. 2005/20/0459, zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG durch den Unabhängigen Bundesasylsenat ausgeführt: "Einem zurückweisenden Bescheid iSd § 66 Abs. 2 AVG muss (demnach) auch entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind (vgl. zum Ganzen zuletzt das Erkenntnis vom 20.4.2006, Zl. 2003/01/0285)."

 

Was für den Unabhängigen Bundesasylsenat bis zum 30.6.2008 zu gelten hatte, gilt nunmehr gleichermaßen für den Asylgerichtshof.

 

2.4. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen; § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 erster Satz AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ist der Asylwerber persönlich von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes zu vernehmen, soweit dies ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist.

 

Gegen die in dieser Bestimmung auferlegte Verpflichtung hat das Bundesasylamt im erstinstanzlichen Verfahren des Beschwerdeführers verstoßen (siehe oben 1.2.). Dass hier einer der Organwalter des Bundesasylamtes (Hr. Mag. W. oder Hr. RvI F.), der die erstinstanzliche Einvernahme am 5.2.2004 durchgeführt hat, nicht auch den in der Folge erlassenen erstinstanzlichen Bescheid vom 7.3.2005 genehmigt hat, oder umgekehrt dass hier der den Bescheid genehmigende Organwalter des Bundesasylamtes (Hr. ADir. P.) nicht auch die erstinstanzliche Einvernahme durchgeführt hat, lässt sich laut vorgelegtem Verwaltungsakt des Bundesasylamtes nicht ansatzweise damit begründen, dass ein unverhältnismäßiger Aufwand abzuwenden gewesen wäre (vgl. VwGH 30.8.2005, Zl. 2004/01/0602).

 

Der erfolgte Verstoß gegen die asylrechtliche Verfahrensregel des § 27 Abs. 1 erster Satz AsylG 1997 wurde in der gegenständlichen Fallkonstellation dadurch zum schweren Verfahrensfehler, dass der den Bescheid genehmigende Organwalter (Hr. ADir. P.) seine Entscheidung mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers begründet hat, ohne diese persönlich einvernommen zu haben.

 

Bereits in der älteren Judikatur zum AsylG 1997 hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass durch die Bestimmung des § 27 Abs. 1 AsylG die Wichtigkeit des persönlichen Eindruckes des entscheidenden Organs des Bundesasylamtes zur Bewertung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers im besonderen Maße und abweichend von den Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes hervorgehoben werde (VwGH 11.11.1998, Zl. 98/01/0308).

 

Der im Fall des Beschwerdeführers gesetzte Verfahrensfehler iSd § 27 Abs. 1 AsylG ist wesentlich, weil nicht auszuschließen ist, dass der den erstinstanzlichen Bescheid genehmigende Organwalter aufgrund des persönlichen Eindruckes des Beschwerdeführers in einer Einvernahme zu einer anderen Glaubwürdigkeitsbeurteilung und somit zu anderen Feststellungen im o.a. Bescheid gelangen hätte können.

 

Zudem sind im erstinstanzlichen Asylverfahren des Beschwerdeführers noch weitere Mängel aufgetreten, wie die mangelhaften Begründungen im erstinstanzlichen Bescheid.

 

Die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft mit dem Hinweis auf die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers könnte im gegenständlichen Fall nach Ansicht des zuständigen Senates des Asylgerichtshofes nur dann das maßgebende Ergebnis einer Prüfung sein, wenn dem Beschwerdeführer damit entgegengetreten werden könnte, dass nach vollständiger Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes - insbesondere auch unter Einbeziehung der vorgelegten Schreiben und Dokumente - keine Umstände zu Tage treten, die auf eine Gefährdung iSd GFK schließen lassen. Zwar obliegt es dem Beschwerdeführer, von sich aus entscheidungsrelevante Tatsachen vorzubringen, das Bundesasylamt hätte jedoch von Amts wegen darauf hinzuwirken gehabt, dass die Angaben des Beschwerdeführers im Hinblick auf einen relevanten Grund iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vervollständigt werden. Nur in dieser Form hätte das Bundesasylamt im gegenständlichen Fall eine abschließende (negative) Glaubwürdigkeitsprüfung in schlüssiger Weise vornehmen können.

 

Folglich ist das Ermittlungsverfahren betreffend die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers mangelhaft geblieben. Die aufgezeigten Mängel sind wesentlich, weil vorweg nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Vermeidung der Mängel zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte führen können.

 

Fest steht, dass das Bundesasylamt den Sachverhalt im gegenständlichen Fall so mangelhaft ermittelt hat, dass die Durchführung oder Wiederholung einer Einvernahme unvermeidlich erscheint.

 

Der zuständige Senat des Asylgerichtshofes ist der Ansicht, dass die schweren Mängel vom Bundesasylamt zu sanieren sind, da im gegenteiligen Fall der Großteil des Ermittlungsverfahrens vor den Asylgerichtshof als gerichtliche Beschwerdeinstanz verlagert würde und somit - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - der zweiinstanzliche Verfahrensgang unterlaufen würde.

 

Aus den dargelegten Gründen ist gemäß § 66 Abs. 2 AVG der o.a. Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückzuverweisen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
10.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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