TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/26 A5 223219-0/2008

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Veröffentlicht am 26.09.2008
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Spruch

A5 223.219-0/2008/10E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. UNTERER als Beisitzerin im Beisein der VB Wilhelm über die Beschwerde des O.G., geb. 00.00.1950, Staatsangehöriger von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.06.2001, Zl. 00 16.924-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde des O.G. wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 1.12.2000 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 leg.cit. für zulässig erklärt.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde).

 

I.3. Mit Einrichtung des Asylgerichthofes am 1.7.2008 ging gegenständliche Angelegenheit in die Zuständigkeit des nunmehr erkennenden Senates über.

 

I.4. Der Asylgerichtshof brachte dem Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19.8.2008 aktuelle Länderfeststellungen, die nunmehr auch den Gegenstand dieses Erkenntnisses bilden, gemäß § 45 Abs .3 AVG zur Kenntnis und räumte ihm eine zwei Wochen währende Frist zur Stellungnahme ein.

 

I.5. Mit Schriftsatz vom 25.8.2008 übermittelte der Beschwerdeführer dem Asylgerichtshof eine Stellungnahme.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

 

II.1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria, seine Identität konnte nicht festgestellt werden. Er reiste am 1.12.2000 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

 

II.1.1.2. Am 1.12.2000 führte die belangte Behörde eine niederschriftliche Einvernahme mit dem nunmehrigen Beschwerdeführer durch. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Genannte zu Protokoll, die Polizei suche nach ihm, weil er in seinem LKW Personen befördert habe, die im Zuge von Kampfhandlungen unzählige Menschen umgebracht hätten. Seine Frau, so der Beschwerdeführer in Konkretisierung seines Vorbringens, sei Lebensmittelhändlerin gewesen und habe ihn öfter begleitet, wenn er mit seinem LKW verschiedene Ladungen zu unterschiedlichen Örtlichkeiten in Nigeria transportiert habe. Am 13. oder 14. 10. 2000 seien sie gemeinsam in Lagos gewesen, seine Frau habe Waren eingekauft und er sei vom Auftraggeber, für den er einen Transport von Lagos nach Benin City durchführen sollte, ersucht worden, gemeinsam mit diesem die Fahrt fortzusetzen, vorgeblich, um noch eine andere Ladung entgegen zu nehmen. Unterwegs hätten sie plötzlich einen Menschenauflauf und eine Straßenblockade bemerkt, der nunmehrige Beschwerdeführer habe versucht, wegzufahren, dies sei aber nicht mehr möglich gewesen. Bewaffnete Menschen seien auf den LKW zugekommen und hätten den Beschwerdeführer bedroht. Sie hätten von ihm verlangt, dass er sie in seinem Fahrzeug mitnehme. Da sie ihm das Messer angesetzt hätten, habe er diese Leute schließlich auf seiner Ladefläche transportiert. Ein anderer LKW sei ihnen entgegen gekommen und beide Fahrzeuge hätten angehalten. Zwischen den Leuten, die der Beschwerdeführer transportiert hätte und jenen, die sich im entgegenkommenden LKW befunden hätten, sei ein Kampf ausgebrochen. Er habe seiner Frau gesagt, sie solle davon laufen und habe sie aus den Augen verloren. Auch der Beschwerdeführer selbst sei weg gelaufen und habe sich in einem Haus versteckt. Er habe beobachtet, wie die Polizei und das Militär gekommen seien und Leute verhaftet worden seien. Der Beschwerdeführer selbst habe sich nach einem Motorrad umgesehen und sei damit zu seinen Verwandten nach Lagos gefahren. Ein Verwandter habe am folgenden Tag nach dem LKW geschaut und ihm erzählt, dass davon nur mehr Asche übrig sei. Dieser Verwandte habe außerdem im Leichenschauhaus überprüft, ob er eine Spur zur vermissten Ehefrau des nunmehrigen Beschwerdeführers finden könne. Am nächsten Tag habe er den Beschwerdeführer darüber informiert, dass sich auch dessen Frau unter den Leichen befände. Die Kommunalregierung habe den Auftrag erteilt, alle an dem Kampf beteiligten Personen sowie die Lenker der Fahrzeuge festzunehmen. Aus diesem Grund habe die Polizei auch nach dem Beschwerdeführer gefahndet und sei in dessen Haus nach Benin City gefahren. Zudem habe der nunmehrige Beschwerdeführer auch Schwierigkeiten mit den Verwandten seiner verstorbenen Frau bekommen. Diese hätten aus Zorn über den Tod der Frau auch ihn umbringen wollen und hätten sein Haus angezündet. Der Beschwerdeführer gab weiters an, die Polizei in Lagos hätte zwischenzeitlich das Kennzeichen seines LKW¿s herausgefunden und habe aus diesem Grund nach ihm gefahndet.

 

Über Nachfrage der belangten Behörde, warum der Beschwerdeführer der Polizei nicht erklärt habe, dass er mit den Personen, die seinen LKW besetzt hätten, nicht zu tun gehabt habe, meinte der Genannte, dass die Polizei ihm nicht zugehört hätte. Er wisse nichts Näheres über die Ausschreitungen in Lagos, außer dass es sich dabei um Kämpfe zwischen Moslems und Christen gehandelt habe. Im Fall seiner Rückkehr befürchte der nunmehrige Beschwerdeführer, von der Polizei wegen Mordes angezeigt und verurteilt zu werden, zudem würden ihm die Verwandten seiner Frau nach dem Leben trachten. Die belangte Behörde befragte den nunmehrigen Beschwerdeführer neuerlich nach der Nummer des Kennzeichens seines LKW¿ s, das der Genannte diesmal mit " XY" angab. Über Vorhalt, dass er zuvor eine andere Nummer genannt habe, zog sich der nunmehrige Beschwerdeführer darauf zurück, von der belangten Behörde möglicherweise falsch verstanden worden zu sein und betonte - nach Vorhalt, dass er die Nummer ja aufgeschrieben habe - noch immer an seine verstorbene Frau zu denken.

 

II.1.1.3. Die belangte Behörde wies den Asylantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers ab und erklärte die Rückführung des Genannten nach Nigeria für zulässig. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Angaben des Beschwerdeführers infolge von deren Abstraktheit und Allgemeinheit für nicht glaubwürdig zu erachten. Er sei nicht imstande gewesen, das Kennzeichen seines Lastkraftwagens gleich lautend zu bezeichnen und habe auch sonst keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität belegten. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Polizei nach ihm suchen sollte, zumal dieser gar nicht bekannt sein könne, wer das völlig ausgebrannte Fahrzeug gelenkt habe.

 

II.1.1.4. Der Beschwerdeführer bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde). Er monierte die unrichtige rechtliche Beurteilung und führte ins Treffen, dass die belangte Behörde es völlig verabsäumt hätte, nachvollziehbare Feststellungen zu treffen. Er würde in seinem Heimatland sowohl von Militär und Polizei, als auch von den Verwandten seiner Frau gesucht.

 

II.1.1.5. Dem Beschwerdeführer wurden, wie bereits unter Punkt I.4 ausgeführt, seitens des Asylgerichtshofes aktuelle Feststellungen zur Lage in Nigeria, zur Kenntnis gebracht. In der daraufhin erstatteten Stellungnahme vom 25.8.2008 hielt der Beschwerdeführer zusammengefasst fest, dass die Sicherheitslage in Nigeria prekär sei und die nationalen Sicherheitskräfte außer Stande wären, die Bevölkerung ausreichend vor Übergriffen durch Private zu schützen. Die Verwaltung und der Polizeiapparat sei korrupt und der Staat unfähig, Schutz zu gewähren. So sei es auch in der Vergangenheit gewesen, als seine Frau von radikalen Moslems getötet worden sei. Eine Rückkehr nach Nigeria sei dem Beschwerdeführer nicht möglich, da er über kein soziales Netzwerk verfüge und er auch kein Haus mehr besitze, da dieses niedergebrannt worden sei. Seinem Informationsstand zufolge bestünde gegen ihn ein Haftbefehl und würde eine Verhaftung dazu führen, dass der Beschwerdeführer unter den schlechten Haftbedingungen zu leiden hätte.

 

II.1.2. Zur Lage in Nigeria

 

Die folgenden Länderfeststellungen wurden dem Beschwerdeführer im Wortlaut mit Schreiben vom 19.8.2008 zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit eingeräumt, sich binnen einer Frist von zwei Wochen dazu zu äußern.

 

Allgemein

 

Nigeria ist eine föderale Republik in Westafrika, bestehend aus 36 Bundesstaaten und mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 140 Millionen Menschen. 1960 wurde in Nigeria die Unabhängigkeit von Großbritannien proklamiert. Die nachfolgenden Jahre waren von interkulturellen sowie politischen Unruhen und Gewaltausbrüchen geprägt, als schließlich das Militär (durch Igbo- Offiziere) 1966 die Macht übernahm und die erste Republik beendete. Die ersten demokratischen Präsidentschaftswahlen - abgesehen von 1979 bis 1983, als Shehu Shagari mit der Hilfe von General Obasanjo die zivile Regierungsmacht übertragen bekam - fanden erst wieder im Jahr 1999 statt, bei denen Olusegun Obasanjo als Sieger hervorging und anlässlich der Wahlen 2003 als solcher bestätigt wurde. (1+2)

 

Gemäß der nach amerikanischem Vorbild entworfenen Verfassung von 1999, die am 29. Mai 1999 in Kraft trat, verfügt Nigeria über ein präsidiales Regierungssystem mit einem Senat (109 Abgeordnete) und einem Repräsentantenhaus (360 Abgeordnete). Darüber hinaus gewährleistet die Verfassung ein Mehrparteiensystem und alle 4 Jahre stattfindende Wahlen. Der Präsident verfügt generell über weit reichende Vollmachten und ist sowohl Staatsoberhaupt, Regierungschef als auch Oberbefehlshaber der Armee. (3)

 

Am 14. und 21. April 2007 fanden die letzten Wahlen statt, bei denen die amtierende "People's Democratic Party (PDP) überlegen als Sieger hervorging, und Umaru Yar'Adua zum Präsidenten gewählt wurde. Damit erfolgte erstmals seit der Unabhängigkeit Nigerias die Machtübergabe von einer zivilen Regierung auf die nächste. (4)

 

(1) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 1, von 11.03.2008 (www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2007/100498.htm).

 

(2) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 10-19, von 13.11.2007 (www.homeoffice.gov.uk/rds/country-report.html).

 

(3) IDMC, "Nigeria: Institutional mechanisms fail to address recurrent violence and displacement", S. 1-4, von 29.10.2007 (www.internal-displacement.org).

 

(4) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand September 2007, S. 5-7, von 06.11.2007

 

Generelle Menschenrechtslage

 

Die Menschen- und Bürgerrechte sind im Grundrechtskatalog der Verfassung gewährleistet. Die Realität sieht allerdings anders aus; schlechte Lebensbedingungen der Bevölkerungsmehrheit, Korruption sowie die größtenteils mangelnde Ausbildung, Ausrüstung und Bezahlung der staatlichen Organe führen zu regelmäßigen Verletzungen der verfassungsrechtlich garantierten Rechte. (1)

 

In der nigerianischen Gesellschaft ist Gewalt ein alltägliches Phänomen, welche zumeist auch von Politikern zur Zielerreichung bewusst eingesetzt wird. Willkürliche Verhaftungen und Folter, sowie politisch motivierte Auftragsmorde durch Polizei und Militär sind keine Seltenheit. Die harschen Haftbedingungen und die schlechten Zustände in den Gefängnissen können lebensbedrohende Ausmaße annehmen. Selbstjustiz stellt daher in verschiedenen Landesteilen ein gravierendes Problem dar. Zu diesem Zweck wird hauptsächlich auf sog. "Vigilante Groups" (private Milizen, oft auch ethnisch motiviert) zurückgegriffen, welche durch die Regierungen einiger Bundesstaaten toleriert oder sogar aktiv unterstützt werden. (3)

 

Obwohl eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinsichtlich ziviler und politischer Rechte seit 1999 festzustellen ist, wird nach wie vor von willkürlichen Ausschreitungen und Gesetzesverletzungen ausgehend von den nigerianischen Sicherheitskräften berichtet. Die Beschneidung essentieller Grundrechte, häusliche Gewalt, Diskriminierung der Frauen, Kindesmissbrauch sowie ethnisch, regionale und religiöse Diskriminierungen stellen in Nigeria wohl die signifikantesten und bislang sanktionslosen Rechtsverletzungen dar. (2)

 

(1) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand September 2007, S. 5., von 06.11.2007.

 

(2) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 1, von 11.03.2007 (www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2007/100498.htm).

 

(3) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 10-19, von 13.11.2007 (www.homeoffice.gov.uk/rds/country-report.html).

 

II.1. Politische Betätigung

 

Die Verfassung von 1999 gewährleistet prinzipiell das Recht auf einen freien politischen Zusammenschluss, was auch von der Regierung in der Praxis respektiert wird. 2006 waren 46 Parteien bei der Nationalen Wahlkommission gemeldet (National Election Commission INEC). (1) Bei den Parlamentswahlen 2007 traten 43 Parteien an, 24 Parteien stellten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl auf. (2) Oppositionelle Politiker werden toleriert und haben auch das Recht, ihre Ansichten öffentlich kund zu tun. Das Wahlrecht erlaubt es ebenso, aus einer Partei auszutreten und eine neue Partei zu gründen. Gelegentlich wird von kurzen Anhaltungen auf Grund von regierungskritischen Pressemitteilungen seitens der Opposition berichtet. (3) Die diesbezügliche Toleranz wird auch dadurch veranschaulicht, dass die nigerianische Parteienlandschaft generell von einer komplexen personellen Verflechtung zwischen der regierenden Partei und der Opposition geprägt ist. (1+2)

 

Dennoch kommt es auf Grund der einzelnen Machtbestrebungen immer wieder zu politisch motivierten Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Parteien, die hauptsächlich mit Hilfe von undemokratischen Mitteln, wie bewaffneten Kämpfen bis zum politischen Mord, einhergehen. Dazu werden in der Regel eigene "Gangs" herangezogen, deren Mitglieder öffentlich rekrutiert und von den Politikern bezahlt werden. Die verantwortlichen Organe bleiben zumeist von strafrechtlichen Konsequenzen verschont. Die neue Regierung von Präsident Yar'Adua hat aber erkennen lassen, dass sie sich dieser Themen annehmen will, zumal diese militanten Vereinigungen auch nach den eher problematischen Wahlvorgängen in der Regel existent bleiben. (1+3+5+6)

 

Bei den letzten Wahlen im April 2007 wurden ca. 200 bis 300 Personen Opfer von gewaltvollen Ausschreitungen. (1+6) Bis 30.03.2007 wurden von der "Nigerian Alliance for Peaceful Elections" in den Bundesstaaten Bayelesa, Bauchi, Benue, Rivers und Delta 51 Fälle von Tötungen, Kidnapping und Gefechten zwischen den einzelnen Anhängern berichtet. (1) Im Bundesstaat Katsina, aus dem Yar'Adua und sein Konkurrent Buhari stammen, kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit vier Toten. Militante Gruppen versuchten, die Wahlen zu sabotieren.

(4) Weder die Regierung noch die Polizei unternahmen ausreichende Maßnahmen, um dagegen vorzugehen oder die Initiatoren zur Verantwortung zu ziehen. (1) Die eigens eingerichteten Wahlgerichte sollten aber generell in der Lage sein, in angemessener Zeit über Klagen (vor allem Wahlanfechtungsklagen) entscheiden zu können. Schon in der Vergangenheit fällten sie Entscheidungen gegen die Regierung, die die Exekutive letztlich auch akzeptierte. (3)

 

Es gibt keine Berichte über politische Häftlinge in Nigeria. (2)

 

(1) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 58-59.

 

(2) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 8 u. 15-16.

 

(3) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria. Stand September 2007, S. 6-8 u. 10.

 

(4) SZ, Perras Arne, von 23.04.2007.

 

(5) Human Rights Watch. Politics as War. The Human Rights Impact and Causes of Post-Election Violence in Rivers State, Nigeria. Vol. 20, No. 3(A), S. 13-15.

 

(6) AI Report 2008, Nigeria. S. 1-2.

(http://thereport.amnesty.org/eng/regions/africa/nigeria)

 

Meinungs- und Pressefreiheit

 

Meinungs- und Pressefreiheit sind verfassungsrechtlich garantiert, dennoch kommt es teilweise zu staatlichen Maßnahmen sowie Einschüchterungsaktionen auf Grund der Veröffentlichung regierungskritischer Artikel beziehungsweise Fernsehausstrahlungen. Im Juni 2006 wurden mehrere Journalisten und Angestellte eines privaten Fernsehsenders kurzfristig festgenommen, nach zwei Tagen gegen Zahlung einer Kaution aber wieder entlassen. (1+3+4) Obwohl Journalisten immer wieder Attacken der Sicherheitskräfte ausgeliefert sind, liegen in den letzten Jahren keine Berichte über systematische Eliminierungen von kritisch eingestellten Pressemitgliedern (mit tödlichem Ausgang) vor. (2)

 

(1) Dt. AA, S. 10-11.

 

(2) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 10-11.

 

(3) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 61-63.

 

(4) AI Report 2008, Nigeria. S. 8.

 

Versammlungsfreiheit

 

Die nigerianische Verfassung gewährleistet auch das Recht, öffentliche Versammlungen einzuberufen und an solchen teilzunehmen. Teilweise wird dieses Recht allerdings dadurch beschnitten, dass oppositionelle Kundgebungen verboten werden.

 

Der 2005 erlassene "Public Order Act", der eine polizeiliche Genehmigung für jede öffentliche Versammlung (Prozession, Kundgebung) verlangte, wurde erfolgreich bekämpft und ist somit nun nicht mehr notwendige Voraussetzung. Es ist somit nur noch eine Anzeige der beabsichtigten Versammlung gesetzlich vorgesehen. Der endgültige Ausgang dieses Rechtsstreits bleibt abzuwarten, da der Fall in mittlerweile dritter Instanz Ende 2007 noch beim Höchstgericht anhängig war. Dennoch kommt es in der Praxis in einigen Bundesstaaten zu restriktiven Vorgehensweisen der Polizei, falls für eine Versammlung keine entsprechende Genehmigung vorliegt. Es kommt in diesem Zusammenhang immer wieder zu Festnahmen.

 

Die Regierung untersagte auch gelegentlich ethnisch, religiös oder politisch motivierte Versammlungen um Unruhen zu vermeiden - vor allem in Kaduna State.

 

(1) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 11-12.

 

(2) Dt. AA, S. 11.

 

Sicherheitskräfte

 

Die Sicherheitsorgane waren wesentliche Stützen der früheren Militärregime. Aber auch die Zivilregierungen blieben auf Grund des stets gefährdeten Gewaltmonopols auf Militär, Staatsschutz (SSS), Polizei, sowie auf paramilitärische Verbrechensbekämpfungseinheiten (RRS),angewiesen. Der SSS ist weiterhin für die innere Sicherheit zuständig, hat jedoch an Bedeutung verloren und wurde verkleinert. Die RRS blieben ebenfalls in nur reduzierten Umfang erhalten, setzen sich nunmehr aber ausschließlich aus Polizisten und nicht mehr aus Soldaten zusammen. (1)

 

Die nigerianische Polizei ist korrupt und darüber hinaus nicht in der Lage, gewaltvolle Übergriffe von Banden und privaten Milizen effektiv einzudämmen. Die Polizei verantwortet zudem selbst zahlreiche Menschenrechtsverletzungen. Gelderpressung an Straßensperren und willkürliche Verhaftungen stehen an der Tagesordnung. Polizisten sind meistens nur mangelhaft ausgebildet und schlecht ausgerüstet. Auf Grund der schlechten Bezahlung blüht die Korruption. Trotz der erfolgten Aufstockung des Personals seit dem Jahr 2005 besteht nach wie vor eine große Unterbesetzung und schlechte Ausbildung der Polizisten. Die stark bewaffneten privaten Milizen sind der Polizei grundsätzlich überlegen. Das generelle Misstrauen in die Polizei sowie das Unvermögen, effektvoll gegen die alltägliche Kriminalität vorzugehen, veranlassten viele Nigerianer, sich an private, bewaffnete Einrichtungen zu wenden. (2)

 

Polizeiliche Einsätze sind oft mit unnötigen Gewaltakten verbunden. Die hohe Zahl an außergerichtlichen Tötungen tragen zur generellen Kritik an der nigerianischen Polizei bei. (2)

 

Eine willkürliche Strafverfolgung durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität etc. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das System benachteiligt aber Ungebildete und Arme massiv. Eine angemessene Wahrung ihrer Rechte ist ihnen auf Grund fehlenden Geldes und fehlender Kenntnisse elementarer Verfahrensrechte nicht möglich. (1)

 

Die Polizeiführung versucht gegenzusteuern und veranstaltete 2006 Menschenrechtskurse für mehrere hundert Polizisten, die mit einem Examen und einer feierlichen Diplomvergabe endeten. (1)

 

(1) Dt. AA, S.8-9 u. S. 14.

 

(2) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 24-27.

 

Haftbedingungen

 

Die Sicherheitskräfte sind ermächtigt, Personen ohne hinreichenden Tatverdacht festzunehmen. Obwohl das Gesetz eine genaue Reglementierung und Verfahrensvorschriften enthält, werden Personen über einen das Gesetz überschreitenden Zeitraum festgehalten, ohne ihnen den Grund ihrer Festnahme mitzuteilen, Angehörige werden zumeist nicht verständigt und es kommt vor, dass die Zahlung einer Kaution grundlos verweigert wird. (1)

 

Ein Hauptproblem stellen die lange Wartezeiten auf den eigentlichen Prozess dar sowie die damit einhergehende zu lange Untersuchungshaft - oft sogar länger als die mutmaßliche Höchststrafe. (1+2+3)

 

Folter sowie unmenschliche oder erniedrige Behandlung und Strafe sind von Gesetz und Verfassung zwar verboten; dennoch kommt es regelmäßig zu derartigen Vorkommnissen in nigerianischen Gefängnissen. Geständnisse werden teilweise durch Anwendung von Folter erzwungen. Die Methoden sind vielfältig: Von der Decke baumeln mit dem Kopf voran, Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug, Verweigerung von medizinischer Behandlung, Schüsse in die Füße, auspeitschen usw. (1)

 

Die Haftbedingungen und die Zustände in den Gefängnissen nehmen lebensbedrohende Ausmaße an. Die meisten Anstalten wurden vor 70 bis 80 Jahren errichtet und weisen extreme Mängel an den hygienischen Mindestausstattungen vor. Die Überbelegung auf Grund der generell viel zu langen Untersuchungshaft und die Engpässe an Medikamenten und ärztlicher Versorgung führen nicht selten zu epidemisch ausartenden Krankheiten (TBC, AIDS) innerhalb der Insassen. (1)

 

Frauen werden vor allem in ländlichen Gebieten zusammen mit männlichen Insassen gehalten. (1)

 

In Kaduna State zur Todesstrafe verurteilte Personen bleiben den ganzen Tag in ihrer Zelle eingesperrt und erhalten so gut wie keinen Besuch, da oft sehr hohe "Besuchsgebühren" verrechnet werden. (3)

 

2007 wurde keine Veränderung der Situation in den nigerianischen Gefängnissen konstatiert. (4)

 

(1) USDOS Country Report on Human Rights Practises - 2007, S. 4-7.

 

(2) Dt. AA, S.19 u. 22.

 

(3) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 51-56.

 

(4) AI, S. 5.

 

Medizinische Versorgung

 

In Nigeria existiert eine extreme Zwei Klassen Medizin. Private Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen sind oft auf amerikanischem Standard, während öffentliche Anstalten von Unterversorgung, schlechter Ausrüstung, Überlastung und hygienischen Mängeln geprägt sind. In der Regel sind öffentliche Krankenhäuser in Großstädten noch besser ausgestattet als jene in ländlichen Gebieten. Die oft hohen Behandlungskosten werden von den Patienten getragen. Es gibt zwar eine Kranken- und Pensionsversicherung; diese gilt aber nur für Beschäftigte im formalen Sektor, während die meisten Nigerianer als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner arbeiten. Die Möglichkeit der Behandlung von speziellen Erkrankungen (z.B. Krebs) ist auf bestimmte Krankenhäuser beschränkt. (1+2)

 

In jedem Bundesstaat Nigerias existieren zumindest ein psychiatrisches Krankenhaus sowie private Einrichtungen. Private Behandlung ist sehr teuer und Psychotherapien sind eher selten. Der Zugang zu Antidepressiva gilt aber als gewährleistet und erschwinglich. (1)

 

(1) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 164-176.

 

(2) ) Dt. AA, S. 23.

 

Innerstaatliche Fluchtalternative

 

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil Nigerias auszuweichen. Vereinzelt kann dies allerdings zu wirtschaftlichen Problemen führen, von denen vor allem Frauen betroffen sind. Der familiäre Rückhalt und die Dorfgemeinschaft spielen in Nigeria eine große Rolle, um wirtschaftlich Fuß zu fassen.

 

In Nigeria gibt es keine Bürgerkriegsgebiete und Bürgerkriegsparteien. (1)

 

(1) ) Dt. AA, S. 18.

 

Situation der Rückkehrer

 

Es gibt keine Erkenntnisse darüber, dass abgeschobene Asylwerber bei ihrer Rückkehr nach Nigeria auf Grund des Ersuchens um Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben. (1)

 

Ein Gesetz, welches die Ausreise nach Nigeria verbietet, existiert nicht. (2)

 

Für gewöhnlich werden die Rückkehrer nach dem Grund ihres Asylersuchens befragt. Die Befragung dauert in der Regel 15 bis 20 Minuten. Von längeren Anhaltungen - außer in Zusammenhang mit im Ausland verübten Drogendelikten - ist nichts bekannt.

 

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden, befinden sich aber zumeist in einem sehr desolaten Zustand. (1)

 

(1) ) Dt. AA, S. 23-24.

 

(2) UK Home Office, Country of Origin Information Report, S. 179.

 

II.2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

 

II.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

II.2.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.2.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.2.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.2.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.2.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor.

 

Zwar enthalten die Übergangsbestimmungen des § 75 AsylG 2005 keine Regelung, die eine Anwendung des § 41 Abs.7 leg. cit. auf so genannte "Altverfahren" (i.e. Verfahren auf Grundlage des AsylG 1997 idF BGBl. I 126/2002) explizit vorsehen.

 

Für den Asylgerichtshof ergibt sich die Geltung dieser Bestimmung auch im gegenständlichen (Alt)Fall allerdings aus dem Wortlaut der Überschrift des 6. Abschnitts "Sonderbestimmungen für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof" einerseits und der Überschrift der in diesem Abschnitt enthaltenen Bestimmung des § 41 leg. cit. selbst, die folgendermaßen lautet: "Verfahren vor dem Asylgerichtshof". Nachdem der Asylgerichtshof am 1.7. 2008 seine Arbeit aufgenommen hat, die besagten Sonderbestimmungen in ihrer weiteren Textierung keine Unterscheidung nach "Altverfahren" oder "Neuverfahren" treffen, kann davon ausgegangen werden, dass die in diesem Abschnitt enthaltenen Regeln uneingeschränkt auf sämtliche Verfahren vor dem Asylgerichtshof, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Anfalls, anzuwenden sind.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317), kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen.

 

Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl. 2001/20/0140).

 

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen.

 

Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage als geklärt anzusehen. Auch die nach Vorhalt aktueller Länderfeststellungen ergangene Stellungnahme des Beschwerdeführers ändert nichts an dieser Beurteilung.

 

II.2.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

II.2.10. Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, der zufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.2.11. Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 in Kraft getreten. Gemäß § 75 Abs.1 erster Satz AsylG 2005 sind alle am 31. 12. 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Die letztgenannte Übergangsbestimmung normiert in ihrem Absatz 1, dass Verfahren zur Entscheidung von Asylanträgen, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt werden.

 

Gemäß § 124 Abs.2 des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

Gegenständlicher Antrag auf Gewährung von Asyl wurde am 1.12.2000 gestellt, so dass die Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 vollinhaltlich zur Anwendung gelangen.

 

II.2.12. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge GFK) droht und keiner der in Art.1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht", aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG hat die Behörde, im Fall einer Abweisung des Asylantrages von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich der Beurteilung der belangten Behörde in Bezug auf die von dieser festgestellten fehlenden Asylrelevanz vollinhaltlich an.

 

Insbesondere ist der belangten Behörde darin zuzustimmen, dass die Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers in Zweifel zu ziehen ist, da diese weder nachvollziehbar noch widerspruchsfrei waren.

 

So hat der Beschwerdeführer behauptet, als LKW Fahrer tätig gewesen zu sein und im Zuge eines Transportes in Lagos zufällig in Ausschreitungen geraten zu sein. Dieses Vorbringen ist für sich betrachtet durchaus vorstellbar, obwohl auch in diesem Zusammenhang zu beachten ist, dass der Genannte nicht einmal imstande war, das Kennzeichen seines Lastkraftwagens widerspruchsfrei anzugeben.

 

Selbst aber wenn er nun tatsächlich unter Gewaltandrohung gezwungen worden sein soll, Leute mitzunehmen, die sich später an Kampfhandlungen beteiligt haben, so erscheint es nicht schlüssig, dass er in weiterer Folge von Polizei und Militär als Täter oder Mitbeteiligter gesucht wurde. Es wäre höchstens vorstellbar, dass der Beschwerdeführer als Zeuge bzw. als Opfer befragt wird; warum aber die Polizei nach ihm als (Mit)Täter fahnden sollte, konnte der Beschwerdeführer nicht erklären.

 

Ebenso sind die Angaben deshalb als zweifelhaft zu qualifizieren, da es tatsächlich nicht vorstellbar ist, wie die Polizei überhaupt herausgefunden hat, wer konkret den LKW gelenkt hat, da von dem Fahrzeug durch Brandstiftung nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers nichts außer Asche übrig geblieben ist.

 

Wenn der Beschwerdeführer seine Angaben in der Berufung (nunmehr Beschwerde) dahingehend korrigiert, dass von seinem LKW natürlich nicht nur Asche übrig geblieben sei, so mag dies zwar zutreffend sein, erklärt aber trotzdem nicht, wie eine Zuordenbarkeit des ausgebrannten, herrenlosen Lastkraftwagens zur Person des Beschwerdeführers möglich sein soll. Nachdem auch die vom Beschwerdeführer transportierten und später teilweise festgenommenen Personen den Genannten nicht persönlich kannten, sondern dieser rein zufällig in die Geschehnisse involviert worden war, ist es wenig wahrscheinlich, dass - etwa durch eine Aussage eines Verhafteten - der Beschwerdeführer namentlich ausgeforscht werden kann. Selbst aber wenn dies der Fall wäre, wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, der Polizei den Tathergang zu erläutern und klarzustellen, dass er selbst Opfer und nicht Täter gewesen ist.

 

An dieser Beurteilung ändert auch das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 25.8.2008 nichts, wonach gegen ihn "nach seinem Informationsstand ein Haftbefehl" bestünde. Der Beschwerdeführer hat es unterlassen, diese Behauptung zu untermauern, d.h. klarzustellen, worauf sein "Informationsstand" konkret beruht.

 

Abgesehen davon, dass es dem Asylgerichtshof aus den bereits oben dargelegten Erwägungen nicht nachvollziehbar erscheint, dass gegen den Genannten ein Haftbefehl besteht, würde auch die - hypothetisch angenommene - Existenz eines solchen keineswegs zu einer anderen Beurteilung der Asylrelevanz führen.

 

Aus den Länderberichten ergibt sich kein Hinweis, dass dem Beschwerdeführer gegenüber der Polizei bzw. spätestens im Rahmen eines Gerichtsverfahrens nicht die Möglichkeit zukäme, seine Rolle im Rahmen des behaupteten Vorfalls klarzustellen. Der Hinweis, dass die Polizei und der Verwaltungsapparat korrupt seien, ändert nichts an dieser Beurteilung und mag zwar in seiner Allgemeinheit nicht völlig von der Hand zu weisen sein, hat aber auf den konkreten Fall des Beschwerdeführers keinen erkennbaren Einfluss.

 

Soweit der Beschwerdeführer zudem ins Treffen führt, von den Verwandten seiner verstorbenen Ehefrau verfolgt zu werden, so ist er darauf hinzuweisen, dass es sich dabei -losgelöst von der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes - um Verfolgung durch Private handelt, die nur unter sehr engen Voraussetzungen Asylrelevanz entfalten kann. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Beschwerdeführers nicht erfüllt, da auch für den Asylgerichtshof eine fehlende Schutzwilligkeit oder Schutzfähigkeit des Staates nicht erkennbar ist. Daran ändert auch die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 25.8. 2008 nichts, wonach die Sicherheitslage in Nigeria prekär sei. Insbesondere muss davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer die Möglichkeit offen steht, sich alleine durch Niederlassung in einem von den Verwandten seiner Frau weiter entfernten Ort vor allfälligen Bedrohungen wirksam zu schützen.

 

Abschließend wird darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer offenkundig in seiner Heimat seit Jahren immer wieder aufflackernde, religiös motivierte, Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Christen in seine Fluchtgründe einfließen lässt, um diese quasi "in einen Rahmen" zu gießen. Der Beschwerdeführer hat allerdings zu keinem Zeitpunkt behauptet, selbst aufgrund seiner Glaubenszugehörigkeit in seiner Heimat dem Staat zurechenbaren Problemen ausgesetzt gewesen zu sein, so dass dieser Aspekt im gegenständlichen Fall nicht weiter zu beleuchten ist. Es erscheint im gegenständlichen Verfahren nämlich unerheblich, warum oder zwischen welchen Gruppen es zu Kampfhandlungen gekommen ist.

 

Insgesamt sind somit die Voraussetzungen für eine Asylgewährung im Fall des Beschwerdeführers nicht erfüllt.

 

II.2.13. § 8 AsylG verweist durch die Übergangsbestimmung des § 124 Abs.2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) auf § 50 FPG.

 

Gemäß § 50 Abs.1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK, BGBl. Nr. 210/1958 oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß Abs.2 leg.cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppen oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß § 50 Abs.3 FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Abs.1 oder Abs.2 genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten, entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden.

 

Der Prüfungsrahmen des § 50 Abs.1 FPG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 FPG wurde bereits geprüft und verneint.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Es sind während des gesamten Verfahrens keine Anhaltspunkte zu Tage getreten, die auf die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK oder darauf deuten würden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr in eine auswegslose und die Existenz bedrohende Lage geraten würde.

 

In Bezug auf die ins Treffen geführte Möglichkeit einer Inhaftierung wird der Beschwerdeführer auf die bereits unter Punkt II.2.12 getroffenen Erwägungen bezüglich der Glaubwürdigkeit des Bestehens eines Haftbefehls hingewiesen, so dass sich weitere Feststellungen zur Frage der Haftbedingungen im Verhältnis zu Art. 3 EMRK an dieser Stelle erübrigen.

 

Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, über kein soziales Netz in seiner Heimat zu verfügen und auch sein Haus verloren zu haben, stellen diese Angaben für sich betrachtet keinen Hinderungsgrund für eine Rückführung in die Heimat dar. Es mag zutreffen, dass es für ihn "schwer werde, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen". Die dafür notwendigen Anstrengungen und Bemühungen fallen allerdings nicht unter den Begriff einer auswegslosen Lage oder unter jenen Begriff der von der Judikatur des EGMR geforderten "außergewöhnlichen Umstände"

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Glaubwürdigkeit, Identität, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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