TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/26 S5 401639-1/2008

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Veröffentlicht am 26.09.2008
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Spruch

S5 401.639-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des G. alias G.R., geb. 00.00.1959, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4.9.2008, Zahl: 08 07.586-EAST West, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland, stammt aus Tschetschenien und ist eigenen Angaben zufolge zusammen mit seiner Schwiegertochter und seinem Enkelkind von Weißrussland aus mit dem Zug am 9.8.2008 nach Polen gereist, wo er am selben Tag einen Asylantrag gestellt hatte (vgl. Aktenseite 21 sowie Eurodac-Treffer Aktenseite 9). Er ist sodann am 22.8.2008 illegal ins österreichische Bundesgebiet weitergereist, wo er am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Mit E-mail vom 26.8.2008 ersuchte Österreich Polen um Übernahme des Asylwerbers.

 

Polen hat sich mit Fax vom 27.8.2008 (Aktenseite 187) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass es in Polen ständige Auseinandersetzungen zwischen tschetschenischen Kadirov-Anhängern gebe. Er habe gegen Polen selbst nichts, nur gegen die dort anwesenden Tschetschenen. In Polen wolle er nicht bleiben, sein Sohn sei in Österreich (Aktenseite 85 f.).

 

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4.9.2008, Zahl: 08 07.586-EAST West, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei geltend gemacht, dass sein Rechtsberater der Flüchtlingsbetreuung im Moment auf Urlaub sei, er daher eine detaillierte Beschwerdebegründung nachreichen werde.

 

Bis zum heutigen Tag ist beim Asylgerichtshof keine Beschwerdeergänzung eingelangt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum polnischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, in Österreich bleiben zu wollen, da sein Sohn hier lebe, ist einzuwenden, dass seine Angaben insgesamt nicht den Schluss zulassen, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seinem - sich in Österreich als Asylwerber aufhaltenden volljährigen Sohn (vgl. ho. Zahl: C5 260.748-0/2008) - eine derart intensive Nahebeziehung bestünde, die seine Ausweisung aufgrund eines damit verbundenen Eingriffes in sein Recht auf Art. 8 EMRK unzulässig machen würde. So legte der Asylwerber weder dar, aktuell im gemeinsamen Haushalt mit seinem Sohn zu leben (bis zur eigenen Ausreise nach Österreich habe der Sohn beim Großvater, dh. dem Vater des Beschwerdeführers gelebt; Aktenseite 85) noch von diesem in irgendeiner Art und Weise abhängig zu sein, sondern erklärte, aktuell lediglich in telefonischem Kontakt mit diesem zu stehen. Auch der Umstand, dass der Asylwerber eigenen Angaben zufolge seinen Sohn seit seinem eigenen nunmehrigen Aufenthalt in Österreich kein einziges Mal besucht hat (vgl. Aktenseite 85), verdeutlicht letztlich nur, dass ein enges familiäres Band iSd Art. 8 EMRK zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn in Wahrheit nicht besteht, zumal der Asylwerber im Rahmen der Erstbefragung selbst angegeben hat, nur deshalb nach Österreich gekommen zu sein, um seine Schwiegertochter und das Enkelkind zu seinem Sohn zu bringen (Aktenseite 21) und seine Angaben sohin keineswegs den Schluss zulassen, dass er ausschließlich zur eventuellen Neubegründung eines Familienlebens mit seinem Sohn nach Österreich gereist wäre. Letztlich kann eine intensive Nahebeziehung zu seinem in Österreich aufhältigen Sohn schon aufgrund der Kürze des nunmehrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht erkannt werden.

 

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass es in Polen ständige Auseinandersetzungen zwischen tschetschenischen Kadirov-Anhängern gebe und er etwas "gegen die dort aufhältigen Tschetschenen" habe (Aktenseite 87), ist anzumerken, dass er mit diesen bloß unkonkreten Einwendungen kein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK dargetan hat.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber ist auf die umfassenden und aktuellen erstinstanzlichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides zu verweisen, wonach jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, eine umfassende Versorgung gewährt wird, wobei hierzu eine umfassende medizinische Versorgung, Unterkunft und ausreichende Verpflegung gehören (Seite 12 des angefochtenen Bescheides). Auch ist anzumerken, dass seit 2004 keine Fälle bekannt sind, dass Tschetschenen aus Polen abgeschoben worden wären und dass Tschetschenen in Polen regelmäßig subsidiären Schutz (tolerated stay) gewährt wird (Seite 19 des angefochtenen Bescheides) und für Personen, denen subsidiärer Schutz gewährt wurde, das Recht auf Sozialhilfeleistungen und der Zugang zu umfassenden Familienleistungen und auch zum Arbeitsmarkt besteht (Seite 15 des angefochtenen Bescheides), sodass letztlich nicht zu befürchten ist, dass der Asylwerber in Polen in eine existentielle Notlage geraten würde.

 

Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Asylwerber in Polen selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen letztlich ebenso wenig vorhanden wie dass ihm Polen entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatland unmenschliche Behandlung drohen würde.

 

Soweit der Asylwerber in seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt gesundheitliche Probleme geltend macht, konkret, Schmerzen im Bereich der Leber und Niere und Prostataprobleme zu haben ist (Aktenseite 85), ist darauf zu verweisen, dass der Asylwerber selbst angegeben hat, diesbezüglich aktuell unter keiner ärztlichen Behandlung zu stehen und er auch keinerlei ärztliche Atteste zum Beleg etwaiger gesundheitlicher Probleme vorgelegt hat. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang auch auf die Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Polen verwiesen, denen zu entnehmen ist, dass in polnischen Aufnahmelagern grundsätzlich alle, auch weniger schwerwiegende Krankheiten von Asylsuchenden behandelt werden (Seite 12 des angefochtenen Bescheides).

 

In diesem Zusammenhang ist weiters auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Vor dem Hintergrund dieser strengen Judikatur des EGMR kann jedenfalls - selbst ungeachtet des tatsächlichen Vorliegens der vom Asylwerber behaupteten gesundheitlichen Probleme - nicht erkannt werden, dass eine Zurückschiebung des Asylwerbers nach Polen eine Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK darstellen würde, da in casu keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass beim Asylwerber das Endstadium einer tödlichen Krankheit gegeben wäre und in Polen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten verfügbar sind, wobei grundsätzlich unerlässliche medizinische Versorgung für Asylwerber kostenlos ist (vgl. hierzu auch Seite 12 des angefochtenen Bescheides), sodass - nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR - eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK nicht erkannt werden kann.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, gesundheitliche Beeinträchtigung, Intensität, medizinische Versorgung, real risk
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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