TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/26 S5 401647-1/2008

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Veröffentlicht am 26.09.2008
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Spruch

S5 401.647-1/2008/3E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des J.A., geb. 00.00.1984, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.09.2008, Zahl: 08 06.579-EAST Ost, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland, stammt aus Tschetschenien und ist eigenen Angaben zufolge zusammen mit seinen beiden Cousins über Weißrussland mit dem Zug am 22.07.2008 nach Polen gereist, wo er am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt hatte (vgl. Aktenseite 23 sowie Eurodac-Treffer Aktenseite 13). Er ist sodann am 27.07.2008 illegal ins österreichische Bundesgebiet weitergereist, wo er am folgenden Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Mit E-mail vom 30.7.2008 ersuchte Österreich Polen um Übernahme des Asylwerbers.

 

Polen hat sich mit Fax vom 06.08.2008, datiert 1.8.2008 (Aktenseite 69) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass man sich in Polen wie in Russland fühle, auch würde dort die russische Sprache gesprochen. Er fürchte, dass seine Verwandten in Tschetschenien wegen ihm Probleme bekommen könnten. Er wolle in Österreich bei seinem Onkel bleiben (Aktenseite 85).

 

Eine am 19.8.2008 von einer Fachärztin der Allgemeinmedizin und psychotherapeutischen Medizin, Dr. med. I.H., durchgeführte Untersuchung des Asylwerbers hatte zum Ergebnis, dass beim Asylwerber keine belastungsabhängige krankheitswertige Störung vorliegen würde und seiner Überstellung nach Polen keine schweren psychischen Störungen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden, entgegenstünden (Aktenseite 73).

 

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.09.2008, Zahl: 08 06.579-EAST Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass er im Falle seiner Abschiebung aufgrund des Vorliegens einer intensiven Nahebeziehung zu seinem in Österreich lebenden Onkel in seinem Recht auf Art. 8 EMRK verletzt wäre. Weiters sei die medizinische Versorgung in Polen unzureichend. Er fürchte überdies, in Polen nicht vor seinen Verfolgern, deretwegen er seine Heimat verlassen hätte, sicher zu sein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum polnischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, in Österreich bleiben zu wollen, da sein Onkel hier lebe, ist einzuwenden, dass seine Angaben insgesamt nicht den Schluss zulassen, dass zwischen dem Beschwerdeführer und diesem Angehörigen eine derart intensive Nahebeziehung bestünde, die seine Ausweisung aufgrund eines damit verbundenen Eingriffes in sein Recht auf Art. 8 EMRK unzulässig machen würde. So legte der Asylwerber weder dar, aktuell im gemeinsamen Haushalt mit seinem Onkel zu leben, noch vor der eigenen Ausreise des Onkels aus Tschetschenien mit diesem gemeinsam gewohnt zu haben, sondern sich damals lediglich "öfters gegenseitig besucht" zu haben (Aktenseite 83). Auch der Umstand, dass der Asylwerber seit seinem eigenen Aufenthalt in Österreich seinen Onkel laut eigenen Angaben lediglich "um die zehn Mal" gesehen hat, verdeutlicht letztlich nur, dass ein enges familiäres Band iSd Art. 8 EMRK zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Onkel in Wahrheit nicht besteht. Eine besonders enge familiäre Verbundenheit zu seinem in Österreich wohnhaften Onkel kann weiters vor dem Hintergrund nicht erkannt werden, dass der Asylwerber weder das Alter noch die Adresse seines Onkels anzugeben wusste (vgl. Aktenseite 17 u. 83). Eine intensive Nahebeziehung zu dem in Österreich bereits seit mehreren Jahren (Aktenseite 83) aufhältigen Onkel kann schließlich schon aufgrund der Kürze des nunmehrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht erkannt werden. Letztlich konnte der Asylwerber mit seinen Angaben, wonach er "nirgendwo anders einen Verwandten" hätte und lediglich deshalb angegeben hätte, bei seinem Onkel bleiben zu wollen, "weil er ein enger Verwandter" von ihm sei, auch nicht ansatzweise das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses zu seinem Onkel dartun.

 

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass man sich in Polen "wie in Russland fühle", nicht zuletzt auch, weil dort die russische Sprache gesprochen würde, ist anzumerken, dass damit keinesfalls die Schwelle der erforderlichen Eingriffsintensität in Bezug auf Art. 3 EMRK erreicht wird. Auch vermochte er mit seinen bloß unkonkreten Einwendungen, wonach er fürchte, dass seine Verwandten in Tschetschenien (gemeint: im Falle seiner Überstellung nach Polen) Probleme bekommen könnten, nicht ansatzweise ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK dartun.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber ist auf die umfassenden und aktuellen erstinstanzlichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides zu verweisen, wonach jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, eine umfassende Versorgung gewährt wird, wobei hierzu eine umfassende medizinische Versorgung, Unterkunft und ausreichende Verpflegung gehören (Seite 12 des angefochtenen Bescheides). Auch ist anzumerken, dass seit 2004 keine Fälle bekannt sind, dass Tschetschenen aus Polen abgeschoben worden wären, dass Tschetschenen in Polen regelmäßig subsidiärer Schutz (tolerated stay) gewährt wird (Seite 17 des angefochtenen Bescheides) und für Personen, denen subsidiärer Schutz gewährt wurde, das Recht auf Sozialhilfeleistungen und der Zugang zu umfassenden Familienleistungen und auch zum Arbeitsmarkt besteht (Seite 14 des angefochtenen Bescheides), sodass letztlich nicht zu befürchten ist, dass der Asylwerber in Polen in eine existentielle Notlage geraten würde. Zu den vom Asylwerber in der Beschwerde geäußerten Befürchtungen, wonach er in Polen nicht sicher vor seinen Verfolgern wäre, ist einzuwenden, dass Polen als Mitgliedstaat der EU selbstverständlich in der Lage und auch willens ist, ihm vor allfälligen Übergriffen Privater effektiv Schutz zu bieten. Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Asylwerber in Polen selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen letztlich ebenso wenig vorhanden wie dass ihm Polen entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatland unmenschliche Behandlung drohen würde.

 

Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass sich im Verfahren nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohenden Krankheit (im Endstadium), die überdies in Polen nicht behandelbar wäre, leidet, sodass nach der strengen Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK seine Überstellung nach Polen nicht einmal ansatzweise eine für eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK relevante Gravität erreicht. Zum Vorbringen in der Beschwerde, wonach die medizinischen Versorgungsmöglichkeiten in Polen unzureichend wären, ist anzumerken, dass die vom Asylwerber in diesem Zusammenhang erwähnten Berichte durchwegs älteren Datums als die diesbezüglichen Berichte, auf die sich die Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides stützen, sind. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang auf die erstinstanzlichen Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Polen verwiesen, denen zu entnehmen ist, dass in polnischen Aufnahmelagern grundsätzlich alle, auch weniger schwerwiegende Krankheiten von Asylsuchenden behandelt werden, wobei die medizinische Versorgung für Asylwerber kostenlos ist (vgl. Seite 12 des angefochtenen Bescheides), sodass - nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR - eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK nicht erkannt werden kann.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, real risk, Sicherheitslage, soziale Verhältnisse, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
28.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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