TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/26 S5 401652-1/2008

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Veröffentlicht am 26.09.2008
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Spruch

S5 401.652-1/2008/3E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des A.I., geb. 00.00.1985, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4.9.2008, Zahl: 08 06.581-EAST Ost, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland, stammt aus Tschetschenien und ist eigenen Angaben zufolge zusammen mit seinen beiden Cousins über Weißrussland mit dem Zug nach Polen gereist, wo er am 23.7.2008 Tag einen Asylantrag gestellt hat (vgl. Aktenseite 23 sowie Eurodac-Treffer Aktenseite 13). Er ist sodann am 27.7.2008 illegal ins österreichische Bundesgebiet weitergereist, wo er am folgenden Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Mit E-mail vom 30.7.2008 ersuchte Österreich Polen um Übernahme des Asylwerbers.

 

Polen hat sich mit Fax vom 1.8.2008, datiert 31.7.2008 (Aktenseite 61) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 2.9.2008 erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, wörtlich: "Was soll ich in Polen tun. Ich kenne dort niemanden. Hier habe ich meinen Onkel. Man bekommt in Polen keine medizinische Versorgung (Aktenseite 77).

 

Eine am 19.8.2008 von einer Fachärztin der Allgemeinmedizin und psychotherapeutischen Medizin, Dr. med. I.H., durchgeführte Untersuchung des Asylwerbers hatte zum Ergebnis, dass beim Asylwerber keine belastungsabhängige krankheitswertige Störung vorliegen würde und seiner Überstellung nach Polen keine schweren psychischen Störungen, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken würden, entgegenstünden (Aktenseite 65).

 

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4.9.2008, Zahl: 08 06.581-EAST Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass er im Falle seiner Abschiebung aufgrund des Vorliegens einer intensiven Nahebeziehung zu seinem in Österreich lebenden Onkel in seinem Recht auf Art. 8 EMRK verletzt wäre. Sein Onkel sei seit dem Tod seines Vaters für ihn verantwortlich gewesen und wäre auch für seinen Unterhalt aufgekommen. Weiters sei die medizinische Versorgung in Polen unzureichend. Er fürchte überdies, in Polen nicht vor seinen Verfolgern, deretwegen er seine Heimat verlassen hätte, sicher zu sein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum polnischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, in Österreich bleiben zu wollen, da sein Onkel hier lebe, ist einzuwenden, dass seine Angaben insgesamt nicht den Schluss zulassen, dass zwischen dem Beschwerdeführer und diesem - nicht zu seiner Kernfamilie gehörenden - Angehörigen eine derart intensive Nahebeziehung bestünde, die seine Ausweisung aufgrund eines damit verbundenen Eingriffes in sein Recht auf Art. 8 EMRK unzulässig machen würde. So ergibt sich bereits aus den eigenen Angaben des Asylwerbers, dass dieser ausschließlich deshalb seine Heimat verlassen hat, um einer Einberufung zum Militärdienst in seiner Heimat zu entgehen (Aktenseite 25), nicht aber um in Österreich ein Familienleben mit seinem bereits seit Jahren hier lebenden Onkel (neu) zu begründen. Es mag zutreffen, dass sein Onkel für den Beschwerdeführer - wie dieser behauptet - nach dem Tod seines Vaters die Hauptbezugsperson dargestellt hat, jedoch kann ein aktuelles qualifiziertes Abhängigkeitsverhältnis zu jenem nicht erkannt werden, was insbesondere seiner Antwort auf die Frage, weshalb er auf eine Unterstützung des Onkels angewiesen wäre, zu entnehmen ist, da der Beschwerdeführer hierauf wörtlich lediglich erklärte, dies nicht zu wissen (!) (Aktenseite 77), er aber Gründe für einen dringenden Bedarf einer Unterstützung durch seinen Onkel nicht ansatzweise darlegen konnte. Eine intensive Nahebeziehung zu dem in Österreich befindlichen Angehörigen kann schließlich schon aufgrund der Kürze des nunmehrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht erkannt werden.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber ist auf die umfassenden und aktuellen erstinstanzlichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides zu verweisen, wonach jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, eine umfassende Versorgung gewährt wird, wobei hierzu eine umfassende medizinische Versorgung, Unterkunft und ausreichende Verpflegung gehören (Seite 11 des angefochtenen Bescheides). Auch ist anzumerken, dass seit 2004 keine Fälle bekannt sind, dass Tschetschenen aus Polen abgeschoben worden wären, dass Tschetschenen in Polen regelmäßig subsidiärer Schutz (tolerated stay) gewährt wird (Seite 17 des angefochtenen Bescheides) und für Personen, denen subsidiärer Schutz gewährt wurde, das Recht auf Sozialhilfeleistungen und der Zugang zu umfassenden Familienleistungen und auch zum Arbeitsmarkt besteht (Seite 14 des angefochtenen Bescheides), sodass letztlich nicht zu befürchten ist, dass der Asylwerber in Polen in eine existentielle Notlage geraten würde. Zu den vom Asylwerber in der Beschwerde geäußerten Befürchtungen, wonach er in Polen nicht sicher vor seinen Verfolgern wäre, ist einzuwenden, dass Polen als Mitgliedstaat der EU selbstverständlich in der Lage und auch willens ist, ihm vor allfälligen Übergriffen Privater effektiv Schutz zu bieten. Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Asylwerber in Polen selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen letztlich ebenso wenig vorhanden wie dass ihm Polen entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatland unmenschliche Behandlung drohen würde.

 

Soweit der Asylwerber vorbringt, dass man (gemeint: als Asylwerber) in Polen keine medizinische Versorgung bekäme (Aktenseite 77) und übereinstimmend hierzu in der Beschwerde erneut unzureichende medizinische Versorgungsmöglichkeiten in Polen geltend macht, ist auf die aktuellen erstinstanzlichen Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Polen zu verweisen, denen zu entnehmen ist, dass in polnischen Aufnahmelagern grundsätzlich alle, auch weniger schwerwiegende Krankheiten von Asylsuchenden behandelt werden, wobei die medizinische Versorgung für Asylwerber kostenlos ist (vgl. Seite 11 des angefochtenen Bescheides).

 

Zum Vorbringen, wonach der Asylwerber an einer (nicht näher bezeichneten und durch keine ärztlichen Befunde belegten) Hautkrankheit und weiters an einer Wirbelsäulenfehlhaltung leiden würde (Aktenseite 79), ist auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Vor dem Hintergrund dieser strengen Judikatur des EGMR kann jedenfalls - selbst ungeachtet des tatsächlichen Vorliegens der vom Asylwerber behaupteten gesundheitlichen Probleme - nicht erkannt werden, dass eine Zurückschiebung des Asylwerbers nach Polen eine Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK darstellen würde, da in casu keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass beim Asylwerber das Endstadium einer tödlichen Krankheit gegeben wäre und in Polen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten verfügbar sind, wobei auf oben zitierte erstinstanzliche Länderfeststellungen verwiesen sei, sodass - nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR - eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte gem. Art. 3 EMRK nicht erkannt werden kann.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abhängigkeitsverhältnis, Ausweisung, familiäre Situation, gesundheitliche Beeinträchtigung, Intensität, medizinische Versorgung, real risk
Zuletzt aktualisiert am
16.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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