TE Vwgh Erkenntnis 2001/4/18 98/09/0148

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Veröffentlicht am 18.04.2001
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §48a Abs2;
KOVG 1957 §52 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des JH, infolge seines Ablebens nunmehr KH, zuletzt wohnhaft in K, vertreten durch Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf Starhemberg-Gasse 39/12, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Wien Niederösterreich Burgenland vom 24. März 1998, Zl. OB. 314- 191782-009, betreffend Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1920 geborene JH bezog zuletzt auf Grund eines Bescheides des Bundessozialamtes Wien Niederösterreich Burgenland vom 18. September 1996 Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) unter Zugrundelegung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 vH. Als Dienstbeschädigungen waren folgende Gesundheitsschädigungen mit einem Kausalanteil von jeweils 1/1 und folgender MdE gemäß § 7 KOVG 1957 anerkannt:

"1. Geheilte Rippenbrüche links ohne Funktionsstörung 0 v.H.

2. Reaktionslos eingeheilte Stecksplitter in der Brustwand rechts und am rechten Oberarm 0 v.H.

3. Basale Rippenfellschwarte links nach Granatsplitterverletzung 20 v.H.

4. Blande Splitternarben im Bereiche des linken Sprunggelenkes 0 v.H.

5. Hochgradige Bewegungsbehinderung des linken Sprunggelenkes 40 v.H.

6. Versteifung aller Zehen links 30 v.H."

JH stellte am 30. Oktober 1996 beim Bundessozialamt Wien Niederösterreich Burgenland den Antrag auf Anerkennung des Leidens "Lungenkrankheit, Atemnot" als Dienstbeschädigung im Sinne des § 4 KOVG 1957.

Diesen Antrag hat das genannte Bundessozialamt mit Bescheid

vom 26. Februar 1997 abgewiesen.

JH erhob gegen diesen Bescheid Berufung.

Im Berufungsverfahren holte die belangte Behörde das lungenfachärztliche Gutachten der Fachärztin Dr. L vom 23. Juli 1997 ein.

Mit Schreiben seines bevollmächtigten Vertreters vom 14. Oktober 1997 übermittelte JH einen Befundbericht Dris. P vom 7. Oktober 1997 und brachte vor, nach diesem Befund bestünden seit den Kriegsjahren gehäufte respiratorische Infekte mit Husten und Dyspnoe; die Symptomatik habe sich in den letzten Jahren verstärkt. Daraus lasse sich ableiten, dass seine Lungenerkrankung eine Dienstbeschädigung darstelle.

Die belangte Behörde ließ daraufhin das lungenfachärztliche Gutachten ergänzen.

Zu diesem ergänzten Gutachten nahm JH durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit Eingabe vom 4. Februar 1998 dahingehend Stellung, das Ermittlungsergebnis werde nicht zur Kenntnis genommen, die vorgebrachten Einwendungen würden aufrecht erhalten und auf das angeschlossene Schreiben (des JH vom 26. Jänner 1998) verwiesen. Es werde beantragt, den Sachverhalt "einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen".

Die belangte Behörde erließ daraufhin ohne weitere Verfahrensschritte den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 24. März 1998, mit dem der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt wurde.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"Zur Prüfung der Berufungsgründe hat die Schiedskommission einen ärztlichen Sachverständigenbeweis von Dr. L, Fachärztin für Lungenkrankheiten, erstellen lassen.

Vom medizinischen Standpunkt ergibt sich folgende Beurteilung:

Als Dienstbeschädigung sind u.a. eine basale Rippenfellschwarte links (nach Granatsplitterverletzung), funktionslos geheilte Rippenbrüche links und reaktionslos eingeheilte Stecksplitter in der rechten Brustwand anerkannt. Die Leiden "schwere chronische obstruktive Bronchitis, Emphisem, respiratorische Insuffizienz, Cor pulmorale, rezidivierende cardiale Dekompensation und Lungenstauung" sind zur Gänze akausale Leiden, die teilweise alters- und anlagebedingt, aber auch durch den langjährigen Nikotinabusus hervorgerufen sind. Die Rippenfellschwarte ist zu gering, als dass sie zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion geführt hätte.

Zu dem nachgereichten Befundbericht Dris. P vom 7. Oktober 1997 ist festzuhalten:

Es handelt sich beim Berufungswerber um ein schweres chronisches obstruktives Atemwegsleiden mit respiratorsicher Insuffizienz und rezidivierenden cardialen Dekompensationen. Die Behauptung des Berufungswerbers, dass angeblich seit der Kriegsverletzung immer wieder Infekte auftreten und das Kriegsleiden Ursache der zunehmenden Verschlechterung im Allgemeinzustand wäre, stützt sich nur auf Vermutungen und Aussagen des Berufungswerbers. Es fehlen entsprechende Brückenbelege, sodass kein Zusammenhang des Atemwegsleidens mit der anerkannten Dienstbeschädigung hergestellt werden kann. Wie bereits erwähnt, handelt es sich um akausale Leiden, die zu einer wesentlichen Verschlechterung des Gesamtleidenszustandes des Berufungswerbers geführt haben.

Das Sachverständigengutachten von Dr. L wurde als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung von der Schiedskommission der Entscheidung zugrundegelegt. Hinsichtlich des Wortlautes der für die Entscheidung maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen.

Dem bevollmächtigten Vertreter des Berufungswerbers wurde das Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht. Die vorgebrachten Einwendungen waren nicht geeignet, die Beweiskraft des ärztlichen Sachverständigengutachtens zu mindern. Insbesondere ist zu entgegnen, dass die medizinische Vorfrage hinlänglich geprüft und schlüssig beantwortet wurde."

Gegen diesen Bescheid erhob JH durch seine rechtsfreundliche Vertreterin Beschwerde.

Nach dem gesamten Beschwerdevorbringen erachtete sich JH durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Anerkennung des geltend gemachten Leidens als Dienstbeschädigung gemäß § 4 KOVG 1957 verletzt. Er beantragte, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Mit Eingabe vom 9. Februar 1999 hat das Bundessozialamt Wien Niederösterreich Burgenland mitgeteilt, dass JH im Dezember 1998 verstorben sei.

Mit Eingabe vom 1. März 1999 ergänzte das genannte Bundessozialamt unter gleichzeitiger Wiedervorlage der kurzfristig überlassenen Verwaltungsakten diese Angaben dahingehend, dass JH am 27. Dezember 1998 - belegt durch einen Auszug aus dem Sterbebuch des Standesamtes der Stadtgemeinde O vom 17. Februar 1999 zur Eintragungsnummer 198/1998 - verstorben sei und seine Witwe KH über ihre "möglichen Antragstellungen" schriftlich informiert worden sei.

Mit Schriftsatz vom 10. April 2001 erklärte die Witwe KH Eintrittsberechtigte zu sein und beantragte, das Verfahren mit ihr als Beschwerdeführerin fortzusetzen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf den Tod des Anspruchswerbers JH während des anhängigen Beschwerdeverfahrens ist zunächst auszuführen, dass die Bestimmung des § 48a Abs. 2 KOVG 1957 im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sinngemäß anzuwenden ist (vgl. die hg. Beschlüsse vom 19. Oktober 1995, Zl. 93/09/0325, und vom 3. September 1998, Zl. 97/09/0276). Da im vorliegenden Fall die Witwe des JH als fortsetzungsberechtigte Person ihren Eintritt in das Beschwerdeverfahren im Sinn des § 48a Abs. 2 KOVG 1957 erklärte, war die Beschwerde des JH nicht als gegenstandslos zu erklären und das Beschwerdeverfahren über diese Beschwerde nicht einzustellen. Das Recht auf Anerkennung eines geltend gemachten Leidens als Dienstbeschädigung ist auch kein höchstpersönliches, nicht übertragbares in dem Sinne, dass eine Rechtsverletzung der fortsetzungsberechtigten Witwe ausgeschlossen ist (vgl. hiezu nochmals den Beschluss Zl. 97/09/0276).

Gemäß § 52 Abs. 2 KOVG 1957 ist unter anderem die Beschädigtenrente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt.

Dabei hat die Behörde im Rahmen der Entscheidung über die Neubemessung der Beschädigtenrente von den als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsschädigungen auszugehen und zu prüfen, ob eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung gegenüber dem der letzten rechtskräftigen Rentenbemessung zugrundeliegenden Befund eingetreten ist.

Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Gemäß § 90 Abs. 1 KOVG 1957 haben die Bundesämter für Soziales und Behindertenwesen, soweit die Berechtigung von Versorgungsansprüchen von der Beantwortung von Vorfragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen Fachwissens fallen, ärztliche Sachverständige zu befragen.

Insoweit in der Beschwerde als Verfahrensmangel gerügt wird, die belangte Behörde habe entgegen der Aufforderung des JH Befunde vom Krankenhaus in O bzw. von H nicht beigeschafft und in das Beweisverfahren einbezogen, ist zu erwidern, dass diese Befunde bzw. Krankengeschichten im März 1996 beigeschafft wurden (vgl. Abl. 55-62 der vorgelegten Verwaltungsakten) und von der Fachärztin Dr. L in ihrem Gutachten vom 21. März 1996 berücksichtigt wurden. Auch in dem weiteren Gutachten dieser Fachärztin vom 23. Juli 1997 sind diese stationären Aufenthalte des JH im Krankenhaus O und im Rehabilitationsverfahren in H ausdrücklich angeführt. Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor. Überdies wird in der Beschwerde mit dem bloßen Hinweis, diese "Befunde hätten möglicherweise zu einer Klärung der strittigen Beurteilung führen können", die Relevanz der geforderten Ergänzung des Ermittlungsverfahrens auch nicht dargetan.

Das Beschwerdevorbringen, der Befundbereicht des Lungenfacharztes Dr. P vom 7. Oktober 1997 belege den Zusammenhang der Atemwegserkrankung mit der Wehrdienstschädigung und sei "eindeutig ein Brückenbeleg", ist unrichtig. Darüber, aus welchem Grund bei JH respiratorische Infekte verbunden mit Husten bzw. Dyspnoe (Atemnot bzw. Kurzatmigkeit) auftraten, enthält der mit 7. Oktober 1997 datierte Befundbericht Dris. P nämlich keine Angaben. Ein Zusammenhang mit einer militärischen Dienstleistung oder der erlittenen Granatsplitterverletzung der Lunge wird in dem Befundbereicht nicht einmal behauptet. Dass die als Dienstbeschädigung anerkannte Rippenfellschwarte (anerkannte Gesundheitsschädigung laufende Nummer 3 mit 20 % MdE) für die behauptete Verschlimmerung des geltend gemachten Leidens nicht verantwortlich sein kann, blieb unwiderlegt. In der Beschwerde wird auch nicht berücksichtigt, dass bei JH bis zum Jahr 1993 ein hochgradiger Nikotinabusus von täglich 20 Zigaretten bestand.

Insoweit in der Beschwerde das Gutachten der beigezogenen Sachverständigen als "falsch, unzutreffend und unschlüssig" qualifiziert wird, ist zu erwidern, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens unter anderem durch den Nachweis erschüttert werden kann, dass es mit den Denkgesetzen oder mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Einklang zu bringen ist oder den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft widerspricht. Wird jedoch vorgebracht, das Gutachten stehe mit den Erfahrungen der in Betracht kommenden Wissenschaft in Widerspruch, so muss diese Behauptung - und zwar tunlichst unter präziser Darstellung der gegen das Gutachten gerichteten sachlichen Einwände - durch das Gutachten eines anderen Sachverständigen unter Beweis gestellt werden; durch eine bloße gegenteilige Behauptung, die einer Sachverständigengrundlage entbehrt, kann das Gutachten eines Amtssachverständigen nicht entkräftet werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 98/09/0077, und die darin angegebene Judikatur). Solche präzise, sachlich fundierte Einwendungen gegen die Richtigkeit des eingeholten Gutachtens hat JH jedoch im Verwaltungsverfahren nicht erhoben, sondern er hat den schlüssig begründeten Darlegungen der Sachverständigen lediglich abweichende Behauptungen entgegengesetzt. Auch in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof werden lediglich abweichende Behauptungen aufgestellt.

Mit dem Vorbringen, die belangte Behörde "hätte weitere Ermittlungsschritte setzen müssen", wird nicht begründet dargetan, dass bzw. aus welchem Grund die belangte Behörde an der Vollständigkeit und Schlüssigkeit des eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachtens Zweifel haben hätte müssen.

Wenn die belangte Behörde ihrer Entscheidung in freier Beweiswürdigung das Sachverständigengutachten von Dr. L zugrundegelegt hat, so ist dies im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden nachprüfenden Kontrolle, die darauf beschränkt ist, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt bzw. ob die Erwägungen den Denkgesetzen, somit auch dem allgemein menschlichen Erfahrungsgut entsprechen können, nicht als unschlüssig zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. April 2001

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen Beweismittel Sachverständigenbeweis Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Gutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen Verfahrensrecht Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998090148.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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