TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/29 A3 255928-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.09.2008
beobachten
merken
Spruch

A3 255.928-0/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Vorsitzende und den Richter Mag. Günther LAMMER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin WILHELM über die Beschwerde des H.S., geb. 00.00.1972 alias 00.00.1965, StA. Äthiopien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.11.2004, FZ. 03 37.781-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Äthiopiens, reiste am 11.12.2003 im Rahmen einer Rücknahmeverpflichtung Österreichs, basierend auf dem Dubliner Übereinkommen gem. Art. 5 Abs. 2, in das Bundesgebiet ein und stellte in weiterer Folge noch am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Er wurde hiezu am 17.08.2004 niederschriftlich einvernommen.

 

2. Zur Begründung seines Asylantrages brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, aufgrund seiner Probleme mit den äthiopischen Sicherheitsbehörden sein Heimatland verlassen zu haben. Konkret wäre der Antragsteller der Rekrutierung neuer Mitglieder für die Oromo Befreiungsfront (OLF) bezichtigt und insgesamt zweimal verhaftet worden. Zuletzt hätte man ihn am 00.09.1995 festgenommen und erst wieder am 00.11.1995 entlassen, mit der Ankündigung, den Asylwerber in Hinkunft weiter zu observieren. Drei Monate später wäre dem im Betreff Genannten von Verwandten mitgeteilt worden, dass ihn Sicherheitskräfte während seiner Abwesenheit bei seinen Eltern in Welkite gesucht hätten. "Ihre Absicht war, mich nochmals zu verhaften und sie haben weiter gefragt, wo ich mich seit meiner Haftentlassung aufgehalten habe (Seite 125 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Grund für das neuerliche Interesse der lokalen Behörden am Beschwerdeführer sei ein Attentat von ehemaligen Militärangehörigen auf einen militärischen Konvoi in einem 20 km entfernten Ort gewesen. Da einige der Rebellen der Volksgruppe der Oromo angehört hätten, habe man auch den Antragsteller verdächtigt in irgendeiner Form am Anschlag beteiligt gewesen zu sein. In dieser Zeit habe der im Betreff Genannte jedoch von Adis Abeba aus das ganze Land als Getreidehändler bereist. Da die Wohnung einem Freund gehört hätte, "habe ich mich aber nicht bei der Behörde mit dieser Adresse gemeldet (Seite 129 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Aufgrund der Information, wonach der Asylwerber von den Sicherheitsbehörden gesucht werde, habe letztgenannter Vorbereitungen für eine baldige Ausreise getroffen. Zu diesem Zweck hätte er sich im September 1996 ein auf eine falsche Identität lautendes Passdokument organisiert und sei dann unter Zuhilfenahme eines Pilgervisums einen Monat später nach Saudi Arabien gereist. In der Zeit vor seiner zweiten Verhaftung wie auch während seiner Tätigkeit als Getreidehändler wäre der im Betreff Genannte keiner wie auch immer gearteten Verfolgungshandlung gegen seine Person ausgesetzt gewesen. "Ich war nie Mitglied von OLF und ich war auch nie Anhänger von OLF (Seite 129 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Warum er überhaupt je diesbezüglich verdächtigt worden sei, könne sich der Beschwerdeführer selbst nicht erklären, jedoch vermute er, dass der Grund mit seiner Volksgruppenzugehörigkeit zusammenhänge. Im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien müsse der Antragsteller jedenfalls um sein Leben fürchten.

 

3. Das Bundesasylamt wies in weiterer Folge den Asylantrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.11.2004 im Spruchteil I. unter Berufung auf § 7 AsylG idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab; im Spruchteil

II. stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Äthiopien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 zulässig sei und wies unter einem im Spruchteil III. den Antragsteller gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

 

Die erstinstanzliche Behörde hat das Vorbringen des Asylwerbers der weiteren rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt und darauf verwiesen, dass dieses nicht als eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu qualifizieren sei. Darüber hinaus stehe dem Beschwerdeführer auch eine inländische Fluchtalternative offen.

 

4. Gegen diesen Bescheid erhob der im Betreff Genannte fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde).

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005) sind "[A]lle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 (in der Folge: AsylG) i. d. F. der AsylG-Nov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die ab dem 01.05.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG in der jeweils geltenden Fassung, di. nunmehr die Fassung der AsylG - Nov. 2003, zu führen.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylG i. d. F. der AsylG - Nov. 2003 ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden (vgl. auch Art. II Abs. 2 lit. D Z 43 a EGVG).

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Dem angefochtenen Bescheid liegt aus folgenden Gründen ein qualifiziert mangelhaftes Ermittlungsverfahren zugrunde:

 

Das Bundesasylamt qualifizierte die Angaben des Asylwerbers zu seinen Fluchtgründen zwar prinzipiell als glaubhaft, jedoch trotz dessen ausdrücklichen Behauptung, aus politischen Gründen, konkret aufgrund der ihm unterstellten Nähe zur OLF, festgenommen und inhaftiert worden zu sein, vor dem Hintergrund der Genfer Flüchtlingskonvention als nicht asylrelevant und ging darüber hinaus vom Vorhandensein einer möglichen innerstaatlichen Fluchtalternative aus. Das Bundesasylamt hat es des Weiteren unterlassen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt (Anknüpfungspunkte, Lebensgrundlage, etc.) in Bezug auf die innerstaatliche Fluchtalternative nachvollziehbar zu ermitteln, und die diesbezüglichen Ermittlungsergebnisse dem nunmehrigen Beschwerdeführer vorzuhalten sowie dem Verwaltungsakt anzuschließen. Das Bundesasylamt erklärte im Wesentlichen lediglich, wonach der im Betreff Genannte nicht glaubhaft darzustellen vermochte, in seinem Heimatland aus politischen, religiösen, rassistischen, ethnischen oder sozialen Gründen einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Zudem habe der Asylwerber während seines Aufenthalts in Addis Abeba offensichtlich keinerlei Probleme gehabt, weshalb er in dieser Stadt bereits eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative vorgefunden hätte, welche er auch im Falle seiner Rückkehr neuerlich beanspruchen könne. Wie die belangte Behörde zu dieser Annahme gelangt, ist jedoch aus den getroffenen Feststellungen nicht schlüssig nachvollziehbar, zumal der Umstand, demzufolge der im Betreff Genannte dezidiert angab, in ob genannter Stadt nie offiziell unter seinem tatsächlichen Namen in Erscheinung getreten zu sein, völlig unberücksichtigt blieb. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass die erstinstanzliche Behörde als Spezialbehörde dazu verpflichtet ist, sich auf jeweils zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Beweismittel zu stützen bzw. diese zu erheben (siehe VwGH

 

07.06.2000, 99/01/0210).

 

Darüber hinaus finden sich im angefochtenen Bescheid überhaupt keine nachvollziehbaren Feststellungen darüber, ob es dem Antragsteller auch zumutbar gewesen wäre (vgl. VwGH 8.6.2000, Zl. 99/20/0597) den Wohnsitz innerhalb Äthiopiens zu verlegen. Diesbezüglich ist nochmals zu betonen, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt angab, nur inoffiziell und ohne Kenntnis der Behörden in Addis Abeba gelebt zu haben und darüber hinaus aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit viel durchs Land gereist zu sein. Gerade in Anbetracht der Gesamtsituation in Äthiopien wäre die Erstbehörde verpflichtet gewesen, sich mit dem konkreten Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der innerstaatlichen Fluchtalternative auseinanderzusetzen, wobei der Antragsteller aber auch eingehender zu einer möglichen innerstaatlichen Fluchalternative hätte befragt werden müssen (beispielsweise über das Vorhandensein von Verwandten außerhalb von Welkite).

 

Dass die Asylbehörden verpflichtet sind, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt amtswegig und umfassend zu ermitteln, und die Ermittlungsergebnisse dem Akt anzuschließen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt. Dieser Verpflichtung ist das Bundesasylamt, neben einer völlig verfehlten rechtlichen Subsumtion, im konkreten Fall in keinster Weise nachgekommen, was an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben wird.

 

Da solcherart umfangreiche ergänzende Ermittlungen durchzuführen sind, hat der Asylgerichtshof von der durch § 66 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit, die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchzuführen, Abstand genommen und die Rechtssache gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen.

 

Der Gesetzgeber hat zur Sicherung der Qualität des Asylverfahrens einen Instanzenzug vorgesehen, der zum Asylgerichtshof als Beschwerdeinstanz führt. Diese Funktion würde aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Beschwerdeinstanz nähert, weil es das Bundesasylamt - im vorliegenden Fall mit einer bloß formelhaften Beweiswürdigung - ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen (vgl. VwGH 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084). Die über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinausgehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrags nicht erst bei der Beschwerdeinstanz beginnen und zugleich enden soll, für eine Behebung des angefochtenen Bescheides auf Grundlage von § 66 Abs. 2 AVG.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
07.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten