TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/29 D10 226502-0/2008

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Veröffentlicht am 29.09.2008
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Spruch

D 10 226502-0/2008/17E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter MMag. Thomas E. Schärf als Vorsitzenden und den Richter DDr. Markus Gerhold als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Andrea Lechner über die Beschwerde der C.M., geb. 00.00.1969, StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.01.2002, GZ. 01 14.184-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.08.2008 zu Recht erkannt:

 

Der bekämpfte Bescheid wird ersatzlos behoben und gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

BEGRÜNDUNG

 

Die Beschwerdeführerin, eine georgische Staatsangehörige, gelangte gemeinsam mit ihren drei, zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährigen Kindern unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und wurde im Juni 2001 von Sicherheitsorganen aufgegriffen. Gelegentlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach am 17. Juni 2001 beantragte die Beschwerdeführerin für sich und ihre Kinder die Zuerkennung von Asyl. Bezüglich bei ihr vorgefundener und in Kopie zum Verwaltungsakt der Asylbehörde erster Instanz genommener Dokumente führte sie aus, ihr seien diese Papiere in Batumi von einem Georgier mit dem Ersuchen übergeben worden, diese nach Brüssel mitzunehmen. Sie habe nämlich die Absicht gehabt über die Bundesrepublik Deutschland nach Brüssel zu gelangen. Sie selbst sei nicht im Besitze von persönlichen Dokumenten.

 

Wie bereits bei der Ersteinvernahme gab die Beschwerdeführerin auch bei ihrer nachfolgenden niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, am 18. Juni 2001 an, C.M. zu heißen, georgische Staatsbürgerin und am 00.00.1969 geboren zu sein. Bei ihren Kindern handle es sich um die am 00.00.1989 geborene C.A., die am 00.00.1994 geborene C.N. sowie den am 00.00.1987 geborenen C.K.. Auch ihre Kinder seien georgische Staatsbürger.

 

Bei den fortgesetzten Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 2. und 4. Juli 2001 bekräftigte die Beschwerdeführerin abermals, nicht im Besitz von persönlichen Dokumenten zu sein. Die bei ihr vorgefundenen "Geburtsurkunden" habe sie (Anmerkung: in Abweichung zum bisherigen Vorbringen nunmehr) in der Türkei von einem Georgier bekommen, "um diese dann in Brüssel vorlegen zu können". Es handle sich aber nicht um ihr gehörige Papiere. Ihr georgischer Binnenpass sei gelegentlich einer Verhaftung beschlagnahmt worden, einen (internationalen) Reisepass habe sie nie besessen. Einer Berufstätigkeit sei sie niemals nachgegangen, doch habe sie eine journalistische Ausbildung erhalten.

 

Seit dem Jahre 1988 sei sie Mitglied der Demokratischen Partei und der "Ziwadisten-Bewegung". Ferner gehöre sie auch der bewaffneten Partisanen-Bewegung "Tkhis Bitschebi" an.

 

Bereits im August 1997 sei sie sechs Monate lang in Tiflis inhaftiert gewesen, nachdem sie als Mitglied der Opposition Plakate in der Nähe der Operhalle der Hauptstadt affichiert habe. Bei Haftentlassung habe sie dann unterschreiben müssen, Plakatierungsarbeiten fürderhin zu unterlassen und sämtliche Aktivitäten gegen den seinerzeitigen Präsidenten Schewardnadse einzustellen. Im Fall eines Zuwiderhandels sei ihr ihre Verhaftung und Erschießung angedroht worden.

 

Allerdings habe sie sich auch im Anschluss an ihre Entlassung wieder für die "Tkhis Bitschebi" Bewegung engagiert. Im September 1998 habe sie an einer zehnminütigen, verbotenen Kundgebung am "Freiheitsplatz" von Tbilissi teilgenommen, die von 800 Personen besucht worden sei. Zwei von der Beschwerdeführerin namentlich genannte Führer der Bewegung hätten den Mitgliedern damals befohlen, das Rathaus zu sprengen. Die Mitglieder sollten in das Gebäude eindringen und eine "Schießerei" beginnen. Auch habe die Absicht bestanden den Präsidenten und die Regierungsmitglieder zu erschießen.

 

Es sei in weiterer Folge zu Schusswechseln zwischen Teilnehmern der erwähnten Kundgebung und der Polizei gekommen, bei der Polizeibeamte auch verletzt worden seien. Sie selbst habe mit einer selbstgebastelten "Damenwaffe" ohne Registrierungsnummer geschossen. Zwar sei ihr die Strafbarkeit ihrer Handlungen bewusst gewesen, doch habe sie darauf vertraut, fliehen zu können. Als sie sich bereits im Rathaus befunden habe, sei sie schließlich verhaftet und in eine Haftanstalt überstellt worden. Zwar seien ihre Fingerabdrücke abgenommen worden, während der gesamten darauffolgenden zweimonatigen Einzelhaft sei sie aber keiner Befragung unterzogen bzw. nicht verhört worden. Während der Haft habe sie sich Verletzungen an den Händen zugefügt, um Ihre Entlassung zu erreichen. Schließlich sei ihr die Flucht mit Hilfe eines Anstaltsbediensteten gelungen, der sie in einem Schmutzwäschewagen aus der Anstalt geschmuggelt habe. Dafür habe sie diesem Bediensteten im Vorfeld der Flucht eine goldene Kette "geschenkt".

 

Mit dem hier angefochtenen Bescheid wies die Asylbehörde erster Instanz den Asylantrag der Beschwerdeführerin gem. § 7 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I) und stellte gemäß §8 AsylG fest, dass deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt II).

 

Das Bundesasylamt gelangt im angefochtenen Bescheid nach gänzlicher Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle im Wesentlichen zum Ergebnis, die Beschwerdeführerin sei georgische Staatsbürgerin und wegen der Teilnahme an einem "Meeting", in dessen Rahmen es auch zu Ausschreitungen gekommen sei, von den staatlichen Behörden ihres Heimatlandes festgenommen worden. Dass die Beschwerdeführerin Flüchtling sei, könne nicht festgestellt werden. Ebenso wenig, dass sie für den Fall der Rückkehr nach Georgien mit der Todestrafe, einer unmenschlichen Bestrafung oder Behandlung zu rechnen habe. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die im Verfahren keinerlei Beweismittel beigebracht habe, entspreche nicht den Anforderungen des § 7 AsylG.

 

Die Beschwerdeführerin habe an einer bewaffneten Demonstration teilgenommen und von einer Schusswaffe Gebrauch gemacht. Es käme einem souveränen Staat im Rahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zu, behördliche Maßnahmen zu setzen. Im von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einschreiten der Polizei und den anschließenden Maßnahmen könne kein illegitimes Staatshandeln erblickt werden, demgegenüber asylrechtlicher Schutz greife. Die Verfolgung der Antragstellerin durch Behörden des Herkunftsstaates sei somit nicht auf asylrelevante Gründe, sondern auf den Verdacht zurückzuführen, dass diese sich an den von ihr geschilderten Ausschreitungen in strafrechtlich relevanter Form beteiligt habe.

 

Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Mitgliedschaft bei den "Ziwadisten" setze diese für sich allein, wie aus den Länderfeststellungen hervorginge, noch nicht einer behördlichen Verfolgung im Herkunftsstaat aus. Bei den Aussagen der Beschwerdeführerin, sie werde im Falle einer Rückkehr nach Georgien festgenommen und erschossen, handle es sich folglich lediglich Mutmaßungen, die für sich nicht zu Asylgewährung führen könnten. Dies insbesondere, weil "aus dem Bericht von Amnesty International" hervorgehe, dass die Todesstrafe für alle Straftaten abgeschafft worden sei.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte und an den Unabhängigen Bundesasylsenat gerichtete Beschwerde vom 13. Februar 2002, mittels der die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Hinsichtlich ihres bisherigen Vorbringens stellte die Beschwerdeführerin in einer am 27. Februar 2002 beim Bundesasylamt eingelangten "Berufungsergänzung" richtig, dass in Wahrheit kein Meeting zum Umsturz der Regierung stattgefunden habe und sie sei auch nicht bewaffnet gewesen sei.

 

Schließlich gab die Beschwerdeführerin mittels Schreiben vom 13. Juli 2004 bekannt, sie habe aus "Angstgründen" ihre wahre Identität bislang verheimlicht, sie sei nunmehr aber gut beraten worden. Ihr Name laute richtiger Weise M.M. und sei sie am 00.00.1969 geboren. Bei ihren Kindern handle es sich um K.K., geb. 00.00.1987, K.A., geb. 00.00.1989, sowie K.N., geb. 00.00.1994. Auch sei es ihr gelungen über Verwandte zu ihrem alten, georgischen (auf den Namen "M.M." ausgestellten und in Kopie übermittelten) Führerschein zu gelangen.

 

Zu Beginn der vom Asylgerichtshof angesetzten mündlichen Verhandlung am 13. August 2008 widerrief die Beschwerdeführerin ihre Identitätsangaben vom 14. Juli 2008 und beharrte trotz mehrfachem Vorhalt und Hinweis auf den von ihr selbst in Kopie übermittelten Führerschein, auf den gelegentlich der Einvernahmen vor dem Bundesasylamt angegebenen Identitäten. Auch die vom Gerichtshof befragten Kinder der Beschwerdeführerin bestätigten die Angaben der Mutter.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen, weshalb das durch die von der Beschwerdeführerin gegen den angefochtenen Bescheid fristgerecht eingebrachte, am 13. Februar 2002 eingelangte, Berufung beim Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) eingeleitete Berufungsverfahren, welches am 1. Juli 2008 als unerledigt aushaftete, vom Asylgerichtshof weiterzuführen war.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG), BGBl I 2008/4, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. Es gilt § 44 AsylG 1997.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.

 

Daraus folgt, dass der am 17. Juni 2001 gestellte, gegenständliche Antrag nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen ist.

 

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde einen angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides "an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde" zurückverweisen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. März 2001, 2000/08/0200, festgestellt hat, darf die Berufungsbehörde eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als ¿unvermeidlich erscheint'. Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG unerheblich ist, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat hinsichtlich der Zuständigkeit des und das Verfahren vor dem (in Asylsachen als oberste Berufungsbehörde damals eingerichteten) Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) in seinem Erkenntnis vom 21. November 2002, 2000/20/0084, auch festgehalten, dass der Gesetzgeber in Asylsachen einen Instanzenzug mit der Möglichkeit der nachgeordneten Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts eingerichtet hat. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und ist dieses gem. § 27 Abs.1 AsylG dazu verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen, soweit dies ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist. Diese Anordnungen des Gesetzgebers würden aber unterlaufen, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Berufungsbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es ist nicht im Sinne des Gesetzes, wenn die Berufungsbehörde, statt ihre umfassende Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Diese seitens des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf den Unabhängigen Bundesasylsenat getroffenen Feststellungen haben im Ergebnis auch für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof ihre Berechtigung.

 

Es ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Unteressen zu geben. Nach dem Grundsatz der materiellen Wahrheit ist die Behörde hinsichtlich des Sachverhaltes nicht an das tatsächliche Parteienvorbringen gebunden, sondern hat durch die Aufnahme von Beweisen unter Berücksichtigung des Parteienvorbringens den wahren Sachverhalt zu ermitteln. (Vgl. hiezu etwa E VwGH 29.9.1986, 84/08/0131, 30.1.1992, 87/17/0177 bzw. 30.4.1988, 97/06/0225).

 

Die Identität der Verfahrenspartei(en) steht dabei gerade im Asylverfahren im Zentrum des von den Asylbehörden durchzuführenden Ermittlungsverfahrens, im Rahmen dessen sich die Behörde in verstärktem Maße mit dieser auseinanderzusetzen hat. Dies umso mehr, wenn berechtigte Gründe, Hinweise oder Anhaltspunkte vorliegen, die die vom Asylwerber angegebene Identität in Zweifel zu ziehen geeignet sind.

 

Nun wurden bei der Beschwerdeführerin bei deren Aufgriff auf österreichischem Bundesgebiet Dokumente vorgefunden und aktenkundig gemacht. Dass die belangte Behörde die ihr in Bezug auf die wahre Identität der Beschwerdeführerin obliegende Ermittlungspflicht in grobem Maße verletzt hat, demonstriert allein der Umstand, dass es dieselbe nicht einmal für notwendig erachtet hat, diese in georgischer Sprache abgefassten Urkunden einer Übersetzung in die deutsche Sprache zuzuführen um derart von deren Inhalt Kenntnis zu erlangen. Verstärkt wird dieser Umstand auch durch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin gelegentlich ihrer Einvernahme am 4. Juli 2001 selbst ausgeführt hat, dass es sich bei diesen Dokumenten um Geburtsurkunden handle.

 

Nach erfolgter Übersetzung wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, der Beschwerdeführerin Gelegenheit einzuräumen, sich zum Ergebnis der angestellten Erhebungen (Übersetzung) zu äußern. Im Anschluss wäre es der belangten Behörde oblegen, sich mit dem Ergebnis ihrer Beweisaufnahme auseinander zu setzen.

 

Die belangte Behörde hat sich den bei der Beschwerdeführerin vorgefundenen Dokumenten im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen aber lediglich mit einer einzigen Frage gewidmet, mit deren bereits oben dargestellter Beantwortung sie sich ohne Weiteres zufrieden gegeben hat.

 

Die vom Asylgerichtshof gelegentlich der mündlichen Verhandlung am 13. August 2008 beauftragte Übersetzung der in Rede stehenden Dokumente hatte zum Ergebnis, dass es sich bei den bei der Beschwerdeführerin bei ihrer Festnahme im Juni 2001 vorgefundenen Urkunden um Standesdokumente für vier (unterschiedliche) Personen handelt. Diese Anzahl entspricht zunächst exakt der Anzahl der zur Familie der Beschwerdeführerin gehörigen Familienmitglieder.

 

Diese Standesdokumente betreffen laut Übersetzung der in der mündlichen Verhandlung anwesenden Dolmetscherin, Mag. Anna Labner, nachfolgende Personen:

 

M.M. geb. 00.00.1969

 

K.K., geb. 00.00.1987

 

K.N., geb. 00.00.1989 sowie

 

D.N., geb. 00.00.1994

 

Die in den in Rede stehenden Dokumenten angeführten Geburtsdaten erweisen sich somit als nahezu identisch mit jenen Daten, die die Beschwerdeführerin bei ihren Einvernahmen durch die belangte Behörde für sich und ihre Kinder als Geburtsdaten unter dem Familiennamen C. angegeben hat. Monat und Jahr sind in allen Fällen ident, im Falle der Mutter und des Sohnes ist eine Abweichung von 3 bzw. 2 Tagen festzustellen. Auch bei den Vornamen ist eine starke (phonetische) Anlehnung zu bemerken.

 

Aber auch sonst hat die belangte Behörde jegliche weitergehende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin unterlassen bzw. dieses von sich aus zu hinterfragen nicht für notwendig befunden. Weitergehende Ermittlungen zum familiären Background, so insbesondere zum Vater oder den Vätern ihrer drei Kinder fehlen zur Gänze. Warum die belangte Behörde die Angaben der Beschwerdeführerin bezüglich ihrer Identität, ihrer angeblichen politischen Aktivitäten, der angeführten und sachverhaltsmaßgeblichen Kundgebung auf dem "Freiheitsplatz", etc. für zutreffend erachtet hat, bleibt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ebenso darzulegen schuldig, wie sie es im Ermittlungsverfahren unterlassen hat, hiezu weitere Ermittlungsschritte zu setzen.

 

Die belangte Behörde setzt sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in keinster Weise auseinander, sondern stellt lediglich pauschal fest, dass deren Verhalten vielmehr von strafals von asylrechtlicher Relevanz sei. Sie trifft diese Feststellung aber, ohne sich überhaupt (bei der Beschwerdeführerin) Aufklärung verschafft zu haben, in welcher Form diese bei der von ihr ins Treffen geführten Kundgebung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht haben will. In gleicher Art hat die belangte Behörde dem vorgebrachten Umstand, dass die Beschwerdeführerin zwei Monate ohne jegliche Einvernahme und ohne richterlichen Beschluss in U-Haft gewesen sein will, jegliche asylrechtliche Auseinandersetzung verwehrt.

 

Aus dem Gesagten folgt daher, dass die Asylbehörde die ihr gemäß §§ 37 AVG bzw. 28 AsylG 1997 obliegende Ermittlungspflicht und das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Verfahren mit so schwerer Mangelhaftigkeit belastet hat, dass im Sinne der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Behebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung an die Asylbehörde erster Instanz notwendig und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Der Asylgerichtshof verkennt dabei nicht, dass vorliegendes Verfahren bereits seit Februar 2002 bei der Berufungsbehörde anhängig war; aufgrund der schweren Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens erweist sich die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG aber jedenfalls gerechtfertigt.

 

Die belangte Behörde wird sich im Hinblick auf den nunmehrigen Erkenntnisstand im fortgesetzten (Ermittlungs)Verfahren zunächst im Besonderen der Identität der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder zuzuwenden, und im Anschluss auch mit dem sonstigen Vorbringen der Beschwerdeführerin in angemessenem Maße auseinanderzusetzen haben.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
14.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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