A3 319.438-1/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HOLZSCHUSTER als Vorsitzende und den Richter Mag. LAMMER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin WILHELM über die Beschwerde der B.L., geb. 00.00.1988, StA. Äthiopien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.05.2008, FZ. 05 14.912-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I wird abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. 1. Die (nunmehrige) Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Äthiopiens, reiste am 15.09.2006 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Sie wurde hiezu sowohl am 19.09.2005 als auch am 18.10.2006, 23.11.2006, 26.03.2007 und zuletzt am 05.07.2007 niederschriftlich einvernommen.
2. Zur Begründung ihres Asylantrages brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, aufgrund der Probleme ihres Vaters mit der Regierung ihr Heimatland verlassen zu haben. Konkret habe letztgenannter als Angehöriger der Volksgruppe der Oromo die unter der Kurzbezeichnung OLF bekannt gewordene Befreiungsbewegung finanziell unterstützt und sei deshalb ins Visier der Regierung geraten. Auf deren Anraten hin habe sich ihr Vater dazu überreden lassen der regierungsfreundlichen OPDO beizutreten, jedoch sei er in weiterer Folge aufgrund seiner Vorgeschichte verdächtigt worden, als Spion tätig zu sein. Nach der Festnahme eines guten Freundes wäre auch der Vater der im Betreff Genannten verhaftet und zwei Monate festgehalten worden. Bei diesem Zwischenfall hätten die Polizisten auch die Beschwerdeführerin geohrfeigt, ansonsten aber unbehelligt gelassen. Am 23.08.2005, dem Tag seiner Freilassung, wären abermals Polizisten zum Haus der Familie gekommen und hätte daraufhin der Vater der Antragstellerin dieser befohlen wegzulaufen. Während ihrer Flucht zu einem Freund der Familie habe sie Schüsse vernommen und wäre ihr in den folgenden Tagen mitgeteilt worden, dass ihr Vater von der Polizei erschossen worden sei. "Ich selbst hatte keine Probleme mit Behörden (Seite 25 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien befürchte die Beschwerdeführerin, dass ihr vielleicht das selbe widerfahren könnte, wie ihrem Vater.
3. Durch die in weiterer Folge seitens der belangten Behörde initiierten Erhebungen vor Ort, durchgeführt von der österreichischen Botschaft in Addis Abeba, konnte zwar die Mitgliedschaft des Vaters der im Betreff Genannten bei der oppositionellen OLF bestätigt werden, nicht jedoch dessen Verhaftung im Juni 2005. Zudem sei letztgenannte Person nicht tot, sondern werde aktuell von den Sicherheitsbehörden gesucht. Eine Gefahr für die nahen Angehörigen könne ausgeschlossen werden, da es sich hiebei um einen individuellen, ausschließlich gegen eine konkrete Einzelperson gerichteten, Verdacht einer unerwünschten politischen Haltung und keine Familienangelegenheit handle.
4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.05.2008, FZ. 05 14.912-BAL, wies die Erstinstanz den Asylantrag in Spruchpunkt I. gemäß gem. § 7 AsylG 1997 idF 101/2003 ab. In Spruchpunkt II. des Bescheides wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Äthiopien gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. nicht für zulässig erklärt. In Spruchpunkt III. des Bescheides wurde der im Betreff Genannten gem. § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 leg. cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 04.05.2009 erteilt.
Das Bundesasylamt hat im nunmehr angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung in Spruchpunkt I in einer objektiv nachvollziehbaren Beweiswürdigung dahingehend begründet, wonach die Antragstellerin keine konkrete, gezielt gegen ihre Person gerichtete Verfolgungshandlung habe glaubhaft machen können. So widerspreche das Vorbringen der Beschwerdeführerin sowohl sämtlichen herangezogenen Länderberichten als auch den entsprechenden Passagen der Botschaftsauskunft und habe auch der einzige im Zuge der Einvernahmen geschilderte Übergriff durch Polizisten in Form von Beschimpfungen und einer Ohrfeige nicht die asylrechtlich nötige Mindesteingriffsintensität erreicht. Die mit zunehmenden Fortlauf des Verfahrens zusehends gesteigerten Misshandlungsbeschreibungen würden vielmehr eine unglaubwürdige Vorbringenssteigerung.
5. Gegen Spruchpunkt I dieses Bescheids erhob die Antragstellerin fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) und verwies in ihrem Rechtsmittelschriftsatz im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen. Zudem stünde der Beschwerdeführerin, entgegen der Feststellungen im angefochtenen Bescheid, aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.
II. Zum Sachverhalt:
Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin eine Staatsangehörige Äthiopiens ist. Die Identität der Antragstellerin konnte mangels Vorlage von als unbedenklich zu qualifizierenden Personaldokumente nicht zweifelsfrei festgestellt werden.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in das erstinstanzliche Aktenkonvolut unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Antragstellerin vor der Erstbehörde, des bekämpften Bescheids, sowie des Rechtsmittelschriftsatzes.
III. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005) sind "[A]lle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."
Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 (in der Folge: AsylG) i. d. F. der AsylG-Nov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die ab dem 01.05.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG in der jeweils geltenden Fassung, di. nunmehr die Fassung der AsylG - Nov. 2003, zu führen.
Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
2. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999 Zl. 98/01/0318).
Der Beschwerdeführerin wurde vor der Behörde erster Instanz hinlänglich Gelegenheit geboten, alle ihrer Meinung nach ihren Antrag stützenden Argumente ins Treffen zu führen und wurden diese im bekämpften Bescheid als absolut unglaubwürdig eingestuft. Hauptgrundlage für die Einschätzung der belangten Behörde bildete im Wesentlichen die sich aus dem direkten Vergleich mit den vorliegenden aktuellen Länderberichten ergebenden Widersprüche in Hinblick auf eine individuelle Verfolgungsgefahr. Ein derartiges Bedrohungsszenario, wie das im gegenständlichen Fall von der Beschwerdeführerin zentral ins Treffen geführte, wurde auch auf konkrete Anfrage von der österreichischen Botschaft in Abis Abeba ausgeschlossen.
Da im gegenständlichen Verfahren die Aussage der Beschwerdeführerin die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, müssen ihre Angaben bei einer Gesamtbetrachtung auf ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden.
Eine Aussage ist grundsätzlich dann als glaubhaft zu qualifizieren, wenn das Vorbringen des Antragstellers hinreichend substantiiert ist; er sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. seine Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d. h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen.
Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahmen vor der Erstbehörde sowohl am 19.09.2005 als auch am 18.10.2006, 23.11.2006, 26.03.2007 und zuletzt am 05.07.2007 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, möglichst umfassend und detailliert den Gang der Ereignisse, welche sodann zu ihrer Flucht geführt haben, darzulegen und wurden sämtliche Kernaussagen zu ihrer behaupteten Bedrohungssituation einem Vergleich mit den einschlägigen aktuellen Länderberichten, wie auch Ermittlungen vor Ort unterzogen.
Aufgrund der daraus resultierenden Divergenzen entsteht sohin der Eindruck, dass die im Betreff Genannte sich eine auf realen Grundelementen basierende Rahmengeschichte zu Recht gelegt hat und diese in weiterer Folge ausgebaut und modifiziert hat, um sich durch diese Vorgangsweise im Bundesgebiet einer allfälligen Abschiebung in ihr Herkunftsland zu entziehen.
Auf Grund obiger Überlegungen und aufgrund der letztlich völlig zutreffenden Beweiswürdigung des Bundesasylamtes über die Divergenzen des Vorbringens der Beschwerdeführerin in sämtlichen ihrer niederschriftlichen Einvernahmen sowie im Vergleich zu den vorgelegten Dokumenten kommt der Asylgerichtshof daher ebenso wie das Bundesasylamt zum klaren Ergebnis, dass das Vorliegen einer individuellen, konkret gegen die Person der Antragstellerin gerichteten Verfolgungsbedrohung nicht glaubhaft ist.
Der Entscheidung der Behörde erster Instanz wird sohin vollinhaltlich hinsichtlich des angefochtenen Spruchpunkts I beigetreten bzw. werden die begründenden Passagen des Erstbescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 67 d Abs. 4 AVG unterbleiben.