S11 318.346-2/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. NEUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde des T. B., geb. 00.00.1973, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.07.2008, Zahl: 08 04.978-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Bescheiderlassung ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt und stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der russischen Föderation, Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, brachte am 25.01.2008 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet beim Bundesasylamt Erstaufnahmestelle Ost seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz ein.
Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vor der Bundespolizeidirektion Wien, OEA-Polizeianhaltezentrum 1080, am 24.01.2008 gab der Beschwerdeführer an, dass er am 09.12.2007 sein Heimatland legal mit dem Zug von Grozny nach Moskau verlassen habe. Von dort sei er mit dem Zug über Brest/Weißrussland nach Terespol/Polen gereist, wo er am 12.12.2007 aufgegriffen worden sei und einen Asylantrag gestellt habe. Er sei im Lager Bezwola untergebracht worden, wo er sich bis zum 23.01.2008 aufgehalten habe. An diesem Tag sei er gemeinsam mit zwei anderen Personen in einem Fahrzeug über Prag nach Wien gefahren. Im polnischen Lager habe er sich untersuchen lassen wollen, da er Herz- und Leberbeschwerden gehabt habe. Er sei aber nicht untersucht worden. Tschetschenien habe er verlassen, da es dort ständige Säuberungsaktionen gebe. Man werde ständig kontrolliert. Er sei zweimal - zuletzt im August 2007 - von russischen Militärs und Kadirov-Leuten mitgenommen und festgehalten worden. Seither habe er ständig Angst um sein Leben.
Ein am 24.01.2008 durchgeführter EURODAC-Abgleich ergab einen Treffer woraus hervorging, dass der Beschwerdeführer am 12.12.2007 in Lublin/Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte (AS 101).
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 24.01.2008 wurde über den Beschwerdeführer das gelindere Mittel zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 77 FPG 2005 angeordnet (AS 65 ff). Demnach hatte sich der Beschwerdeführer beginnend mit 25.01.2008 jeden Tag bei der Polizeiinspektion Traiskirchen zu melden.
Am 25.01.2008 wurde seitens der Dublin-Abteilung des Bundesasylamtes ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Artikel 16 Absatz 1 lit. c Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-VO) an Polen abgefertigt (AS 79 f). In seiner Antwort vom 04.02.2008 stimmte Polen einer Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art 16 Abs 1 lit. c Dublin II-VO zu (AS 117).
Am 29.01.2008 erfolgte eine Mitteilung an den Beschwerdeführer gemäß § 29 Absatz 3 Asylgesetz, wonach die Erstbehörde beabsichtige, den Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen. Weiters setzte die Behörde erster Instanz den Beschwerdeführer in dieser Mitteilung davon in Kenntnis, dass seit 25.01.2007 Konsultationen nach der Dublin II-VO mit Polen geführt werden und dadurch die Zwanzigtagesfrist des Zulassungsverfahrens gemäß § 28 Absatz 2 Asylgesetz nicht gelte (AS 103 f).
Am 09.01.2008 wurde der Beschwerdeführer von Dr. H., einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin, untersucht (AS 121 f). Dabei klagte der Beschwerdeführer über Leberschmerzen, eine Enzephalopathie (Sammelbegriff für krankhafte Veränderungen des Gehirns unterschiedlicher Ursache und Ausprägung) nach Schlägen auf den Kopf, Tinnitus und eine Septumdeviation (Nasenscheidewandverkrümmung). In der gutachterlichen Stellungnahme kam Dr. H. zu dem Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliegt. Die Leberwerte des Beschwerdeführers seien im Krankenhaus Baden kontrolliert worden und seien im Normbereich. Ein Schädel-CT verlief unauffällig (AS 131).
Auf die Frage, warum er nicht in Polen bleiben habe wollen, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Ziel Österreich gewesen sei. Es habe sich [in Polen] kein konkreter Vorfall ereignet, der ihn zu einer Weiterreise veranlasst hätte. Die Lebensbedingungen seien dort einfach furchtbar.
Am 03.03.2008 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt Erstaufnahmestelle Ost niederschriftlich einvernommen (AS 137 ff). Dabei gab der Beschwerdeführer nunmehr auf die Frage nach Angehörigen in Österreich an, eine Cousine in Wien und einen Cousin in Graz zu haben. Er habe diese zuletzt im Jahr 2000 oder 2002 gesehen. Er habe erst als er nach Österreich gekommen sei, erfahren, dass diese in Österreich sind. Sie würden nur miteinander telefonieren. Im Herkunftsstaat wären sie Nachbarn gewesen. Er sei nicht von ihnen abhängig. Auf Vorhalt, wonach beabsichtigt ist den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zurückzuweisen und diesen nach Polen zu überstellen, führte der Beschwerdeführer aus, dass er eigentlich nach Österreich oder Frankreich und durch Polen nur durchreisen wollte. Polen grenze an Weißrussland. Weißrussland und Russland sei das Gleiche. In Polen gebe es russische Spezialeinheiten und Kadyrov-Leute. Als der Beschwerdeführer in Polen in einer Bar gewesen sei, habe er ein bekanntes Gesicht gesehen. Diese Person - ein Spion, der nach Polen geschickt worden sei - sei bei seiner Festnahme und Anhaltung in Tschetschenien anwesend gewesen. Im Flüchtlingslager sei jede Nacht eine Rauferei und Lärm gewesen. Ein Betrunkener sei mit einem Messer auf ihn losgegangen. Im Flüchtlingslager habe es keine Wächter gegeben. Er sei dort nicht in Sicherheit.
1.2. Mit Bescheid vom 06.03.2008, Zahl: 08 00.908-EAST Ost, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Absatz 1 AsylG als unzulässig zurück. Weiters wurde festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Artikel 16 Absatz 1 lit. c der Dublin II-VO Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG die Ausweisung nach Polen verfügt und gemäß § 10 Absatz 4 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung nach Polen für zulässig erklärt. Diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer am 07.03.2008 in der Erstaufnahmestelle Ost persönlich übernommen (AS 201).
Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass Art 16 Abs 1 lit. c Dublin II-VO erfüllt sei. Polen sei bereit, den Beschwerdeführer einreisen zu lassen und dessen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen bzw. die sonstigen Verpflichtungen gegenüber dem Beschwerdeführer zu erfüllen. In Polen, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als einer Rechts- und Wertegemeinschaft und des Europarates, werde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keine Gefahr einer Verletzung der EMRK eintreten. Eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Polen lasse sich keinesfalls erkennen. Ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. ein Vorliegen besonderer vom Beschwerdeführer bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen, sei nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG treffe zu. Es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes des Art 3 Abs 2 Dublin II-VO ergeben.
Diese Entscheidung sei mit einer Ausweisung in den zuständigen Mitgliedstaat zu verbinden gewesen. Es lägen keine Umstände vor, die einer Ausweisung des Beschwerdeführers nach Polen entgegenstehen würden.
1.3. Mit handschriftlichem Schreiben in russischer Sprache vom 19.03.2008 brachte der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes ein (AS 211, 213). Darin führte der Beschwerdeführer aus, er sei kategorisch nicht damit einverstanden, dass er in Österreich kein Asyl bekomme. Er habe seine Heimat aus ernsthaften Gründen verlassen. In Polen sei es für ihn nicht sicher gewesen.
1.4. Die Berufung langte zusammen mit dem Akt des Bundesasylamtes am 25.03.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein.
1.5. Am 01.04.2008 wurde die Berufung vom 19.03.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.03.2008, GZ: 08 00.908-EAST Ost, gemäß § 5 und § 10AsylG abgewiesen.
In der Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen und der Beweiswürdigung wurde auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, zumal das Bundesasylamt ein mängelfreies und ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst hätte.
Der Beschwerdeführer habe nachweislich am 12.12.2007 nach illegaler Einreise in Lublin/Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Anlässlich dieser Asylantragstellung hätte Polen auf Grund festgestellter Zuständigkeit nach der Dublin II-VO offenbar keine Anhaltspunkte gesehen, einen anderen Staat um Aufnahme des Beschwerdeführers zu ersuchen. Infolge der illegalen Einreise habe sich Polen implizit gemäß Artikel 10 Absatz 1 Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates hinsichtlich des Schutzbegehrens des Beschwerdeführers für zuständig erklärt und habe mit der Zustimmung zur Wiederaufnahme gemäß Artikel 16 Absatz 1 lit. c Dublin II-VO vom 04.02.2008 selbst die Verantwortung für dieses Begehren erneuert. Daher wäre dem Bundesasylamt beizupflichten, dass die Zuständigkeit Polens vorliege.
Seitens des Unabhängigen Bundesasylsenates wurde auch kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO festgestellt, wobei Folgendes angeführt wurde:
Der Beschwerdeführer hätte keinesfalls ausreichend substantiiert dargelegt, dass ihm auf Grund der persönlichen Situation ausnahmsweise durch eine Rückverbringung nach Polen entgegen der Regelvermutung des § 5 Absatz 3 Asylgesetz die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde (sog. "real risk").
Die Widerlegung der in § 5 Absatz 3 Asylgesetz normierten Rechtsvermutung wäre dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen.
Auch im Hinblick auf das Vorbringen im Zuge der Erstbefragung am 24.01.2008, der Beschwerdeführer wäre trotz Ersuchens um eine Untersuchung im polnischen Flüchtlingslager nicht untersucht worden, bestünden für den Unabhängigen Bundesasylsenat auf Grund der Feststellungen der Erstbehörde keine Bedenken hinsichtlich einer dem Beschwerdeführer tatsächlich offen stehenden medizinischen Basisversorgung in Polen.
Hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, wonach er in einer Bar einen nach Polen entsandten Spion russischer Spezialeinheiten gesehen hätte, welcher bei seiner Festnahme und Anhaltung in Tschetschenien anwesend gewesen wäre und wonach im polnischen Flüchtlingslager jede Nacht eine Rauferei und Lärm gewesen und ein Betrunkener mit einem Messer auf ihn losgegangen wäre, stellte das Bundesasylamt im Bescheid fest, dass "derartige Sachverhalte ... leicht in den Raum zu stellen [sind]" und ging daher offensichtlich von der Unglaubwürdigkeit dieses Vorbringens des Beschwerdeführers aus. Dieser Ansicht wurde von Seiten des Unabhängigen Bundesasylsenates nicht entgegengetreten, zumal der Beschwerdeführer dieses Vorbringen erst in der Einvernahme am 03.03.2008 erstmals angeführt hätte, während er im Zuge seiner Untersuchung am 20.02.2008 noch davon gesprochen hätte, dass sich in Polen kein konkreter Vorfall ereignet habe, welcher ihn zur Weiterreise nach Österreich bewogen habe (AS 121).
Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers wäre es diesem nicht gelungen, exzeptionelle, sich auf seine persönliche Situation beziehende Gründe aufzuzeigen, die eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für ihn selbst in Polen als wahrscheinlich erscheinen ließen.
Es hätten sich somit keine Anhaltspunkte ergeben, dass der Beschwerdeführer in Polen einer realen Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder des fehlenden Schutzes vor Verfolgung ausgesetzt wäre.
Auch unter dem Gesichtpunkt des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers vermochte der Unabhängige Bundesasylsenat zum Entscheidungszeitpunkt nicht zu erkennen, warum dieser einer Überstellung nach Polen entgegenstehen sollte, zumal in der gutächtlichen Stellungnahme Dr. H. zu dem Ergebnis kam, dass beim Beschwerdeführer keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliege.
Somit lag nach Ansicht des Unabhängigen Bundesasylsenates mangels Vorliegen einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung beim Beschwerdeführer kein Abschiebehindernis und somit kein Grund für einen zwingenden Selbsteintritt nach Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO vor. Ebenso würden die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten körperlichen Beeinträchtigungen keine Erkrankungen darstellen, die zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen würden bzw. die in Polen keine Behandlungsmöglichkeiten erfahren könnten.
Bezüglich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers im Hinblick auf Art. 8 EMRK vermochte der Unabhängige Bundesasylsenat auch keine Verletzung der darin geschützten Rechte zu erblicken. Es könne nicht von einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung des Beschwerdeführers zu seinen Cousins gesprochen werden, zumal der Beschwerdeführer diese seit dem Jahre 2000 bzw. 2002 nicht mehr gesehen habe, mit diesen auch im Herkunftsstaat nicht in gemeinsamen Haushalt gelebt hätte und nicht von diesen abhängig wäre.
Es bedarf folglich unter diesem Gesichtspunkt keiner weitergehenden Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK. Auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung wurde nicht festgestellt. Die Ausweisung stellt daher keinen Eingriff in das durch Art 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben dar. Der Bescheid erwuchs mit 28.04.2008 in Rechtskraft.
2.1. Am 10.06.2008 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten, den nunmehr gegenständlichen Asylantrag.
Bei der niederschriftlichen Befragung am 13.06.2008 vor der Polizeiinspektion EAST Ost in Traiskirchen gab der Beschwerdeführer Folgendes an:
Er wäre am 09.12.2007 nach Brest/Weißrussland gereist, danach nach Terespol/Polen, wo er etwa 14 Tage in einem Lager verbracht hätte. Danach wäre er nach Österreich gereist und hätten einen Asylantrag gestellt und einen negativen Bescheid bekommen, so wäre er nach Dänemark gereist, von dort hätte man ihn nach Polen abgeschoben. In Polen hätte er nicht bleiben können, da er krank sei, daher wäre er wieder nach Österreich gereist.
Die erkennungsdienstliche Behandlung hat ergeben, dass der Beschwerdeführer am 02.12.2007 in Lublin/Polen und am 02.04.2008 in Dänemark Asylanträge gestellt hat.
Mit Schreiben vom 13.06.2008 wurde dem Beschwerdeführer das Führen von Konsultationsverfahren mit Polen mitgeteilt, und dass die Zustimmung der polnischen Behörden vom 05.02.2008 immer noch gültig ist (Gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin II-Verordnung wurde die Überstellungsfrist aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer flüchtig war, auf 18 Monate verlängert. Mit Schreiben vom 08.04.2008 wurde Polen entsprechend verständigt.).
Am 08.07.2008 wurde der Beschwerdeführer in der Erstaufnahmestelle Ost einvernommen, wobei im Wesentlichen Folgendes ausgesagt wurde:
In Österreich habe er keine aufhältigen Eltern oder Kinder und lebe auch nicht in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft.
Nach Gründen befragt, die einer Überstellung nach Polen entgegenstünden, teilte der Beschwerdeführer mit, er hätte Angst nach Polen zurückzukehren und wolle in seine Heimat zurück. Nachgefragt konkretisierte der Beschwerdeführer, in Polen wäre er von Skinheads geschlagen worden und hätte Angst davor. Es hätte mehrere Vorfälle gegeben, jedoch spiele das keine Rolle, denn er wolle nach hause zurückkehren.
2.2. Mit Bescheid vom 29.08.2008 entschied das Bundesasylamt neuerlich gem. § 5 Abs. 1 AsylG, das der nunmehr zweite Antrag des Beschwerdeführers vom 10.06.2008 auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen sei. Für die Prüfung des Asylantrags sei gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II-VO Polen zuständig. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG werde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen. Dem zufolge sei auch die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig.
Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zum polnischen Asylverfahren, zur Versorgung von Asylwerbern und zum Tschetschenen - Refoulement. Beweiswürdigend hielt die Erstbehörde im Wesentlichen fest, dass durch einen Eurodac - Treffer feststehe, dass der Beschwerdeführer am 12.12.2008 (richtig 12.12.2007) in Lublin/Polen einen Asylantrag eingebracht hat und eine Zustimmungserklärung der polnischen Behörden vorliegt. Da der Beschwerdeführer nach rechtskräftigen Erstverfahren nicht überstellt worden sei, wäre die Zustimmung noch immer aufrecht. Aufgrund des Ablaufs der 20 Tagesfrist sei das Verfahren zugelassen worden.
Die Vorbringen über den Aufenthalt in Polen (u. a. der Vorfall mit den Skinheads) wären als gänzlich unglaubwürdig anzusehen, zumal diese völlig vage und unsubstantiiert einfach in den Raum gestellt worden wären und den angeführten Feststellungen zu Polen, welche aus objektiven und unbedenklichen Quellen stammen, auf das Gröblichste widersprechen würden.
Weiters seien aus den Angaben des Beschwerdeführers keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass dieser in Polen systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen wäre oder diese zu erwarten hätte, bzw. dass ihm in Polen behördlicher Schutz vorenthalten werde. Es drohe ihm keine Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte.
2.3. Der Bescheid des Bundesasylamtes wurde dem Beschwerdeführer am 04.09.2008 persönlich durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ausgefolgt.
2.4. Am 15.09.2008 wurde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes mittels Schriftsatz vom 08.09.2008 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde den Aussagen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid, konkret der Behauptung, es lägen keine Umstände vor, die einer Ausweisung des Beschwerdeführers nach Polen entgegenstünden, wie folgt entgegengetreten:
Das Bundesasylamt habe das Verfahren des Beschwerdeführers im Juli 2008 durch Ausfolgung einer Aufenthaltskarte zugelassen. Nach dem Wortlaut von § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 stehe zwar die Zulassung des Verfahrens einer später zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen, nach der Intention des Gesetzgebers solle eine Zurückweisung nach bereits erfolgter Zulassung aber nur dann möglich sein, wenn Zurückweisungstatbestände erst nach Ende des Zulassungsverfahrens zu Tage treten würden. Im konkreten Fall lägen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nicht vor und wäre diese daher unzulässig.
Es hätten in Polen mehrere Vorfälle stattgefunden, die der Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht hätte, konkret sei er von Skinheads attackiert und von einem Betrunkenen mit einem Messer angegriffen worden.
Auch hätte der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er krank sei, das Bundesasylamt hätte diesbezüglich keine Ermittlungen durchgeführt und lapidar ausgeführt, dass aus medizinischer Sicht nichts gegen eine Überstellung nach Polen spreche.
Konkret leide der Beschwerdeführer schon seit längerem an Leberschmerzen, Bauchweh, Müdigkeit und Depressionen und wäre bei ihm im Juni 2008 eine chronische Hepatitis C Genotyp 3a festgestellt worden. Aufgrund der hohen Viruskonzentration wäre rasch mit einer 24-wöchigen medikamentösen Therapie zu beginnen, wobei er befürchte, bei einer Überstellung nach Polen, diese nicht erhalten zu können.
Auch der Unabhängige Bundesasylsenat hätte bereits festgestellt, dass die medizinische Versorgung in Polen notorischerweise lediglich eine Basisversorgung ermögliche und die Behandlung von komplexeren Krankheiten nicht automatisch gesichert wäre.
Es wurde weiters der Sachverhalt eines tschetschenischen Asylwerbers mit Hepatitis C skizziert, der von Belgien nach Polen überstellt worden sei, trotz tagelangem hohen Fiebers keinem Arzt vorgeführt worden sei und schlussendlich gestorben wäre. Ein ähnliches Schicksal befürchte der Beschwerdeführer.
Die erstinstanzliche Behörde habe die Krankheit des Beschwerdeführers und die guten Behandlungsmöglichkeiten in Österreich in keinster Weise bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 8 EMRK berücksichtigt. Dieser Artikel schütze auch das Privatleben, worunter unter anderem die physische und psychische Integrität des Einzelnen falle.
Ein Ambulanzbrief des Krankenhauses vom 03.09.2008 wurde der Beschwerde beigelegt.
Beantragt wurde, der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid zu beheben. Weiters wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 zuzuerkennen.
II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über die Beschwerde wie folgt erwogen:
Rechtlich ergibt sich Folgendes:
1. Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.
Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das Grundprinzip ist, dass Drittstaatsangehörigen das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren in einem Mitgliedstaat zukommt, jedoch nur in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und 15 Dublin II VO, bzw. dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt zutreffend festgestellt, dass eine Zuständigkeit Polens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II VO besteht, zumal der Beschwerdeführer am 12.12.2008 (richtig 12.12.2007) in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, weiters eine Zustimmung vom 04.02.2008, eingelangt am 05.02.2008, zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers durch die polnischen Behörden vorliegt. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006,
Zl. 2005/20/0444).
Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0449).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13 zu Art. 19 Dublin II VO).
Weiters hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.
Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen. Diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebotes (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren, verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K8-K13 zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der EU als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten, wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
Was die Frage der "Beweislast" anbelangt, so ist vorweg klarzustellen, dass bei Vorliegen "offenkundiger" Gründe (zum Begriff der "Offenkundigkeit" vgl. § 45 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) und die dazu ergangene Judikatur, beispielsweise zitiert in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 27 zu § 45 AVG) eine Mitwirkung des Asylwerbers zur Widerlegung der in § 5 Abs. 3 AsylG implizit aufgestellten Vermutung nicht erforderlich ist. Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist. Es versteht sich von selbst, dass bei der Beurteilung, ob die geforderte "Glaubhaftmachung" gelungen ist, der besonderen Situation von Asylwerbern, die häufig keine Möglichkeit der Beischaffung von entsprechenden Beweisen haben, Rechnung getragen werden muss (in diesem Sinne auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 226). Hat der Asylwerber die oben angesprochenen besonderen Gründe glaubhaft gemacht, ist die dem § 5 Abs. 3 AsylG immanente Vermutung der im zuständigen Mitgliedstaat gegebenen Sicherheit vor Verfolgung widerlegt. In diesem Fall sind die Asylbehörden gehalten, allenfalls erforderliche weitere Erhebungen (auch) von Amts wegen durchzuführen, um die (nach der Rechtsprechung des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes erforderliche) Prognose, der Asylwerber werde bei Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat der realen Gefahr ("real risk") einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein, erstellen zu können. Diese Ermittlungspflicht ergibt sich aus § 18 AsylG, die insoweit von § 5 Abs. 3 AsylG unberührt bleibt (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949; vgl. ähnlich auch VwGH 21.03.2007, Zl. 2006/19/0289).
Zu den in der Beschwerde angesprochenen Ereignissen in Polen ist Folgendes zu bemerken:
Der Geschichte vom Angriff eines mit einem Messer bewaffneten Betrunkenen - vom Beschwerdeführer bereits im ersten Verfahrensgang vorgebracht - wurde von beiden Instanzen kein Glaube geschenkt, zumal dieses Ereignis erst in weiterer Folge des Verfahrens zur Sprache kam und erst nachdem der Beschwerdeführer explizit ausgesagt hatte, es hätte in Polen keinen konkreten Vorfall gegeben, der ihn zur Weiterreise nach Österreich bewogen hätte. Auch der am 08.07.2008 bei der Einvernahme in der Erstaufnahmestelle Ost angegebene Übergriff von Skinheads in Polen, die den Beschwerdeführer geschlagen hätten, wird ohne nähere Konkretisierung lediglich in den Raum gestellt. Statt sein Vorbringen näher auszuführen werden mehrere Vorfälle angegeben, die aber keine Rolle spielen würden, den er wolle nach hause in seine Heimat zurückkehren.
Die konkret unbegründet gebliebene Ablehnung des Beschwerdeführers gegenüber dem polnischen Staat zeigt sich auch in seinen Aussagen, welchen zufolge er eigentlich nach Österreich oder Frankreich und durch Polen nur durchreisen hätte wollen und Polen an Weißrussland grenze und Weißrussland und Russland das Gleiche seien.
Der nunmehr gegenständliche (zweite) Asylantrag des Beschwerdeführers wurde am 10.06.2008 eingebracht.
Nachdem die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid unmissverständlich feststellte, dass der Beschwerdeführer am 12.12.2008 (richtig 12.12.2007) in Polen einen Asylantrag gestellt hatte, die polnischen Behörden mit Erklärung vom 04.02.2008 (einlangend am 05.02.2008) sich gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II VO für die Prüfung des gegenständlichen Asylverfahrens für zuständig erklärten und die Zustimmung aus dem Vorverfahren noch gültig ist (Fristverlängerung zur Überstellung gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin II-Verordnung) und ein zuständigkeitsbeendendes Sachverhaltsmerkmal nicht festgestellt werden konnte, konnte der Beweiswürdigung auf Seite 17 des angefochtenen Bescheides "Auf Grund des Ablaufs der 20 Tagefrist wurde das Verfahren zugelassen." nicht gefolgt werden. Es handelt sich offensichtlich um ein Versehen des Bundesasylamtes, welches aus dem Gesamtzusammenhang des Bescheides klar ersichtlich ist und durch die Rechtsmittelbehörde verbesserbar ist.
Zur gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers ist Folgendes zu sagen:
In der gutachterlichen Stellungnahme zur Untersuchung des Beschwerdeführers vom 09.01.2008 kam Dr. H., Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin, zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliegt. Seine Leberwerte seien im Krankenhaus Baden kontrolliert worden und seien im Normbereich. Ein Schädel-CT verlief unauffällig (AS 131).
Den aktuellen (August 2007, Februar 2008) landeskundlichen Feststellungen des Bundesasylamtes ist zu entnehmen, dass die medizinische Versorgung von Asylwerbern derjenigen von polnischen Staatsbürgern entspricht, ebenso stehen dieselben medizinischen Leistungen und Einrichtungen zur Verfügung. Die Art und das Ausmaß von Behandlungen hängen ausschließlich vom Arzt ab und die Kosten werden aus Budgetmitteln gedeckt. Durch die sprachliche Nähe der aus Osteuropa kommenden Asylwerber werden auch Kommunikationsprobleme mit dem polnischen medizinischen Personal hintangehalten.
Einer Anfragebeantwortung eines Kontaktbeamten in Polen vom 18.02.2008 zur Folge sind allgemein alle Krankheiten in Polen uneingeschränkt behandelbar. Es besteht ein Notdienst für rasche Hilfe und stehen bei schwerwiegenden Fällen die örtlichen Krankenhäuser bereit.
Der Versuch des Beschwerdeführers den landeskundlichen Feststellungen des Bundesasylamtes in der Beschwerde entgegenzutreten ist nach Ansicht des Asylgerichtshofes nicht gelungen. Der skizzierte Fall des tschetschenischen Asylwerbers I. A. stammt aus dem Jahr 2006 (Mitte) und stellt daher ebenso wie die zitierten Entscheidungen des Unabhängigen Bundesasylsenates (März 2007) im Gegensatz zu den aktuellen Feststellungen des BAA nicht mehr die tatsächlichen Gegebenheiten in Polen dar.
2. Im konkreten Fall kann die Ansicht der erkennenden Behörde, aus medizinischer Sicht spräche nichts gegen eine Rücküberstellung des Beschwerdeführers nach Polen ohne eine medizinische Abklärung seines gegenwärtigen Zustandes dennoch nicht nachvollzogen werden. Auch wenn man auf die medizinische Untersuchung vom 09.01.2008 durch Dr. H. abstellt, lag diese zum Entscheidungszeitpunkt der Erstbehörde nahezu acht Monate zurück.
Nachdem dieser in seinen Einvernahmen mehrfach auf seine Hepatitis C Erkrankung hingewiesen hatte, ist für den Asylgerichtshof die gänzliche Unterlassung einer näheren Beschäftigung mit der gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers sowie einer diesbezüglichen Beweiswürdigung oder einem nachvollziehbaren Hinweis, aus welchen Gründen von einer medizinischen Untersuchung Abstand genommen wurde, gänzlich unverständlich.
Es wäre der erkennenden Behörde durchaus möglich und auch angezeigt gewesen, den Wahrheitsgehalt der vorgebrachten gesundheitlichen Beschwerden des Beschwerdeführers durch eine ärztliche Untersuchung zu überprüfen.
Die von der erkennenden Behörde in der Bescheidbegründung aufgenommenen Feststellungen über die derzeit in Polen vorliegende gesundheitliche Versorgung ohne nähere Überprüfung des gegenwärtigen Gesundheitszustandes und der Überstellungsfähigkeit des Beschwerdeführers alleine reichen nicht aus, um eine allenfalls drohende Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte im gegenständlichen Fall von vornherein auszuschließen.
Die notwendige Einzelfallprüfung macht es im gegenständlichen Fall erforderlich, zunächst eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen, ob Durchsetzungsaufschubsgründe gemäß § 10 Abs. 3 AsylG vorliegen. Ohne die Aufnahme dieses weiteren Beweises kann aus Sicht des Asylgerichtshofes aus den dargestellten Gründen nicht von Entscheidungsreife gesprochen werden.
3. Im fortgesetzten Verfahren wird die Erstbehörde (sofern eine neuerliche Erlassung einer Unzuständigkeitsentscheidung nach § 5 AsylG beabsichtigt ist), nach Durchführung des ergänzten Beweisverfahrens wie dargestellt, klare Feststellungen zur gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers zu treffen haben, ebenso wie individuell begründete, auf aktuelle Beweisergebnisse gestützte Ausführungen zur Überstellungsfähigkeit des Beschwerdeführers.
4. Als maßgebliche Determinante für die Anwendbarkeit des § 41 Abs. 3 AsylG in diesem Zusammenhang ist die Judikatur zum § 66 Abs. 2 AVG heranzuziehen, wobei allerdings kein Ermessen des Asylgerichtshofes besteht.
Auch der Asylgerichtshof ist - wenn auch gemäß § 41 Abs. 3 AsylG nicht bei Beschwerden gegen eine zurückweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung (in diesem Fall ist statt dessen die fast gleichlautende Bestimmung des § 41 Abs. 3 3. Satz AsylG anzuwenden) - zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315 und 21.11.2002, 2000/20/0084; ferner VwGH 21.09.2004, Zl. 2001/01/0348). Eine kassatorische Entscheidung darf vom Asylgerichtshof nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt, wie dargestellt, keine ordnungsgemäß begründete Entscheidung (vgl. Art. 19 Abs. 2 1. Satz Dublin II VO und Art. 20 Abs. 1 lit. e 2. Satz Dublin II VO) erlassen. Der Asylgerichtshof war auf Basis der Ergebnisse des Verfahrens des Bundesasylamtes praktisch nicht mehr in der Lage, innerhalb der zur Verfügung stehenden kurzen Entscheidungsfristen (§ 37 Abs. 3 AsylG) eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Der angefochtene Bescheid konnte daher unter dem Gesichtspunkt des § 41 Abs. 3 AsylG keinen Bestand mehr haben.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.