TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/29 C13 401397-1/2008

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Veröffentlicht am 29.09.2008
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Spruch

C13 401.397-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. NEUMANN als Beisitzerin über die Beschwerde von Herrn S.G., geb. 00.00.1990, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.08.2008, Zahl: 07 10.693 - EAST Ost, gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 AsylG 2005 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 und § 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

1. Verfahrensgang

 

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt und stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge BF) auf internationalen Schutz vom 17.11.2007 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (in der Folge AsylG) abgewiesen, ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Ausweisung verbunden.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

 

1.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs. 7 AsylG in Verbindung mit § 67d Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) abgesehen.

 

2. Folgender Sachverhalt liegt der Entscheidung zugrunde:

 

2.1. Zu Person, Reiseroute und Fluchtgründen des BF:

 

Der BF S.G. ist indischer Staatsbürger, gehört der Volksgruppe Punjabi an und ist Sikh. Er wurde bei seiner Ankunft per Flugzeug am Flughafen Schwechat am 00.00.2007 im internationalen Transit untergebracht und stellte am selben Tag beim Stadtpolizeikommando Schwechat, Grenzpolizeiinspektion Flughafen Schwechat, einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Bei der niederschriftlichen Erstbefragung vor dem Stadtpolizeikommando Schwechat, Schwechat Flughafen/Sondertransit am 20.11.2007, nach der dem BF die Einreise gestattet wurde und er der EAST-Ost Traiskirchen vorgeführt wurde, gab der BF im Wesentlichen Folgendes an:

 

Er hätte am 30.07.2007 per Flugzeug Indien von Delhi aus nach Bangkok verlassen und sei legal mit eigenem Reisepass, ausgestellt vom Passamt in Jalandhar, ausgereist. Sein Schlepper hätte ihm den Reisepass am Flughafen Wien abgenommen. Von Bangkok sei er nach Südafrika geflogen, von dort in Begleitung des Schleppers mit dreimaliger Zwischenlandung in unbekannten Ländern nach Wien. Er habe ein thailändisches Visum gehabt, den Reisepass aber seither nicht mehr in Händen gehabt.

 

Als Fluchtgrund gab er an, seine Familie sei Anhänger von Baba Ram Rahim, die Leute aus seinem Heimatdorf seien aber dagegen. Sein Vater hätte in der Früh mit einem anderen Anhänger zum Sitz von Baba Ram Rahim fahren wollen, sei aber seither spurlos verschwunden. Einige Tage später seien ein paar Leute zu seiner Familie gekommen und hätten seiner Mutter angedroht, dass sie ihn umbringen würden, falls sie weiterhin dem Baba Ram Rahim folgten. Aus Angst um sein Leben habe seine Mutter mit ihrem Bruder gesprochen und dieser habe sich um seine Ausreise gekümmert.

 

2.2. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt EAST-Ost am 26.11.2007 im Beisein einer Rechtsberaterin als gesetzliche Vertreterin für den unbegleiteten minderjährigen BF und eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi gab der BF im Wesentlichen Folgendes an:

 

Seine Angaben bei der Erstbefragung wären richtig. Sein Heimatort sei in Punjab, Indien, sein Vater sei derzeit verschwunden.

 

Die Zahl der Zwischenlandungen bei seinem Flug von Südafrika nach Wien korrigierte er von drei auf zwei.

 

Bezüglich seiner Fluchtgründe führte der BF näher aus, dass es in seinem Heimatdorf noch eine zweite Familie gegeben habe, die Anhänger des Baba Gurmit Ram Rahim Singh sei, nämlich jene des S.S.. Dieser sei jener andere Anhänger, den sein Vater am 00.00.2007 in der Früh abholen hätte wollen, um gemeinsam mit ca. 40 Leuten zum Tempel des Baba in Sirsa zu fahren. Sein Vater sei aber nicht mehr zurückgekehrt und trotz Suche nicht mehr aufgefunden worden. Eine Anzeige bei der Polizei in B. sei aus Angst vor den anderen Dorfbewohnern nicht gemacht worden. Am 26. oder 27.05.2007 habe er sein Haus und seine Familie verlassen und sei danach von Indien ausgereist.

 

2.3. Am 20.12.2007 wurde mit Zustimmung des BF die Überprüfung der Angaben des BF im Herkunftsstaat im Wege der Staatendokumentation der Grundsatz- und Dublinabteilung des Bundesasylamtes sowie eines Rechercheauftrages an Dr. A. B., Sachverständiger, veranlasst. Am 13.01.2008 langte der Erhebungsbericht des Sachverständigen ein, der über das Ergebnis einer Recherchefahrt in den angegebenen Heimatort des BF durch zwei von ihm konsultierte Rechtsanwälte mit Personenbefragungen und Bilddokumentationen berichtete. Diesem Ergebnis zufolge sind sowohl der BF als auch dessen von ihm angegebene Familie als auch der angegebene S.S. in dem vom BF angegebenen Ort N. nicht bekannt. Auch die vom BF geschilderten religiös-politischen Verhältnisse im Dorf konnten nicht verifiziert werden. Der Erhebungsbericht der Staatendokumentation betreffend allgemeine Fragen der angegebenen religiösen Verhältnisse langte am 31.01.2008 bei der Erstbehörde ein.

 

2.4. Am 22.07.2008 wurde der BF erneut einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt hielt er diese aufrecht und führte die Umstände des angegebenen Verschwindens seines Vaters näher aus. Er wurde weiters zu Örtlichkeiten und Personen im von ihm angegebenen Heimatort sowie zur Lehre des Baba Ram näher befragt.

 

2.5. Am 22.07.2008 wurde mit Zustimmung des BF ein weiterer Auftrag zur Überprüfung der Angaben des BF im Wege eines weiteren Rechercheauftrages an Dr. A. B., Sachverständiger, erteilt, dessen Ergebnisse am 23.08.2008 bei der Erstbehörde einlangten.

 

2.6. Bei der Einvernahme des BF am 27.08.2008 wurden dem BF die Ermittlungsergebnisse der beiden Rechercheaufträge an den Sachverständigen Dr. B. sowie der Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesasylamtes vorgehalten.

 

Dazu erklärte der BF, er hätte alles richtig angegeben, es sei alles attestiert und müsste dort vorhanden sein.

 

2.7. Die belangte Behörde wies den Asylantrag des BF ab. In der Begründung traf sie Feststellungen zur Person des BF, zu seinen Fluchtgründen, zu seiner Situation im Fall der Rückkehr, zu seinem Privat- und Familienleben, zur Lage im Herkunftsland - darunter zur Menschenrechtslage, zur Religionsfreiheit, zur Religionsgemeinschaft "Dera Sacha Sauda" und zur Versorgung. Beweiswürdigend führte sie aus, dass nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens das Vorbringen des BF nicht glaubwürdig erscheine. Die umfangreich getätigten Ermittlungen hätten keinerlei Hinweise auf die Wahrheit des Vorbringens des BF gebracht. Ganz im Gegenteil hätten bei den beiden Recherchen durch zwei vom beauftragten Sachverständigen konsultierte Rechtsanwälte in Indien keinerlei Fakten in Erfahrung gebracht werden können, die die Angaben des BF bezüglich seiner Person, seiner Familie, verwandter oder bekannter Personen, seiner Lebensumstände sowie der Umstände im angegebenen Herkunftsort bestätigt hätten. Die schlüssigen, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ermittlungsergebnisse hätten ergeben, dass das Vorbringen des BF in keiner Weise den Fakten entsprochen hätte. Ebenso hätten die Angaben des BF zu der von ihm angegebenen Religionsgemeinschaft "Dera Sacha Sauda" - sowohl allgemein als auch konkret bezüglich der Verhältnisse in dem vom BF angegebenen Herkunftsort - nicht den ermittelten Inhalten entsprochen. Die Rechercheergebnisse seien dem BF vorgehalten worden und er sei ihnen in keiner Weise sachlich und substantiiert entgegengetreten.

 

2.8. Der BF brachte mit Schreiben vom 01.09.2008 gegen den Bescheid der belangten Behörde fristgerecht Beschwerde ein, wobei er im Wesentlichen sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren wiederholte. Die Beschwerde enthielt weiters allgemeine Ausführungen über die Lage in Indien. Behauptet wurden Mängel des angefochtenen Bescheides in concreto einer unschlüssigen Beweiswürdigung. Ausgeführt wurde, dass keine ausreichenden Ermittlungen hinsichtlich der individuellen Situation des BF in seinem Heimatland durchgeführt worden wären. Beantragt wurden eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens aufgrund der offensichtlichen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, positive Entscheidungen zu §§ 3, 8 und 10 AsylG und eine Überprüfung der individuellen Situation und der Fluchtgründe des BF in seinem Heimatland.

 

3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

 

3.1. Anzuwendendes Recht:

 

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Mit dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, mit dem unter anderem das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) erlassen und das Asylgesetz 2005 und das Bundesverfassungsgesetz (B-VG) geändert worden sind, ist der Asylgerichtshof eingerichtet worden.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AV) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

Gemäß § 61 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes, soweit nicht etwas anders in § 61 Abs. 3 AsylG vorgesehen ist.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, - außer in dem im Abs. 2 angeführten Fall - immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 67d AVG kann der Asylgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), entgegensteht.

 

Gemäß § 15 AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

 

Gemäß § 18 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

 

3.2. Dem angefochtenen Bescheid ist ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das Bundesasylamt vorangegangen und schließt sich die Berufungsbehörde den dort getroffenen Feststellungen an.

 

3.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, da gemäß § 67d AVG iVm. § 23 AsylGHG und § 41 Abs. 7 AsylG der Sachverhalt im Verfahren vor dem Asylgerichtshof dann als aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt anzusehen ist, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Beschwerde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter Weise behauptet wird.

 

Die Berufungsbehörde erachtet diese Voraussetzungen als erfüllt, da die Betrachtung des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens keinen Zweifel an der Unglaubwürdigkeit der Angaben des BF aufkommen lassen und dieser auch im Beschwerdeschriftsatz keine Angaben machte, die geeignet gewesen wären, dieses Bild zu entkräften oder die Beurteilung der belangten Behörde zweifelhaft erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 17.10.2006, 2005/20/0329; 23.11.2006, 2005/20/0406; 23.11.2006, 2005/20/0477; 23.11.2006, 2005/20/0517; 23.11.2006, 2005/20/0551; 23.11.2006, 2005/20/0579).

 

Auch auf Art. 6 Abs. 1 EMRK basierende Hinderungsgründe liegen nicht vor.

 

3.4. Zu den Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides

 

3.4.1. Zu § 3 AsylG ( Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich eine Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen der belangten Behörde zur Frage der Glaubwürdigkeit der Angaben des BF vollinhaltlich an. Entgegen den Angaben in der Beschwerde wurde das erstinstanzliche Beweisverfahren umfangreich und gründlich geführt. Den Ergebnissen der zweimaligen konkreten Nachforschungen in dem vom BF angegebenen Heimatsort sowie den Ergebnissen der Recherche durch die Länderdokumentation bezüglich des religiös-politischen Vorbringens des BF, die zu einer eindeutigen Widerlegung seiner vorgebrachten Geschichte geführt haben, konnte der BF nicht in substantiierter Art und Weise entgegentreten. Die vom BF angegebenen Personen und Umstände waren im angegebenen Heimatsort unbekannt. Das Vorbringen in der Beschwerde, dass keine ausreichenden Ermittlungen hinsichtlich der individuellen Situation des BF im Heimatland durchgeführt worden wären, ist somit nicht nachvollziehbar. Das Vorbringen bezüglich des Fehlens einer innerstaatlichen Fluchtalternative widerspricht den diesbezüglichen schlüssigen Feststellungen im erstinstanzlichen Verfahren. Seitens des BF wurde kein substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, diese Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Dazu kamen weitere Widersprüche in den Aussagen des BF im Verfahren wie beispielsweise bezüglich der Zeit des Verlassens seines Heimatortes und seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat sowie bezüglich des Verbleibes seines Reisepasses (siehe unter Punkt 2.2.). Den Ausführungen des BF war daher nicht zu folgen.

 

3.4.2. Zu § 8 AsylG ( Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Berufungswerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der VwGH hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Wie schon unter 3.4.1. zu Spruchpunkt I ausgeführt, haben sich im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte gefunden, die zu einem anderen Ergebnis als im erstinstanzlichen Bescheid führen würden.

 

3.4.3. Zu § 10 AsylG (Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Der BF ist in seiner Beschwerde der vom Bundesasylamt zu Spruchteil III des angefochtenen Bescheides gegebenen Begründung ebenfalls nicht substantiiert entgegengetreten. Eine Rechtswidrigkeit dieses Spruchteiles ist nicht zu erkennen, zumal der BF auch während des Beschwerdeverfahrens keine allfällige relevante Änderung seiner diesbezüglichen Lebensumstände angezeigt hat.

 

Somit haben sich im Fall des BF keine Anhaltspunkte ergeben, die bei einer Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK zur Annahme einer Verletzung der genannten Bestimmung und somit zu einer Unzulässigkeit der Ausweisung führten. Familiäre Anknüpfungspunkte des BF in Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt ebenso wenig erkennbar wie eine außergewöhnliche Integration (dies auch angesichts der bisher relativ kurzen Aufenthaltsdauer, die der BF überdies zu einem relativ großen Teil in Schubhaft verbracht hat). Die Ausweisung stellt daher keinen unzulässigen Eingriff in eine gemäß Art. 3 oder Art. 8 EMRK geschützte Rechtsposition dar. Aufgrund der illegalen Einreise des BF in das österreichische Bundesgebiet sowie überwiegt im vorliegenden Fall vielmehr das öffentliche Interesse am Vollzug eines geordneten Fremdenwesens.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
21.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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