TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/29 D13 314123-1/2008

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Veröffentlicht am 29.09.2008
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Spruch

D13 314123-1/2008/8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde des T.G., geb. 00.00.1979, StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8.8.2007, FZ. 06 05.872-BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 9.9.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und T.G. gemäß § 3 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass T.G. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Georgien stellte am 2.6.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz. Daraufhin wurde er zunächst am 2.6.2006 von der Polizeiinspektion Traiskirchen erstbefragt und am 9.6.2006 sowie am 11.4.2007 vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die georgische Sprache niederschriftlich befragt.

 

Sein damaliges Vorbringen wurde im Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Salzburg, vom 8.8.2007, FZ. 0605.872-BAS, richtig und vollständig wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides auch zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben wird.

 

Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 8.8.2007, FZ. 0605.872-BAS, den Antrag auf internationalen Schutz des Asylwerbers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen und dem Asylwerber den Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Weiters wurde dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zuerkannt. Unter Spruchpunkt III wurde der Asylwerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Georgien ausgewiesen.

 

Hinsichtlich der Begründung durch das Bundesasylamt wird auf den Inhalt dieses Bescheides verwiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

Am 9.9.2008 führte der erkennende Senat des Asylgerichtshofes eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie sein rechtsfreundlicher Vertreter teilgenommen haben (siehe Verhandlungsprotokoll 7Z) Das Bundesasylamt verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Georgien, am 00.00.1979 geboren und stammt aus einer gemischt georgisch-ossetischen Familie.

 

Von Herbst 2001 bis April 2002 war er Mitglied der südossetischen Streitkräfte.

 

Am 1.3.2006 wurde der Beschwerdeführer entführt. Hintergrund der Entführung war ein Streit mit einem ranghohen südossetischen Militärangehörigen über einen im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Apfelgarten bzw. über die Ernteerträge aus demselben. Seine gemischt-ethnische Herkunft verschärfte dabei die Situation des Beschwerdeführers zusätzlich. Der Apfelgarten befand sich ebenso auf südossetischen Gebiet wie der Heimatort des Beschwerdeführers.

 

Nachdem der Beschwerdeführer über einen Verwandten das Lösegeld aufbringen konnte, wurde er am 5.3.206 auf freien Fuß gesetzt und lebte fortan bei seinen Großeltern.

 

Trotz einschlägiger Warnungen seiner Entführer (insbesondere des besagten Offiziers) entschloß er sich schließlich sich wegen des Vorfalls an die örtlichen Sicherheitskräft zu wenden und musste in der Folge aufgrund berechtigter Furch vor Verfolgung das südossetische Gebiet in Richtung georgisches Kernland (Tiflis) verlassen.

 

Da er schließlich im georgischen Kernland aufgrund seiner südossetischen Militärangehörigkeit keinen legalen Aufenthalt nehmen konnte (da er bei Publikwerden begründete Furcht vor den daraus resultierenden Konsequenzen hatte), sah sich der Beschwerdeführer veranlasst Georgien zu verlassen.

 

Zu der Situation in Georgien wird folgendes festgestellt:

 

Hinsichtlich der Situation in Georgien wird auf die Feststellungen im Bescheid des Bundesasylamtes vom 8.8.2007 verwiesen. Insbesondere ist dabei auf die Feststellungen zur Sicherheitslage in Südossetien zu verweisen, die - bereits vor dem aktuellen Konflikt des Jahres 2008 - als unübersichtlich und als teilweise rechtlos und willkürlich beschrieben werden. Darüber hinaus ist ein Mangel an Rechtsstaatlichkeit zu erkennen. Hinsichtlich des georgischen Kernlandes wird festgestellt, dass sich die Situation für Menschen mit ossetischen Hintergrund, die darüber hinaus an militärischen Handlungen im Rahmen der südossetischen Streitkräfte verwickelt waren, insbesondere in Hinblick auf die jüngsten Ereignisse, als überaus problematisch gesehen werden kann.

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:

 

Aus den Ausführungen des Beschwerdeführers, die er im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgericht tätigte, lässt sich ein klares Bild konstruieren, nachdem die Aussagen glaubwürdig und in sich schlüssig sind. Scheinbare bestehende Widersprüche wurden von dem Beschwerdeführer aufgeklärt. Die beweiswürdigenden Ausführungen der Erstbehörde sind im Kontext dieses Gesamteindruckes daher nicht plausibel.

 

Hinsichlich der persönlichen Daten des Beschwerdeführers wird auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen.

 

Hinsichtlich der Lage in Georgien wird ebenso auf die Feststellungen im Bescheid der ersten Instanz verwiesen. Betreffend die gegenstandsrelevanten Feststellungen zur Lage des Beschwerdeführers im georgischen Kernland wird festgehalten, dass es sich dabei um Feststellungen handelt, die bei der Behörde offenkundig sind und daher keines weiteren Beweises bedürfen. Lediglich der Vollständigkeit halber wird darüber hinaus der durch den Beschwerdeführer beigebrachte Artikel der Zeitschrift Profil vom 25.8.2008 erwähnt.

 

Rechtlich ergibt sich daraus:

 

Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind - soweit sich aus dem B-VG, dem AsylG und dem VwGG nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Rechtsmittelverfahren gegen einen abweisenden Bescheid. Daher ist das Verfahren des Beschwerdeführers von dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senat des Asylgerichtshofes weiterzuführen.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Der Status eines Asylberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ebenso liegen die Voraussetzungen bei Staatenlosen, die sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sind, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn in objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist.

 

Dem Vorbringen folgend kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer aus den von ihm vorgebrachten Gründen in seiner Heimat weiterhin gefährdet ist und sich daher in einem Angst- bzw. Furchtzustand befindet, der aus Sicht eines vernünftigen Drittens objektivierbar ist Die Bedrohungslage ist zudem aktuell und weist die vom Gesetz geforderte Intensität auf.

 

Gemäß § 11 AsylG ist einem Asylwerber, dem in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteure, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, soferne ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

 

Im gegenständlichen Fall kann dem Beschwerdeführer aufgrund seiner gemischten Ethnie und seiner militärischen Vergangenheit in Südossetien jedenfalls nicht zugemutet werden innerstaatlich Zuflucht im georgischen Kernland zu nehmen.

 

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der Fremden von Amts wegen, auf Grund eines Asylantrages oder auf Grund eines Asylerstreckungsantrages Asyl gewährt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
aktuelle Bedrohung, gemischte ethnische Herkunft, gesamte Staatsgebiet, Intensität, Militärdienst, private Streitigkeiten, Sicherheitslage, wohlbegründete Furcht
Zuletzt aktualisiert am
28.11.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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