TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/29 A7 310125-3/2008

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Veröffentlicht am 29.09.2008
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Spruch

A7 310.125-3/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. KOPP als Einzelrichter über die Beschwerde des E.K., 00.00.1982 geb, StA. von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.9.2008, FZ. 08 05.893, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, ist am 5.2.2007 (illegal) in das Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser Antrag wurde zur Zahl: 07 01.275-EAST-Ost, protokolliert.

 

Das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, hat den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 20.2.2007, Zahl: 07 01.275-EAST-Ost, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und diesem den Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde dem Berufungswerber gemäß

 

§ 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt III). Sein Vorbringen, er habe die Stelle seines verstorbenen Vaters der Ogboni-Gesellschaft einnehmen sollen, wobei er sich jedoch geweigert habe, weil er Christ und mit seiner Mutter, die auch gegen diese Gesellschaft gewesen sei, in die Kirche gegangen sei, und deshalb verfolgt werde, wurde hiebei als völlig unglaubwürdig erachtet.

 

Der unabhängige Bundesasylsenat hat die gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobene Berufung - unter Verweisung auf den erstinstanzlichen Bescheid - mit Bescheid vom 21.5.2007, Zahl:

310.125-1/4E-III/09/07, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und

 

10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Bundesasylamt und dem Berufungswerber jeweils am 22.5.2007 zugestellt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat sodann die Behandlung der gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 5.10.2007, Zl. 2007/20/1248, abgelehnt.

 

Der Beschwerdeführer hat in weiterer Folge in der am 11.12.2007 verhängten Schubhaft am 17.12.2007 im Polizeianhaltezentrum Wien abermals einen Antrag auf internationalen Schutz, der sodann zur Zahl: 07 11.716-EAST-OST protokolliert wurde, gestellt.

 

In den daraufhin vorgenommenen Einvernahmen brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe im November 2007 erfahren, dass seine Mutter umgebracht worden sei, weil die Personen, die ihn verfolgt hätten, glauben, dass seine Mutter ihn zur Kirche gebracht und ihn davon abgehalten habe, der Religion (Ogboni) seines Vaters beizutreten.

 

Das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, ha den zuletzt genannten Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 12.1.2008, Zahl:

07.11.716 EAST-OST, wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkt I) und den Berufungswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt II).

 

Der unabhängige Bundesasylsenat hat die gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobene Berufung mit Bescheid vom 6.2.2008, Zahl:

310.125-2/2E-III/09/08, gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen. Die Berufungsbehörde erachtete hiebei das nunmehr erstattete Vorbringen als unglaubwürdig.

 

Der Beschwerdeführer hat in weiterer Folge am 8.7.2008 abermals einen Antrag auf internationalen Schutz, der sodann zur Zahl: 08 05.893 protokolliert wurde, gestellt.

 

Das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, hat diesen Antrag mit Bescheid vom 3.9.2008, Zahl: 08 05.893, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I). Weiters wurde der Asylwerber gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen (Spruchpunkt II).

 

Gegen den zuletzt genannten Bescheid erhob der Asylwerber fristgerecht Beschwerde.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Da das Bundesasylamt mit dem angefochtenen Bescheid den Asylantrag zurückgewiesen hat, ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des Asylgerichtshofes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst (VwGH 30.10.1991, Zl. 91/09/0069; 30.5.1995, Zl. 93/08/0207).

 

"Res iudicata" (§ 68 Abs. 1 AVG) liegt nach übereinstimmender Rechtssprechung und Literatur nur dann vor, wenn seit Erlassung des ersten Bescheides die maßgebende Sach- und Rechtslage in den entscheidungswichtigen Punkten unverändert geblieben ist (VfGH 25.9.1996, B 4016/95).

 

Die Rechtskraft eines ergangenen Bescheides steht der meritorischen Entscheidung über einen neuerlichen Antrag nur dann nicht entgegen und berechtigt daher die Behörde nur dann nicht zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwGH 24.3.1993, Zl. 92/12/0149; 10.6.1998, Zl. 96/20/0266).

 

Die objektive (sachliche) Grenze der Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", dh durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten, bestimmt (VwGH 16.1.1990, Zl. 89/08/0163). Die durch den Bescheid entschiedene Sache (iSd § 8 AVG) wird konstituiert durch die Relation bestimmter Fakten (die den Sachverhalt bilden) zu bestimmten Rechtsnormen (die den Tatbestand umschreiben) (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band I, 2. Aufl., Seite 1293, Anmerkung 12 zu § 68 AVG). Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (VwGH 10.6.1998, Zl. 06/20/0266; 21.9.2000, Zl. 98/20/0564).

 

Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, Zl. 96/20/266). Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrecht erhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.3.2003, Zl. 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (VwGH 7.6.2000, Zl. 99/01/0321).

 

Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH 24.2.2000, Zl. 99/20/0173).

 

Für die Berufungsbehörde ist Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde mit Recht den neuerlichen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages auf Grund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zuzrückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band I,

 

2. Aufl., Seite 1422, in E 105 zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

 

Zur Beurteilung der Identität der Sachlage und Rechtslage unter dem Gesichtspunkt des

 

§ 68 Abs. 1 AVG ist der Bescheid heranzuziehen, mit dem materiellrechtlich über den Antrag entschieden wurde, nicht der Bescheid, mit dem ein Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band I,

 

2. Aufl., Seite 1422, in E 104 zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wie z.B. VwGH 4.5.1990, Zl. 90/09/0016).

 

Im Hinblick auf die dargelegte objektive Begrenzung ist festzuhalten, dass nicht mehr dieselbe Verwaltungssache ("eadem causa") vorliegt, wenn es um einen anderen Sachverhalt, insbesondere auch um einen später entstandenen, geht ("nova producta") oder wenn derselbe Sachverhalt einer anderen Rechtsvorschrift unterstellt wird, insbesondere einer später erlassenen Rechtsvorschrift. "Neu hervorgekommen" ist ein Sachverhalt, der - zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits bestehend - unter dem Aspekt derselben angewandten Rechtsnorm erst später bekannt wird und eine andere rechtliche Beurteilung nach derselben Rechtsvorschrift ermöglicht. Nur ein solcher neu hervorgekommener Sachverhalt ("nova reperta") kann Anlass einer Wiederaufnahme sein (§ 69 Abs. 1 Z 2 AVG). Ein "anderer Sachverhalt" liegt vor, wenn ein Sachverhalt von einem erledigten Prozessgegenstand in wesentlichen Punkten abweicht. (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 8. Auflage, Seite 243, RZ 482 und 483).

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Das Bundesasylamt hat in der Begründung des Bescheides vom 3.9.2008, Zahl: 08 05.893, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid in beiden Spruchpunkten an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Das Beschwerdevorbringen vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
16.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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