TE AsylGH Erkenntnis 2008/09/29 A3 317168-1/2008

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Veröffentlicht am 29.09.2008
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Spruch

A3 317.168-1/2008/5E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Holzschuster als Vorsitzende und den Richter Mag. LAMMER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des K.A., geb. 00.00.1982, StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.01.2008, FZ. 04 20.013-BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

A. Die Beschwerde von Herrn K.A. wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen.

 

B. Gemäß § 8 Abs. 1 des AsylG 1997 in Verbindung mit § 50 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) BGBl I Nr. 100/2005 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von Herrn K.A. nach Algerien zulässig ist.

 

C. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 wird K.A. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Algerien, brachte beim Bundesasylamt am 30.09.2004 einen Asylantrag ein. Zu seinem Fluchtweg und den Fluchtgründen wurde er im Beisein eines geeigneten Dolmetschers am 07.10.2004, 11.10.2004, 12.12.2007 und am 16.01.2008 niederschriftlich einvernommen. Sein damaliges Vorbringen wurde im angefochtenen Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 18.01.2008, FZ. 04 20.013-BAW, richtig und vollständig wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des bekämpften Bescheides zum Inhalt der vorliegenden Entscheidung erhoben wird.

 

2. Am 19.09.2005 wurde das Verfahren vom Bundesasylamt gemäß § 30 Abs. 3 AsylG eingestellt, weil in Ermangelung der Bekanntgabe einer Abgabestelle die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht erfolgen konnte. Laut dem Zentralen Melderegister war der Beschwerdeführer seit dem 13.12.2007 im PAZ Wien aufrecht gemeldet und wurde das Verfahren seitens des Bundesasylamtes wieder aufgenommen und der Beschwerdeführer zur niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 16.01.2008 vorgeführt.

 

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.01.2008, Zl. 04 20.013-BAW, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Algerien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt und der Asylwerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen.

 

4. Gegen diese Entscheidung erhob der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht und zulässig Berufung (nunmehr Beschwerde). Im Wesentlichen gab der Beschwerdeführer an, dass er im Jahre 2004 und 2006 einvernommen worden sei. Er habe bei der letzten Einvernahme erwähnt, dass er bei der Einvernahme vom Jahr 2004 lauter nicht richtige Angaben geäußert habe. Er habe absichtlich keine richtigen Angaben gemacht, damit er nicht nach Algerien zurückgeschoben werde. Er habe gesagt, dass ihm im Jahre 2004 einige Probleme passiert seien. Er habe diese bei der letzten Einvernahme nicht erwähnt. Alle diese könne er nicht erzählen, weil ihm die Zeit nicht reiche. Einige Beispiele dieser Probleme habe er erwähnt. Der beste Boden für das Terrorgedeihen liege in den Armutsgründen der Gesellschaft. Weil er durch die Terroristengruppe gefährdet sei und sich die Situation in Algerien nicht gebessert habe und er frei leben wolle, lehne er das Leben unter diesen Umständen ab.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die Beschwerde in nicht öffentlicher Sitzung erwogen:

 

A. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 (in der Folge: AsylG) hat über die Berufung, die gemäß § 23 AsylGHG nunmehr als Beschwerde zu gelten hat, der Asylgerichtshof zu entscheiden; da keine der in § 61 Abs. 3 AsylG angeführten Ausnahmen vorliegt, hat der Asylgerichtshof in einem Senat von zwei Richtern zu entscheiden.

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1, Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welche geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit im Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar.

 

Das Bundesasylamt hat in der Begründung des Bescheides vom 18.01.2008, FZ. 04 20.013-BAW, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage hinsichtlich der behaupteten Flüchtlingseigenschaft klar und übersichtlich zusammengefasst und den rechtlich maßgeblichen Sachverhalt in völlig ausreichender Weise erhoben.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.

 

Der Beweiswürdigung wurde nicht substantiiert entgegengetreten, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof abgesehen werden konnte, da der maßgebende Sachverhalt durch die Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt war (vgl. § 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG). Entgegen den Beschwerdeausführungen wurde dem Beschwerdeführer in der letzten Einvernahme vor dem Bundesasylamt ausreichend Gelegenheit gegeben seine Fluchtgründe genau darzulegen und wurde er auch mehrmals aufgefordert, seine fluchtauslösenden Ereignisse detailliert zu schildern.

 

Im gegenständlichen Fall konnte der Beschwerdeführer somit nach Ansicht des Asylgerichtshofes eine konkrete gegen ihn gerichtete aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht glaubhaft machen.

 

Der Berufung (nunmehr Beschwerde) war demnach hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages nicht Folge zu geben.

 

B. Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat Algerien ist Folgendes auszuführen:

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG. Anzumerken ist, dass sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK iVm § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs. 1 AsylG), es sei denn es bestehe eine inländische Fluchtalternative.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden demnach unzulässig, wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (§ 50 Abs. 1 FPG iVm Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (§ 50 Abs. 1 FPG idF BGBl. I 126/2002 iVm Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK). Da sich § 50 Abs. 1 FPG inhaltlich weitestgehend mit § 57 Abs. 1 FrG deckt und die Neufassung im Wesentlichen nur der Verdeutlichung dienen soll, kann die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 57 Abs. 1 FrG weiterhin als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 95/21/0294 vom 26.6.1997). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 2.5.1997).

 

Auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen liegt nach Ansicht der erkennenden Behörde keine aktuelle Bedrohung im Sinne von § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Abs. 1 und 2 FPG vor. Dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer die seine Person betreffenden Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte.

 

Es besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände" (lebensbedrohende Erkrankung oder dergleichen), die eine Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK und § 50 Abs. 1 FPG unzulässig machen könnten. In Algerien herrscht keine Bürgerkriegssituation. Wie aus den Feststellungen hervorgeht, würden dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keine "außergewöhnlichen Umstände" wie etwa Hungertod, unzureichende medizinische Versorgung, eine massive Beeinträchtigung der Gesundheit oder gar der Verlust des Lebens drohen. Der Beschwerdeführer hat im Übrigen weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 50 Abs. 1 FPG darstellen könnte. Es besteht auch kein sonstiger Anhaltspunkt, dass der arbeitsfähige und gesunde Beschwerdeführer im Fall der Rückführung in eine aussichtslose Situation geraten könnte.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid bezüglich der Refoulement-Entscheidung vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides. Angemerkt wird, dass keine Umstände amtsbekannt sind, dass in Algerien landesweit eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

Die Berufung, nunmehr Beschwerde erweist sich sohin auch hinsichtlich des Ausspruches über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Algerien als nicht berechtigt.

 

C. Da die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden nach Algerien zulässig ist, hat der Asylgerichtshof die gegenständliche Entscheidung gemäß § 8 Abs. 2 AsylG mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Das Asylverfahren ist, wie sich aus den vorangehenden Entscheidungsteilen ergibt, für den Antragsteller negativ entschieden worden; seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat ist zulässig, sodass - falls damit kein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der berufenden Partei vorliegt (Art. 8 Abs. 1 EMRK) - der Bescheid mit einer Ausweisung zu verbinden ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (IGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Durch die vorliegende Ausweisungsentscheidung wird auch kein Eingriff in das durch Artikel 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben bewirkt, zumal der nunmehrige Beschwerdeführer hier nach eigenen Angaben keine Familienangehörigen hat sowie keine Lebensgemeinschaft führt und auch nach seinen eigenen Angaben keine Anhaltspunkte für eine schützenswerte Integration (lediglich Gelegenheitsarbeiten) vorliegen.

 

Selbst wenn man schützenswerte Interessen des nunmehrigen Beschwerdeführers darin erblickt, dass er sich seit September 2004 in Österreich aufhält (angemerkt wird, dass der Beschwerdeführer laut Auskunft des Zentralen Melderegisters nicht immer polizeilich aufrecht gemeldet war), so ist die Ausweisung durch die in Artikel 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen, insbesondere durch das wirtschaftliche Wohl des Landes (Interesse an geordneter Zuwanderung) gerechtfertigt und verhältnismäßig. Dem Beschwerdeführer musste überdies bekannt sein, dass die so genannte vorübergehende Aufenthaltsberechtigung ein Aufenthaltsrecht nur für die Dauer des Asylverfahrens gewährt; es war demnach voraussehbar, dass es im Falle einer negativen Asylentscheidung zu einer Aufenthaltsbeendigung kommt. Dadurch wird sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich gegenüber den erwähnten öffentlichen Interessen herabgemindert.

 

Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin auch des die Ausweisung betreffenden Ausspruches als rechtmäßig.

 

Von einer mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, zumal der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung, nunmehr Beschwerde, geklärt erscheint (§ 41 Abs. 7, 1. Fall AsylG 2005).

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 war dieses Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG) zu Ende zu führen.

Schlagworte
Ausweisung, Interessensabwägung, Lebensgrundlage, non refoulement, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
31.12.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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