B9 242.055-0/2008/4E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des D.T., geb. 00.00.1965, StA. VR China, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.09.2003, FZ. 02 29.521-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.11.2003 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben und D.T. gemäß § 7 AsylG 1997 der Status der des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass D.T. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
Der Berufungswerber (in der Folge Beschwerdeführer genannt) ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China und stellte am 08.10.2002 einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 02.09.2003, Zahl: 02 29.521-BAT, wurde der Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die VR Mongolei gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung (in der Folge Beschwerde genannt) eingebracht.
Am 19.11.2003 führte der Unabhängige Bundesasylsenat eine mündliche Verhandlung durch, zu der der Beschwerdeführer persönlich erschien. Das Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, entschuldigte seine Abwesenheit. In der mündlich öffentlichen Verhandlung wurde die Partei ergänzend einvernommen, diese gestaltete sich auszugsweise wie folgt:
"Frage an den Asylwerber, ob er den genauen Inhalt des Aktes (insbesondere Bescheid und Berufung) kennt.
AW: Ich möchte dazu bemerken, dass die Einvernahme bei der ersten Instanz mangelhaft war. Der Dolmetscher sprach Russisch und meine Frau hat dann weiterübersetzt. Als ich den Bescheid bekommen habe, habe ich bemerkt, dass einige Punkte ganz anders protokolliert worden sind, als ich es gesagt habe.
Geboren bin ich im Verwaltungsbezirk B., in der Inneren Mongolei. Ich habe dort gelebt, bis 1982 bis meine Mutter starb, dann bin ich zu meinem Vater in die Mongolei gezogen.
1990 wurden wir von dort im Zuge der demokratischen Revolution vertrieben zurück in die innere Mongolei. Ich war ein uneheliches Kind, deswegen hat mein Vater nicht bei uns gewohnt.
Meine Frau habe ich 1988 in der Mongolei kennen gelernt, wo auch unser erstes Kind geboren wurde (1989). Wir konnten dort aber nicht heiraten, weil ich keine Papiere hatte. Daher haben wir dann in der Inneren Mongolei geheiratet, nachdem wir vertrieben wurden. Später habe ich dann noch Zwillinge bekommen.
VL: Haben Sie irgendwelche Dokumente, die Ihre Identität bestätigen können, außer dieser Heiratsurkunde?
BW: Zu Hause hätte ich chinesische Dokumente, die konnte ich aber nicht mitnehmen, da ich direkt aus der Untersuchungshaft geflüchtet bin.
VL: Lebt noch jemand von Ihren Verwandten in der Inneren Mongolei?
BW: Nein, niemand.
VL: Im Akt der ersten Instanz werden Sie unter Mongolei geführt. Eigentlich wurden Sie aber aus der Inneren Mongolei vertrieben und das ist China.
BW: Ich bin Bürger der Inneren Mongolei.
VL: Was sind Sie von der Religion her?
BW: Ich bin eigentlich religionslos, aber natürlich von meiner Herkunft her bin ich Buddhist, aber ich übe das nicht aus.
2. Frage zur individuellen Verfolgung
BW: Ich bin seit 1997 Mitglied der Falung Gong Bewegung und im November 1999 wurde ich inhaftiert. Ich war bis Mai 2001 dort inhaftiert. Dann wurde ich freigelassen und wieder inhaftiert, am 12. September 2002. Dann war ich in der Stadt E. zur Untersuchungshaft. 5 Tage war ich dort und am 17. September bin ich geflüchtet.
VL: Erzählen Sie zu Ihrer Beziehung zu Falung Gong.
BW: Falung Gong ist für mich eine Art von Vervollkommnung von Geist und Körper. Wenn man diese Übungen macht, wird man moralisch erzogen und man betrachtet sein vergangenes Leben kritisch. Man wird wahrhaftig und warmherzig und geduldig.
VL: Das trifft auch auf den Buddhismus zu. Seit wann machen Sie das mit Falun Gong?
BW: 1994 habe ich von Freunden davon gehört, 1997 habe ich selbst mitgemacht.
VL: Was machen Sie dabei genau?
BW: Ich habe die Übungen mitgemacht und ich habe auch Flugblätter verteilt. Ich mache nach wie vor diese Übungen.
VL: Es ist bekannt, dass Falun Gong von China nicht geschätzt wird, aber nicht jeder kommt gleich ins Gefängnis.
BW: Es vermehrte sich die Größe der Falun Gong Gemeinschaft sehr schnell. Die kommunistische Partei fürchtet Falun Gong, da sie die Menschen zur Freiheit erzieht und sie daher von der Partei abbringt. Gegen Falun Gong wurde das Office 610 gegründet.
VL: Wieso wollen die Kommunisten die Menschen unterdrücken?
BW: Das ist die eigentliche Philosophie einer kommunistischen Partei.
VL: Aber Falun Gong ist keine politische Partei, lediglich eine Gefahr für die Kommunisten?
BW: Falun Gong ist eigentlich keine politische Bewegung, es ist nur Leibensübung und geistige Vervollkommnung von Menschen. Durch die große Anzahl von Menschen sehen die Kommunisten darin aber eine Gefahr und politisieren die Bewegung.
Freiheit bedeutet, frei zu denken, frei zu leben, z.B. diese Leibensübungen zu machen, aber nicht unter einem Regime zu leben. Die kommunistische Partei beschränkt die Freiheiten.
VL: Sie haben ja auch Probleme mit der Ein-Kind-Politik?
BW: Das war auch ein Problem, aber ich sollte Steuer zahlen und das habe ich auch gemacht.
VL: Schildern Sie mir noch einmal genau, wie diese Inhaftierung und der Gefängnisaufenthalt sich abgespielt hat.
BW: Ich habe in diesem Arbeitslager 4 Monate gearbeitet und in dieser Zeit habe ich schreckliche Momente erlebt. Sie haben uns mit Elektroschockstäben geschlagen und haben uns Medikamente gespritzt, die starke Eigenschaften auf das Zentralnervensystem haben, um uns zu quälen.
VL: Wieso sind gerade Sie festgenommen worden, oder waren es andere Leute auch noch?
BW: Ich war ein Führer und mit mir wurden noch weitere 3 da verhaftet.
VL: Ein Führer von wie vielen Personen waren Sie?
BW: Bei mir waren das ungefähr 50 Personen, es können aber auch in andern Orten viele mehr sein.
VL: Wie ist Falun Gong organisiert?
BW: Es gibt keine richtige Organisation, es ist eine Bewegung, alles wird freiwillig gemacht. Ich kenne 2 weitere Führer über mir.
VL: Bei der ersten Instanz wurde Ihnen vorgehalten, dass Sie auf Befragung über Falun Gong praktisch nichts wussten.
BW: Gerade in diesem Bereich wurde ich vom Dolmetsch nicht gut übersetzt. Ich kann mich nicht erinnern, eine Frage bezüglich Falun Gong bekommen zu haben.
VL: Wer ist der Gründer von Falun Gong?
BW: Im Mai 1992 hat der Chinese Li Hong Si seine erste Vorführung in Südchina und das Buch hatte er 1995 geschrieben und 1996 hat er es publiziert. Es heißt Swung Falung (Beilage 3). Es handelt sich um eine Vervollkommnung von Qui Gong.
VL: Gibt es Symbole?
BW: Ja, z.B. diese Abzeichen, das ich trage, das Hackenkreuz in der Mitte bedeutet, vor 2500 Jahren im Buddhismus Glück, Freude und Kraft. Das Abzeichen heißt Falun. Eigentlich bedeutet es auch Leben und Frieden unter den Menschen. Ein weiteres Symbol ist der Meditationssatz San Shin Rin (= Wahrhaftigkeit, Warmherzigkeit und Frieden).
Ich fasse kurz über die Falun Gong Bewegung zusammen:
Wie ich Ihnen schon gesagt habe, vervollkommnet Falun Gong Körper und Geist. Es erzieht die Menschen moralisch, d.h. man darf den anderen Menschen nichts schlechtes tun. Man soll auch ehrlich sein, und warmherzig. Wichtig ist dabei auch, dass man in sein vergangenes Leben zurückschaut und sieht, was man richtig und was man falsch gemacht hat.
Bei der Leibesübung meditiert man und man schaut zurück auf sein Leben. Man vergleicht sein Leben mit dem Gesellschaftsleben.
VL: Wie lernt man das?
BW: Es gibt keinen Meister oder Lehrer in diesem Sinne, bei den Leibensübungen geht man nach diesem Buch vor. Man kann es für sich selbst machen oder auch in der Gruppe.
VL: Sind diese Übungen so einfach? Qui Gong ist doch sehr schwierig?
BW: Wenn man in der Gruppe ist, lernt man das durch die anderen. Wer das am besten kann, zeigt es vor. Die Übungen sind nicht so schwer. Wichtig ist, dass man dabei meditiert.
Der BW führt eine Übung vor. Die Übung heißt "Der Buddha gibt uns seine Hand". Die 2. Übung ist eine Vereinigung von 2 Polen. Diese 3. Übung bedeutet ein Kloster zum beten.
VL: Die Übungen wirken überzeugend.
VL: Haben Sie hier in Österreich auch Leute kennen gelernt, die das machen?
BW: Ich mache das hier mit meiner Familie, ich habe erst von Ihnen gehört, dass man das auch hier betreibt.
VL: Die erste Instanz sagte, dass Ihr Vorbringen unglaubwürdig ist, weil Sie Ihre Verhaftung so mangelhaft beschrieben haben.
BW: Meine 2. Inhaftierung war 2002 bei mir zu Hause gewesen. 3 Personen in Zivil sind mit dem Auto gekommen und haben mich geschlagen und mitgenommen. Diese kennen mich, denn ich bin immer unter der Kontrolle dieser Leute vom Office 610. Sie haben diesen Ausweis von Office 610 gezeigt. Unsere Ortschaft ist nicht so groß, deswegen wissen wir, wer bei Falun Gong ist und wer bei dem Office
610.
Beim 1. Mal haben sie mich direkt vom Üben weggeholt. Insgesamt war ich eineinhalb Jahre inhaftiert, Zwangsarbeit waren aber nur 4 Monate."
Auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens werden seitens des Asylgerichtshofes folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Der Beschwerdeführer war Leiter einer kleineren Falun Gong Gruppe von etwa 50 Personen. Im November 1997 wurde er deswegen verhaftet, kam in ein Arbeitslager, musste Zwangsarbeit verrichten und wurde gefoltert. 2002 wurde er ein zweites Mal wieder wegen seiner Arbeit mit Falun Gong Anhängern verhaftet und inhaftiert. Ingesamt war der Beschwerdeführer 1 1/2 Jahre inhaftiert.
Zu China und Falun Gong wird festgestellt:
1.) Seit dem 22. Juli 1999 ist die synkretistische Falun Gong-Bewegung des in den USA
lebenden Gründers Li Hongzhi verboten. Sie vereinigt buddhistische und taoistische Elemente
mit der in China verbreiteten meditativen Atemtechnik des Qigong. Das Verbot betrifft nicht
Qigong. Nach dem "International Religious Freedom"-Bericht 2007 des Außenministeriums
praktizieren nach zuverlässigen Schätzungen zufolge auch heute noch Hunderttausende im privaten Rahmen Falun Gong.
Die Führung empfindet es als Bedrohung, dass diese Bewegung innerhalb kurzer Zeit und
außerhalb staatlicher Kontrolle Menschenmassen mobilisieren kann. Nach den im Juni 2001
in Kraft getretenen "Richtlinien des Obersten Gerichts und der Obersten Staatsanwaltschaft
zum gesetzlichen Vorgehen gegen Sekten und ketzerische Organisationen" gilt die
Verbreitung von Flugblättern mit Falun Gong-Inhalten als "staatsfeindliches Verbrechen".
Wer Falun Gong öffentlich oder auch in Gruppen Gleichgesinnter praktiziert, kann in der VR
China festgenommen und, sofern er sich nicht - aus Sicht der chinesischen
Sicherheitsbehörden - glaubwürdig von der Bewegung distanziert, ohne Gerichtsverfahren in
ein Umerziehungslager überstellt werden. Der Gruppierung wird eine große Zahl
staatsgefährdender Delikte sowie anderer Straftaten vorgeworfen. Teilweise werden auch
lediglich praktizierende einfache Anhänger diesen Maßnahmen unterworfen. In Fällen
"glaubwürdiger Reue und Einsicht" kann nach einem Aufenthalt in einem Umerziehungslager
der "Umerziehungserfolg" festgestellt werden. Die betreffenden Personen werden dann in das
Privatleben entlassen. Eine fortgesetzte Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden ist jedoch
zu unterstellen. Gelegentlich werden von den Sicherheitsbehörden auch Beweise der neuen
Gesinnung, wie öffentliche Reuebekundungen in den Medien, verlangt. Allerdings fallen die
Maßnahmen der Sicherheitsbehörden regional unterschiedlich aus. Bedienstete des
öffentlichen Dienstes und dem Staat nahe stehender sog. Arbeitseinheiten bzw. Unternehmen
müssen von ihren Mitarbeitern eine Erklärung verlangen, dass sie keine Anhänger der Falun
Gong-Bewegung sind.
Bisher kam es zu Festnahmen von über tausend Falun Gong-Anhängern. Zahlreiche ihrer
Führer wurden landesweit zu Haftstrafen verurteilt. Auch über Verhaftungen ohne
Verurteilung oder Zwangseinweisungen in psychiatrische Anstalten wurde von
Menschenrechtsorganisationen berichtet. Einzelne Todesfälle wurden von den
Provinzbehörden zum Teil bestätigt, Vorwürfe von Folter und Misshandlungen, die zum Tode
geführt hätten, aber zurückgewiesen. Wiederholt wurden Selbstmord, Verweigerung der
medizinischen Behandlung oder Unfälle als Erklärung herangezogen.
Der von den deutschen Innenbehörden am 18. März 2005 nach China zurückgeführte Falun
Gong-Anhänger Jiang Renzheng wurde kurz nach seiner Ankunft in ein Umerziehungslager
eingewiesen. Auf offizielle Nachfrage im Rahmen des Deutsch-Chinesischen
Menschenrechtsdialogs im Mai 2005 bestätigte die chinesische Seite die Verhaftung und
begründete diese damit, dass Jiang wegen seiner im Ausland begangenen Handlungen die
Sicherheit und die Interessen des Staates geschädigt habe. Jiangs Frau wurde nach Auskunft
von Bekannten gleichzeitig von Sicherheitsbeamten bedroht und dazu aufgefordert, "dem
Kult abzuschwören". Gegenwärtig befindet sich Herr Jiang auf Grund einer Erkrankung nicht
mehr im Lager.
Cao Dong, ein Falun Gong-Anhänger, verschwand spurlos nach einem Gespräch mit dem
Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, dem britischen Abgeordneten Edward
McMillan-Scott, am 21. Mai 2006.
Zu Berichten von Falun Gong-Anhängern, dass in einem Lager in der Nähe von Shenyang
von dort lebenden Personen Organe für Transplantationen entnommen worden sind und diese
an Kliniken verkauft wurden, liegen dem Auswärtige Amt keine Erkenntnisse vor. Der
stellvertretende Gesundheitsminister Huang Jiefu bestätigte jedoch Mitte November 2006
während einer Chirurgenkonferenz in Kanton, dass die meisten in der chinesischen
Transplantationsmedizin verwendeten Organe von hingerichteten Gefangenen stammen; nur
ein kleiner Teil stamme von Verkehrsopfern. Seit 1. Mai 2007 sind neue Bestimmungen für
Organtransplantationen in Kraft. Danach ist die unerlaubte Entnahme von Organen und
jeglicher Handel mit Organen verboten. Die "Chinese Medical Association" (CMA) kündigte
darüber hinaus im Oktober 2007 auf der "General Assembly of the World Medical
Association" (WMA) an, dass chinesische Ärzte künftig keine Organe von Gefangenen mehr
für Transplantationen verwenden würden, es sei denn für Familienangehörige.
(Auszug aus dem Bericht des Auswärtigen Amtes, Stand Feb. 2008)
2.) Frage 6: Wird jeder Falun Gong Praktizierende, der den chinesischen
Sicherheitsbehörden bekannt geworden ist, in China festgenommen und/oder
verhaftet (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.05.00 Gz:
514-516.80/35960)? Sowohl solche, die China nie verlassen haben als auch
solche, die zurückkehren?
Auf Grund der großen Anzahl von Anhängern der Falun Gong-Bewegung kann davon
ausgegangen werden, dass nicht jeder Anhänger auch festgenommen wird. Nach
eigenen Angaben verfügte die Bewegung 1999 über ca. 70-100 Millionen Anhänger
allein in China. Die chinesische Regierung ging zum damaligen Zeitpunkt von etwa zwei
Millionen aus. Die chinesischen Behörden reagierten nach dem Verbot dieser Bewegung
zwar mit einer großen Anzahl von Festnahmen (schätzungsweise wurden mehrere
Zehntausend Anhänger seit Juli 1999 festgenommen), setzten aber insbesondere auch
auf Abschreckung. So wurden einige Anhänger in Prozessen, über die die chinesischen
Medien ausführlich berichteten, zu drakonischen Haftstrafen verurteilt. Ferner wurden
inhaftierte Anhänger der Bewegung in der Haft offensichtlich besonders hart und
grausam behandelt. Berichten zufolge sind Hunderte von Anhängern der Falun
Gong-Bewegung in der Haft an den Folgen von Folter und Misshandlung gestorben.
Frage 7: Hat auch der lediglich praktizierende einfache Anhänger von Falun
Gong nach seiner Festnahme mit Freiheitsbeschränkung oder Haftstrafe oder
anderen staatlichen Eingriffen zu rechnen?
Unter den Zehntausenden von Festnahmen von Anhängern der Falun Gong-Bewegung,
die Berichten zufolge seit Juli 1999 erfolgt sind, soll es sich in den meisten Fällen um
praktizierende einfache Anhänger gehandelt haben.
Diese wurden in der Regel auch nicht vor Gericht gestellt, sondern auf administrative
Anordnung hin für mehre Wochen oder Monate festgehalten.
In dieser Zeit unterlagen die Inhaftierten harten Haftbedingungen und in vielen Fällen
Folterungen und Misshandlungen. Freigelassene Anhänger der Falun Gong-Bewegung
berichten, dass von ihnen erwartet wurde, dass sie sich von der Bewegung lossagen.
Frage 8: Was geschieht, wenn er erklärt, kein Falun Gong mehr zu
praktizieren?
Personen, die bereit sind, unter Umständen auch öffentlich zu erklären, dass sie sich
von Falun Gong losgesagt haben, werden kaum mehr mit Festnahme oder sonstigen
Freiheitsbeschränkungen rechnen müssen. Es besteht aber eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie weiterhin von Repressionen betroffen sind, wie etwa
den Verlust des Arbeitsplatzes sowie Behinderungen bei der Suche nach Arbeit.
Chinesische Staatsbürger, die sich im Ausland aktiv als Anhänger von Falun Gong zu
erkennen gegeben haben, stellen aus Sicht der chinesischen Behörden eine große
Gefahr für die Bemühungen dar, diese Bewegung vollständig zu unterdrücken. Zum
einen können die Behörden davon ausgehen, dass diese Personen über Kontakte zu
anderen Anhängern von Falun Gong verfügen, die sie auch nach Rückkehr in die
Volksrepublik China pflegen. Moderne Kommunikationstechnologien, wie etwa das
Internet, bieten, obwohl mit Risiken verbunden, dafür entsprechende Möglichkeiten.
Ferner können die Behörden davon ausgehen, dass sich Anhänger von Falun Gong
auch nach Wiedereinreise mit hoher Wahrscheinlichkeit zu dieser Bewegung bekennen
werden. Dafür spricht, dass es den chinesischen Behörden trotz massiver
Verfolgungsmaßnahmen nicht gelungen ist, die Falun Gong-Bewegung innerhalb der
Volksrepublik China zu unterdrücken.
amnesty international geht daher davon aus, dass chinesische Staatsbürger, die sich im
Ausland offen und aktiv, beispielsweise in Form von Beteiligung an Demonstrationen
oder der Formulierung von an führende chinesische Politiker adressierte Protestbriefe,
als Anhänger von Falun Gong zu erkennen gegeben haben, mit Repressalien rechnen
müssen. Sie werden zwar nur mit einer eher geringen Wahrscheinlichkeit mit einer
sofortigen Festnahme allein auf Grund ihres Verhaltens im Ausland rechnen müssen.
Es kann aber davon ausgegangen werden, dass sie unter Beobachtung stehen.
Allerdings ist mit gravierenden Repressalien bis hin zur Festnahme zu rechnen, falls die
betreffende Person anschließend weiterhin Falun Gong Übungen praktiziert oder sich in
sonstiger Weise für die Bewegung einsetzt.
Sofern es sich bei dem chinesischen Staatsbürger um eine Person handelt, die
innerhalb von Falun Gong eine herausgehobene Rolle gespielt hat, so ist allein deshalb
nach einer möglichen Rückkehr in die Volksrepublik China mit einer Festnahme zu
rechnen.
(Auszug aus einem Amnestie International Bericht Deutschland Stand 2003)
3.) Maßnahmen der chinesischen Regierung gegen Falun - Gong -
Praktizierende
Das Regime duldet keinerlei Manifestation der philosophischen/religiösen Falun-Gong - Doktrin.
Das Ministerium für öffentliche Sicherheit erklärte am 22. 06. 1999 Falun Gong als Gefahr für die Gesellschaft und verbot sowohl die öffentliche als auch die private Ausübung.
Mitgliedern der Kommunistischen Partei Chinas wurde es überdies parteiintern verboten, Falun Gong zu praktizieren. Bedienstete des öffentlichen Dienstes und dem Staat nahe stehender sog. Arbeitseinheiten bzw. Unternehmen müssen von ihren Mitarbeitern eine Erklärung verlangen, dass sie keine Anhänger der Falun-Gong-Bewegung sind.
Falun-Gong vereinigt buddhistische und taoistische Elemente mit der in China verbreiteten
meditativen Atemtechnik des Qigong. Die Ausübung von Qigong ist nicht verboten.
Falun-Gong -Praktizierende, die sich als solche bekennen und entsprechend im Sinne ihrer
religiösen Überzeugung (auch friedlich) betätigen, haben mit rigoroser staatlicher Verfolgung zu rechnen. Zehntausende Anhänger der Bewegung wurden seit 1999 festgenommen. Einige von ihnen wurden vor Gericht gestellt und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die meisten wurden jedoch lediglich auf administrative Anordnung hin inhaftiert. Viele der inhaftierten Anhänger von Falun Gong wurden in der Haft brutal misshandelt.
Die Polizei versucht ebenfalls, aktiv Untergrundzellen aufzuspüren. Auch nicht-aktive Mitglieder haben mit Einweisung ins Umerziehungslager zu rechnen, wenn ihre Mitgliedschaft bekannt wird. Mit keiner Verfolgung zu rechnen hat nur wer seine religiöse Überzeugung ausschließlich für sich behält.
Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass auf Grund der großen Anzahl von Anhängern
der Falun Gong-Bewegung nicht jeder Anhänger von Falun Gong staatlichen Repressionen
ausgesetzt ist, insbesondere wenn er sich in der Öffentlichkeit nicht zur Zugehörigkeit zu Falun Gong bekennt. Die chinesische Regierung schätzte, dass die Bewegung in China zum
Zeitpunkt des Verbotes im Jahr 1999 über 2,1 Millionen Anhänger verfügte. Diese
Anhängerschaft minimierte sich zwar seit dem Verbot; Falun Gong wird aber immer noch von mehreren hunderttausend Personen in China praktiziert.
(Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik China (Stand: Oktober 2006) / Österreichische Botschaft Peking - VR China Asylbericht, via EMAIL, 21.05.2007 / UK Home Office, China OGN v6.0 vom 12. Juli 2007)
(Auszug aus den Feststellungen China /Falun Gong der Länderdokumentation des Bundesasylamtes Stand 2007)
Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person und den Fluchtgründen des persönlich glaubwürdig wirkenden Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben bei der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat am 19.11.2003. Seine Angaben fanden auch Deckung im verwerteten Länderdokumentationsmaterial.
Die Feststellungen zu der Volksrepublik China ergeben sich aus oben angeführten Berichten, welche von den Verfahrensparteien nicht bestritten wurden.
Insbesonders wird angemerkt, dass auch das Bundesasylamt davon ausgeht, dass exponierte Vertreter der Falun Gong Bewegung gefährdet sind.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Richter stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.
Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt."
Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBI. I Nr. 100/2005, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.
Gemäß § 44 Abs. 3 AsylG 1997 sind die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs. 1 anzuwenden.
Gemäß § 7 AsylG 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Artikel 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorherigen Aufenthalts zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende pro futuro zu erwartende Verfolgungsgefahr dar. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.03.1999, 98/01/0352).
Vorliegend bedeutet dies, dass unter Hinweis auf die Sachverhaltsfeststellungen der Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt ist.
Dem Berufungswerber droht in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung aufgrund der Tatsache, dass er Falun Gong nicht nur selbst praktiziert sondern auch in leitender Position Menschen dafür angeworben hat.
Da er deswegen bereits zwei Mal inhaftiert wurde, ist davon auszugehen, dass er als Person im Zusammenhang mit Falun Gong registriert und bekannt ist und daher einer höheren Gefahr ausgesetzt ist deswegen verfolgt zu werden.
Der Beschwerde war demnach Folge zu geben und die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers festzustellen.