S8 401.681-1/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. BÜCHELE als Einzelrichter über die Beschwerde des G.R. auch G., geb. 00.00.1988, StA. Russland, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.09.2008, AZ. 08 03.662, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBL. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger und tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, ist am 23.04.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 24.04.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag) gestellt.
2. Bei der Erstbefragung am 25.04.2008 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau in Anwesenheit eines Dolmetschers für Russisch gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei gemeinsam mit seiner Schwester und deren Sohn von Grosny nach Polen gefahren. Er habe sein Heimatland verlassen, weil er Angst um sein Leben hatte. Er wurde zwei Mal von unbekannten maskierten Männern mitgenommen. Auf der Straße sei ein Terrorakt passiert und er sei dazu befragt worden. Er sei am 20.04.2008 statt von Polen nach Tschetschenien, wie ihm dort von den dortigen Behörden angeordnet, nach Österreich gefahren. In Polen sei er bedroht worden.
3. Eine Eurodac-Abfrage vom 30.04.2008 ergab, dass der Beschwerdeführer bereits am 11.12.2008 in Polen einen Asylantrag gestellt hatte. Das Bundesasylamt stellte auf der Grundlage des Eurodac-Treffers ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (kurz: Dublin-Verordnung) an die zuständige polnische Behörde. Am 07.05.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass mit Polen Konsultationen geführt werden und aus diesem Grund die im § 28 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 normierte 20-Tages-Frist nicht gelte; es sei beabsichtigt, seinen Asylantrag wegen Unzuständigkeit Österreichs zurückzuweisen. Am 07.05.2008 langte ein Schreiben der polnischen Behörden vom Vortag beim Bundesasylamt ein, worin die Zuständigkeit Polens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung für die Wiederaufnahme des Beschwerdeführers bestätigt wurde.
4. Am 14.05.2008 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit eines Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für Russisch niederschriftlich einvernommen. Er gab dabei im Wesentlichen an, dass er körperlich und geistig in der Lage sei, die Einvernahme durchzuführen. In Österreich habe er keine verwandtschaftlichen Beziehungen, außer mit der mit ihm reisenden Schwester und deren Sohn. Der erste Ehemann seiner Schwester lebe aber hier in Österreich als Asylwerber. Außerdem habe er einen Onkel in der Schweiz mit dem er gelegentlich telefoniere.
In Polen sei er wegen einer gefährlichen Drohung gegenüber dem Direktor des Flüchtlingslagers zu einer Geldstrafe und einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Weiters sei er aus der Grundversorgung ausgeschlossen worden. In Polen sei er auf der Straße von Jugendlichen bedroht worden.
Zu seiner Schwester gab der Beschwerdeführer an, dass diese den "I."
geheiratet habe und mit diesem zusammengelebt habe. Sie habe sich jedoch getrennt und habe ein zweites Mal geheiratet. Aus dieser zweiten Beziehung sei der Sohn B. hervorgegangen. Sie sei von diesen jedoch mittlerweile auch wieder geschieden.
Die polnischen Behörden hätten ihn auf die Straße gesetzt und wollten ihn nach Hause zurückbringen. Dort sei sein Leben jedoch in Gefahr; in Tschetschenien würde er erschossen, da dort nach seinem Onkel gesucht werde. Auch er sei wiederholt in Tschetschenien von Leuten mitgenommen worden. Im Anschluss an die Befragung wurde dem Beschwerdeführer die Länderfeststellung zur gesundheitlichen Versorgung von Asylwerbern in Polen zur Kenntnis gebracht.
5. Bei der am 22.07.2008 stattgefundenen ärztlichen Untersuchung durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin, wurde zwar eine krankheitswertige psychische Störung festgestellt, eine Überstellung nach Polen sei jedoch aus medizinischer Sicht möglich; im Falle einer Überstellung würde dies keine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes aus ärztlicher Sicht bewirken.
6. Am 25.07.2008 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit eines Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für Russisch neuerlich niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde ihm das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung vom 22.07.2008 zur Kenntnis gebracht.
7. Mit Fax vom 08.08.2008 übermittelte die polnische Asylbehörde ein Schreiben zum Beschwerdeführer. In diesem wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus der Versorgung für Asylwerber aufgrund grober Verstöße gegen die polnischen Gesetze ausgeschlossen worden sei. Er habe sich aggressiv gegenüber dem Lagerpersonal benommen und habe diese mit dem Tod bedroht.
8. Am 24 August 2008 wurde der Beschwerdeführer zu dem von den Polnischen Behörden am 08 August übermittelten Informationen vernommen. Der Beschwerdeführer gab dazu an, dass seine Schwester krank gewesen sei. Er habe den Lagerchef aufgefordert einen Krankenwagen zu rufen. Er sei jedoch einfach wieder aus dem Büro geschmissen worden. Er habe ihm vorgeworfen, dass er Schuld sei wenn seiner Schwester etwas passieren sollte. Daraufhin habe der Lagerleiter ihn angezeigt. Ärzte hätten jedoch dann gesagt, warum sie nicht früher gerufen worden seien.
9. Mit dem beim Asylgerichtshof angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung Polen zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführer zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Polen, insbesondere zum polnischen Asylverfahren und zur Versorgung von Flüchtlingen. Beweiswürdigend hielt das Bundesasylamt im Wesentlichen fest, dass aus den Angaben des Asylwerbers keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass dieser konkret Gefahr liefe, in Polen verfolgt zu werden. Seine Schwester und deren Sohn würden ebenfalls nach Polen ausgewiesen. Die Angabe, dass er das Strafverfahren in Polen angenommen habe stimme nicht; er habe vielmehr eine Berufung eingebracht und das diesbezügliche Verfahren sei noch offen. Seine Angaben, dass sein Asylverfahren in Polen abgeschlossen sei und ihm die Abschiebung in seine Heimat drohe, träfen nach den aus Polen übermittelten Informationen nicht zu.
Da dem Beschwerdeführer insgesamt keine Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte drohe, sei ein Selbsteintritt Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung daher nicht geboten.
10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde beim Asylgerichtshof, da das Verfahrens mangelhaft und der Inhalt rechtswidrig sei.
Er sei von Tschetschenien nach Polen geflüchtet. In Polen sei er und seine Familie ständig schikaniert worden; die Bedingungen im Lager seien schrecklich, das Essen zuwenig und verdorben. Beschwerden wurden nicht entgegengenommen. Als seine Schwester krank war, habe sich der Lagerleiter geweigert einen Krankenwagen anzufordern. Auf seine lautstarke Beschwerde sei er wegen gefährlicher Drohung angezeigt und aus der Grundversorgung für Flüchtlinge ausgeschlossen worden.
11. Mit Schreiben vom 30.9.2008 langte beim Asylgerichtshof ein Schreiben der Schwester des Beschwerdeführers ein. In diesem erklärte sie, dass sie ihren Asylantrag vom 24.04.2008 sowie den ihres Sohnes - in Vertretung für diesen - zurückziehe; sie beabsichtige freiwillig in ihr Heimatland zurückzukehren.
II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die Beschwerde wie folgt erwogen:
1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein der tschetschenischen Volksgruppe angehörender Staatsangehöriger der Russischen Föderation, hat sein Heimatland verlassen und ist am 23.04.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 24.04.2008 den gegenständlichen Asylantrag gestellt. Der Beschwerdeführer ist gemeinsam mit seiner Schwester und deren Sohn nach Österreich gereist. Weitere Familienangehörige oder Personen, mit denen er in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt, hat der Beschwerdeführer in Österreich, im Gebiet der EU, in Norwegen oder in Island nicht. Die Schwester des Beschwerdeführers hat ihren Asylantrag sowie den ihres Sohnes - in Vertretung für diesen - zurückgezogen, da sie plant, freiwillig in ihr Heimatland zurückzufahren.
1.2. Polen hat sich mit Schreiben vom 06.05.2008 (beim Bundesasylamt eingetroffen am 07.05.2008) gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ausdrücklich für die Wiederaufnahme des Asylwerbers für zuständig erklärt.
Die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 festgelegte zwanzigtägige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG 2005 ist nicht anwendbar, weil dem Beschwerdeführer das Führen von Konsultationen gemäß Dublin-Verordnung binnen Frist mitgeteilt wurde; es ist somit zu keinem Zuständigkeitsübergang an Österreich wegen Fristüberschreitung gekommen.
2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (in der Folge: AsylG 2005) ist ein nicht gemäß § 4 AsylG 2005 erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach § 5 Abs. 1 AsylG 2005 Schutz vor Verfolgung findet (§ 5 Abs. 3 AsylG 2005). Mit dieser Regelung wurde eine teilweise Beweislastumkehr geschaffen. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, ihr Beschwerdevorbringen zu untermauern (wobei dem auch durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949); dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung in dieser Bestimmung überhaupt für unbeachtlich zu erklären.
Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin-Verordnung ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates.
Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin-Verordnung prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger (eine Person, die nicht Bürgerin oder Bürger der Europäischen Union ist) an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-Verordnung als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.
2.2. Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrages unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach dem AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Asylantrag zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn dem Fremden entweder im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin-Verordnung oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen.
2.3. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer bereits in Polen einen Asylantrag gestellt hat und, dass Polen einer Übernahme des Beschwerdeführers auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung am 02.04.2008 zustimmte, zu Recht von einer Zuständigkeit Polens zur Prüfung des Asylantrages ausgegangen. Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall eingehalten worden ist.
2.4. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung Gebrauch zu machen.
2.4.1. Zur möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK:
Der Verfassungsgerichtshof sprach - noch zur Vorläuferbestimmung im AsylG 1997 - in seinem Erkenntnis VfSlg 16.122/2001, aus, dass § 5 AsylG 1997 nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 leg.cit. vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG 1997 sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden (diese Ausführungen wurden mit VfSlg. 17.340/2004 auf das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung übertragen). Der Verwaltungsgerichtshof schloss sich mit Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes an.
Der Verfassungsgerichtshof ergänzte mit VfSlg. 17.586/2005 zur oben wiedergegebene Rechtsprechung, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die "entsprechende Vergewisserung" nicht durch die Mitgliedstaaten, sondern durch die Organe der Europäischen Union, im konkreten Fall durch den Rat bei der Erlassung der Dublin-Verordnung erfolgt sei. Die einzelnen Mitgliedstaaten hätten daher nicht nachzuprüfen, ob ein anderer generell sicher ist. Insofern sei auch der Verfassungsgerichtshof an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gebunden. Eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung zwingend auszuüben.
In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (das einen Bescheid zur Zuständigkeit Italiens auf der Grundlage des Dubliner Übereinkommen zum Gegenstand hatte) sowie in dem (bereits zur Dublin-Verordnung) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Zuständigkeitsverfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist. Dabei sei zu prüfen, ob eine - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiierte reale Gefahr ("real risk") besteht, dass ein aufgrund der Dublin-Verordnung in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz berechtigtem Schutzbegehren, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist. Dabei sei insbesondere zu prüfen, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wurde ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (kurz: EGMR) muss der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EGMR, Entsch. vom 07.07.1987 Nr. 12877/87 [Kalema gegen Frankreich], DR 53, S. 254 [264]; zum Maßstab des "real risk" siehe auch die Nachweise in VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582).
Zur Kritik des Beschwerdeführers an Polen:
Die Kritik des Beschwerdeführers an Polen bezieht sich darauf, dass er dort aufgrund einer Beschwerde bei der polnischen Lagerleitung zu einer gerichtlichen Strafe verurteilt worden ist und ihm die Abschiebung in seine Heimat drohe. Der Asylgerichtshof schließt sich diesbezüglich den Ausführungen des Bundesasylamtes Seite 24 ff im bekämpften Bescheid an. Das dagegen vorgebrachte Beschwerdevorbringen ist nicht glaubwürdig.
Beim Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen in den Länderfeststellungen im bekämpften Bescheid zu Polen an. Durch das Beschwerdevorbringen wurden keine Umstände aufgezeigt, aus denen sich ableiten ließe, dass der Beschwerdeführer bei einer Rücküberstellung nach Polen mit einer erheblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur des EGMR ausgesetzt wäre und er in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK verletzt werden könnte.
2.4.2. Zur möglichen Verletzung nach Art. 8 EMRK
Es leben keine Angehörigen der Kernfamilie des Beschwerdeführers in Österreich. Die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde treffen zu. Eine möglich Verletzung der durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte wurde auch in der Beschwerde nicht behauptet. Es liegen weiters keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. B 1802, 1803/06).
Das Beschwerdeverfahren, welches die Schwester des Beschwerdeführers sowie dessen Neffen betrifft, hat nicht ergeben, dass ihre Verfahren zugelassen hätten müssen. Daher ergibt sich auch daraus nicht, dass das Verfahren des Beschwerdeführers gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 zuzulassen wäre.
2.4.3. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, dass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin-Verordnung - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex 1/2007, 22 ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.
2.4.4. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof in Übereinstimmung mit der belangten Behörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung infolge drohender Verletzung von Art. 3 oder Art 8. EMRK zu verpflichten.
2.5. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch der Beschwerdeführer in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ersichtlich.
Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes in dem Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005 schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.
3. Bei diesem Ergebnis konnte eine Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entfallen.
4. Von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 abgesehen werden.