TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/01 D2 249999-0/2008

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Veröffentlicht am 01.10.2008
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Spruch

D2 249999-0/2008/10E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Feßl als Einzelrichter über die Beschwerde des J.J., angebl. geboren 00.00.1988, angebl. StA. von Liberia, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.05.2004, FZ. 03 34.528-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) als unbegründet abgewiesen.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Abs.1 und 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl I 100/2005, wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von J.J. nach Liberia zulässig ist.

 

3. Der Ausspruch betreffend die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides) wird ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der nunmehrige Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben am 07.11.2003 in das Bundesgebiet eingereist und hat an demselben Tag beim Bundesasylamt, Außenstelle Wien den nunmehr entscheidungsgegenständlichen Asylantrag eingebracht. Er behauptete, dass er am 00.00.1988 geboren und liberianischer Staatsangehöriger sei (s. S. 3 im Akt des BAA). Im Formular führte er zu den Fluchtgründen im Wesentlichen aus, dass seine Eltern gestorben seien, weshalb ihn ein weißer Pfarrer in sein Haus genommen habe. Er habe dort unter dem Schutz der Kirche gelebt. Seine Eltern seien im Krieg gestorben. Der weiße Mann habe ihn schließlich in dieses Land (nach Österreich) gebracht.

 

Da Bedenken hinsichtlich des vom nunmehrigen Beschwerdeführer angegebenen Lebensalters bestanden, ersuchte das Bundesasylamt die MA 11 - Amt für Jugend und Familie, die als gesetzliche Vertreterin des (damals) angeblich minderjährigen Asylwerbers einzuschreiten gehabt hätte, um eine Alterseinschätzung. Im Schreiben vom 11.11.2003 (S. 17 im Akt des BAA) führt der Leiter des Kompetenzzentrums für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und Fragen des Aufenthaltsrechts, aus wie folgt:

 

"Nach einem ausführlichen und intensiven Gespräch mit dem minderjährigen Asylwerber kommt das KPZ zum Schluss, dass die Altersangabe des AW nicht der Wahrheit entspricht. Aufgrund der Angaben des Betroffenen über seinen bisherigen Lebenslauf, seines persönlichen Erscheinungsbildes und der Art und Weise, wie er spricht und agiert, kommen wir zum Schluss, dass er älter als angegeben sein muss. Aufgrund des Verhaltens und des Erscheinungsbildes des AW kann mit Sicherheit abgeleitet werden, dass der AW jedenfalls älter als 18 Jahre alt sein muss."

 

In der Folge wurde der nunmehrige Beschwerdeführer vom Bundesasylamt als volljährig behandelt und am 26.04.2004 zu seinen Fluchtgründen befragt. In dieser Einvernahme hielt der nunmehrige Beschwerdeführer an seinen bisherigen Identitäts- und Altersangaben fest. Er führte aus, dass er seine Eltern im Alter von ca. fünf Jahren verloren habe. Man habe ihm gesagt, dass diese verstorben seien. Er sei bei einem Priester in Monrovia aufgewachsen und habe sechs Jahre lang die Grundschule besucht. Wann dies gewesen sei, wisse er nicht. Er habe noch eine Schwester namens L., deren Aufenthaltsort ihm unbekannt sei. Er könne keine Identitätsdokumente vorlegen. Der Pastor habe ihn in ein anderes afrikanisches Land (Name unbekannt) gebracht und ihn schließlich mit gefälschten Dokumenten durch eine Passkontrolle gebracht. Seine Mutter habe ihn zum Pastor gebracht, weil der Vater ums Leben gekommen war. Er habe mit den Kindern des Pastors gespielt, die aber nicht lieb zu ihm gewesen seien. Der Pastor habe die Mutter nicht mehr auffinden können und sei nicht in der Lage gewesen, für ihn zu sorgen. Er habe Mitleid mit dem nunmehrigen Beschwerdeführer gehabt und ihm gesagt, dass er ihn nach Europa begleiten werde. Überdies habe der nunmehrige Beschwerdeführer während des Krieges Asthma bekommen.

 

In der Folge wurde der nunmehrige Beschwerdeführer zu Gegebenheiten in seinem angeblichen Herkunftsland Liberia befragt (s. S. 45 im Akt des BAA).

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Asylantrag gem. § 7 AsylG abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Liberia gem. § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt sowie gem. § 8 Abs. 2 AsylG die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgesprochen. Dies - kurz zusammengefasst - mit folgender Begründung:

 

Der nunmehrige Beschwerdeführer sei wesentlich älter als 18 Jahre und damit volljährig. Seine Identität und der Reiseweg von seinem Heimatland Liberia bis nach Österreich könne nicht festgestellt werden. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass er in Liberia eine begründete Furcht vor Verfolgung zu gewärtigen habe. In Liberia habe sich die Lage nunmehr nach jahrelangem Bürgerkrieg und der Herrschaft des ehemaligen Präsidenten Charles Taylor nun geändert. Der behauptete Sachverhalt (hinsichtlich der Verfolgungsgründe) werde der Entscheidung zwar zugrunde gelegt, doch habe sich die Situation in Liberia in den letzten Monaten wesentlich geändert. Nach dem Sturz des Regimes von Ex-Präsidenten Charles Taylor sei ein Friedensabkommen zwischen den Rebellen und den Vertretern der liberianischen Regierung zur Beendigung des seit Jahren andauernden Bürgerkriegs abgeschlossen worden. Speziell der westliche Teil Liberias, insbesondere die Hauptstadt Monrovia und die weitere Umgebung könnten als befriedet eingestuft werden. Internationale Friedens- und Hilfstruppen hätten die Arbeit aufgenommen. Aufgrund der aktuellen Lage sei in Zusammenhang mit dem Vorbringen für den Fall der Rückkehr nach Liberia keine asylrelevante Bedrohung abzusehen, dies speziell im westlichen Teil Liberias, insbesondere der Hauptstadt Monrovia und der weiteren Umgebung. Es liege auch keine Gefährdungssituation im Sinne von § 57 FrG (mehr) vor. Die Ausweisung aus dem Bundesgebiet gründe sich auf § 8 Abs. 2 AsylG. Da der nunmehrige Beschwerdeführer keine familiären Beziehungen zu Österreich habe, liege kein Familienbezug zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vor. Die Ausweisung stelle daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Überdies seien die Angaben des Beschwerdeführers nicht geeignet, einen ungerechtfertigten Eingriff i.S.d. Art. 8 Abs. 2 EMRK zu begründen.

 

Mit der fristgerecht eingebrachten Berufung, die nunmehr gem. § 23 AsylGHG als Beschwerde zu werten ist, wird beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Berufungswerber (nunmehr: Beschwerdeführer) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Asyl gewährt, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Liberia gem. § 8 AsylG i.V.m.

§ 57 FrG für nicht zulässig erklärt werde. Des Weiteren wird beantragt, den Spruchpunkt betreffend die Ausweisung ersatzlos zu beheben. In eventu wird die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gem. § 15 Asylgesetz 1997 (AsylG) für ein Jahr zu erteilen. Zur Begründung wird - kurz zusammengefasst - Folgendes ausgeführt:

 

Die Behörde hätte gem. § 28 AsylG von Amts wegen darauf hinzuwirken gehabt, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht und lückenhafte Angaben über die geltend gemachten Umstände vervollständigt werden. Dies sei im vorliegenden Fall aber nicht erfolgt, die vorgebrachten Fluchtgründe seien nicht genauer erhoben worden. Ein Bruder des Priesters, mit welchem der Berufungswerber nach Österreich geflohen sei, sei im Auto des Priesters erschossen worden. Der Priester habe Probleme mit den Rebellen gehabt. Als naher Vertrauter des Priesters sei der Beschwerdeführer Feindbild der Rebellen gewesen. Möglichweise hätte es auch ihn "erwischt". Die Lage sei weiterhin sehr unsicher, die Rebellengruppen seien weiterhin kampfbereit und würden Gegner verfolgen. Die staatlichen Behörden könnten ebenso wenig wie die UN-Truppen, die nur in der Hauptstadt präsent seien, Schutz gewähren. Was das Geburtsdatum des Berufungswerbers (nunmehr Beschwerdeführers) betreffe, so habe ihm der Priester immer dieses Geburtsdatum genannt. Doch sei auch am 00.00. sein Geburtstag gefeiert worden. Der Berufungswerber (Beschwerdeführer) werde wegen einer Art Sippenhaftung verfolgt. Es würden ihm Racheakte oder der Tod durch die Rebellengruppen drohen. Die aktuelle Lage sei immer noch unsicher, weshalb Refoulement-Schutz zu gewähren sei. Der Berufungswerber (nunmehr Beschwerdeführer) habe auch keine besondere Ausbildung und keine Lebensgrundlage mehr in Liberia.

 

Laut Mitteilung des Magistrats der Stadt Wien, Standesamt Wien-Innere Stadt (OZ 5) hat der Beschwerdeführer am 00.00.2007 in Wien die rumänische Staatsangehörige B.E. geheiratet.

 

Der (damalige) Unabhängige Bundesasylsenat hat am 11.04.2008 eine Berufungsverhandlung über diese Berufung (nunmehr: Beschwerde) durchgeführt. Im Zuge dieser Berufungsverhandlung wurde Beweis erhoben durch ergänzende Parteienvernehmung des Berufungswerbers (nunmehr: Beschwerdeführers) sowie durch Verlesung und Erörterung folgender vom Verhandlungsleiter beigeschaffter Berichte zur aktuellen Situation in Liberia:

 

UNHCR Positionspapier über das Bedürfnis von Asylsuchenden aus Liberia nach internationalen Schutz vom 31.08.2006 (Beilage I),

 

Bericht des Britischen Home Office vom 30.11.2006 mit dem Titel "Operationell Guidance Note Liberia" insbesondere hinsichtlich des Abschnittes Allgemeine Situation im Land (Beilage II, Abschnitt 3.6) und Abschnitt betreffend Rückkehr nach Liberia (Abschnitt 5),

 

Bericht des US Department of State über die Menschenrechtslage in Liberia 2007 (Beilage III), insbesondere hinsichtlich Zusammenfassung S1,

 

Bericht des Britischen Home Office Oktober 2005 über Liberia hinsichtlich der Abschnitte betreffend dort lebende ethnische Gruppen, Abschnitt 6.49 bis 6.54

 

(Beilage IV),

 

Bericht des Schweizer Bundesamtes für Flüchtlinge vom 07.03.1997 insbesondere hinsichtlich der in Liberia lebenden Bevölkerungsgruppen, Seite 4 des Berichts

 

(Beilage V).

 

Des Weiteren wurde die vom Berufungswerber vorgelegte angebliche Kopie einer Geburtsurkunde, wonach er am 00.00.1988 in Monrovia/Liberia geboren sei, verlesen und erörtert (Beilage A).

 

Der Berufungswerber wurde neuerlich zur behaupteten Herkunft aus Liberia befragt (s. S. 2-5 der Verhandlungsschrift OZ 8Z). Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er ergänzend an, dass seine Ehefrau nunmehr schwanger sei.

 

Der Asylgerichtshof hat über die Berufung, die nunmehr gem. § 23 AsylGHG als Beschwerde gilt, erwogen wie folgt:

 

Der Asylgerichtshof geht - ebenso wie das Bundesasylamt - davon aus, dass das vom nunmehrigen Beschwerdeführer angegebene Geburtsdatum 00.00.1988 bzw. 00.00.1988 nicht den Tatsachen entspricht und dass der nunmehrige Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Asylantragstellung das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Liberia ist oder in Liberia seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat.

 

Die vom nunmehrigen Beschwerdeführer vorgebrachten Ausreisegründe (Tod der Eltern im Zuge von Bürgerkriegsereignissen, mögliche Verfolgung durch Rebellen, keine Möglichkeit, länger beim Pfarrer in Monovia zu bleiben) werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt. Der nunmehrige Beschwerdeführer ist seit 00.00.2007 mit einer rumänischen Staatsangehörigen, die in Österreich aufenthaltsberechtigt ist, verheiratet. Der Beschwerdeführer ist Vater eines vor wenigen Wochen geborenen Kleinkindes.

 

Zur Situation in Liberia, dem angeblichen Heimatland des nunmehrigen Beschwerdeführers werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Bis zum Jahr 2003 war die Situation in Liberia durch einen nahezu ununterbrochenen, insgesamt 14 Jahre andauernden Bürgerkrieg gekennzeichnet. Von 1997 bis 2003 wurde Liberia vom früheren Rebellenführer Charles Taylor dominiert, der die Funktion des Staatspräsidenten inne hatte. Anfang 2003 kam es zu intensiven Kämpfen zwischen den wichtigsten Rebellengruppe LURD (Liberians United for Reconsiliation an Democracy) und MODEL (Movement for Democracy in Liberia) einerseits und der vom damaligen Präsidenten Charles Taylor dominierten Staatsregierung andererseits. Die bezeichneten Rebellengruppen konnten weite Teile des Staatsgebietes und Teile der Hauptstadt Monrovia (einschließlich des Hafengebietes) einnehmen. Im Zuge dieser bewaffneten Auseinandersetzungen wurden zahlreiche Zivilisten verwundet oder getötet. Am 17.06.2003 wurde zwischen der liberianischen Regierung und den beiden Rebellengruppen LURD und MODEL ein Waffenstillstand abgeschlossen, der zunächst allerdings nicht respektiert wurde. Charles Taylor trat am 11.08.2003 als Staatspräsident zurück und verließ an demselben Tag Liberia. Am 18.08.2003 wurde in Ghana ein Friedensabkommen unterzeichnet, dass die Bildung einer Interims-Regierung vorsieht. Diese war seit Oktober 2003 im Amt und sollte für eine Dauer von 2 Jahren (bis zur Abhaltung von Wahlen) amtieren. Aufgrundlage der Resolution des UN-Sicherheitsrates 1509/2003 wurde eine internationale Friedenstruppe mit der Bezeichnung UNMIL eingerichtet, die der Übergangsregierung zusammen mit der Organisation ECOWAS und anderen internationalen Partnern helfen soll, die nationalen Autoritäten in Liberia sowie funktionierende Verwaltungsstrukturen wieder zu errichten. Mit der Resolution des Sicherheitsrates 1626/2005 wurde das Mandat der UNMIL-Friedenstruppe zunächst bis zum 31.03.2006 verlängert, danach kam es zu weiteren Verlängerungen des Mandates jeweils für die Dauer von 6 Monaten. Eine 15.000 Mann starke Friedenstruppe wurde in Liberia stationiert. Ein Teil der Flüchtlinge kehrte freiwillig nach Liberia zurück. Am 11.10. sowie am 23.11.2005 fanden in Liberia Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese verliefen ruhig, jedoch unter angespannter Atmosphäre. Zur Staatspräsidentin wurde Frau Ellen Johnson-Sirleaf gewählt. Es kam zu einer Konsolidierung der Sicherheitslage. Bis Ende 2005 wurden mehr als 101.000 Bürgerkriegskämpfer entwaffnet. Zehntausende Zivilisten, die ihre Heimat während des Bürgerkrieges verlassen hatten, kehrten zurück. Journalisten erhielten wieder die Möglichkeit, ihre Tätigkeit unabhängig auszuüben. Eine Wahrheits- und Versöhnungskommission, die die Urheber der Menschenrechtsverletzungen ausfindig machen soll und Empfehlungen beschließen kann, wurde eingerichtet. Die Sicherheitssituation in Liberia ist im Allgemeinen stabil. Der größte Teil der früheren Kämpfer enthält mittlerweile Unterstützungen aus einem Programm der Vereinten Nationen. Mit internationaler Unterstützung wird die liberianische Polizei reformiert. Die liberianische Armee wurde beginnend mit, 04.11.2006 neu aufgestellt. Die Staatsmacht hat sich mittlerweile konsolidiert. Im Bereich der medizinischen Versorgung laufen Hilfsprogramme, die insbesondere eine Impfung gegen Kinderkrankheiten und die Bekämpfung verschiedentlich aufgetretener schwerer Krankheiten (z. B. Cholera) sicherstellen sollen. Hungersnot herrscht in Liberia derzeit nicht, wenngleich die humanitäre Situation, infolge der durch die Bürgerkriegsereignisse verursachten weitgehenden Zerstörung der Infrastruktur nach wie vor schwierig ist.

 

Nach Ansicht des UNHCR sollen Asylanträge von liberianischen Staatsbürgern einer fairen und effektiven Einzelfallprüfung unterzogen werden. Was Individuen betrifft, hinsichtlich derer festgestellt wird, dass sie nicht unter den Flüchtlingsstatus der Genfer Flüchtlingskonvention oder der Konvention der Organisation afrikanischer Staaten fallen, besteht nach Ansicht des UNHCR kein Einwand gegen eine mögliche Rückkehr nach Liberia. Was den Zeitpunkt der Rückkehr betrifft, so sollen die Staaten humanitäre Gründe berücksichtigen, die für Gewährung einer Aufenthaltsberechtigung an bestimmte Personen sprechen, dies unter Berücksichtigung des mangelhaften Zustandes der sozialen medizinischen Infrastruktur in Liberia. In Liberia leben folgende ethnische Volksgruppen: Kpelle, Bassa, Gio, Kru, Grebo, Mano, Krahn, Gola, Gbandi, Loma, Kissi, Vai, Dei, Bella, Mandingo und Mende. Des Weiteren leben in Liberia 2,5% so genannte Ameriko-Liberianer und 2,5% Congo-Leute. Eine Volksgruppe namens "Gwangodo" existiert hingegen nicht.

 

Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Nach Ansicht des Asylgerichtshofs ist das Bundesasylamt zu recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Asylantragstellung das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte. Das Bundesasylamt stützt die diesbezügliche Feststellung nicht bloß auf die eigene Wahrnehmung des Organwalters, sondern auf eine detaillierte Stellungnahme des Magistrats der Stadt Wien, MA 11-Amt für Jugend und Familie, sohin der für die Wahrung der Interessen minderjähriger unbegleiteter Asylwerber zuständigen Stelle. In der Stellungnahme wird die bereits eingetretene Volljährigkeit des nunmehrigen Beschwerdeführers eingehend mit den Angaben des Betroffenen zu seinem bisherigen Lebenslauf, seinem persönlichen Erscheinungsbild und der Art und Weise des Sprechens und Agierens begründet. Die Feststellung zur bereits eingetretenen Volljährigkeit des nunmehrigen Beschwerdeführers ist sohin nicht bloß auf den Augenschein, sondern auf die detaillierte Stellungnahme einer sachkundigen Person gestützt. Sie steht auch mit dem persönlichen Erscheinungsbild des nunmehrigen Beschwerdeführers in Einklang und wird durch vorgelegte Dokumente oder Bestätigungen nicht in schlüssiger Weise widerlegt. Der Beschwerdeführer beruft sich nunmehr zwar auf eine angebliche Geburtsurkunde des "Redemption Hospital" in Monovia/Liberia, wonach er am 00.00.1988 geboren sei. Der Beschwerdeführer hat jedoch nicht das Original, sondern bloß eine "Faxkopie" dieser angeblichen Geburtsurkunde vorgelegt, der nach Ansicht der erkennenden Behörde kein Beweiswert zukommt. Es ist einerseits darauf zu verweisen, dass es sich selbst nach dem äußeren Anschein nicht um ein amtliches Dokument, sondern bloß um die Bestätigung eines Spitals handeln würde. Zum anderen ist darauf zu verweisen, dass die vorgelegte "Faxkopie" bedenklich erscheint, dies schon deshalb weil der "Stempelabdruck" unten rechts offensichtlich nicht von einem Stempel herrührt, sondern in einem anderen Druckverfahren aufgebracht worden sein dürfte. Überdies war der Beschwerdeführer ohne Angabe eines konkreten Grundes (siehe Seite 2, 3. Absatz der Verhandlungsschrift OZ 8Z) nicht in der Lage, das Original der "Geburtsurkunde" vorzulegen, was ebenfalls ein Indiz dafür darstellt, dass es sich um kein echtes Dokument handelt.

 

Zur Negativ-Feststellung betreffend die behauptete Herkunft des Beschwerdeführers aus Monovia/Liberia:

 

Der nunmehrige Beschwerdeführer wurde bereits vor dem Bundesasylamt zu den Gegebenheiten in seinem angeblichen Heimatstaat Liberia befragt, wobei sich herausstellte, dass er nicht über jene Kenntnisse verfügt, die von einem liberianischen Staatsangehörigen, der die Schule besucht hat, zu erwarten wären. Der Beschwerdeführer konnte - obwohl die Volksgruppenzugehörigkeit in Liberia von erheblicher Bedeutung ist - nicht angeben, welcher Volksgruppe er angehört (s. S. 41 und 45 im Akt des BAA). Er behauptete nur Englisch zu sprechen und hatte keine Kenntnisse über andere Sprachen. Er behauptete zwar, dass in Liberia "29 Sprachen" gesprochen würden, konnte jedoch keine andere Sprache benennen (s. S. 45 im Akt des BAA). Er war ebenso wenig in der Lage Flüsse oder Gebirgszüge zu nennen, versuchte seine diesbezüglichen Unkenntnisse lediglich damit zu rechtfertigen, dass der Pastor mit ihm nur am Strand gewesen sei (s. S. 45 im Akt des BAA). Er konnte auch nur einen einzigen Nachbarstaat von Liberia, nämlich Sierra Leone benennen. Auch die im Ausreisezeitpunkt bedeutendste Rebellenbewegung MODEL (Movement for Democracy in Liberia) war dem angeblich aus Monovia stammenden Beschwerdeführer gänzlich unbekannt (s. S. 45 im Akt des BAA).

 

In der Berufungsverhandlung machte der nunmehrige Beschwerdeführer Angaben, die in wesentlichen Punkten von jenen vor dem Bundesasylamt abweichen. Im Übrigen wird auch aus den Angaben in der Berufungsverhandlung deutlich, dass der nunmehrige Beschwerdeführer offensichtlich nicht aus Liberia stammt und nicht über die Kenntnisse verfügt, die von einer Person erwartet werden können, die nach ihren Angaben ihr gesamtes bisheriges Leben in Liberia verbracht hat. Während der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt seine Stammeszugehörigkeit nicht angeben konnte, erklärte er in der Verhandlung vom 11.04.2008, dass er aus dem Gebiet der "Gwangodo" stamme. Während der nunmehrige Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt angab, ausschließlich die englische Sprache zu sprechen, behauptete er nunmehr, auch die Sprache der "Gwangodo" zu sprechen (s. S. 2 der Verhandlungsschrift OZ 8Z). Abgesehen davon, dass nicht nachvollzogen werden kann, wieso der Beschwerdeführer nunmehr doch seine Volksgruppenzugehörigkeit angeben kann, ist darauf zu verweisen, dass nach den vorliegenden Berichten in Liberia keine Volksgruppe mit der Bezeichnung "Gwangodo" existiert. Laut dem aktuellen Bericht des Britischen Home Office Beilage IV, Abschnitt

6.49 gibt es in Liberia 16 einheimische Volksgruppen, von welchen jedoch keine die Bezeichnung "Gwangodo" hat. Darüber hinaus leben in Liberia so genannte Ameriko-Liberianer (Nachkömmlinge der aus den USA "repatriierten" ehemaligen Sklaven) und so genannte Congo-Leute (Nachkömmlinge der Einwanderer aus der Karibik, wo sie als Sklaven gelebt hatten). Kein Anhaltspunkt findet sich hingegen für eine Volksgruppe der "Gwangodo". Es ist klar ersichtlich, dass die diesbezüglichen Angaben des nunmehrigen Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entsprechen können. Es erscheint überdies nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer - auch in der Verhandlung vom 11.04.2008 - keine einzige tatsächlich in Liberia lebende Volksgruppe nennen kann. Einer Person, die ihr gesamtes bisheriges Leben in Monovia/Liberia verbracht hat, müsste es möglich sein die wichtigsten und größten Volksgruppen zu nennen. Der nunmehrige Beschwerdeführer versucht seine diesbezüglichen Unkenntnisse lediglich in floskelhafter Weise damit zu rechtfertigen, dass er "so viele Dinge im Kopf" habe (s. S. 2 der Verhandlungsschrift OZ 8Z). Der nunmehrige Beschwerdeführer konnte nicht einmal das Datum angeben, zu welchem in Liberia der Unabhängigkeitstag (wichtigster Feiertag) gefeiert wird (richtigerweise am 26.07. jedes Jahres). Auf Frage, wer im Zeitpunkt, als er das Land verließ, Staatspräsident war, nannte der nunmehrige Beschwerdeführer eine offensichtlich nicht existierende Person namens "M.S."

 

(s. S. 4 der Verhandlungsschrift OZ 8Z). Der frühere Präsident Charles Taylor ist dem Beschwerdeführer zwar bekannt, doch kann er nicht einmal angeben, welcher Rebellengruppe dieser Präsident angehört hat (richtigerweise NPFL, National Patriotic Front of Liberia). Der nunmehrige Beschwerdeführer konnte in der Verhandlung vom 11.04.2008 auch keine wichtigen in Monovia gelegenen Gebäude nennen, obwohl er nach seinen eigenen Angaben immer in Monovia gelebt hat (s. S. 4 der Verhandlungsschrift OZ 8Z). Er behauptet, dass seine angebliche Wohnadresse "Broad Street/Monovia" in einem Stadtteil namens Jalla gelegen sei, obwohl ein derartiger Stadtteil richtigerweise nicht existiert (s. S. 2 der Verhandlungsschrift OZ 8Z). Insoweit sich der nunmehrige Beschwerdeführer auf eine angebliche Geburtsurkunde des "Redemption Hospital" stützt, ist ihm - wie bereits oben ausgeführt - zu entgegnen, dass es sich bloß um eine "Faxkopie" handelt, das Original nicht vorgelegt werden kann und die angebliche "Faxkopie" äußerlich bedenklich erscheint. Zusammenfassend war demnach davon auszugehen, dass der nunmehrige Beschwerdeführer unrichtige Angaben zu seiner Herkunft macht und tatsächlich nicht aus Liberia stammt.

 

Anzumerken ist überdies noch, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nur knapp und unbestimmt schildert, wobei sich seine Ausführungen im Wesentlichen auf die Bürgerkriegssituation und den angeblichen Tod der Eltern beschränken. Die Schilderungen des Beschwerdeführers enthalten keine Details, die auf ein persönliches Erleben schließen lassen würden (s. die knappe Schilderung der Fluchtgründe S. 3 der Verhandlungsschrift

 

OZ 8Z). Da der Beschwerdeführer tatsächlich nicht aus Liberia stammt, können auch seine

 

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äußerst knapp geschilderten - auf Liberia bezogenen Fluchtgründe nicht den Tatsachen entsprechen.

 

Die Feststellungen zu den in Liberia lebenden Volksgruppen und dort gebräuchlichen Sprachen stützen sich auf die Abschnitte 6.49 ff des Berichts Beilage IV sowie auf Seite 4 des Berichts Beilage V. Die Feststellungen zur politischen und humanitären Situation in Liberia gründen sich auf die von der erkennenden Behörde beigeschafften aktuellen Berichte Beilagen I bis III. Aus diesen Berichten ergibt sich übereinstimmend, dass mittlerweile

 

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insbesondere im Gefolge der Parlaments- und Präsidentenwahlen - in Liberia eine Konsultierung und Verbesserung der Sicherheitssituation eingetreten ist. Den genannten Berichten (Abschnitt 3.6.3. der Beilage II, Seite 1 des Berichts III und Beilage I) ist übereinstimmend zu entnehmen, dass ehemalige Bürgerkriegskämpfer weitestgehend entwaffnet wurden und zum größten Teil Unterstützungsleistungen aus Mitteln der Vereinten Nationen erhalten. In den genannten Berichten wird auch übereinstimmend ausgeführt, dass es zu wesentlichen Reformen im Bereich der Polizei und zu einer Neuaufstellung der liberianischen Armee gekommen ist bzw. kommt (s. diesbezüglich insbesondere S. 1 des Berichts Beilage III und Abschnitt 3. des Positionspapiers Beilage I). Die Feststellungen zu humanitären Hilfsmaßnahmen gründen sich z.B. auf den Bericht Beilage II, Abschnitt 4.4.3.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Asylgerichtshof erwogen wie folgt:

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 (eingefügt durch BGBl I 4/2008) sind am 01.07.2008 beim früheren Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Dabei haben Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenats, die zu Richtern des Asylgerichtshofs ernannt worden sind, alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen (§ 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005).

 

Zwar enthält § 75 Abs. 7 AsylG 2005 keine unmittelbare Aussage über jene Verfahren wie das gegenständliche, auf welche gem. § 75 Abs. 1 AsylG 2005 weiterhin die Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG) anzuwenden sind. Doch ist im Ergebnis davon auszugehen, dass § 75 Abs. 7 AsylG 2005 auch für derartige nach den Bestimmungen des AsylG 2005 auch für derartige nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führende Verfahren sinngemäß gilt (s. zur sinngemäßen Geltung der im AsylG 2005 enthaltenen, das Verfahren des Asylgerichtshofs betreffenden Verfahrensbestimmungen auf derartige Altverfahren, insbesondere das Erkenntnis des Asylgerichtshofs v. 12.08.2008, Zl. C5 251212-0/2008/11E).

 

Demnach ist der oben zitierte § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 sinngemäß auch auf das gegenständliche Verfahren anzuwenden, das bereits am 31.12.2005 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig war und demnach nach dem AsylG 1997 (AsylG) fortzuführen ist (gem. § 75 Abs. 1 AsylG 2005). Daraus folgt, dass der Asylgerichtshof die gegenständliche Berufung, die nunmehr gem. § 23 AsylGHG als "Beschwerde" zu gelten hat, zu entscheiden hat und dass diese Entscheidung durch einen Einzelrichter zu treffen ist (§ 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005) zumal bereits vor dem 01.07.2008 eine Verhandlung vor dem nunmehrigen Richter stattgefunden hat, der im Zeitpunkt der Verhandlung Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenats war und nunmehr zum Richter des Asylgerichtshofs ernannt wurde.

 

Auf Grundlage der Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG), das - wie dargelegt - auf den gegenständlichen Fall weiterhin anzuwenden ist, ergibt sich in rechtlicher Hinsicht Folgendes:

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentrales Element dieses Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Diese begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiverweise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Unter Verfolgung ist ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welche geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in diesen Staat zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofs die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nicht aus dem von ihm behaupteten Herkunftsstaat Liberia stammt und demnach auch die behaupteten auf Liberia bezogenen Fluchtgründe nicht erlebt haben kann. Da der Beschwerdeführer eine Bedrohung geltend macht, die sich auf einen Staat (Liberia) bezieht, dessen Staatsangehörigkeit er nach den Sachverhaltsfeststellungen tatsächlich nicht besitzt und in welchem er tatsächlich nicht aufhältig war, kann dem Asylantrag kein Erfolg beschieden sein, dies auch im Hinblick darauf, dass gem. § 7 AsylG i.V.m. Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK auf eine Verfolgung im Herkunftsstaat (Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer besitzt bzw. Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes im Falle der Staatenlosigkeit) abstellt.

 

Im Übrigen wird bereits im angefochtenen Bescheid zu Recht darauf verwiesen, dass selbst unter (hypothetischer) Zugrundelegung des Vorbringens keine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen vorliegen würde. Dies im Hinblick darauf, dass die im Heimatland herrschende allgemeine Kriegssituation für sich allein nicht geeignet ist, auf eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK zu schließen (siehe z.B. VwGH v. 17.06.1993, Zl. 92/01/1007). Vielmehr müsste der Asylwerber in diesem Zusammenhang behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folgen im Zuge von Bürgerkriegshandlungen zu qualifizieren sind (siehe VwGH v. 19.09.1996, Zl. 95/19/0098, u.a.). Derartiges hat der Beschwerdeführer, der sich nur auf die Bürgerkriegssituation, Rebellenübergriffe, den Tod der Eltern im Bürgerkrieg stützt, im Zuge des Verfahrens jedoch nicht dargetan.

 

Überdies besteht in Liberia keine Bürgerkriegssituation mehr und kommt es demnach auch nicht mehr zu Übergriffen von Rebellen, deren Gruppierungen aufgelöst und entwaffnet wurden. Es läge demnach eine wesentliche Sachverhaltsänderung vor, die es dem Beschwerdeführer selbst unter hypothetischer Zugrundelegung des Vorbringens möglich und zumutbar machen würde, den Schutz des angeblichen Herkunftsstaates Liberia wieder in Anspruch zu nehmen (§ 7 AsylG i. V.m. Art. 1 Abschnitt A Z 5 der GFK).

 

Demnach war der Beschwerde hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages der Erfolg zu versagen.

 

Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Berufungswerbers ist Folgendes auszuführen:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG i.d.F. BGBl. I 101/2003 hat die Behörde, sofern ein Asylantrag abzuweisen ist, in jedem Fall bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in seinen "Herkunftsstaat" zulässig ist.

 

Unter "Herkunftsstaat" ist gemäß der in § 1 Z 4 AsylG enthaltenen Definition der Staat zu verstehen, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besitzen, oder - im Fall der Staatenlosigkeit - der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Angesichts dieser Definition stellt sich die Frage, wie vorzugehen ist, wenn die Staatsangehörigkeit des Asylwerbers im konkreten Fall nicht festgestellt werden kann. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu

 

AsylG 1997 (686 Blg.Nr.20 GP) wird ausgeführt, dass die Verbindung der Entscheidung über die Abweisung eines Asylantrages mit der bescheidmäßigen Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus prozessökonomischen Gründen erfolgen solle. Da die Prozessgegenstände im Asylverfahren und im fremdenpolizeilichen Verfahren betreffend die Zulässigkeit einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung einander inhaltlich in weiten Bereichen überschneiden würden, liege darin ein wesentlicher Beitrag zu einer Verfahrenskonzentration, der um den Preis einer geringen Mehrbelastung der Asylbehörden, den Fremdenpolizeibehörden einen wesentlichen Aufwand erspare.

 

Die Intention des Gesetzgebers ging offenbar dahin, dass aus Gründen der Prozessökonomie gleichzeitig die asylrelevante Bedrohungssituation für den Asylwerber in dem von ihm angegebenen "Heimat- bzw. Verfolgerstaat" und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in eben denselben Staat geprüft werden soll.

 

Offenbar soll - von den Behauptungen des Asylwerbers ausgehend - zunächst das Vorliegen von Verfolgungsgründen in dem vom Asylwerber genannten "Verfolgerstaat" und dann

 

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ebenfalls ausgehend von den Angaben des Asylwerbers - die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in diesen vom Asylwerber genannten "Verfolgerstaat" geprüft werden. Wesentlich erscheint jedenfalls, dass sich die Prüfung der Asylgründe und die Prüfung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gem. § 50 Abs. 1 und 2 FPG auf den selben Staat und auf die selben vom Asylwerber angegebenen Verfolgungsgründe beziehen soll, da ansonsten der angestrebte prozessökonomische Effekt nicht erreicht würde.

 

Diese Auffassung wird vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur vertreten. Insbesondere ist auf die Erkenntnisse des VwGH vom 22.4.1999, Zl. 98/20/0561, 23.7.1999, Zahlen: 98/20/0464, 99/20/0220, 21.10.1999, Zahlen: 98/20/0512, 99/20/0250 und vom 06.03.2001, 2000/01/0402 zu verweisen. Der VwGH hat auch klargestellt, dass im Falle einer offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechenden Behauptung, somit einer evident falschen Darstellung einer Bedrohungssituation in einem vom Asylwerber fälschlich als seinen Herkunftsstaat bezeichneten Staat, die Asylbehörde ohne ein weiteres konkretes Vorbringen oder sonstigen konkreten Hinweis keine Veranlassung hat, Ermittlungen zur Ausforschung des (tatsächlichen) Herkunftsstaates des Asylwerbers anzustellen. Die Behörde ist nicht verhalten, in einem solchen Fall zu ermitteln, welcher Staat der wahre Herkunftsstaat des Asylwerbers sein könnte und ob er dort etwa im Sinne der Konvention bedroht sein könnte.

 

Im gegenständlichen Fall muss demnach, da kein hinreichend konkreter Hinweis vorliegt, die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den behaupteten "Herkunftsstaat" Liberia geprüft werden, dies ungeachtet des Umstandes, dass die Behörden von Liberia höchstwahrscheinlich nicht bereit sein werden, die Abschiebung zu ermöglichen. Hiezu ist im Einzelnen - Folgendes auszuführen:

 

Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde (§ 8 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre. (Art. 33 Z 1 der GFK i.V.m. § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs. 1 AsylG), es sei denn, es besteht eine inländische Fluchtalternative.

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 01.01.2006 ist gem. § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß

 

§ 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG. Anzumerken ist, dass sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich insoweit auch auf § 50 FPG übertragen.

 

Die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre (§ 8 Abs 1 AsylG i.V.m. § 50 Abs. 1 FPG) bzw. dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der GFK i.V.m. § 50 Abs. 2 FPG und § 8 Abs. 1 AsylG), es sei denn es bestehe eine inländische Fluchtalternative.

 

Gemäß § 8 Abs 1 AsylG i.V.m. § 50 FPG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden demnach unzulässig, wenn dieser dadurch der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde (§ 50 Abs. 1 FPG i.V.m. Art. 3 EMRK), wenn sein Recht auf Leben verletzt würde (§ 50 Abs. 1 FPG i.V.m. Art. 2 EMRK) oder ihm die Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde (§ 50 Abs. 1 FPG i.V.m. Art. 1 des 13. Zusatzprotokolls zur EMRK). Da sich § 50 Abs. 1 FPG inhaltlich weitestgehend mit § 57 Abs. 1 FrG deckt und die Neufassung im Wesentlichen nur der Verdeutlichung dienen soll, kann die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 57 Abs. 1 FrG weiterhin als Auslegungsbehelf herangezogen werden. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH v. 26.06.1997, Zl. 95/18/1293; VwGH v. 17.07.1997, Zl. 97/18/0336). Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist sohin auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in § 50 Abs. 1 FPG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH v. 26.06.1997, Zl. 95/21/0294). Unter "außergewöhnlichen Umständen" (z.B. fehlende medizinische Behandlung bei lebensbedrohender Erkrankung) können auch von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertretende lebensbedrohende Ereignisse ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK i.V.m. § 50 Abs. 1 FPG darstellen (Urteil des EGMR in D vs. Vereinigtes Königreich vom 02.05.1997).

 

Auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen liegt nach Ansicht des Asylgerichtshofs keine aktuelle Bedrohung durch den behaupteten "Herkunftsstaat" Liberia im Sinne von § 8 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 50 FPG vor. Der Beschwerdeführer konnte eine individuelle Bedrohung in Liberia schon deshalb nicht glaubhaft machen, weil er offensichtlich nicht in Liberia gelebt hat und die behaupteten Ereignisse demnach nicht erlebt haben kann.

 

Insoweit sich der Beschwerdeführer auf die Bürgerkriegssituation im angeblichen Heimatland Liberia beruft, ist ihm entgegnen, dass der Bürgerkrieg seit mittlerweile ca. vier Jahren beendet und eine Konsolidierung der Sicherheitslage eingetreten ist. Es kann demnach nicht (mehr) davon ausgegangen werden, dass jede nach Liberia rückgeführte Person dort infolge von Bürgerkriegsereignissen oder dgl. einer Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt wäre. Ebenso wenig kann es in Liberia noch zu Übergriffen durch Rebellengruppen kommen. Nach Ansicht der erkennenden Behörde würde der Beschwerdeführer im Falle seiner Abschiebung auch in keine "aussichtslose Situation" geraten, die einer unmenschlichen Behandlung gleichkommen könnte. Der Beschwerdeführer ist volljährig und körperlich gesund, sodass er grundsätzlich in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass in Liberia eine Hungersnot oder dgl. herrscht. Es ist diesbezüglich auch auf die Hilfslieferungen durch die internationale Gemeinschaft zu verweisen.

 

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang noch, dass sich auch der UNHCR, sohin die zur Wahrung der Flüchtlingsrechte berufene Einrichtung im Rahmen der Vereinten Nationen, seit März 2006 grundsätzlich nicht mehr gegen einer Rückführung jener Personen ausspricht, deren Asylanträge sich als nicht berechtigt erwiesen haben.

 

Die Beschwerde erweist sich sohin auch hinsichtlich des Ausspruches über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Liberia im Ergebnis als nicht berechtigt.

 

Da die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat Liberia zulässig ist, hätte die Behörde den Bescheid grundsätzlich gem. § 8 Abs. 2 AsylG mit der Ausweisung zu verbinden. Dies gilt jedoch nur, wenn damit kein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der berufenden Partei (Art. 8 Abs. 1 EMRK) verbunden ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Festzuhalten ist, dass der nunmehrige Beschwerdeführer mittlerweile mit einer - ebenfalls in Österreich lebenden - rumänischen Staatsangehörigen verheiratet ist. Festzuhalten ist auch, dass er der Vater eines minderjährigen Kindes ist. Ausgehend von diesen Feststellungen greift die Ausweisungsentscheidung sehr wohl in das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens ein.

 

Es wäre demnach zu prüfen, ob die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen im konkreten Fall die Interessen des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seines Familienlebens in Österreich überwiegen.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts (Art. 8 Abs. 1 EMRK) nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens i.S.d. Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs. Dies verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und der öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage zu berücksichtigen, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (vgl. VfGH v. 29.09.2007, Zl. B 1150/07; VfGH v. 12.06.2007, Zl. B 2126/06; VwGH v. 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479; VwGH v. 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423).

 

Im gegenständlichen Fall kommt dem Urteil des EGMR vom 31.07.2008 in der Rechtssache Darren Omoregie und andere gegen Norwegen Bedeutung zu. Wie in dem genannten Urteil des EGMR ausgeführt, kann eine Ausweisung dann, wenn ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss war, eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten. Festzuhalten ist, dass der nunmehrige Beschwerdeführer, als er den Asylantrag stellte, keinerlei Beziehungen zu Österreich hatte und seine familiären Bindungen erst später entstanden sind (ebenso wie im Fall Darren Omoregie und Andere gegen Norwegen), weshalb die für die Ausweisung sprechenden Argumente überwiegen könnten. Der EGMR führt jedoch eine Abwägung zwischen den Bindungen zum Herkunftsstaat und den Bindungen zum Zufluchtsland durch. Er bezieht überdies die gesamte fremdenrechtliche Position des abgewiesenen Asylwerbers im Zufluchtsstaat (gescheiterte Versuche, den Aufenthalt zu legalisieren; Nichtbefolgung von Ausreiseanordnungen etc.) in seine Abwägung mit ein. Der Asylgerichtshof kann im gegenständlichen Fall allerdings keine Abwägung zwischen Bindungen im tatsächlichen Herkunftsstaat und Bindungen in Österreich vornehmen, weil die Ausweisung zielstaatsbezogen hinsichtlich des fälschlich behaupteten Herkunftsstaates Liberia auszusprechen wäre, aus welchem der Beschwerdeführer nach den Feststellungen tatsächlich nicht stammt (s. in diesem Zusammenhang VwGH v. 30.06.2005, Zl. 2005/20/0108).

 

Festzuhalten ist, dass im vorliegenden Fall die nunmehr im AsylG 2005 vorgesehene Sonderbestimmung, die für gleichartig gelagerte Fälle (Täuschung über die Staatsbürgerschaft) keine zielstaatsbezogene Ausweisung mehr vorsieht (§ 8 Abs. 6

 

AsylG 2005) den vorliegenden, noch nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG) zu Ende führenden Fall, nicht zur Anwendung kommen kann. Überdies wäre bei der Ausweisungsentscheidung die gesamte fremdenrechtliche Position des Beschwerdeführers, insbesondere auch die Frage, ob der Beschwerdeführer, zumal er nun mit einer rumänischen Staatsangehörigen verheiratet ist, ein Niederlassungsrecht in Österreich auf Grundlage der

 

§§ 52 ff. NAG (Niederlassungsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern) erlangen kann.

 

Da dem Asylgerichtshof, der nur eine zielstaatsbezogene Ausweisung nach Liberia, sohin in ein fälschlich angegebenes Herkunftsland, aussprechen könnte, die Möglichkeiten zur umfassenden Interessensabwägung fehlen, obendrein auch nicht eruierbar war, ob die Voraussetzungen einer Niederlassung nach §§ 52 ff. NAG allenfalls vorliegen, war die im angefochtenen Bescheid enthaltene asylrechtliche Ausweisung zu beheben.

 

Eine Ausweisungsentscheidung wird von der Fremdenpolizeibehörde nach umfassenden Interessensabwägung gem. § 53 Abs. 1 i.V.m. § 66 FPG zu treffen sein.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
bestehendes Familienleben, Bürgerkrieg-Beendigung, Interessensabwägung, Lebensgrundlage, non refoulement, Sicherheitslage, Spruchpunktbehebung-Ausweisung, staatlicher Schutz, Zumutbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
28.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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