TE Vfgh Erkenntnis 1998/6/25 V4/96

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.1998
beobachten
merken

Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art118 Abs2
LandesraumplanungsV der Vlbg Landesregierung über die Zulässigkeit der Widmung einer besonderen Fläche für ein Einkaufszentrum in Hohenems, LGBl 7/1995
Vlbg RaumplanungsG §6 Abs1
Vlbg RaumplanungsG §7 Abs1
Vlbg RaumplanungsG §14 Abs6, Abs7
Vlbg RaumplanungsG 1996 §6 Abs1

Leitsatz

Aufhebung einer Landesraumplanungsverordnung über die Zulässigkeit der Widmung einer Fläche für ein Einkaufszentrum infolge unzureichender, auf ein bestimmtes Marktsegment eingeschränkter Grundlagenforschung; keine Bedenken gegen die Möglichkeit einer parzellenscharfen Festlegung der Eignung von Standorten für Einkaufszentren mit Verkaufsflächen für - nicht für den täglichen Bedarf bestimmte - Waren

Spruch

I. Die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die Zulässigkeit der Widmung einer besonderen Fläche für ein Einkaufszentrum in Hohenems, LGBl. Nr. 7/1995, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 1998 in Kraft.

III. Die Vorarlberger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Landesvolksanwalt von Vorarlberg stellte gemäß Art139 B-VG iVm Art148i Abs2 B-VG und Art58 Abs2 der Vorarlberger Landesverfassung, LGBl. 30/1984 idF LGBl. 35/1994, den Antrag, die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die Zulässigkeit der Widmung einer besonderen Fläche für ein Einkaufszentrum in Hohenems, LGBl. Nr. 7/1995, wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.

2. Die Vorarlberger Landesregierung legte die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vor und trat dem Antrag des Landesvolksanwaltes entgegen.

II. Aus den Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Mit Schreiben vom 28. Jänner 1994 teilte der Bürgermeister der Stadt Hohenems der Vorarlberger Landesregierung mit, auf den als Bauland-Betriebsgebiet gewidmeten Liegenschaften GStNr. 8574/1, 8573/1, 8572/1, 8571/1, 8570/1 und 8569/1 KG Hohenems mit einer Gesamtfläche von 15.253 m2 sei die Errichtung eines Geschäftes mit der Bezeichnung "Haus des Kindes" mit einer Verkaufsfläche zwischen 5.000 m2 und 7.000 m2 geplant. Zum Sortiment des Gewerbebetriebes gehörten Spielwaren, Kindermöbel, Kinderwagen, Babyausstattung, Textilien und Sonstiges. Die Landesregierung wurde ersucht, einen entsprechenden Landesraumplan zu erlassen.

Die Abteilung Raumplanung und Baurecht, bei der das Schreiben der Stadt Hohenems eingegangen war, ersuchte die Abteilung Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten um Prüfung des Ersuchens aus wirtschaftlicher und "verkehrlicher" Sicht. In ihrer Antwort vom 15. März 1994 teilte die Abteilung Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten mit, aus ihrer Sicht ergeben sich folgende Fragestellungen, die für eine fundierte Beurteilung des Projektes von wesentlicher Bedeutung seien:

"-Lage des Projektes

-Standortalternativen

-Stellenwert des Projektes für die Stadtentwicklung

-Voraussetzung für die Verkehrsinfrastruktur

-lokaler/überregionaler Bedarf in der

angebotenen Produktpalette

-Auswirkungen auf Kaufkraftströme"

Zur Klärung dieser Fragen wurde eine Besprechung mit Vertretern der Stadt Hohenems vorgeschlagen.

In einem Aktenvermerk über die am 25. März 1994 an Ort und Stelle durchgeführte Besprechung ist folgende Stellungnahme eines Vertreters der Abteilung für Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten festgehalten:

"1. Der geplante Standort im Industriegebiet der Stadt Hohenems an der B 190 in Richtung Dornbirn stellt aus Sicht der Abteilung Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten des Amtes der Vorarlberger Landesregierung einen Idealstandort für industriell gewerbliche Produktion dar. Aufgrund des abgesetzten Standortes erscheint es daher in hohem Maße wünschenswert, diesen Standort für Zwecke der Industrie der Produktion zu sichern.

2. Mit der Errichtung des geplanten Einkaufszentrums würde neben den bestehenden Standorten im Bereich Schweizer Straße sowie im Stadtzentrum im Bereich der Stadt Hohenems ein neues Gebiet für den Handel erschlossen. Im Hinblick auf wünschenswerte Agglomerationseffekte und positive Auswirkungen auf die in der Stadt bestehenden Handelsstrukturen erscheint der in Diskussion stehende Standort für die Realisierung des geplanten Einkaufszentrums problematisch, da kaum positive Impulse für die bestehenden Strukturen zu erwarten sind.

3. Das geplante Einkaufszentrum sieht in seiner Angebotsstruktur auch eine Reihe von Waren vor, die für den nicht motorisierten Verkehr in günstiger Erreichbarkeit liegen sollten. Die deutlich abgesetzte Lage des Einkaufszentrums außerhalb besiedelter Gebiete widerspricht diesen Zielsetzungen und ist daher auch aus verkehrsplanerischen Überlegungen problematisch zu beurteilen. Dies gilt auch für den Fall der Errichtung einer zusätzlichen Eisenbahnhaltestelle."

Bei dieser Besprechung wurde folgende Vorgangsweise vereinbart:

"1. Die Stadt Hohenems holt eine Stellungnahme des Bearbeiters des Stadtentwicklungskonzeptes zur Situierung des geplanten Einkaufszentrums ein.

2. Die Stadt Hohenems veranlaßt die Erstellung eines Gutachtens über die verkehrlichen Auswirkungen des Projektes am in Aussicht genommenen Standort sowie eines Gutachtens über die überregionalen Auswirkungen des Projektes auf die Strukturen in den geplanten Handelsbereichen.

Das Verkehrsgutachten sollte insbesondere folgende Bereiche umfassen:

verkehrsplanerische Auswirkungen des Projektes, vor allem hinsichtlich örtlichem und überörtlichem Verkehrsaufkommen, Anbindung an den öffentlichen Verkehr, Parkraumangebot, Anforderungen an zusätzliche verkehrliche Infrastrukturen.

Das betriebs- und volkswirtschaftliche Gutachten sollte folgende Bereiche umfassen:

ausführliche Projektsbeschreibung (Verkaufsflächen, Umsatzziele, Sortiment, Arbeitsplätze usw.),

Darstellung und Analyse der Ist-Situation (Verkaufsflächen, Kaufkraft) im Einzelhandel in der Stadt Hohenems, Darstellung der versorgungs-/entwicklungspolitischen Ziele, die mit dem neuen Einkaufszentrum erreicht werden können, Darstellung und Analyse der Ist-Situation (Verkaufsflächen, Kaufkraft) im Einzelhandel im theoretischen Einzugsbereich des Einkaufszentrums außerhalb der Stadt Hohenems und der zu erwartenden Auswirkungen durch das E(inkaufszentrum)-Projekt."

In der Folge übermittelte die Stadt Hohenems dem Amt der Vorarlberger Landesregierung ein verkehrstechnisches Gutachten vom Mai 1994, eine Stellungnahme des Büros für Sanierung und Stadtplanung vom 20. Mai 1994 sowie eine von der e-Ges.m.b.H erstellte Raumverträglichkeitsuntersuchung vom Mai 1994 mit den Themen

1.

Projekt

2.

Natur und Landschaftshaushalt

3.

Landschafts- und Ortsbild

4.

Vorhandene Nutzungen

5.

Flächenbedarf und Flächenbilanz

6.

Verkehr

7.

Zentrum- und Siedlungsstruktur und

8.

Wirtschaftsstruktur.

Diese Unterlagen übermittelte die Abteilung Raumplanung und Baurecht am 15. Juni 1994 an die Abteilung für Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten zur Stellungnahme.

In ihrer Stellungnahme vom 3. August 1994 ging die Abteilung Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten von den Annahmen der Raumverträglichkeitsuntersuchung aus, zog zur Beurteilung der überörtlichen wirtschaftspolitischen Auswirkungen des geplanten "Haus des Kindes" einerseits die vorhandene Kaufkraft der Wohnbevölkerung und andererseits die bestehenden Verkaufsflächen mit deren Umsatzpotential im Einzugsbereich des Projektes heran.

In der Stellungnahme ist festgehalten, das geplante Einkaufszentrum könne dazu beitragen, Kaufkraftabflüsse in benachbarte Regionen und ins Ausland zu verringern. Andererseits müsse klargestellt werden, daß das Potential in diesem Marktsegment und Einzugsgebiet durch das "Haus des Kindes" ausgeschöpft werde. Es sei daher unbedingt notwendig, die noch freien Verkaufsflächen im geplanten Einkaufszentrum von 1.180 m2 nicht an konkurrenzierende Betriebe zu vermieten.

Zusammenfassend könne das Projekt "Haus des Kindes" aus wirtschaftspolitischer Sicht positiv beurteilt werden, unter der Bedingung, daß dafür Sorge getragen werde, daß auf den noch freien Flächen im Einkaufszentrum keine Konkurrenzbetriebe angesiedelt werden und das Sortiment des "Haus des Kindes" nach Möglichkeit auch mit den in Hohenems bereits bestehenden Handelsbetrieben abgestimmt wird.

Aus verkehrspolitischer Sicht wird festgestellt, daß die Verlagerung von Warengruppen, die wesentlich zur Attraktivität innerstädtischer Geschäftszonen beitragen, an abgesetzte Standorte grundsätzlich problematisch zu beurteilen sei. Das vorliegende Projekt enthalte im Sinne eines Gesamtangebotes für die Zielgruppe Kind aber auch wesentliche Angebotselemente, die überwiegend mit dem PKW aufgesucht würden. Aus diesem Grund könne dem Projekt aus Sicht der Verkehrsplanung unter der Voraussetzung zugestimmt werden, daß durch die Errichtung einer Haltestelle im Einzugsbereich der vorhandenen regionalen Buslinie eine Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel erfolge.

Diese Stellungnahme floß in den Erläuterungsbericht vom 4. August 1994 zum Entwurf eines Landesraumplanes über die Zulässigkeitserklärung der Widmung einer besonderen Fläche für ein Einkaufszentrum in Hohenems ein, dessen Auflage von der Landesregierung am 23. August 1994 beschlossen wurde.

In das Anhörungs- und Auflageverfahren wurden die Gemeinden des Vorarlberger Rheintales, die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn, die Wirtschaftskammer, die Arbeiterkammer und die Landwirtschaftskammer einbezogen. Der Entwurf des Landesraumordnungsplanes lag in der Zeit vom 19. September 1994 bis 21. Oktober 1994 zur allgemeinen Einsicht in den Gemeindeämtern auf.

Der Raumplanungsbeirat befaßte sich in seiner Sitzung vom 21. Februar 1995 mit dem Entwurf eines Landesraumplanes. Der ihm unterbreitete Beschlußvorschlag, gegen den Landesraumplan keine Einwendungen zu erheben, fand aber keine Mehrheit.

In der Sitzung der Landesregierung vom 7. März 1995 wurde die Beschlußfassung über den Landesraumplan im Hinblick auf den zu großen Flächenbedarf des Projektes zurückgestellt.

In der Folge schränkte die Stadt Hohenems die Nettoverkaufsfläche des geplanten Einkaufszentrums von ursprünglich 5.700 m2 auf 3.350 m2 und das Gesamtausmaß der Grundstücke von 15.253 m2 auf 10.500 m2 ein. Daraufhin wurde der Landesraumplan von der Landesregierung am 21. März 1995 beschlossen und am 23. März 1995 im LGBl. 7/1995 kundgemacht.

Die Verordnung hat folgenden Wortlaut:

"Auf Grund der §§7 Abs1 und 14 Abs6 des Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 15/1973, in der Fassung LGBl. Nr. 61/1988 und Nr. 27/1993, wird verordnet:

Auf den Liegenschaften GST-NR 8569/1, 8570/1, 8571/1, 8572/1, 8573/1 und 8574/1, KG. Hohenems, wird die Widmung einer besonderen Fläche für ein Einkaufszentrum mit einem Höchstausmaß der Gesamtverkaufsfläche von 3.350 m2 für Waren, die nicht für den täglichen Bedarf bestimmt sind, für zulässig erklärt."

Am 31. Mai 1995 beschloß die Stadtvertretung Hohenems eine Änderung des Flächenwidmungsplanes, mit der Teilflächen der Grundstücke 8569/1, 8570/1, 8571/1, 8572/1, 8573/1 und 8574/1, KG Hohenems, als besondere Fläche für ein Einkaufszentrum mit einem Höchstausmaß der Gesamtverkaufsfläche von 3.350 m2 für Waren des nicht täglichen Bedarfs festgelegt wurden.

Die Änderung des Flächenwidmungsplanes wurde mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 4. Juli 1995 gemäß §16 Abs6 sowie §19 Abs6 iVm §21 Abs2 RPG aufsichtsbehördlich genehmigt.

Am 9. Oktober 1995 teilte der Bürgermeister der Stadt Hohenems dem Amt der Vorarlberger Landesregierung ua. mit:

"Im Mai 1995 teilte uns die Fam(ilie) W. mit, daß es aufgrund eines völligen Umsatzeinbruchs bei einem ihrer Großmärkte in Salzburg sowie aufgrund familiärer Schwierigkeiten und damit verbundener finanzieller Probleme derzeit nicht möglich sei, den beabsichtigten Fachmarkt für Spielwarenbedarf in Hohenems zu errichten. Die Fam(ilie) W. ersuchte, sie aus den bestehenden Vertragsverhältnissen zu entlassen.

Nach intensiven Bemühungen, ein anderes Unternehmen mit demselben Geschäftszweck für das vorhandene Projekt zu gewinnen, um die Vorgaben, die für das Raumplanungsverfahren maßgebend waren, einzuhalten, mußte erkannt werden, daß derzeit kein Interesse der in dieser Sparte vertretenen Unternehmen an diesem Standort bestanden hat. Andererseits zeigten vor allem Firmen, die Baumärkte betreiben, große Ambitionen zum Erwerb dieser Liegenschaft. Als weiterer Interessent ist auch die Fa. D.-Gartencenter aufgetreten. Die Fa. D. besitzt in Deutschland eine Kette von über 60 Gartencentern. Es handelt sich hiebei um eine Produktsparte, die in der Innenstadt von Hohenems nicht vertreten ist, und für die auch im ganzen Land Vorarlberg derzeit kein befriedigendes Angebot besteht.

Aus diesen Gründen hat sich die Stadt Hohenems entschieden, der Fa. D. besagte Liegenschaft zur Errichtung eines Fachmarktes für den Garten- und Heimtierbedarf zu verkaufen."

4. Die Bedenken des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg betreffen zwei Argumentationsebenen:

4.1. Der Landesvolksanwalt erachtet die Erlassung einer Verordnung bezüglich eines ganz konkreten Bauvorhabens und betreffend ganz konkreter Grundstücke als einen Akt der Verwaltung, der nicht den Bedingungen eines Landesraumplanes im Sinne des §7 Abs1 Vorarlberger Raumplanungsgesetz entspricht. Es liege ein Akt vor, der das Recht der Gemeinde auf Selbstverwaltung verletze. Die Landesregierung greife in die Autonomie der jeweiligen Gemeinde ein, wenn sie parzellenscharf festlege, wo in der Gemeinde ein Einkaufszentrum liegen dürfe und somit müsse.

Mit diesen Bedenken ist der Landesvolksanwalt nicht im Recht.

§7 Abs1 des Gesetzes über die Raumplanung, LGBl. 15/1973 idF LGBl. 31/1985, 9/1988, 61/1988 und 27/1993 - RPG, lautete:

"Die Landesregierung hat durch Verordnung Landesraumpläne zu erlassen. Diese haben die angestrebten Ziele der Raumplanung (§2) im einzelnen festzulegen und die zu ihrer Erreichung erforderlichen Maßnahmen vorzusehen."

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung - wie der Landesvolksanwalt meint - die Landesregierung nur dazu ermächtigt, in der Gemeinde an sich eine entsprechende Widmung für zulässig zu erklären, und es ihr verwehrt, parzellenscharf festzulegen, wo in der Gemeinde ein solches Einkaufszentrum allein errichtet werden darf. Denn einerseits sah §14 Abs6 RPG LGBl. 15/1973 idF 27/1993 vor, daß im Landesraumplan nähere Festlegungen insbesondere darüber getroffen werden können, in welchen Gebieten bis zu welchem Höchstausmaß der zu widmenden Flächen und bis zu welchem Höchstausmaß der Gesamtverkaufsfläche die Widmung für Einkaufszentren zulässig ist. Andererseits wurde §7 Abs1 durch das Gesetz über eine Änderung des Raumplanungsgesetzes LGBl. Nr. 34/1996 mit Wirksamkeit vom 1. August 1996 wie folgt geändert:

"(1) Die Landesregierung hat durch Verordnung Landesraumpläne zu erlassen, wenn im überörtlichen Interesse Regelungen zur Erreichung der Raumplanungsziele des §2 erforderlich sind. Landesraumpläne haben - in Abstimmung mit anderen Planungen des Landes - die angestrebten Raumplanungsziele im einzelnen festzulegen und jene Maßnahmen vorzusehen, die zur Erreichung dieser Ziele im überörtlichen Interesse erforderlich sind. In der Verordnung ist erforderlichenfalls festzulegen, wie die im Raumordnungsplan ausgewiesenen Grundstücke im Flächenwidmungsplan zu widmen sind."

Selbst wenn die Bedenken des Landesvolksanwaltes zuträfen, hätte die angefochtene Verordnung durch die Änderung des §7 Abs1 RPG (seit der Wiederverlautbarung LGBl. 39/1996 §6 Abs1) ihre nachfolgende gesetzliche Deckung erhalten.

Gegen diese Bestimmung bestehen aber auch unter dem Blickwinkel der Gemeindeselbstverwaltung keine Bedenken.

Eine Planungsmaßnahme muß dann der Gemeinde vorbehalten bleiben, wenn sie "im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet (ist), durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden". In ein überörtliches Raumordnungsprogramm dürfen planerische Festlegungen folglich nur unter der Voraussetzung aufgenommen werden, daß das überörtliche Interesse (an diesen Festlegungen) überwiegt (vgl. VfSlg. 11626/1988).

In dem genannten Erkenntnis zum TROG 1984 hat der Verfassungsgerichtshof nicht bezweifelt, daß die Errichtung von Einkaufszentren mit Auswirkungen raumordnerischer Art verbunden ist, die überörtliche Interessen in überwiegendem Maß berühren. Er kam daher zu dem Ergebnis, daß eine landesgesetzliche Vorschrift, die verlangt, daß eine Gemeinde Sonderflächen für Einkaufszentren in "örtlicher Raumplanung" nur dann vorsehen darf, wenn das Land sein überörtliches Interesse an der Errichtung solcher Bauten im Wege eines Entwicklungsprogrammes vorher festlegt, nicht der Bundesverfassung widerspricht.

Aus diesem Grund bestehen auch gegen die vergleichbare Regelung des Vbg. RPG keine Bedenken, daß sie das Gemeindeselbstverwaltungsrecht unzulässigerweise einengt.

Der Landesvolksanwalt hegt schließlich Bedenken gegen eine Feststellung der Zulässigkeit eines Einkaufszentrums auf einer bestimmten Grundfläche (§14 Abs6 RPG).

§14 Abs6 bis Abs9 RPG, LGBl. 15/1973 idF LGBl. 27/1993 lautet (auszugsweise):

"(6) Im Baugebiet können besondere Flächen für Einkaufszentren festgelegt werden, sofern eine solche Widmung nach einem Landesraumplan in der betreffenden Gemeinde für zulässig erklärt ist. Im Landesraumplan können nähere Festlegungen insbesondere darüber getroffen werden, in welchen Gebieten bis zu welchem Höchstausmaß der zu widmenden Flächen und bis zu welchem Höchstausmaß der Gesamtverkaufsfläche die Widmung für Einkaufszentren zulässig ist.

(7) Einkaufszentren sind Gebäude oder Gebäudeteile mit Verkaufsflächen von insgesamt mehr als 400 m2, in den Talsohlen von Leiblachtal, Rheintal und Walgau von insgesamt mehr als 600 m2, die für den Verkauf von Waren des täglichen Bedarfes, insbesondere von Lebensmitteln, bestimmt sind. Als Einkaufszentren gelten auch Gebäude oder Gebäudeteile, in denen Verkaufsflächen von Handelsbetrieben im Ausmaß von insgesamt mehr als 1.500 m2 untergebracht sind.

(8) Die Gemeinde hat im Flächenwidmungsplan das Höchstausmaß der zulässigen Gesamtverkaufsfläche eines zu errichtenden Einkaufszentrums festzusetzen. Sofern auf einer als Einkaufszentrum zu widmenden Fläche ein solches bereits besteht, sind die bestehenden Verkaufsflächen bei der Festsetzung des Höchstausmaßes der Gesamtverkaufsfläche zu berücksichtigen.

(9) Eine Baubewilligung für die Errichtung eines Einkaufszentrums darf nur erteilt werden, wenn eine entsprechende Widmung besteht und das im Flächenwidmungsplan festgelegte Höchstausmaß der zulässigen Gesamtverkaufsfläche nicht überschritten wird. ... ."

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich zunächst, daß die Zuständigkeit der Gemeinde zur Festlegung von besonderen Flächen für Einkaufszentren nicht beseitigt wird; es wird lediglich das Planungsermessen der Gemeinde nach Maßgabe der Festlegungen im Landesraumplan eingeschränkt.

Eine solche Einschränkung des Planungsermessens der Gemeinde gerät aber auch nicht in Konflikt mit Art118 Abs2 B-VG. Denn ebenso wie es auf Grund des Art119a Abs8 B-VG iVm §19 Abs6 RPG für zulässig angesehen werden müßte, dem Flächenwidmungsplan die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu versagen, weil er die im §2 RPG genannten Raumplanungsziele (wie beispielsweise der Vorsorge für geeignete Standortbereiche für Betriebe des Handels unter Bedachtnahme auf die wirtschaftliche Entwicklung - §2 Abs2 lite RPG) nicht hinreichend beachtet, muß es der Vorarlberger Landesregierung bei Erlassung eines Landesraumplanes gestattet sein, die Eignung von Standorten für Einkaufszentren unter Beachtung der genannten Raumplanungsziele von vornherein allgemein festzulegen (vgl. VfSlg. 11633/1988). Auch gegen die Möglichkeit einer parzellenscharfen Feststellung der Eignung einer Grundfläche für ein Einkaufszentrum bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

4.2. Die zweite Ebene der Bedenken des Landesvolksanwaltes macht Verfahrensfehler bei Erlassung des Landesraumplanes geltend.

4.2.1. Es sei im Verfahren zur Erlassung des Landesraumplanes nie die Frage behandelt worden, ob an sich die Voraussetzungen für die Widmung einer besonderen Fläche für ein Einkaufszentrum in Hohenems gegeben seien.

Zur Frage, ob an sich in Hohenems eine besondere Fläche für ein Einkaufszentrum (beliebiger Art) jedweder Branche (mit Ausnahme von Waren des täglichen Bedarfs) gewidmet werden dürfe, sei keine taugliche Grundlagenforschung betrieben worden, kein hinreichendes Verwaltungsverfahren durchgeführt worden, sondern ausschließlich beurteilt worden, ob die Konkurrenzverhältnisse es als angezeigt oder zuträglich erscheinen lassen, in Hohenems ein "Haus des Kindes" zu errichten. Sämtliche relevanten Gutachten, so im besonderen die Raumverträglichkeitsuntersuchung befassen sich in allen ihren Untersuchungen und Konklusionen ausschließlich mit der Warengruppe, die in einem "Haus des Kindes" angeboten wird. Dies bedeute im Ergebnis, daß mit einem respektablen Aufwand und am erlaubten Ziel eines Landesraumplanes vorbei ein Zulassungssystem angewandt worden sei und die Frage der Verträglichkeit einer solchen Konkurrenz mit anderen Betrieben in einem näher definierten Raum Gegenstand der Abhandlung gewesen sei.

Es seien also ausschließlich ein konkretes Projekt - und dazu noch unter nicht dem Raumordnungsrecht zurechenbaren Aspekten des Wettbewerbes - abgehandelt worden.

4.2.2. Die Vorarlberger Landesregierung hält dem Vorwurf des Landesvolksanwaltes folgendes entgegen:

"Die Erlassung eines Landesraumplanes erst in einem Zeitpunkt, in dem ein konkretes Vorhaben bekannt wird, steht mit dem Gesetz im Einklang. Im Verfahren, das der Erlassung des Landesraumplanes vorausgeht, ist abzuklären, ob die Widmung für die Errichtung eines Einkaufszentrums für zulässig erklärt werden kann oder nicht. Für die Entscheidung sind auch die Warengruppen, die im Einkaufszentrum verkauft werden sollen, von Bedeutung. Im wesentlichen ist zu unterscheiden zwischen Waren des täglichen Bedarfs, Waren des nicht täglichen Bedarfs, die nach dem Kauf regelmäßig mit Kraftfahrzeugen abgeholt oder transportiert werden, wie Möbel, Baustoffe und -geräte, Gartenbedarf, Fahrzeuge und Maschinen und sonstigen Waren des nicht täglichen Bedarfs. Während es nämlich für die eine Art von Waren aus Sicht der überörtlichen Raumplanung durchaus unproblematisch sein kann, einen entsprechenden Landesraumplan zu erlassen, kann eine derartige Maßnahme bei einer anderen Warengruppe zu Problemen führen. Im gegenständlichen Fall erfolgte eine Vorprüfung (siehe Erläuterungsbericht vom 4. August 1994, (...)) sowie das Anhörungs- und Auflagenverfahren. Nach einer Reduzierung der zu widmenden Fläche von 15.253 m2 auf 10.500 m2 und der Verkaufsfläche von 5.700 m2 auf 3.350 m2 konnte aus Sicht der überörtlichen Raumplanung dem Vorhaben zugestimmt werden, worauf die angefochtene Verordnung erlassen wurde."

4.2.3. Diese Ausführungen sind jedoch nicht geeignet, die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Verordnung darzutun.

Gemäß §14 Abs7 RPG, LGBl. 15/1973 idF LGBl. 27/1993, gelten als Einkaufszentren Gebäude oder Gebäudeteile mit Verkaufsflächen von insgesamt mehr als 600 m2 (soweit sie in den Talsohlen des Rheintales liegen), die für den Verkauf von Waren des täglichen Bedarfes, insbesondere von Lebensmitteln, bestimmt sind. Als Einkaufszentren gelten aber auch Gebäude oder Gebäudeteile, in denen Verkaufsflächen von Handelsbetrieben im Ausmaß von insgesamt mehr als 1500 m2 untergebracht sind.

Im Hinblick auf die durch das RPG vorgenommene Differenzierung zwischen Einkaufszentren mit Verkaufsflächen für Güter des täglichen Bedarfs und Einkaufszentren mit Verkaufsflächen für sonstige Handelsbetriebe hegt der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken dagegen, durch einen Landesraumplan die Widmung einer besonderen Fläche für ein Einkaufszentrum mit Verkaufsflächen für Waren, die nicht für den täglichen Bedarf bestimmt sind, für zulässig zu erklären.

Gemäß §6 Abs1 erster Satz RPG, LGBl. 15/1973 idF LGBl. 27/1993, hat das Land die Grundlagen für die überörtliche Raumplanung zu erforschen sowie alle für die Raumplanung bedeutsamen Unterlagen zu sammeln und auf dem neuesten Stand zu halten.

Der Erlassung eines Landesraumplanes muß daher eine an den Raumordnungszielen und der beabsichtigten Regelung orientierte Grundlagenforschung vorausgehen. Das Vorarlberger Raumplanungsgesetz bietet keine Grundlage dafür, die Erklärung der Zulässigkeit einer Einkaufszentren-Widmung durch einen Landesraumplan auf ein Einkaufszentrum mit Verkaufsflächen für ein ganz bestimmtes Angebot von Waren, die nicht für den täglichen Bedarf bestimmt sind, einzuschränken. Daher muß auch die Grundlagenforschung für einen solchen Landesraumplan die raumplanerischen Auswirkungen, die im allgemeinen mit einem Handelsbetrieb für Waren, die nicht für den täglichen Bedarf bestimmt sind, verbunden sind, bedenken und darf sich nicht auf die Erhebung der Auswirkungen beschränken, die von einem Einkaufszentrum mit einem bestimmten Warensortiment (innerhalb der Waren, die nicht für den täglichen Bedarf bestimmt sind,) ausgehen. Denn ein Landesraumplan über die Zulässigerklärung einer Einkaufszentren-Widmung wie die angefochtene Verordnung ermöglicht es der Gemeinde in Verbindung mit der Flächenwidmung letztlich, die Bewilligung für jedwedes Einkaufszentrum einer bestimmten Größe mit Verkaufsflächen für Waren, die nicht für den täglichen Bedarf bestimmt sind, zu erteilen.

Aus den Akten betreffend das Zustandekommen des Landesraumplanes ergibt sich zwar, daß die Vorarlberger Landesregierung bezüglich des in Aussicht genommenen Standortes für ein Einkaufszentrum allgemeine raumplanerische Überlegungen angestellt hat. Sie mündeten einerseits in die Feststellung, der geplante Standort stelle einen Idealstandort für industriell gewerbliche Produktion dar und sei für die Realisierung des geplanten Einkaufszentrums problematisch. Andererseits wurden die Verkehrsauswirkungen eines Handelsbetriebes mit "Branchenmix" im Hinblick auf die Verlagerung von Einkaufsmöglichkeiten an Ortsränder an sich als problematisch beurteilt.

Hingegen wurde die detaillierte Standortuntersuchung, wie beispielsweise die Prognose des Einzugsgebiets, des Umsatzpotentials, der Verringerung der Kaufkraftabflüsse in benachbarte Regionen und ins Ausland und des Ausmaßes der Potentialausschöpfung ausschließlich unter dem eingeschränkten Marktsegment des geplanten "Haus des Kindes" vorgenommen.

Die vorgelegten Verwaltungsakten zeigen darüber hinaus, daß die Entscheidung der Landesregierung zugunsten der Einkaufszentren-Widmung vorwiegend auf Grund der Überlegungen zustandegekommen ist, auf dem Sektor der Kinderartikel werde ein Kaufkraftabfluß verringert und durch das Einkaufszentrum würden bestehende Geschäfte in der Hohenemser Innenstadt nicht konkurrenziert, da das betreffende Marktsegment mit Ausnahme eines Kleingeschäftes in der Innenstadt nicht vertreten sei.

Dem Raumplanungsverordnungsgeber ist es aber kompetenzrechtlich verwehrt, mit einem Raumordnungsplan den Effekt eines Zulassungssystems für Einkaufszentren nach alleiniger Maßgabe des gewerberechtlichen Lokalbedarfes zu schaffen (vgl. VfSlg. 11393/1987). Die oben genannten Überlegungen hätten daher für die raumordnungsrechtliche Entscheidung zugunsten der Einkaufszentren-Widmung nicht ausschlaggebend sein dürfen.

Indem die Vorarlberger Landesregierung eine auf ein bestimmtes Marktsegment eingeschränkte und damit unzureichende Grundlagenforschung betrieben hat und bei der Erlassung der bekämpften Verordnung von einem kompetenzwidrigen Verständnis der Bestimmungen des RPG ausgegangen ist, hat sie die bekämpfte Verordnung mit Gesetzwidrigkeit belastet. Der angefochtene Landesraumplan war daher als gesetzwidrig aufzuheben.

Die Aussprüche über die Festsetzung einer Frist und die Verpflichtung zur Kundmachung stützen sich auf Art139 Abs5 B-VG. Die Fristsetzung soll der Vorarlberger Landesregierung die Möglichkeit gewähren, allfällige legistische Vorkehrungen zu treffen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Sanierung, Gemeinderecht, Selbstverwaltungsrecht, Einkaufszentren, Planungsakte Verfahren (Raumordnung), Verordnungserlassung, Kompetenz Bund - Länder Raumplanung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:V4.1996

Dokumentnummer

JFT_10019375_96V00004_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten