B6 249.092-2/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ als Vorsitzenden und den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Beisitzer über die Beschwerde von K.L., geb. 00.00.1979, StA. Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.04.2008, FZ. 03 36.585-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird gem. § 66 Abs. 2 AVG 1991 BGBl. I Nr. 51 i.d.g.F. im angefochtenen Umfang behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist kosovarische Staatsangehörige, gehört der albanischen Volksgruppe an, ist römisch katholischen Bekenntnisses und war im Heimatstaat zuletzt wohnhaft im Dorf U. in der Großgemeinde G.. Die Beschwerdeführerin reiste laut eigenen Angaben zusammen mit ihrem Mann Frau und ihrer Tochter am 27.11.2003 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.
Vom Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, im Beisein eines Dolmetschers der albanischen Sprache einvernommen, wurde als Fluchtgrund im Wesentlichen angegeben, dass sie ausschließlich wegen der gesundheitlichen Probleme ihrer Tochter nach Österreich gekommen sei. Die Tochter leide unter ernsthaften Nierenproblemen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.03.2004, FZ. 03 36.585-BAT wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 i.d.F. BGBl I 2002/126 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die beschwerdeführende Partei nicht dartun habe können, dass ihr im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung droht (Spruchpunkt I.). Weiters wurde festgestellt, dass gemäß § 8 leg.cit. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in ihren Herkunftsstaat Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.). Dies wurde ausschließlich mit dem Umstand begründet, dass eine ausreichende medizinische Versorgung ihrer Tochter derzeit in ihrem Herkunftsland nicht gewährleistet sei. Weiters wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 15 Abs. 1 iVm 15 Abs. 3 AsylG 1997 i.d.F. BGBl I 2002/126 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.03.2005 erteilt.
Gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides wurde innerhalb offener Frist die Beschwerde (bis 30.06.2008 Berufung) erhoben, welche mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag, GZ. B6 249.092-0/2008/3E, abgewiesen wurde.
Am 14.02.2008 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag beim Bundesasylamt, ihre befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 "längstmöglich" zu verlängern. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass die Lage im Kosovo von einem hohen Maß an Unsicherheit, Gewalt sowie einer höchst angespannten humanitären Lage gekennzeichnet sei und der Zugang zu notwendigen Lebensgrundlagen (Nahrung, Trinkwasser, Wohnung, medizinische Versorgung) für die Beschwerdeführerin und ihre Tochter nicht gesichert wäre.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.04.2008, FZ. 03 36.585-BAT, wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.03.2009 erteilt.
Dagegen wurde innerhalb offener Frist die gegenständliche Beschwerde erhoben, womit die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung um lediglich ein Jahr als zu kurz bekämpft wurde und eine Verlängerung um fünf Jahre gefordert wurde.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (AsylG 2005, BGBL. I Nr. 100 i.d.g.F. BGBl. I Nr. 4/2008) in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.
Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren - abgesehen von im gegebenen Zusammenhang nicht relevanten Bestimmungen - nach dem Asylgesetz 1997 zu Ende zu führen, wobei § 44 dieses Gesetzes gilt. Dieser normiert, dass Verfahren über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt wurden, nach dem Asylgesetzes 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 126/2002 geführt werden, jedoch mit der Maßgabe, dass einzeln aufgezählte Bestimmungen - darunter §§ 8, 15 AsylG - in der Fassung der Novelle anzuwenden sind. Gemäß § 75 Abs. 6 AsylG 2005 gilt einem Fremden, dem am 31.12.2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 oder des AsylG 1997 zugekommen ist, der Status des subsidiär Schutzberechtigten als zuerkannt.
Der beschwerdeführenden Partei wurde gemäß § 15 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 126/2002 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.03.2005 erteilt. Gemäß § 15 Abs. 2 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003, der gemäß der Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 3 leg.cit. seit 01.05.2004 auf die Beschwerdeführerin anwendbar war, behält die Aufenthaltsberechtigung bis zur Entscheidung über die Verlängerung durch das Bundesasylamt Gültigkeit. Demnach war die Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführerin zum Stichtagszeitpunkt 31.12.2005 aufrecht und galt ihr am 01.01.2006 der Status des subsidiär Schutzberechtigten als zuerkannt. Somit war aber hinsichtlich ihres Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung das AsylG 2005 anzuwenden.
2. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt verlängert.
Die befristete Aufenthaltsberechtigung gilt somit bei erstmaliger Erteilung ein Jahr und wird bei weiterem Vorliegen der Voraussetzungen auf Antrag verlängert. Für diese Verlängerung ist keine Frist vorgesehen, sondern kann hierbei die Befristung frei bemessen werden, muss allerdings - entspricht sie nicht der des Antrags - begründet werden, wozu auch eventuell, handelt es sich um eine Gefährdung aus medizinischen Gründen, die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen notwendig werden kann (vgl. Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005 (2008), K31 zu § 8 AsylG, S. 289). Das Ausmaß der Befristung einer Aufenthaltsberechtigung setzt eine prognostische Einschätzung der weiteren absehbaren Entwicklung der Verhältnisse im jeweiligen Herkunftsstaat unter Zugrundelegung des individuellen Parteienvorbringens voraus (vgl. dazu VwGH vom 17.10.2006, GZ. 2005/20/0459 zu § 15 AsylG 1997).
3. Der gegenständliche Antrag war ausdrücklich auf eine "längstmögliche" Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ausgerichtet. Die ausgesprochene Verlängerung um ein Jahr kommt als "längstmögliche" Verlängerung jedenfalls nicht in Betracht. Der bekämpfte Bescheid beschränkte sich neben dem Spruch und der Rechtsmittelbelehrung auf folgende zweizeilige Begründung: "Die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ergibt sich aus der Aktenlage und den Anträgen der Antragsteller".
Aus der Aktenlage ergibt sich jedoch kein erkennbarer Grund für die Erteilung der Verlängerung. Dem Akt liegen lediglich unkommentiert eine Reihe medizinischer Befunde bezüglich der 6-jährigen Tochter der beschwerdeführenden Partei, K.A., sowie je ein den Sohn der beschwerdeführenden Partei, K.R., und die beschwerdeführende Partei selbst betreffender Befund bei, die allesamt jedoch laienhaft betrachtet weder eine akute Lebensbedrohung noch eine entsprechende Therapie der betreffenden Person erkennen lassen. Was wiederum den Antrag der Beschwerdeführerin betrifft, so stützt sich diese vor allem auf die Behauptung, dass für sie und ihre Familie der Zugang zu notwendigen Lebensgrundlagen (Nahrung, Trinkwasser, Wohnung, medizinische Versorgung) im Kosovo nicht gesichert wäre und sie dort einer durch ein hohes Maß an Unsicherheit und Gewalt gekennzeichneten allgemeinen Lage ausgesetzt wären. Diesbezüglich lassen sich aber weder im bekämpften Bescheid, noch aus der Aktenlage Hinweise für entsprechende Ermittlungen bezüglich des Kosovo, aber auch hinsichtlich der konkreten Gründe, warum die beschwerdeführende Partei nunmehr bei einer Rückkehr in eine ausweglose Situation geraten sollte, entnehmen. Zu ihrem Antragsvorbringen wäre die Beschwerdeführerin somit konkret einzuvernehmen gewesen und wären ihr weiters entsprechende Ermittlungsergebnisse zur Situation im Kosovo vorzuhalten gewesen. Ohne diese zur Gänze verabsäumten Ermittlungen kann aber im Beschwerdeverfahren die vom Bundesasylamt defacto unterlassene Begründung für die Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht nachgeliefert werden, die als Grundlage für einen allfällige Prognoseentscheidung im Hinblick auf die zu beurteilende Dauer der Aufenthaltsberechtigung unerlässlich ist.
Der Vollständigkeit halber ist noch anzumerken, dass die in der Beschwerdeschrift behauptete integrative Verfestigung der beschwerdeführenden Partei keinen Einfluss auf die Erteilung von subsidiärem Schutz hat, sondern lediglich bei einer allfälligen Ausweisungsentscheidung mit zu berücksichtigen wäre.
4. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Der Gesetzgeber hat in Asylsachen ein Verfahren vor dem Bundesasylamt mit nachgeordneter Kontrolle durch den Asylgerichtshof eingerichtet. In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln, und es ist gemäß § 19 Abs. 2 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen würden aber unterlaufen, wenn ein Ermittlungsverfahren vor dem Bundesasylamt unterbliebe und somit nahezu das gesamte Verfahren vor den Asylgerichtshof verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Das wäre etwa der Fall, wenn es das Bundesasylamt ablehnte, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es das Kontrollorgan ist, das erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es die umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem in ständiger Rechtsprechung, etwa in den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zahlen 2000/20/0084 und 2002/20/0315 Kriterien für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG im Asylberufungsverfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) aufgestellt, wonach die verfassungsrechtliche Funktion des damaligen unabhängigen Bundesasylsenats als einer obersten Berufungsbehörde ausgehöhlt würde und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert würde, "wenn sich das Asylverfahren einem erstinstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf das Verfahren einzuführen."
Gleiches muss für den nunmehr als Nachfolgebehörde des UBAS eingerichteten Asylgerichtshof gelten, der über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen erkennt und somit eine überprüfende Funktion einnimmt.
5. Im vorliegenden Fall ist das erstinstanzliche Verfahren somit mit erheblichen Verfahrensmängeln behaftet, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Der Asylgerichtshof macht im gegenständlichen Fall von der ihm in § 66 Abs. 3 AVG eingeräumten Möglichkeit der unmittelbaren Beweisaufnahme nicht Gebrauch, da hierdurch keine Ersparnis an Zeit und Kosten zu erwarten ist. Hierbei wird das Bundesasylamt angewiesen, entsprechende Erhebungen zur allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage im Kosovo, zu den persönlichen Verhältnissen der beschwerdeführenden Partei im Kosovo sowie zu einer nachvollziehbaren Klärung der gesundheitlichen Verfassung der Tochter, zu allenfalls in diesem Zusammenhang stehenden Risken sowie zu Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo zu treffen haben. Die Ermittlungsergebnisse werden mit der beschwerdeführenden Partei im Anschluss zu erörtern sein.
6. Im vorliegenden Fall wurde nur ein bestimmter Teil eines Bescheides (nämlich die Dauer der Aufenthaltsberechtigung) bekämpft. Die Entscheidungskompetenz der Rechtsmittelbehörde ist auf diesen Teil beschränkt, wenn der im angefochtenen Bescheid enthaltene Abspruch rechtlich in mehrere selbstständige Teile trennbar ist. Der VwGH ging in seinem Erkenntnis vom 17.10.2006, GZ. 2005/20/0459, im Zusammenhang mit § 15 AsylG 1997 offenbar von einer Trennbarkeit zwischen dem grundsätzlichen Ausspruch der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsbewilligung und der Bestimmung der Dauer der Befristung aus, weshalb auch im konkreten Fall nur der bekämpfte Teil des Bescheides zu beheben war. Im Übrigen ist auf die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 hinzuweisen, die bei allfälligem Vorliegen der Voraussetzungen von Amts wegen anzuwenden ist. Da auf Grund der unter Punkt II.5. angestellten Erwägungen auch nicht gesagt werden kann, dass die unmittelbare Beweisaufnahme durch den Asylgerichtshof bei einer Gesamtbetrachtung zu einer Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde, war spruchgemäß zu entscheiden.