TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/01 E3 235083-0/2008

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Veröffentlicht am 01.10.2008
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Spruch

E3 235.083-0/2008-9E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HERZOG-LIEBMINGER als Vorsitzende und den Richter Mag. HUBER-HUBER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Fr. MITTERMAYR über die Beschwerde der M. alias G.A. alias S., geb. 00.00.1978, StA. Ungeklärt, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.01.2003, FZ. 02 13.660-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesasylamtes. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend: BF) stellte am 23.05.2002, gemeinsam mit ihrem Ehemann, einen Asylantrag und wurde am 13.12.2002 niederschriftlich zu ihrem Asylantrag einvernommen.

 

2. Mit Bescheid vom 10.01.2003, FZ. 02 13.660-BAT, zugestellt durch persönliche Ausfolgung an die BF am 04.02.2003 im Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, wies das Bundesasylamt - ohne weitere Verfahrensschritte - den Asylantrag gemäß §§ 7, 8 AsylG ab.

 

3. Dagegen wurde am 17.02.2003 Berufung (nunmehr als Beschwerde zu werten) eingebracht.

 

4. Mit Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde der gegenständliche Verfahrensakt der Gerichtsabteilung E3 zugeteilt.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Im vorliegenden Fall war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung anzuwenden. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005") anzuwenden.

 

2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde (kraft oben zitierter Bestimmung auch der AsylGH, es bestehen diesbezüglich keine materiellrechtlichen Sondernormen), so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Absatz 3 dieser Gesetzesstelle kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnissen vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt:

 

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

 

In Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Abs 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

 

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Im vorliegenden Fall ist dies in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

 

Die Erstbehörde hat im gegenständlichen Verfahren gänzlich die Sachlage verkannt. So führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie aufgrund der Probleme ihres Ehemannes, einem iranischen Staatsangehörigen mit armenischer Volksgruppenzugehörigkeit, welche dieser in der Ukraine gehabt habe, die Ukraine verlassen habe. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin wurde als glaubhaft erachtet, jedoch hat die Erstbehörde völlig verkannt, dass es sich bei der Beschwerdeführerin gemäß deren Angaben um die Ehegattin eines iranischen Staatsangehörigen handelt und wäre es daher Aufgabe der Erstbehörde gewesen, sich mit der Frage auseinander zu setzen, welche Staatsangehörigkeit die Beschwerdeführerin nach erfolgter Eheschließung besitzt. Indem die Erstbehörde sich mit der Frage der Staatsbürgerschaft der Antragstellerin überhaupt nicht auseinandergesetzt hat und die Abschiebung - ohne nähere Begründung - in den Herkunftsstaat Ukraine ausgesprochen wurde, hat sie das Verfahren mit Rechtswidrigkeit behaftet. Die Erstbehörde wird sohin primär Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin zu treffen haben.

 

Im fortgesetzten Verfahren wird die Erstbehörde jedenfalls auf das bestehende gemeinsame Familienleben der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten, sowie der beiden minderjährigen Kinder, hinreichend Bedacht zu nehmen haben und werden entsprechende dahingehende Ermittlungen (Staatsbürgerschaft der Ehegattin, Einreisemöglichkeit und Aufenthaltnahme der Ehegattin im Iran, Lebensführung im Iran) anzustellen sein. Eine Abschiebung der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten, sowie der gemeinsamen Kinder, in unterschiedliche Staaten kann wohl keinesfalls rechtsrichtig sein.

 

Die entsprechenden Erhebungen und Feststellungen sind im fortgesetzten Verfahren auch insbesondere unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Individualisierung zu treffen. Die Ergebnisse der von der Erstbehörde nun zu treffenden Erhebungen werden sodann seitens der Erstbehörde mit der Beschwerdeführerin persönlich zu erörtern sein.

 

Im übrigen ist auf die Ausführungen im Erkenntnis vom heutigen Tag betreffend den Ehegatten der Beschwerdeführerin, Herrn S.Z., zu verweisen, sowie auf

 

§ 10 Absatz. 5 AsylG aus welchem sich ergibt, dass Verfahren von Familienangehörigen unter einem zu führen sind und kann im Sinne des § 10 Absatz 5 AsylG, wonach die Verfahren "unter einem zu führen" sind, auch der den Asylantrag zurückweisende angefochtene Bescheid betreffend die Beschwerdeführerin keinen Bestand haben (vgl. VwGH v. 18.10.2005, 2005/01/0402 bis 0404).

 

5. Die Rechtssache war daher spruchgemäß an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Erstbehörde wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Mängel zu verbessern haben. Auf § 44 Abs 3 AsylG 1997 idgF ist Bedacht zu nehmen.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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