TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/02 A5 317506-1/2008

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Veröffentlicht am 02.10.2008
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Spruch

A5 317.506-1/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schrefler-König als Vorsitzende und die Richterin Mag. Unterer als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin VB Wilhelm über die Beschwerde des E.P. alias O.E., geb. 00.00.1989 alias 00.00.1971, Staatsangehöriger von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.1.2008, Zl. 07 10.350-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde des E.P. alias O.E. wird gemäß § 3 Abs .1 AsylG 2005 abgewiesen.

 

Gemäß § 8 Abs.1 .Z. 1 AsylG 2005 wird E.P. alias O.E. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

Gemäß § 10 Abs.1 Z. 2 AsylG 2005 wird E.P. alias O.E. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz vom 6.11.2007 abgewiesen, ihm den Status des Asylberechtigten und den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Mit 1.7. 2008 wurde gegenständliche Beschwerdeangelegenheit dem nunmehr erkennenden Senat des Asylgerichtshofes zur Entscheidung zugewiesen.

 

I.3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 aufgrund des aus der Aktenlage als geklärt anzusehenden Sachverhaltes Abstand genommen.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria; seine Identität und sein Geburtsdatum konnten nicht festgestellt werden.

 

II.1.2. Der Genannte reiste am 6.11.2007 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

 

II.1.3. Am Tag der Antragstellung wurde der nunmehrige Beschwerdeführer von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Genannte zu seinen Fluchtgründen an, in einem Dorf gelebt zu haben, in dem auch eine Ölfirma angesiedelt gewesen sei, von der die Dorfgemeinschaft monatlich Geld bekommen habe. Als das Geld einmal nicht ausbezahlt worden sei, habe sich der Beschwerdeführer bei der Firma erkundigt und habe das ausständige Geld für die gesamte Dorfbevölkerung erhalten. Er habe dieses in weiterer Folge dem Dorfältesten übergeben, der mit dem Geld geflüchtet sei. Daraufhin sei der nunmehrige Beschwerdeführer von den übrigen Dorfbewohnern bedroht worden, da sie von ihm das Geld verlangt hätten. Aus diesem Grund sei der nunmehrige Beschwerdeführer nach K. geflüchtet, wo er auch erfahren habe, dass sein Bruder U. getötet worden sei. Aus Angst um sein eigenes Leben habe er Nigeria verlassen. Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der nunmehrige Beschwerdeführer zu Protokoll, mit seinem nigerianischen Reisepass, der ihm in K. ausgestellt worden sei, gereist zu sein, das Dokument aber während seines Aufenthaltes in Libyen verloren zu haben. Er gab weiters den Namen, das Alter und die Wohnadresse seiner Eltern sowie seiner Schwester an.

 

II.1.4. Am 12.12.2007 führte die belangte Behörde die erste niederschriftliche Einvernahme mit dem Beschwerdeführer durch. Er bestätigte dabei, vor der Exekutive zu seinen Fluchtgründen alles gesagt zu haben. Vom Tod seines Bruders, so der Beschwerdeführer, habe er während seines Aufenthaltes in Libyen erfahren. Bei der Summe, die er nach Meinung der Dorfbewohner unterschlagen hätte, habe es sich um 2,5 Mio. Naira gehandelt. Die rund 35 Personen, von denen er bedroht worden sei, hätten ihm vier Tage Zeit für die Wiederbeschaffung des Geldes gegeben. In K. habe er als Christ aufgrund der dort herrschenden Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Christen nicht länger leben können

 

II.1.5 Am 25.1.2008 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des nunmehrigen Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt. Der Genannte gab zu seinen persönlichen Lebensverhältnissen in der Heimat an, bis zum 25.3.2007 mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in einem Dorf namens E. im Verwaltungsbezirk von Port Harcourt gelebt zu haben. Der Beschwerdeführer habe sechs Jahre lang die Grundschule und drei Jahre die Hauptschule besucht. Seine Mutter sei Geschäftsfrau, sie habe am Markt von E. Lebensmittel verkauft, sein Vater sei bereits tot und habe der nunmehrige Beschwerdeführer Gelegenheitsarbeiten angenommen, um sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. In seinem Dorf hätten ungefähr 35 Jugendliche gelebt. Die im Dorf ansässige Ölgesellschaft habe der Jugendgruppe - konkret dem Jugendführer, der ein Freund des Beschwerdeführers sei - am 3.2.2007 Geld ausbezahlt. In das Haus des Jugendführers sei eingebrochen und das Geld gestohlen worden. Da die Jugendgruppe der Meinung gewesen sei, der Jugendführer und der Beschwerdeführer, die im selben Haus gewohnt hätten, hätten das Geld unterschlagen, sei es zu Problemen gekommen. Aus diesem Grund habe der nunmehrige Beschwerdeführer das Dorf verlassen und sei nach K. gegangen. Zwei Monate später sei es in K. zu Auseinandersetzungen zwischen Moslems und Christen gekommen und habe der Beschwerdeführer aus diesem Grund erwogen, wieder in sein Heimatdorf zurückzukehren. Seine Mutter habe ihn ersucht, nicht im Dorf zu bleiben und auch die Dorfältesten hätten ihn gewarnt, da die Jugendlichen, die der Meinung seien, der Beschwerdeführer habe das Geld veruntreut, bereits verschiedene Dinge zerstört hätten. Auf dem Weg nach Hause sei der nunmehrige Beschwerdeführer von Jugendlichen zusammengeschlagen worden. Er sei nach K. zurückgekehrt und letztlich nach Libyen ausgereist.

 

Über Nachfrage der belangten Behörde führte der nunmehrige Beschwerdeführer aus, die Ölfirma habe Geld für die Jugendlichen bezahlt, die keinen Job gehabt hätten, wobei alle zwei Monate rund 2,5, Mio. Naira bezahlt worden seien. Das Geld sei in einer Tasche in den Jugendclub gebracht worden und vom Präsidenten des Clubs aufgeteilt worden. Seit Februar 2006 sei L. Präsident des Jugendclubs gewesen; es sei üblich gewesen, dass dieser das Geld einige Tage behalten und es erst dann über den Beschwerdeführer und dessen Freund namens O. an die Jugendlichen verteilen habe lassen. Der Diebstahl sei am im März 2007 passiert, der Beschwerdeführer habe in jener Nacht im Haus des Präsidenten genächtigt. Er habe gemeinsam mit sieben anderen Personen beim Präsidenten gewohnt, um diesen zu schützen, nachdem es wegen der Geldverteilung mit einem benachbarten Dorf zu Problemen gekommen sei. Die Tür sei in jener Nacht aufgebrochen worden und maskierte Männer hätten das Haus gestürmt und geschossen. Obwohl auch der Beschwerdeführer und die übrigen Beschützer des Präsidenten bewaffnet gewesen seien, hätten sie keine Chance gehabt, sich gegen die Angreifer zu wehren, zumal diese auch in der Überzahl gewesen seien. Der Vorfall sei nicht der Polizei angezeigt worden und die Jugendlichen, denen sie versucht hätten, zu erklären, was passiert sei, hätten kein Verständnis dafür aufgebracht. Bei den darauf folgenden Auseinandersetzungen sei der Präsident verwundet worden; die Jugendlichen hätten angenommen, dass der Präsident und seine Beschützer - darunter auch der Beschwerdeführer - einen konkreten Plan gehabt hätten, ihnen das Geld weg zu nehmen. Einige Wochen später sei das Haus des Beschwerdeführers angezündet worden und dessen Bruder dabei ums Leben gekommen. Davon habe der Beschwerdeführer aber erst nach seiner Ankunft in Österreich erfahren. Er selbst sei nach K. geflüchtet, wo er Arbeit bei einer Sicherheitsfirma gefunden habe, aufgrund der Konflikte zwischen Moslems und Christen dann aber nach rund einem Monat wieder in sein Heimatdorf zurückgekehrt sei.

 

II.1.6. Die belangte Behörde wies den Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf Gewährung von internationalem Schutz ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst mit der fehlenden Glaubwürdigkeit von dessen Angaben. Die belangte Behörde stützte diese Beurteilung auf die widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers und stellte diese im angefochtenen Bescheid im Detail dar.

 

Die belangte Behörde traf umfassende Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria.

 

Zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz führte die belangte Behörde aus, dass im Fall des Beschwerdeführers keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne der Judikatur des EGMR vorlägen, die eine Abschiebung unzulässig machen würden.

 

II.1.9. Der Beschwerdeführer bekämpfte die Entscheidung der belangten Behörde fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008: Beschwerde).

 

II.2. Zur Lage in Nigeria

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Nigeria werden zum Gegenstand des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes erhoben.

 

II.3. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung

 

II.3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 2008/4, nimmt der Asylgerichtshof mit 1.7.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 1.7.2008 außer Kraft.

 

II.3.2.Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes- Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. I/1930, dem Asylgesetz 2005, AsylG 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985- VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991- AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs " Berufung" der Begriff " Beschwerde" tritt.

 

II.3.3.Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.3.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.3.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.3.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

II.3.7. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

II.3.8. Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderen auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

Im gegenständlichen Fall liegen die genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor.

 

Die belangte Behörde hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage geklärt anzusehen.

 

Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2002/20/0533, VwGH vom 2.3.2006, Zl. 2003/20/0317) kann nur dann angenommen werden, dass ein Sachverhalt nicht aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung (nunmehr Beschwerde) als geklärt anzusehen ist, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in einem entscheidenden Punkt nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will.

 

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers nicht vor.

 

Der Asylgerichtshof erachtet es des Weiteren im gegenständlichen Fall nicht für notwendig, die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes um zusätzliche (über bloße Zusatzbemerkungen oder Eventualausführungen hinausgehende) eigene Argumente zu ergänzen. Nach der Rechtssprechung des VwGH widerspräche lediglich diese Notwendigkeit der Annahme eines hinreichend geklärten Sachverhaltes mit der Folge, dass von einer mündlichen Verhandlung nicht Abstand genommen werden dürfte (vgl. VwGH vom 30.9.2004, Zl. 2001/20/0140).

 

II.3.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Auf die oben zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.3.10. Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz am 6.11.2007 gestellt. Daher gelangen im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen des AsylG 2005 vollumfänglich zur Anwendung.

 

II.3.11. Zu Spruchpunkt I

 

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich, aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000,

 

98/20/0233).

 

Der Asylgerichtshof kommt in Würdigung der Ergebnisse des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, der Begründung im angefochtenen Bescheid und in Ansehung der Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Berufungs(Beschwerde)schriftsatz zum Ergebnis, dass die oben genannten Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht vorliegen.

 

Wie die belangte Behörde bereits völlig zu Recht festgestellt hat, hat sich der Beschwerdeführer in dermaßen eklatante Widersprüche verstrickt, dass nicht im Geringsten vom Wahrheitsgehalt seiner Angaben ausgegangen werden kann.

 

Diese Beurteilung bezieht sich zunächst schon auf die persönlichen Lebensverhältnisse des Genannten. So hatte er zunächst die Daten seiner Eltern angegeben und auch behauptet, mit diesen in einem gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben. An anderer Stelle verwies er darauf, dass sein Vater tot sei und versuchte, nach Vorhalt seiner früheren Angaben, dies mit dem Todeszeitpunkt, der bei der Einvernahme im Jänner 2008 drei Monate zurück gelegen sei, zu erklären. Diese Argumentation geht freilich alleine deshalb ins Leere, weil der Vater somit schon zum Zeitpunkt der Antragstellung des Beschwerdeführers im November 2007 hätte tot sein müssen, was der Genannte aber damals keineswegs so dargestellt hatte.

 

Ebenso wenig schlüssig sind die Angaben des Beschwerdeführers über den Zeitpunkt, zu dem er vom behaupteten Tod seines Bruders erfahren haben will. Während er bei der Erstbefragung noch angegeben hatte, in K. vom Tod seines Bruders erfahren zu haben, behauptete er im weiteren Verlaufe des Verfahrens, er habe davon in Libyen gehört und zu guter Letzt gab er sogar zu Protokoll, erst in Österreich über den Tod seines Bruders in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Soweit der Beschwerdeführer im Berufungs(Beschwerde)schriftsatz vermeint, in Libyen davon gehört zu haben, dass sein Bruder verletzt worden sei und er in Österreich dann erfahren habe, dass dieser zwischenzeitlich verstorben sei, handelt es sich nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes um eine bloße Schutzbehauptung, die nicht geeignet ist, diesen Teilaspekt eines gesamt widersprüchlichen Vorbringens schlüssig aufzuklären. In diesem Zusammenhang muss auch berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer an anderer Stelle gegenüber der belangten Behörde davon gesprochen hatte, dass sein Bruder einige Wochen nach dem Gelddiebstahl bei einem Brand des Elternhauses ums Leben gekommen sei.

 

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Detail diverse Widersprüche in Bezug auf die Abläufe rund um die angebliche Geldverteilung bzw. das Verschwinden desselben dargestellt. Es ist zutreffend, dass nicht vom Wahrheitsgehalt ausgegangen werden kann, wenn der Beschwerdeführer in dermaßen knappen Abständen völlig unterschiedliche Versionen schildert. So hat er etwa zu Beginn des Verfahrens davon gesprochen, ihm selbst sei das Geld von der Ölfirma ausgezahlt worden und habe er es dem Dorfältesten übergeben, der dann mit der Summe getürmt sei, während er bei der folgenden Einvernahme von einem Freund spricht, dem das Geld anvertraut und gestohlen worden sei und bei einer weiteren Befragung zu Protokoll gibt, das Geld sei dem Präsidenten des Jugendclubs übergeben und diesem im Beisein des Beschwerdeführers und eines Freundes gestohlen worden.

 

Der Beschwerdeführer vermochte diese eklatanten Divergenzen weder mündlich gegenüber der belangten Behörde aufzuklären, als diese ihn damit konfrontierte, noch gelang ihm eine nachvollziehbare Aufklärung im Berufungs(Beschwerde)schriftsatz, wo er zusammengefasst von einer Reihe von Missverständnissen spricht.

 

Dass die - ohnehin nicht im Einklang stehenden Ausführungen - aber nicht den Tatsachen entsprechen können, zeigt sich auch an diversen Ungereimtheiten, wie etwa der fehlenden Einschaltung der Polizei nach einem Überfall der geschilderten Größenordnung oder dem nicht im Einklang mit der Lebenserfahrung stehenden angeblichen Verhalten der Jugendlichen, nachdem diese von dem Überfall erfahren haben. Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese den Beschwerdeführer verfolgen sollten, wenn dieser doch selbst Opfer war.

 

Insgesamt muss dem Vorbringen daher jegliche Glaubwürdigkeit und somit die Asylrelevanz abgesprochen werden.

 

II.3. 12. Zu Spruchpunkt II

 

Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Beschwerdeführers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Im Sinne der Judikatur des EGMR und des darauf in seiner Rechtssprechung Bezug nehmenden VwGH - vgl. etwa VwGH vom 23.9.2004, Zl. 2004/21/0134 mit weiteren Nachweisen - hat die entsprechende Prüfung von Refoulementschutz dahin gehend zu erfolgen, ob im Herkunftsstaat des Antragstellers eine derart extreme Gefahrenlage herrscht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße droht, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene.

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den der Fremde abgeschoben werden soll, genügt nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH (vgl. E vom 1.7.1999, Zl. 97/21/0804, E. vom 9.5.2003, Zl. 1998/18/0317), nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde.

 

Im Fall des Beschwerdeführers konnten keine derart exzeptionellen Umstände festgestellt werden, die der Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären. Auf die zutreffenden Ausführungen in der Begründung des bekämpften Bescheides wird verwiesen.

 

Der Beschwerdeführer selbst hat auch von sich aus während des gesamten Verfahrens keine Angaben getätigt, die einen Hinweis auf eine solche Verletzung geben würden. Es ist dem Beschwerdeführer als jungem und gesundem Mann zumutbar, sich nach seiner Rückkehr eine eigene Existenz aufzubauen. Vor dem Hintergrund der angenommenen Unglaubwürdigkeit ist außerdem von einer jederzeitigen Rückkehr in den Familienverband auszugehen.

 

II.3.13. Zu Spruchpunkt III

 

Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Im konkreten Fall kommt dem Beschwerdeführer weder ein solches Aufenthaltsrecht zu noch konnte festgestellt werden, dass der Genannte im Fall seiner Ausweisung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Privat- und Familienleben verletzt würde.

 

In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass der Beschwerdeführer erst seit November 2007 in Österreich aufhältig ist und während des Aufenthaltes in Österreich keine Verfestigungs - oder Integrationstatbestände verwirklicht wurden. Solche wurden auch vom Beschwerdeführer selbst nicht behauptet.

 

Ein in Österreich bestehendes Familienleben konnte vom Asylgerichtshof weder festgestellt werden noch wurde das Bestehen eines solchen vom Beschwerdeführer selbst im Beschwerdeschriftsatz behauptet.

 

Die Ausweisungsentscheidung der belangten Behörde steht somit im Einklang mit den gesetzlichen Voraussetzungen und war daher zu bestätigen.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Identität, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
06.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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