D3 305286-3/2008/2E
BESCHLUSS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Kuzminski als Einzelrichter über die Beschwerde des D.A., geb. 00.00.1984, StA. Russische Föderation (Tschetschenien), gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.9.2008, Zl. 08 07.628-EAST Ost, beschlossen:
Der Beschwerde wird gemäß § 37 Abs 1 AsylG 2005 idgF die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Berufungswerber reiste spätestens am 22.03.2005 in das Bundesgebiet ein und brachte an diesem Tag einen (ersten) Asylantrag ein. Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29.03.2005 gab er zu seinem Fluchtgrund an, russische Soldaten hätten ihn im Jänner (2005) mitgenommen und für circa 15 Tage an einem unbekannten Ort festgehalten. Dort sei er mit Händen und Füßen geschlagen und mit Strom gefoltert worden. Er sei öfters festgenommen worden. Es sei um irgendeine Blutrache gegangen, sie hätten wissen wollen, wo sich seine Schwester und sein Schwager befänden. Da er vom Militär mit dem Umbringen bedroht worden sei, habe er seine Heimat verlassen.
Am 05.04.2005 und am 28.08.2006 wurde der Berufungswerber nochmals zu seinem Fluchtgrund befragt Er bestätigte die Richtigkeit seiner Angaben in der Ersteinvernahme und ergänzte sein Vorbringen dahingehend, dass er im Jahr 2005 insgesamt dreimal von russischen bzw. tschetschenischen Soldaten festgenommen und mehrere Tage lang festgehalten worden sei. Man habe ihn jedes Mal über die Kämpfer aus der Nachbarschaft befragt, dabei sei er beschimpft und geschlagen worden. Beim dritten Mal sei er im Zuge seiner 15-tägigen Anhaltung wieder über seine Nachbarn befragt worden, dabei habe man ihm die Rippen gebrochen. Nach der Bezahlung von Lösegeld habe man ihn freigelassen und er habe flüchten können. Sein Vater sei umgebracht worden.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 00.00.2006 wurde der Berufungswerber nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen rechtskräftig verurteilt.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.08.2006, Zl. 05 03.951 BAI, wurde I. der (erste) Asylantrag des Berufungswerbers gemäß § 7 AsylG abgewiesen, II. festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig ist, und III. dieser gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.
Dieser Bescheid wurde aufgrund einer rechtzeitigen Berufung mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 17.09.2007, Zl. 305.286-C1/6E-XV/52/06, behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Am 22.10.2007 fand eine ergänzende Einvernahme des Berufungswerbers statt, in welcher dieser lediglich ausführte, bereits in seiner Einvernahme vom 28.08.2006 alles über seine Probleme erzählt zu haben, er habe dem weder etwas hinzuzufügen noch etwas zu berichtigen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.10.2007, Zl. 05 03.951-BAI, wurde I. der (erste) Asylantrag des Berufungswerbers neuerlich gemäß § 7 AsylG abgewiesen, II. festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig ist, und III. dieser gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen des Berufungswerbers aus näher dargelegten Gründen unglaubwürdig sei und dass gegen ein Refoulement sprechende Gründe nicht vorlägen. Dieser Bescheid wurde dem Berufungswerber am 29.10.2007 durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt und erwuchs mit Ablauf des 12.11.2007 in Rechtskraft.
Der Berufungswerber stellte sodann am 06.12.2007 seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag gab er an, er habe sein Land verlassen, weil er Probleme mit den Russen gehabt habe. Dies habe er jedoch bereits bei seinem ersten Antrag geschildert. Er habe keine neuen Fluchtgründe, im Fall seiner Rückkehr befürchte er, von den Russen umgebracht zu werden. Seit seiner Antragstellung im Jahr 2005 habe er sich durchgehend in Österreich aufgehalten.
Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt vom 12.12.2007 wiederholte der Berufungswerber im Wesentlichen diese Darstellung. In seinem Heimatland werde er nach wie vor von den Sicherheitskräften in Tschetschenien verfolgt. Die Gründe, welche er bei seiner ersten Antragstellung angegeben habe, seien gleich geblieben, bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben. Er habe Angst, von den russischen Sicherheitskräften verfolgt zu werden, weil der Gatte seiner Schwester geflüchtet sei und nunmehr der Berufungswerber den Sicherheitskräften Auskunft über dessen Aufenthaltsort geben solle. Der Berufungswerber führte überdies aus, er habe in Österreich eine litauische Freundin und beabsichtige, diese zu heiraten. Er halte sich manchmal bei Freunden, manchmal auch bei seiner Freundin auf. Außerdem lebe eine Schwester des Berufungswerbers mit ihren Kindern in Bregenz. Seine Schwester habe nach ihrer Heirat im Heimatland nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit dem Berufungswerber gewohnt, im Jahr 2003 habe sie wiederum circa zwei bis drei Monate im Haus der Eltern gewohnt und sei schließlich aus dem Heimatland ausgereist. Nach seiner Ankunft in Österreich habe der Berufungswerber circa acht Monate in der gleichen Pension wie seine Schwester verbracht, ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu dieser habe jedoch nie bestanden.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vom 21.12.2007 zur Wahrung des Parteiengehörs führte der Berufungswerber wiederum aus, dass in Österreich seine Schwester samt ihren Kindern lebe. Weiters habe er seine Freundin nach moslemischer Tradition am 00.00.2007 geheiratet und lebe seither mit dieser im gemeinsamen Haushalt, sei jedoch noch nicht an der gleichen Adresse gemeldet. Seine Mutter habe ihm in einem Telefonat mitgeteilt, dass er nach wie vor von russischen Militärangehörigen gesucht werde, diese seien zum Elternhaus des Berufungswerbers gekommen und hätten nach ihm gefragt. Diese Männer suchten ihn bereits seit dem Jahr 2005.
Eine von der belangten Behörde veranlasste ärztliche Untersuchung des Berufungswerbers durch eine Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin am 18.01.2008 ergab, dass bei diesem keine belastungsabhängige krankheitswerte psychische Störung vorliegt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Berufungswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und II. der Berufungswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Berufung mit der Begründung, dass sich seit dem letzten Asylantrag des Berufungswerbers der maßgebliche Sachverhalt verändert habe. Im Zuge des ersten Verfahrens hätten die Fluchtgründe des Berufungswerbers keine ausreichende Berücksichtigung gefunden. Zwar habe der Berufungswerber keine neuen Tatsachen vorgebracht, er werde jedoch nach wie vor von Männern der Föderation gesucht. Im Fall seiner Rückkehr bestehe daher die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung seiner körperlichen Unversehrtheit. Die neueren Urteile des EGMR zeigten, dass nicht in jedem Fall der Beweis einer individuellen Gefährdung erbracht werden müsse, sondern je nach den Umständen auch gut dokumentierte Belege dafür genügten, dass die betroffene Person in eine nachweisbar gefährliche Situation zurückkehren müsste.
Mit Bescheid vom 21.05.2008, 305.286-2/2E-XV/52/08, wies der Unabhängige Bundesasylsenat die Berufung vom 10.03.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.02.2008, Zahl 07 11.389-EAST Ost, gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 AsylG 2005 ab.
Am 23.08.2008 stelle der Antragssteller im Stande der Schubhaft seinen dritten, nunmehr verfahrensgegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 11.9.2008, Zl. 08 07.628-EAST Ost, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 23.8.2008 gemäß § 68 Absatz 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und wies den Antragssteller gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG nach Russland aus.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, nunmehr vertreten durch RA Mag. Auner, fristgerecht Beschwerde und beantragte unter Verweis auf die allgemeine Situation in Tschetschenien, aber auch die individuellen Erfahrungen des Antragstellers die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Der gegenständliche Akt langte am 30.09.2008 beim Asylgerichtshof ein, was dem Bundesasylamt mittels Telefax vom gleichen Tag mitgeteilt wurde.
Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die Beschwerde wie folgt erwogen:
Gemäß § 61 AsylG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in § 61 Abs 3 AsylG vorgesehen ist durch Einzelrichter. Gemäß § 61 Abs 3 Z 1 lit c und Z 2 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG und über die mit dieser Entscheidung verbundene Ausweisung.
Gemäß § 61 Abs. 4 entscheidet über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 hat der Asylgerichtshof einer Beschwerde gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung (§§ 4 und 5 AsylG 2005 oder § 68 Abs. 1 AVG) verbundenen Ausweisung, binnen sieben Tagen ab Beschwerdevorlage die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kann dabei auch von amtswegen zugesprochen werden (vgl. Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 20053, E1 zu § 37).
Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen die mit der abweisenden Entscheidung verbundene Ausweisung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; Sache des Beschwerdeverfahrens ist nicht nur die Entscheidung über die Zulässigkeit der Ausweisung, sondern auch über die der Ausweisung zu Grunde liegende abweisende Entscheidung des Antrages auf internationalen Schutz. Bei der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde - in Bezug auf die Ausweisung - handelt es sich daher um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass es sich bei den in den Anwendungsbereich der Art. 2, 3 und 8 EMRK reichenden Behauptungen um "vertretbare Behauptungen" handelt.
Aus der dem Asylgerichtshof zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage kann eine Verletzung der durch Art. 3 und 8 EMRK garantierten Rechte bei Ausweisung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, zumal die Situation in der tschetschenischen Republik, aber auch die Situation von ethnischen Tschetschenen in Russland jedenfalls weitere Ermittlungen über die Sicherheit erfordern. Darüber hinaus verfügt der Antragsteller nach eigenen Angaben auch über eine Lebensgefährtin in Österreich.