TE AsylGH Erkenntnis 2008/10/02 B3 234878-5/2008

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Veröffentlicht am 02.10.2008
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Spruch

B3 234.878-5/2008/8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER als Einzelrichterin über die Beschwerde des M.T., geboren am 00.00.1983, kosovarischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. November 2003, Zl. 03 25.520-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) 1991 BGBl. Nr. 51 i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein kosovarischer Staatsbürger, Angehöriger der albanischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens, stammt aus G.. Er stellte am 23. September 2002 einen ersten Asylantrag. Dazu gab er bei seiner Einvernahme am 10. Dezember 2002 vor dem Bundesasylamt - zusammengefasst - Folgendes an: Er habe von 1989 bis 1997 in G. die Grundschule und von 1997 bis 2001 die Allgemeinbildende höhere Schule in K. besucht. Danach habe er in seinem Herkunftsstaat keine Möglichkeit mehr gehabt, die Schule zu besuchen. Das Haus der sechsköpfigen Familie sei größtenteils zerstört, das Familienleben spiele sich daher in einem notdürftig hergerichteten Zimmer in beengten Verhältnissen ab. Sein Vater sei Invalide und nicht arbeitsfähig, weshalb der Beschwerdeführer "nur die eine Möglichkeit ins Ausland zu gehen" gehabt habe, um Arbeit zu finden und Geld zu verdienen. Mit "Behörden, Gerichten, usw." habe er nie Probleme gehabt, er könne aber nicht zurück, da er "dort wieder nichts hätte und wieder keine Arbeit hätte".

 

1.2. Mit Bescheid vom 20. Jänner 2003, Zl. 02 27.426-BAS, wies das Bundesasylamt den ersten Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BG BGBl. I 126/2002 (AsylG), ab (Spruchteil I.) und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die "Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo" zulässig sei (Spruchteil II.). Das Bundesasylamt ging in diesem Bescheid im Wesentlichen davon aus, dass der vorgebrachte Ausreisegrund in keinem Zusammenhang mit einem der Konventionsgründe stehe und auch keine stichhaltigen Gründe vorlägen, dass dem Beschwerdeführer in seiner Heimat "unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe" drohe.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung an den unabhängigen Bundesasylsenat. Dieser führte am 27. März 2003 eine mündliche Verhandlung durch. Mit Bescheid vom 31. März 2003, Zl. 234.878/4-I/01/03, wies der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Er traf neben allgemeinen Feststellungen zum Herkunftsstaat - darunter auch zur Versorgungslage - die Feststellung, dass die Familie des Beschwerdeführers "von den Einträgen ihrer kleinen Landwirtschaft" lebe. Zur Abweisung des Asylantrages wurde festgehalten, dass rein wirtschaftliche Gründe nicht zur Gewährung von Asyl führen könnten.

Zur Refoulement-Entscheidung wurde Folgendes ausgeführt:

 

"Soweit sich der Berufungswerber in der Sache auf die schlechte wirtschaftliche Situation im Kosovo beruft, so sind derart exzeptionelle Umstände, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten, im Falle des Berufungswerbers - der solche Umstände weder behauptet noch bescheinigt hat - nicht ersichtlich (vgl. zu Art. 3 EMRK z.B. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Hinzu kommt, dass vor dem Hintergrund der dargestellten Verhältnisse im Kosovo nicht ersichtlich ist, dass der Berufungswerber bei einer Rückführung in den Kosovo in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Annahme des Bundesasylamtes, es lägen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG vor, als mit dem Gesetz in Einklang stehend. Weiters ist schon deshalb nicht von einer Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 2 FrG auszugehen, da die vom Berufungswerber geltend gemachten Umstände ihre Ursache nicht in den dort aufgezählten Gründen haben. Hinzuweisen ist weiters auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach sich aus schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergibt (VwGH 30.01.2001, Zl. 2001/01/0021)."

 

1.4. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer persönlich am 3. April 2003 übernommen und blieb unbekämpft.

 

2.1. Am 25. August 2003 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Asylantrag. Dazu gab er bei seiner Einvernahme am selben Tag vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen an, er sei nach dem "negativen" Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates im Juni 2003 freiwillig in den Kosovo zurückgekehrt. Dort habe er "absolut keine Chance" gehabt zu arbeiten oder vernünftig zu leben, es gebe "80% Beschäftigungslose". Seine Großmutter, seine Eltern und drei Geschwister würden in einem einzigen Zimmer leben. Der Vater sei Invalide und könne nicht arbeiten. Auch die übrigen Familienangehörigen hätten keine Einkünfte. Daher habe er keinen anderen Weg gesehen, als den Kosovo wieder zu verlassen. Befragt, was er im Falle einer Rückkehr befürchte, antwortete der Beschwerdeführer: "Passieren würde mir nichts, ich wüsste jedoch nicht, wie ich überleben sollte, wenn niemand arbeitet".

 

2.2. Mit Erledigung vom 26. August 2003, Zl. 03 25.520-BAL, wies das Bundesasylamt den zweiten Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo" zulässig sei. Am 1. September 2003 erfolgte ein Zustellversuch gemäß § 23 Abs. 3 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 (ZustG), durch Hinterlegung im Akt. Mit per Telefax vom 28. Oktober 2003 übermittelten Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer durch seine rechtsanwaltliche Vertretung die neuerliche Zustellung und führte dazu im Wesentlichen aus, er habe erst am 17. September 2003 eine Wohnmöglichkeit gefunden, die nun auch seine Abgabestelle sei. Davor habe er keine Abgabestelle gehabt. In eventu stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 71 Abs. 1 AVG" zu bewilligen. Gleichzeitig wurde "vorsorglich" Berufung gegen die genannte Erledigung erhoben.

 

2.3. Mit Bescheid vom 25. November 2003, Zl. 03 25.520-BAL, wies das Bundesasylamt den zweiten Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Begründend führte das Bundesasylamt zunächst aus, dass die unter 2.2. genannte Erledigung an einem Zustellmangel leide. Richtigerweise hätte eine Zustellung nicht gemäß § 23 Abs. 3 ZustG, sondern nach § 25 ZustG vorgenommen werden müssen. Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Heilung lägen nicht vor. Nach "nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage" sei das Bundesasylamt zum Schluss gelangt, dass vom Vorliegen einer entschiedenen Sache auszugehen sei. Der Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 31. März 2003, Zl. 234.878/4-I/01/03, sei sowohl formell als auch materiell rechtskräftig geworden, eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes sei nicht vorgebracht worden. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig im Kosovo gewesen sei, ändere an dieser Beurteilung nichts. Bei seinen diesbezüglichen Wahrnehmungen handle es sich "allenfalls um ein neues Beweismittel [zu dem bereits rechtskräftig entschiedenen] Lebenssachverhalt".

 

2.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte, nun als Beschwerde (vgl. dazu weiter unten) zu behandelnde (und daher in Folge so bezeichnete) Berufung, in welcher - ohne nähere Begründung - ausgeführt wird, der zweite Asylantrag sei zwar ähnlich begründet worden, wie der vorangegangene, es handle sich jedoch um einen neuen Sachverhalt.

 

2.5. Mit Urteil des Landesgerichtes W., wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach §§ 15 Abs. 1, 28 Abs. 2 4. Fall, Abs. 3

1. Fall SMG und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten rechtskräftig verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß 18 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

 

2.6. Mit Bescheid vom 8. November 2004, Zl. SICH40-32.350-2003, erließ die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1. Juli 2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieser gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit c und Z 2 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und die mit dieser Entscheidung verbundenen Ausweisung.

 

2.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

2.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315, in dem weitere von der Rechtsprechung entwickelte Rechtssätze zu § 68 AVG, insbesondere mit Beziehung auf das Asylverfahren, wiedergegebenen werden, und daran anschließend VwGH 20.3.2003, Zl. 99/20/0480 mwN; vgl. auch VwGH 4.11.2004, Zl. 2002/20/0391).

 

2.3. Das erste Asylverfahren wurde am 3. April 2003 rechtskräftig abgeschlossen (siehe oben Punkt I.1.4.). Zur Begründung des zweiten Asylantrages bringt der Beschwerdeführer dieselben Gründe vor, die bereits Gegenstand des ersten Asylverfahrens waren: Neuerlich wurden lediglich wirtschaftliche Probleme im Herkunftsland ins Treffen geführt. Damit wurde eine wesentliche Sachverhaltsänderung nicht einmal behauptet.

 

Da weiters keine Anhaltspunkte für eine vom individuellen Vorbringen unabhängige, wesentliche und entscheidungsrelevante Änderung der Umstände im Herkunftsstaat (vgl. dazu etwa VwGH 7.6.2000, 99/01/0321) des Beschwerdeführers seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens bestehen, erweist sich die Beschwerde im Ergebnis als unbegründet (zur im Kosovo gewährleisteten Grundversorgung siehe überdies den Bericht des (dt.) Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien [Kosovo] vom 29. November 2007, 17f).

 

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
21.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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