S9 315.094-2/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde der O. auch O.M. auch M., geb. 00.00.1982, StA. RUSSISCHE FÖDERATION, vertreten durch Michael Genner, Asyl in Not in 1090 Wien, Währingerstraße 59/2, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.07.2008, FZ. 08 01.280-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) idF. BGBL. I Nr. 100/2005 als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Die Beschwerdeführerin, eine russische Staatsangehörige, reiste am 12.07.2008 aus POLEN kommen illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Sie wurde hierzu am Tag der Antragstellung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen erstbefragt. Dabei gab sie an, sie habe am 03.06.2007 gemeinsam mit ihrer Familie ihr Heimatland legal mit der Bahn von Komsomolskoe über Gudermes und Rostov nach Weißrussland verlassen. Von dort aus sei sie weiter nach POLEN gereist. Sie seien von der Polizei angehalten und in ein Flüchtlingslager gebracht worden. Sie habe auch in POLEN einen Asylantrag gestellt. Sie hätten POLEN verlassen wollen, weil es zu nahe an RUSSLAND sei und ihr Ehegatte zwei Anrufe der russischen Polizei erhalten habe; diese habe seine Telefonnummer von ihrem Schwiegervater erhalten. Ihr Ehegatte habe die Weiterreise mit einem Schlepper namens R. organisiert. Dieser komme mehrmals ins Lager und wickle "solche Geschäfte" ab. Sie hätten das Lager nach Warschau verlassen und seien versteckt in einem LKW nach ÖSTERREICH gefahren. Ihr Heimatland habe sie verlassen, weil ihr Mann verfolgt, zweimal entführt und misshandelt worden sei.
Eine Eurodac-Abfrage vom selben Tag ergab, dass die Beschwerdeführerin am 07.06.2007 in POLEN einen Asylantrag gestellt hatte.
2. Am 17.08.2007 richtete das Bundesasylamt auf der Grundlage des Eurodac-Treffers ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II-VO) an die zuständige Behörde POLENS, welches am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt wurde. Die entsprechende Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2, 2. Satz AsylG 2005 über die Führung von Konsultationen mit POLEN erhielt die Beschwerdeführerin am 20.08.2007. Mit dem am 20.08.2007 beim Bundesasylamt eingelangten Schreiben der polnischen Behörde wurde die Zuständigkeit POLENS gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO bestätigt.
3. Auf der Grundlage einer am 27.08.2007 stattgefundenen Untersuchung übermittelte Dr. D., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, am 28.08.2007 eine Gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren. Der Arzt kam zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin an keiner belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung leide. Es würden keine Affektauffälligkeiten bestehen; der Antrieb sei nicht vermindert und die Stimmungslage sei situationsangepasst. Eine Überstellung nach POLEN sei daher nicht unzumutbar.
4. Am 03.09.2007 fand eine niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, zur Wahrung des Parteiengehörs im Beisein eines Rechtsberaters statt und brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie sei gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihrem minderjährigen Sohn nach ÖSTERREICH gereist. In Wien lebe seit zwei Jahren ihr Bruder, O.A., der eine positive Entscheidung erhalten habe. Seitdem sie in ÖSTERREICH sei, unterstütze er sie; er bringe ihr Kleider und gebe ihr Geld für die Telefonkarte. Sie habe POLEN verlassen, weil sie sich dort nicht sicher fühle. Sie seien von einem unbekannten Mann fotografiert worden. Ein zweiter Mann habe ein Notebook bei sich gehabt. Ihr Ehegatte sei angerufen worden. Sie hätten dies nicht der Polizei gemeldet, weil sie ihnen nicht geholfen hätte. Der FSB suche ihren Ehegatten. Sie habe gehört, dass im Lager Spitzel seien, daher sei sie nicht davon ausgegangen, dass ihr die Polizei helfen werde. Für ihren minderjährigen Sohn würden dieselben Gründe gelten wie für sie und ihren Ehegatten; er habe keine eigenen Fluchtgründe.
5. Mit dem Bescheid vom 01.10.2007, Zahl: 07 07.341- EAST Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz der nunmehrigen Beschwerdeführerin ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 POLEN zuständig sei. Gleichzeitig wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach POLEN ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung nach POLEN gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei.
Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu POLEN, insbesondere zum polnischen Asylwesen sowie zur medizinischen Versorgung. Beweiswürdigend hielt die Erstbehörde im Wesentlichen fest, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht habe, dass sie konkret Gefahr liefe, in POLEN Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihr durch die Überstellung eine Verletzung der durch Art. 3 oder Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 03.10.2007 von einem Organwalter der Polizeiinspektion Reichenau an der Rax persönlich ausgefolgt.
6. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes richtet sich die fristgerecht am 09.10.2007 eingebrachte Berufung.
7. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 19.10.2007, Zl. 315.094-1/2E-VIII/40/07, wurde die Berufung gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
8. Mit Schreiben vom 20.11.2007 teilte das Bundesasylamt der zuständigen Behörde POLENS mit, dass die Beschwerdeführerin und deren Familie flüchtig seien, aufgrund dessen nicht überstellt werden können und daher gemäß Art. 19 Abs. 4 bzw. Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO die achtzehnmonatige Überstellungsfrist gelte.
9. Der gegen die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenates an den VwGH erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des VwGH vom 11.04.2008, Zlen. AW2008/19/0353 bis 0355-2, aufschiebende Wirkung zuerkannt.
10. Mit Beschluss vom 07.05.2008, Zlen. 2008/19/0413 bis 0415-2, lehnte der VwGH die Behandlung der Beschwerde jedoch ab.
11. Die Beschwerdeführerin stellte am 04.02.2008 den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz und wurde hierzu von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen niederschriftlich erstbefragt. Dabei gab sie an, dass sie ihren Angaben bei der ersten Antragstellung nichts hinzuzufügen habe. Es habe sich nichts verändert.
13. Am 09.07.2008 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, zu Wahrung des Parteiengehörs im Beisein eines Rechtsberaters statt. Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen vor, dass ihre Angaben auch für ihre beiden minderjährigen Söhne, M.J. und S., gelten. Sie hätten keine eigenen Asylgründe. Es habe sich seit dem Vorverfahren ein neuer Sachverhalt ergeben: Ihr Bruder, A., sei für sie unabkömmlich. Er befinde sich seit 2005 in ÖSTERREICH. Sie sei ohne Vater aufgewachsen und habe ihr Bruder die Vaterrolle übernommen. Er sei festgenommen und gequält worden und habe trotzdem nicht das Land verlassen, bevor sie verehelicht worden sei. Nach seiner Ausreise hätten sie wöchentlich kurz telefoniert. Er habe ihr, als er erfahren habe, dass ihr Ehegatte festgenommen worden sei, Geld für einen Freikauf geschickt. Jetzt unterstütze er sie auch finanziell; er habe ihr beispielsweise Geld für einen Kinderwagen gegeben. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass beabsichtigt sei, ihre Ausweisung nach POLEN zu veranlassen, gab die Beschwerdeführerin an, sie wolle auf keinen Fall nach POLEN. Sie wolle hier bei ihrem Bruder bleiben. Sie habe gehört, dass es in POLEN Skinheads gebe, die Tschetschenen verprügeln würden. In POLEN könne sie niemand beschützen. Es gebe keinen Unterschied zwischen POLEN und Tschetschenien; es sei egal ob sie von Maskierten oder von radikalen aggressiven Burschen bedroht werde. Die Skinheads würden in Zimmer eindringen und die Leute verprügeln. Dies habe auch der Freund ihres Gatten, I.R., beobachtet. Die Polizei würde gegen derartige Übergriffe nichts unternehmen.
Die Beschwerdeführervertreterin beantragte eine weitere psychologische Untersuchung und die Familie zum Verfahren zuzulassen, weil eine außergewöhnliche "vaterähnliche" Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem Bruder bestehe. Eine Ausweisung verstoße daher gegen Art. 8 EMRK.
Auf die Frage nach psychischen Problemen ihrer Kinder führte die Beschwerdeführerin aus, ihr Sohn, J., sei sehr gereizt; er spüre, dass etwas los sei.
14. Auf der Grundlage einer am 14.07.2008 stattgefundenen Untersuchung übermittelte Dr. D., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, am 15.07.2008 eine Gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren. Der Arzt kam zu dem Schluss, dass keine belastungsabhängige krankheitswertige Störung vorliege und eine Überstellung nach POLEN daher keine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin bewirke. Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis seien nicht gestört; der Antrieb sei gegeben. Die Stimmungslage sei leicht subdepressiv gefärbt. Es bestehe keine flotierende Angst, keine Suizidalität. Die Stimmungslage sei in beiden Skalenbereichen affizierbar.
15. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 22.07.2008, Zahl: 08 01.280-EAST Ost, wurde der Antrag auf internationalen Schutz der nunmehrigen Beschwerdeführerin ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 POLEN zuständig sei. Gleichzeitig wurde die nunmehrige Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach POLEN ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung nach POLEN gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei.
Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu POLEN, insbesondere zum polnischen Asylwesen sowie zur medizinischen Versorgung. Beweiswürdigend hielt die Erstbehörde im Wesentlichen fest, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht habe, dass sie konkret Gefahr liefe, in POLEN Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihr durch die Überstellung eine Verletzung der durch Art. 3 oder Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte.
16. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht am 07.08.2008 eingebrachte Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin im Wesentlichen die Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptete. Sie habe der Verhandlung nicht folgen können, weil sie in Russisch einvernommen worden sei, obwohl sie angegeben habe, dass sie Tschetschenisch spreche. Sie beherrsche die russische Sprache aufgrund ihrer geringen Schulbildung nur unzureichend. Das Bundesasylamt habe seine Ermittlungspflicht unterlassen; es hätte als Zeugen ihre beiden Brüder, O.A. und C. einvernommen müssen, um die Intensität der Beziehung zwischen den Geschwister feststellen zu können. Sie seien vorerst in Wien untergebracht worden. Danach seien sie in die Steiermark im Rahmen der Grundversorgung verlegt worden. Sie habe mehrmals versucht auf legalem Weg nach Wien zu kommen, ohne die Leistungen aus der Grundversorgung zu verlieren; dies sei allerdings nicht möglich gewesen. Eine Ausweisung nach POLEN würde daher ihre in Art. 8 EMRK gewährleisteten Grundrechte verletzten. Aufgrund des Vertretens rechtlicher Sonderpositionen gegenüber tschetschenischen Asylwerbern bestehe die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin nicht den benötigten Schutz in POLEN bekomme und in der Folge eine Abschiebung in den Verfolgerstaat befürchten müsse. Überdies seien die Lager in POLEN nicht sicher, da Skinheads in die Lager eindringen und Tschetschenen verprügeln würden. Auch wenn sie subsidiären Schutz in POLEN erhalten würde, würde dies den Entzug von existenziellen Lebensgrundlagen bedeuten. Überdies leide sie an einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung und sei dies in Hinblick auf Art. 3 EMRK relevant. In POLEN gebe es keine ausreichende medizinische oder psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeit.
Mit der Beschwerdeschrift wurde ein psychologisches Gutachten des Vereins Omega vorgelegt. Der Psychiatrische Befund des Vereins Omega vom 00.03.2008 belegt, dass die Beschwerdeführerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide.
II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den Ausführungen zu Punkt I sowie aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.
2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.
Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein nicht gemäß § 4 AsylG 2005 erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.
2.1.1.1. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit der Republik POLEN gemäß Art. 16 Abs 1 lit c Dublin II VO kraft vorangegangener erster Asylantragstellung in der Europäischen Union gemäß Art 13 Dublin II VO besteht. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren nicht bestritten worden.
Ebenso unbestritten ist im Asylverfahren der Beschwerdeführerin noch keine Sachentscheidung in POLEN gefallen.
2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.
Im Lichte des Art. 7 VO 1560/2003 ergibt sich auch keine Verpflichtung seitens der beteiligten Mitgliedstaaten oder seitens der Regelungen der Dublin II VO, dass die Überstellung in einer Weise durchgeführt wird, die potentiell belastenden Zwangscharakter aufweist.
2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).
Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.
Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Im vorliegenden Fall leben zwei Brüder der Beschwerdeführerin in Österreich. Diesbezüglich ist zunächst auszuführen, dass die Beziehung zwischen Geschwistern von der oben zitierten Judikatur des EGMR nicht grundsätzlich umfasst wird. Es ist daher zu prüfen, ob die vom EGMR geforderte Beziehungsintensität im gegenständlichen Fall vorliegt. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass die Brüder der Beschwerdeführerin bereits seit mehreren Jahren in Österreich leben, während die Beschwerdeführerin selbst erst circa ein Jahr in Österreich aufhältig ist und mit ihren Verwandten nicht in gemeinsamen Haushalt lebt (siehe ZMR-Auskunft). Ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis ist der Aktenlage ebenfalls nicht zu entnehmen, dies insbesondere deshalb, weil ihr Lebensunterhalt bis 23.08.2008 durch die Grundversorgung gewährleistet war (vgl. GVS). Daran ändern auch die von der Beschwerdeführerin angegebenen finanziellen Zuwendungen ihres Bruders nichts, weil diese zu unregelmäßig sind, als dass man von einer finanziellen Abhängigkeit im Sinne der oben zitierten EGMR-Judikatur ausgehen könnte. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Angaben der Beschwerdeführerin im Widerspruch zu denen ihres Gatten stehen. Während ihr Ehegatte vorbrachte, dass seine Verwandten einen Umzug nach Graz ermöglicht hätten, damit seine Familie in deren Nähe sei, führte die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeschrift aus, sie seien im Rahmen der Grundversorgung - das heißt, unfreiwillig - nach Graz verlegt worden und sei sie daher von ihren Brüdern getrennt worden. Es besteht daher lediglich ein loser Kontakt im Sinne von gegenseitigen Besuchen und Telefonaten. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11).
Es kann daher im gegenständlichen Fall nicht von der vom EGMR geforderten Beziehungsintensität gesprochen werden, weshalb eine Ausweisung keinesfalls in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat und Familienleben darstellt.
2.1.2.2. Kritik am polnischen Asylwesen
Konkretes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass POLEN in Hinblick auf tschetschenische Asylwerber unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden. Der bloße Umstand, dass eine Reihe von Asylverfahren negativ endet (wobei in POLEN notorischerweise AntragstellerInnen aus Tschetschenien zumindest tolerierten Aufenthalt erhalten) ist mangels Bestehens eines allgemeinen Konsenses über eine Gruppenverfolgung von Tschetschenen in Russland (auch in Österreich wird eine solche in der Regel nicht bejaht) und mangels verifizierbarer Angaben über ein Fehlverhalten polnischer Behörden im vorliegenden Fall kein ausreichendes Argument die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG erschüttern zu können.
Die aktuellen auf Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation beruhenden Feststellungen des Bundesasylamtes zu POLEN, die in der erstinstanzlichen Einvernahme vorgehalten wurden, werden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt. Hervorzuheben ist insbesondere, dass bei tschetschenischen Antragstellern aus POLEN praktisch keine Abschiebungen in die Russische Föderation erfolgen. Aus einer Mitteilung des Verbindungsbeamten des BMI in POLEN vom 23.08.2007 geht hervor, dass die jüngsten Änderungen in der polnischen Gesetzeslage für Fremde und Asylwerber insbesondere die Einführung des subsidiären Schutzes entsprechend gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben betreffen sollen. Die Einführung des "subsidiären Schutzstatus" neben Flüchtlingsstatus und "tolerated stay" lässt ebenso keine potentielle Gefährdung tschetschenischer Schutzsuchender erkennen, sodass auf die näheren Details des Inkrafttretens der jeweiligen Regelungen und des genauen Inhalts vorangegangener Gesetzesänderungen hier mangels Entscheidungsrelevanz nicht näher einzugehen war, da jedenfalls keine dieser Gesetzesänderungen Grund zur Annahme gibt, dass POLEN nunmehr allgemein oder im Besonderen gegenüber tschetschenischen Schutzsuchenden bedenkliche Sonderpositionen verträte.
Zur allgemeinen Versorgung von Asylwerbern in POLEN, denen "tolerated stay" zuerkannt wurde, steht unwidersprochen fest, dass solchen Personen die gleichen sozialen Rechte zuerkannt werden, wie polnischen Staatsbürgern. Der Verbleib in Flüchtlingslagern ist, wie nunmehr hervorgekommen ist, in Einzelfällen auch länger als 3 Monate nach Statuszuerkennung möglich. Das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik ist gesetzlich mit der Integration auch dieser Personengruppen betraut und diesbezüglich auch aktiv tätig. Die rasche Reaktion der polnischen Behörden auf den Zuwachs an Antragstellern in der 2. Jahreshälfte 2007 (Bau neuer Flüchtlingsunterbringungsstätten) zeigt, dass die entsprechenden Verpflichtungen tatsächlich ernst genommen werden.
2.1.2.3. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in POLEN
Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach POLEN nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine Existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.
In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).
Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. vs. the United Kingdom).
Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs. UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.
Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.
Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.
Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.
Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach POLEN sind der Aktenlage nicht zu entnehmen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Gutachterliche Stellungnahme von Dr. D., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 15.07.2008 zuweisen, wonach die Beschwerdeführerin an keiner belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung leide. Der von der Beschwerdeführerin vorgelegt Psychiatrische Befund des Vereins Omega ist nicht geeignet dieser Gutachterlichen Stellungnahme entgegen zutreten; dies insbesondere deshalb, weil sich im Psychiatrischen Befund keine Äußerungen zur Überstellungsfähigkeit des Beschwerdeführers finden.
Des Weiteren ist auf die Feststellungen der Erstbehörde zur medizinischen Versorgung in POLEN zu verweisen. Die Auskünfte der Staatendokumentation lassen sehr wohl den Schluss zu, dass auch eine psychologische Versorgung besteht, die jedenfalls im Lichte der Judikatur des EGMR zu Krankheiten eine existenzbedrohende Gefährdung von psychisch kranken Personen qualifiziert unwahrscheinlich erscheinen lässt. Der Asylgerichtshof verkennt dabei nicht, dass es in der medizinischen Versorgung in POLEN (wie in vielen anderen Staaten) Verbesserungsbedarf gibt, dies tangiert zum einen jedoch nicht per se den Schutzbereich des Art. 3 EMRK, zum anderen ist aufgrund der Feststellungen des Bundesasylamtes davon auszugehen, dass es jedenfalls keine schwerwiegenden Unterschiede zu Österreich gibt (alle Krankheiten grundsätzlich behandelbar).
Zusammenfassend liegt zwar eine psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin, aber kein außergewöhnlich schweres oder komplexes Krankheitsbild vor, welches in POLEN ausnahmsweise nicht behandelt werden könnte.
Es stellt daher eine Überstellung des Beschwerdeführers nach POLEN keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dar.
2.1.2.4. Bedrohung durch russische/tschetschenische Staatsangehörige bzw. Skinheads in POLEN
Das entsprechende vage Vorbringen der Beschwerdeführerin kann in Ermangelung irgendwelcher Informationen, wonach die polnischen Sicherheitsorgane entgegen ihren asylrechtlichen Verpflichtungen systematisch mit russischen Organen oder Skinheads kooperierten (entsprechende Belege wurden auch nicht erbracht), - bereits unbeschadet der Frage der Glaubwürdigkeit - nicht als relevant im Hinblick auf eine allfällige erheblich wahrscheinliche Verletzung des Art 3 EMRK gewertet werden.
Darüber hinaus ist grundsätzlich von Amts wegen nicht bekannt ist, dass der polnische Staat die Menschenrechte nicht achte oder an sich nicht in der Lage sei Menschenrechte sowie Leib und Leben von Menschen zu schützen, und dem Beschwerdeführer bei allfälligen gegen ihn gerichteten kriminellen Handlungen in POLEN nicht die Möglichkeit offen stände, diese zur Anzeige zu bringen und staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Somit kann im konkreten Fall bei einer Rückkehr kein reales Risiko für die Beschwerdeführerin erblickt werden.
2.1.2.5. Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeschrift nunmehr behauptet, dass sie den Einvernahmen vor dem Bundesasylamt bzw. der Untersuchung aufgrund der Befragung in Russisch nicht folgen konnte, da sie aufgrund ihrer geringen Schulbildung nur unzureichend Russisch verstehe, ist ihr einerseits entgegenzuhalten, dass sie bereits im ersten Asylverfahren durchwegs in russischer Sprache einvernommen wurde und dies nach der Aktenlagen - es wurde in der der Berufungsschrift im ersten Verfahren zumindest nicht behauptet - kein Problem dargestellt hatte. Im Übrigen wurde die Beschwerdeführerin nach der Einvernahme seitens des Bundesasylamtes mehrmals gefragt, ob sie den Dolmetscher verstanden habe, was sie mit "Ja." beantwortet hatte. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass etwaige Verständnisprobleme bestanden hatten und geht daher die diesbezügliche Behauptung der Beschwerdeführerin ins Leere.
2.1.2.6. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art 3 Abs. 2 VO 343/2003 infolge drohender Verletzung von Art 3 oder Art 8 EMRK zu verpflichten.
2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.
2.2. Spruchpunkt II:
Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung der Beschwerdeführerin erforderlich erscheinen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.
2.3. Gemäß § 41 Abs 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.